Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 15 BK 57/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 BK 22/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 KG 1/14 R
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 11.10.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Kinderzuschlag in der Zeit von Oktober 2009 bis Oktober 2010 hat.
Die 1975 geborene Klägerin bezog Kinderzuschlag für 5 Kinder in der Zeit von Oktober 2008 bis März 2009 monatlich in Höhe von 690,- EUR und von April bis September 2009 von monatlich 700,- EUR. Der Ehemann der Klägerin ist als Speditionsarbeiter tätig mit einem Brutto-Arbeitsentgelt von 1.521,35 EUR (netto 1.159,55 EUR). Mit Schreiben vom 14.09.2009 zeigte die Klägerin an, sie sei Miterbin des am 00.00.2009 verstorbenen H M geworden. Der auf sie entfallene hälftige Anteil des Erbes belaufe sich auf 86.926,94 EUR. Das Testament des Erblassers H M enthält folgende Auflage: "Der Testamentsvollstrecker soll B H und ihrem Kind nach Möglichkeit aus den Früchten des Vermögens dauerhafte Zuwendungen sichern. Er soll versuchen, den Stamm des ererbten Vermögens zu erhalten. Ist dies nach seinem freien Ermessen untunlich, soll er das ererbte Vermögen in angemessenen, seiner freien Ermessensentscheidung unterliegenden Raten an die Erbin auszahlen." Vor diesem Hintergrund bat die Klägerin um Mitteilung, welchen monatlichen Betrag die Beklagte als Schonvermögen akzeptieren würde, ohne die sonstigen Leistungen der Familie H zu kürzen. Zudem erklärte sie, dass die Familie H Schulden in Höhe von 1.500,- EUR habe, die zur Entlastung in einer Summe abgelöst werden sollten. Darüber hinaus sei der PKW der Familie nach einem Defekt verschrottet worden. Es sei beabsichtigt, einen gebrauchten Bulli anzuschaffen, bei dem davon ausgegangen werde, dass es sich dabei gleichfalls um Schonvermögen handele. Nachdem ursprünglich der gesamte Kinderzuschlag für den Zeitraum April bis September 2009 in Höhe von 4.200,- EUR (6 x 700,- EUR) von der Klägerin erstattet verlangt worden war, reduzierte die Beklagte die Überzahlung unter Vorbehalt geleistetem Kinderzuschlag auf 145,- EUR mit der Begründung, mangels Zuflusses werde das Erbe nicht angerechnet. Vom 22.09. bis 31.12.2009 bewilligte die Gemeinde X mit Bescheid vom 22.12.2009 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) in Höhe von 86,01 EUR für Oktober, in Höhe von 186,01 EUR für November und Dezember 2009, mit dem Hinweis, die Vorläufigkeit beziehe sich auf die Auszahlung bzw. Zuteilung evtl. Zuwendungen aus der Erbmasse von Herrn H M. Zurzeit würden etwaige Zuwendungen vorläufig pauschal mit 150,- EUR monatlich berücksichtigt. Mit Bescheid vom 04.01.2010 bewilligte die Gemeinde X für Januar 2010 Leistungen von 31,01 EUR und für Februar Leistungen in Höhe von 339,01 EUR. Mit weiterem Bescheid vom 22.02.2010 wurden Leistungen nach dem SGB II ab 01.03.2010 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit mit der Begründung versagt, es bestehe die Möglichkeit, anstelle der SGB II-Leistungen Kinderzuschlag sowie Wohngeld zu erhalten. Der Antrag sei rückwirkend auch für den Zeitraum ab 01.10.2009 bei der Familienkasse zu stellen, seitens des SGB II-Leistungsträgers werde ein entsprechender Ersatzanspruch gegenüber der Familienkasse geltend gemacht werden. Mit Bescheid vom 09.04.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung von Kinderzuschlag ab 01.10.2009 ab, da das zu berücksichtigende Vermögen der Klägerin in Höhe von 67.886,90 EUR den errechneten Bedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1.459,17 EUR übersteige.
Die Klägerin widersprach dem und machte geltend, das ererbte Vermögen stehe nicht zu ihrer Disposition und könne nicht als zugeflossenes Vermögen angesehen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 04.10.2010 erhobene Klage. Zur Begründung macht die Klägerin geltend, sie habe mit ihrer Familie in der Zeit vom 22.09.2009 bis 28.02.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erhalten. Die Gemeinde X habe sie mit Schreiben vom 22.02.2010 aufgefordert, bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung des Kinderzuschlages für die Zeit rückwirkend ab 01.10.2009 sowie laufend ab 01.03.2010 zu stellen. Nach der letztwilligen Verfügung des Erblassers H M sei davon auszugehen, dass dieser die Zuwendungen an die Klägerin und ihre Kinder ohne Anrechnung auf öffentliche Leistungen, mithin als Schonvermögen habe verstanden wissen wollen. Auf gerichtliche Veranlassung hat die Klägerin mitgeteilt, der Nachlass des Erblassers H M habe sich nach Abzug aller Verbindlichkeiten auf 220.888,60 EUR netto belaufen, so dass auf die Klägerin und den Miterben L jeweils ein Betrag von 110.444,30 EUR entfallen sei. Die Eigentumswohnung des Erblassers sei von dem Miterben L durch notariellen Kaufvertrag vom 10.07.2009 erworben worden. Die Hälfte des Veräußerungserlöses sei dem Nachlassvermögen der Klägerin zugeflossen. Die Klägerin erhalte derzeit eine monatliche Zahlung in Höhe von 500,- EUR zur Absicherung ihres Lebensunterhalts und zur Kompensierung des Ausfalls des Kinderzuschlages. Mit Abtretungsvereinbarung vom 21.09.2010 hat die Klägerin ihre Ansprüche gegenüber der Beklagten auf Kinderzuschlag an den Testamentsvollstrecker abgetreten. Die Klägerin hat des Weiteren einen Vertrag vom 19.01.2010 in Kopie zu den Akten gereicht, mit dem der Testamentsvollstrecker mit Mitteln aus dem Nachlass einen Gebrauchtwagen der Marke Opel Vivaro zu einem Kaufpreis von 12.500,- EUR erworben und durch Leihvertrag vom 22.01.2010 der Klägerin sowie deren Ehemann zum unentgeltlichen Gebrauch überlassen hat. Ferner ist vorgelegt worden eine Aufstellung über die in der Zeit vom 08.10. bis 23.11.2009 beglichenen Verbindlichkeiten der Klägerin aus dem Nachlass.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.04.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2010 zu verurteilen, ihr Kinderzuschlag ab 01.10.2009 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 11.10.2012 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht mit dem angefochtenen Bescheid die Gewährung von Kinderzuschlag mit Wirkung ab 01.10.2009 wie auch ab 01.03.2010 abgelehnt. Kinderzuschlag erhielten gemäß § 6 a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) Personen u. a. dann, wenn durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird (§ 6 a Abs. 1 Nr. 4). Hilfebedürftig gemäß § 9 Abs. 1 SGB II sei, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhalte. Nach § 12 SGB II seien als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen; dazu könnten bewegliche Sachen ebenso gehören wie Immobilien und Forderungen. Nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II seien als Vermögen allerdings nicht zu berücksichtigen Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich sei oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Abgestellt auf den Antrag der Klägerin und der Bedarfsgemeinschaft auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II mit Wirkung ab 22.09.2009 handele es sich bei dem Erbe von Herrn H M zu diesem Zeitpunkt um Vermögen. Die Klägerin sei nicht hilfebedürftig gewesen, da das Erbe in Höhe von 110.444,30 EUR Vermögen darstelle, das nach Abzug von Freibeträgen für die Klägerin von 5.100,- EUR und ihren Ehemann von 6.750,- EUR sowie eines Freibetrages für notwendige Anschaffungen von 750,- EUR insgesamt in Höhe von 97.844,30 EUR zu berücksichtigen gewesen sei bzw. sei. Vermögen sei verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen und belastet werden könnten. Sei der Inhaber dagegen in der Verfügung über den Gegenstand beschränkt und könne er die Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen, sei von der Unverwertbarkeit des Vermögens auszugehen. Der Begriff der Verwertbarkeit in § 12 Abs. 1 SGB II habe den Bedeutungsgehalt, den das Bundessozialgericht (BSG) bereits in einer früheren Entscheidung zum Recht der Arbeitslosenhilfe mit dem Begriff der Möglichkeit des "Versilberns" von Vermögen umschrieben habe (BSG, Urteil vom 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R ). Zum Zeitpunkt der Beantragung der Leistungen im September 2009 sei das von der Klägerin geerbte Vermögen auch verwertbar. Einer Verwertung des Vermögens habe insbesondere nicht die vom Erblasser angeordnete Dauertestamentsvollstreckung für 20 Jahre entgegen gestanden. Soweit der Testamentsvollstrecker nach dem Willen des Erblassers der Klägerin und ihren Kindern nach Möglichkeit aus den Früchten des Vermögens eine dauerhafte Zuwendung sichern sollte, spreche bereits die Formulierung "nach Möglichkeit" gegen eine Verfügungsbeschränkung. Vielmehr werde durch den Nachsatz: "Ist dies nach seinem freien Ermessen untunlich, soll der Testamentsvollstrecker das ererbte Vermögen in angemessenen, seiner freien Ermessensentscheidung unterliegenden Raten an die Erbin auszahlen" - verdeutlicht, dass auf die Bedürftigkeit der Klägerin und ihre persönlichen Lebensumstände abgestellt werden soll. Unabhängig von dieser sich an dem Wortlaut der Regelung im Testament orientierenden Auslegung werde eine Verfügungsbeschränkung aber auch als sittenwidrig und damit unwirksam gemäß § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beurteilt werden müssen. Die zum "behinderten Testament" entwickelte zivilgerichtliche Rechtsprechung, wonach es grundsätzlich nicht sittlich zu missbilligen sei, wenn der Erblasser bei der Zuwendung dem grundsicherungs- und sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatz nicht unter allen Umständen Geltung verschaffe (BGHZ 111, 36), finde auf den hier vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung, da es sich um keine verwandtschaftliche Beziehung zwischen Klägerin und dem Erblasser handele. Dieser sei verwitwet gewesen und hätte keine Abkömmlinge gehabt. Er sei auch nicht der Klägerin bzw. ihren Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet gewesen. Dass der Testamentsvollstrecker selbst von keiner Verfügungsbeschränkung ausgehe, zeige auch die Begleichung der Verbindlichkeiten der Klägerin im Umfang von 2.331,08 EUR, die Anschaffung des KFZ Opel Vivaro zum Kaufpreis von 12.500,- EUR sowie die monatlichen Zuwendungen von 500,- EUR, die als Ausgleich für die ausgefallene Zahlung von Kinderzuschlag bezeichnet würden. Auch wenn es dem Erblasser ein Anliegen gewesen sein möge, der Klägerin ein Stammvermögen zu sichern, stehe dem der Grundsatz des SGB II-Leistungsrechts entgegen, wonach nur derjenige anspruchsberechtigt sein solle, der seinen Lebensunterhalt und den seiner Angehörigen nicht selbst decken könne. Da die Leistungen aus öffentlichen Steuermitteln gewährt werden würden, dürften diese nicht zur Vermögensbildung verwandt werden. Dies sei aber der Fall, wenn das geerbte Vermögen nach Abzug der Freibeträge als Schonvermögen behandelt werden würden. Hilfebedürftigkeit nach §§ 7, 9 SGB II läge daher in der Person der Klägerin und den weiteren Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft nicht vor, so dass durch die Gewährung von Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II auch nicht vermieden werden könne.
Das Urteil ist der Klägerin am 13.11.2012 zugestellt worden und sie hat hiergegen am 12.12.2012 Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts stünde die vom Erblasser angeordnete Dauertesttamentsvollstreckung für 20 Jahre einer Verwertbarkeit des ererbten Vermögens entgegen. So habe nach der alten Gesetzeslage zum Sozialhilferecht, ein Fall der rechtlichen Unverwertbarkeit dann vorgelegen, wenn der Hilfesuchende einer zumindest nicht vorübergehenden Verfügungsbeschränkung unterlegen habe. Warum die Testamentsvollstreckungsanordnung sittenwidrig und damit unwirksam i. S. d. § 138 BGB sein solle, sei nicht nachvollziehbar. Gerade, weil die Testierfreiheit durch Art. 14 GG verfassungsrechtlich gestützt sei, stünde dies einer Sittenwidrigkeit einer Testamentsvollstreckeranordnung entgegen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Münster vom 11.10.2010 wird der Bescheid der Beklagten vom 09.04.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2010 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab Oktober 2009 Kinderzuschlag in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 15.05.2013 darauf hingewiesen, dass er die Berufung einstimmig für unbegründet hält, und zu einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört. Der Senat habe dem angefochtenen Urteil nichts hinzuzufügen. Die Klägerin hat mitgeteilt, dass sie die Berufung nicht zurücknehme.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und deshalb eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu angehört worden.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zur Begründung nimmt der Senat zunächst gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die Erwägungen der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage im Wesentlichen zu Eigen macht.
Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ergibt sich keine für die Klägerin günstigere Entscheidung. Insbesondere stellt die Zuwendung durch das Testament des Herrn H M kein Schonvermögen dar.
Der Verwertung des Vermögens stand insbesondere nicht die vom Erblasser angeordnete Dauertestamentsvollstreckung für 20 Jahre entgegen. Dies ergibt sich bereits aus der wörtliche Formulierung der Erblassers, wonach das Erbe zumindest in angemessenen Raten ausgezahlt werden solle, sofern die Erhaltung des Erbstammes nach Ermessen des Testamentsvollstreckers untunlich sei. Zur Begründung wird im Einzelnen auf die Ausführungen des Ausgangsgerichts verwiesen.
Zum Vortrag der Klägerin nun im Berufungsverfahren - nach der alten Gesetzeslage zum Sozialhilferecht hätte ein Fall der rechtlichen Unverwertbarkeit vorgelegen, ist anzumerken, dass dies im Ergebnis unerheblich ist, denn die Hilfesuchende hat hier gerade keiner - auch nicht einer nur vorübergehenden Verfügungsbeschränkung - unterlegen.
Insofern kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht mehr darauf an, ob eine mögliche Verfügungsbeschränkung sittenwidrig ist oder etwa vor dem Hintergrund des Art. 14 GG geschützt ist, da das geerbte Vermögen zum Zeitpunkt der Beantragung der Leistungen im September 2009 für die Klägerin auch verwertbar war.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG von der Klägerin vorgetragen wurden und auch nicht für den Senat ersichtlich sind.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Kinderzuschlag in der Zeit von Oktober 2009 bis Oktober 2010 hat.
Die 1975 geborene Klägerin bezog Kinderzuschlag für 5 Kinder in der Zeit von Oktober 2008 bis März 2009 monatlich in Höhe von 690,- EUR und von April bis September 2009 von monatlich 700,- EUR. Der Ehemann der Klägerin ist als Speditionsarbeiter tätig mit einem Brutto-Arbeitsentgelt von 1.521,35 EUR (netto 1.159,55 EUR). Mit Schreiben vom 14.09.2009 zeigte die Klägerin an, sie sei Miterbin des am 00.00.2009 verstorbenen H M geworden. Der auf sie entfallene hälftige Anteil des Erbes belaufe sich auf 86.926,94 EUR. Das Testament des Erblassers H M enthält folgende Auflage: "Der Testamentsvollstrecker soll B H und ihrem Kind nach Möglichkeit aus den Früchten des Vermögens dauerhafte Zuwendungen sichern. Er soll versuchen, den Stamm des ererbten Vermögens zu erhalten. Ist dies nach seinem freien Ermessen untunlich, soll er das ererbte Vermögen in angemessenen, seiner freien Ermessensentscheidung unterliegenden Raten an die Erbin auszahlen." Vor diesem Hintergrund bat die Klägerin um Mitteilung, welchen monatlichen Betrag die Beklagte als Schonvermögen akzeptieren würde, ohne die sonstigen Leistungen der Familie H zu kürzen. Zudem erklärte sie, dass die Familie H Schulden in Höhe von 1.500,- EUR habe, die zur Entlastung in einer Summe abgelöst werden sollten. Darüber hinaus sei der PKW der Familie nach einem Defekt verschrottet worden. Es sei beabsichtigt, einen gebrauchten Bulli anzuschaffen, bei dem davon ausgegangen werde, dass es sich dabei gleichfalls um Schonvermögen handele. Nachdem ursprünglich der gesamte Kinderzuschlag für den Zeitraum April bis September 2009 in Höhe von 4.200,- EUR (6 x 700,- EUR) von der Klägerin erstattet verlangt worden war, reduzierte die Beklagte die Überzahlung unter Vorbehalt geleistetem Kinderzuschlag auf 145,- EUR mit der Begründung, mangels Zuflusses werde das Erbe nicht angerechnet. Vom 22.09. bis 31.12.2009 bewilligte die Gemeinde X mit Bescheid vom 22.12.2009 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) in Höhe von 86,01 EUR für Oktober, in Höhe von 186,01 EUR für November und Dezember 2009, mit dem Hinweis, die Vorläufigkeit beziehe sich auf die Auszahlung bzw. Zuteilung evtl. Zuwendungen aus der Erbmasse von Herrn H M. Zurzeit würden etwaige Zuwendungen vorläufig pauschal mit 150,- EUR monatlich berücksichtigt. Mit Bescheid vom 04.01.2010 bewilligte die Gemeinde X für Januar 2010 Leistungen von 31,01 EUR und für Februar Leistungen in Höhe von 339,01 EUR. Mit weiterem Bescheid vom 22.02.2010 wurden Leistungen nach dem SGB II ab 01.03.2010 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit mit der Begründung versagt, es bestehe die Möglichkeit, anstelle der SGB II-Leistungen Kinderzuschlag sowie Wohngeld zu erhalten. Der Antrag sei rückwirkend auch für den Zeitraum ab 01.10.2009 bei der Familienkasse zu stellen, seitens des SGB II-Leistungsträgers werde ein entsprechender Ersatzanspruch gegenüber der Familienkasse geltend gemacht werden. Mit Bescheid vom 09.04.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung von Kinderzuschlag ab 01.10.2009 ab, da das zu berücksichtigende Vermögen der Klägerin in Höhe von 67.886,90 EUR den errechneten Bedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1.459,17 EUR übersteige.
Die Klägerin widersprach dem und machte geltend, das ererbte Vermögen stehe nicht zu ihrer Disposition und könne nicht als zugeflossenes Vermögen angesehen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 04.10.2010 erhobene Klage. Zur Begründung macht die Klägerin geltend, sie habe mit ihrer Familie in der Zeit vom 22.09.2009 bis 28.02.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erhalten. Die Gemeinde X habe sie mit Schreiben vom 22.02.2010 aufgefordert, bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung des Kinderzuschlages für die Zeit rückwirkend ab 01.10.2009 sowie laufend ab 01.03.2010 zu stellen. Nach der letztwilligen Verfügung des Erblassers H M sei davon auszugehen, dass dieser die Zuwendungen an die Klägerin und ihre Kinder ohne Anrechnung auf öffentliche Leistungen, mithin als Schonvermögen habe verstanden wissen wollen. Auf gerichtliche Veranlassung hat die Klägerin mitgeteilt, der Nachlass des Erblassers H M habe sich nach Abzug aller Verbindlichkeiten auf 220.888,60 EUR netto belaufen, so dass auf die Klägerin und den Miterben L jeweils ein Betrag von 110.444,30 EUR entfallen sei. Die Eigentumswohnung des Erblassers sei von dem Miterben L durch notariellen Kaufvertrag vom 10.07.2009 erworben worden. Die Hälfte des Veräußerungserlöses sei dem Nachlassvermögen der Klägerin zugeflossen. Die Klägerin erhalte derzeit eine monatliche Zahlung in Höhe von 500,- EUR zur Absicherung ihres Lebensunterhalts und zur Kompensierung des Ausfalls des Kinderzuschlages. Mit Abtretungsvereinbarung vom 21.09.2010 hat die Klägerin ihre Ansprüche gegenüber der Beklagten auf Kinderzuschlag an den Testamentsvollstrecker abgetreten. Die Klägerin hat des Weiteren einen Vertrag vom 19.01.2010 in Kopie zu den Akten gereicht, mit dem der Testamentsvollstrecker mit Mitteln aus dem Nachlass einen Gebrauchtwagen der Marke Opel Vivaro zu einem Kaufpreis von 12.500,- EUR erworben und durch Leihvertrag vom 22.01.2010 der Klägerin sowie deren Ehemann zum unentgeltlichen Gebrauch überlassen hat. Ferner ist vorgelegt worden eine Aufstellung über die in der Zeit vom 08.10. bis 23.11.2009 beglichenen Verbindlichkeiten der Klägerin aus dem Nachlass.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.04.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2010 zu verurteilen, ihr Kinderzuschlag ab 01.10.2009 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 11.10.2012 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht mit dem angefochtenen Bescheid die Gewährung von Kinderzuschlag mit Wirkung ab 01.10.2009 wie auch ab 01.03.2010 abgelehnt. Kinderzuschlag erhielten gemäß § 6 a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) Personen u. a. dann, wenn durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird (§ 6 a Abs. 1 Nr. 4). Hilfebedürftig gemäß § 9 Abs. 1 SGB II sei, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhalte. Nach § 12 SGB II seien als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen; dazu könnten bewegliche Sachen ebenso gehören wie Immobilien und Forderungen. Nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II seien als Vermögen allerdings nicht zu berücksichtigen Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich sei oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Abgestellt auf den Antrag der Klägerin und der Bedarfsgemeinschaft auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II mit Wirkung ab 22.09.2009 handele es sich bei dem Erbe von Herrn H M zu diesem Zeitpunkt um Vermögen. Die Klägerin sei nicht hilfebedürftig gewesen, da das Erbe in Höhe von 110.444,30 EUR Vermögen darstelle, das nach Abzug von Freibeträgen für die Klägerin von 5.100,- EUR und ihren Ehemann von 6.750,- EUR sowie eines Freibetrages für notwendige Anschaffungen von 750,- EUR insgesamt in Höhe von 97.844,30 EUR zu berücksichtigen gewesen sei bzw. sei. Vermögen sei verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen und belastet werden könnten. Sei der Inhaber dagegen in der Verfügung über den Gegenstand beschränkt und könne er die Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen, sei von der Unverwertbarkeit des Vermögens auszugehen. Der Begriff der Verwertbarkeit in § 12 Abs. 1 SGB II habe den Bedeutungsgehalt, den das Bundessozialgericht (BSG) bereits in einer früheren Entscheidung zum Recht der Arbeitslosenhilfe mit dem Begriff der Möglichkeit des "Versilberns" von Vermögen umschrieben habe (BSG, Urteil vom 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R ). Zum Zeitpunkt der Beantragung der Leistungen im September 2009 sei das von der Klägerin geerbte Vermögen auch verwertbar. Einer Verwertung des Vermögens habe insbesondere nicht die vom Erblasser angeordnete Dauertestamentsvollstreckung für 20 Jahre entgegen gestanden. Soweit der Testamentsvollstrecker nach dem Willen des Erblassers der Klägerin und ihren Kindern nach Möglichkeit aus den Früchten des Vermögens eine dauerhafte Zuwendung sichern sollte, spreche bereits die Formulierung "nach Möglichkeit" gegen eine Verfügungsbeschränkung. Vielmehr werde durch den Nachsatz: "Ist dies nach seinem freien Ermessen untunlich, soll der Testamentsvollstrecker das ererbte Vermögen in angemessenen, seiner freien Ermessensentscheidung unterliegenden Raten an die Erbin auszahlen" - verdeutlicht, dass auf die Bedürftigkeit der Klägerin und ihre persönlichen Lebensumstände abgestellt werden soll. Unabhängig von dieser sich an dem Wortlaut der Regelung im Testament orientierenden Auslegung werde eine Verfügungsbeschränkung aber auch als sittenwidrig und damit unwirksam gemäß § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beurteilt werden müssen. Die zum "behinderten Testament" entwickelte zivilgerichtliche Rechtsprechung, wonach es grundsätzlich nicht sittlich zu missbilligen sei, wenn der Erblasser bei der Zuwendung dem grundsicherungs- und sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatz nicht unter allen Umständen Geltung verschaffe (BGHZ 111, 36), finde auf den hier vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung, da es sich um keine verwandtschaftliche Beziehung zwischen Klägerin und dem Erblasser handele. Dieser sei verwitwet gewesen und hätte keine Abkömmlinge gehabt. Er sei auch nicht der Klägerin bzw. ihren Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet gewesen. Dass der Testamentsvollstrecker selbst von keiner Verfügungsbeschränkung ausgehe, zeige auch die Begleichung der Verbindlichkeiten der Klägerin im Umfang von 2.331,08 EUR, die Anschaffung des KFZ Opel Vivaro zum Kaufpreis von 12.500,- EUR sowie die monatlichen Zuwendungen von 500,- EUR, die als Ausgleich für die ausgefallene Zahlung von Kinderzuschlag bezeichnet würden. Auch wenn es dem Erblasser ein Anliegen gewesen sein möge, der Klägerin ein Stammvermögen zu sichern, stehe dem der Grundsatz des SGB II-Leistungsrechts entgegen, wonach nur derjenige anspruchsberechtigt sein solle, der seinen Lebensunterhalt und den seiner Angehörigen nicht selbst decken könne. Da die Leistungen aus öffentlichen Steuermitteln gewährt werden würden, dürften diese nicht zur Vermögensbildung verwandt werden. Dies sei aber der Fall, wenn das geerbte Vermögen nach Abzug der Freibeträge als Schonvermögen behandelt werden würden. Hilfebedürftigkeit nach §§ 7, 9 SGB II läge daher in der Person der Klägerin und den weiteren Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft nicht vor, so dass durch die Gewährung von Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II auch nicht vermieden werden könne.
Das Urteil ist der Klägerin am 13.11.2012 zugestellt worden und sie hat hiergegen am 12.12.2012 Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts stünde die vom Erblasser angeordnete Dauertesttamentsvollstreckung für 20 Jahre einer Verwertbarkeit des ererbten Vermögens entgegen. So habe nach der alten Gesetzeslage zum Sozialhilferecht, ein Fall der rechtlichen Unverwertbarkeit dann vorgelegen, wenn der Hilfesuchende einer zumindest nicht vorübergehenden Verfügungsbeschränkung unterlegen habe. Warum die Testamentsvollstreckungsanordnung sittenwidrig und damit unwirksam i. S. d. § 138 BGB sein solle, sei nicht nachvollziehbar. Gerade, weil die Testierfreiheit durch Art. 14 GG verfassungsrechtlich gestützt sei, stünde dies einer Sittenwidrigkeit einer Testamentsvollstreckeranordnung entgegen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Münster vom 11.10.2010 wird der Bescheid der Beklagten vom 09.04.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2010 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab Oktober 2009 Kinderzuschlag in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 15.05.2013 darauf hingewiesen, dass er die Berufung einstimmig für unbegründet hält, und zu einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört. Der Senat habe dem angefochtenen Urteil nichts hinzuzufügen. Die Klägerin hat mitgeteilt, dass sie die Berufung nicht zurücknehme.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und deshalb eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu angehört worden.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zur Begründung nimmt der Senat zunächst gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die Erwägungen der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage im Wesentlichen zu Eigen macht.
Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ergibt sich keine für die Klägerin günstigere Entscheidung. Insbesondere stellt die Zuwendung durch das Testament des Herrn H M kein Schonvermögen dar.
Der Verwertung des Vermögens stand insbesondere nicht die vom Erblasser angeordnete Dauertestamentsvollstreckung für 20 Jahre entgegen. Dies ergibt sich bereits aus der wörtliche Formulierung der Erblassers, wonach das Erbe zumindest in angemessenen Raten ausgezahlt werden solle, sofern die Erhaltung des Erbstammes nach Ermessen des Testamentsvollstreckers untunlich sei. Zur Begründung wird im Einzelnen auf die Ausführungen des Ausgangsgerichts verwiesen.
Zum Vortrag der Klägerin nun im Berufungsverfahren - nach der alten Gesetzeslage zum Sozialhilferecht hätte ein Fall der rechtlichen Unverwertbarkeit vorgelegen, ist anzumerken, dass dies im Ergebnis unerheblich ist, denn die Hilfesuchende hat hier gerade keiner - auch nicht einer nur vorübergehenden Verfügungsbeschränkung - unterlegen.
Insofern kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht mehr darauf an, ob eine mögliche Verfügungsbeschränkung sittenwidrig ist oder etwa vor dem Hintergrund des Art. 14 GG geschützt ist, da das geerbte Vermögen zum Zeitpunkt der Beantragung der Leistungen im September 2009 für die Klägerin auch verwertbar war.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG von der Klägerin vorgetragen wurden und auch nicht für den Senat ersichtlich sind.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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