Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 3214/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 5154/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23.10.2013 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente (hilfsweise als Stützrente) aufgrund einer von der Beklagten als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordung (BKV) anerkannten Lärmschwerhörigkeit streitig.
Der 1967 geborene Kläger absolvierte nach seinen eigenen Angaben von 1982 bis 1986 eine Ausbildung zum Maschinenschlosser. Im Anschluss daran war er bis März 1988 als Facharbeiter in diesem Beruf tätig. Es folgte eine dreimonatige Tätigkeit als Kraftfahrer. Danach leistete er bis September 1989 seinen Wehrdienst. Von Oktober 1989 bis Juli 1994 war er als Kraftfahrer und Schlosser bei der Firma G. M. W. in T. beschäftigt. Seit August 1994 ist er bei der Firma M. Maschinenbaugesellschaft mbH in T. tätig. Zunächst war er Meister in der Produktion (bis September 1999), dann Leiter der Serviceabteilung (bis Januar 2005), Produktionsleiter (bis Juli 2007) und seit August 2007 ist er als technischer Betriebsleiter beschäftigt. Seit Anfang 2000 war er nicht mehr in einem lärmrelevanten Bereich tätig.
Am 18.02.2010 erlitt der Kläger einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall, nachdem er sich beim Arbeiten mit einer Traverse das rechte Daumenendglied gequetscht und amputiert hatte. Die Beklagte ging im Rahmen einer Schätzung (noch ohne Bescheiderteilung) von einer voraussichtlichen Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 15 v.H. aus.
Am 18.04.2011 zeigte Dr. L., Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO), unter Vorlage des Tonaudiogramms vom 14.03.2011 bei der Beklagten den Verdacht einer BK an. Die Beklagte holte zunächst dessen Bericht vom 08.05.2011 ein, wonach eine Hochtonschwerhörigkeit beidseits vorliege. Als sonstige Umstände, die für diese Erkrankung von Bedeutung sein könnten, nannte er das in der Freizeit vom Kläger ausgeführte "Schnalzen" (Peitschenknallen). Des Weiteren zog die Beklagte das Tonaudiogramm des HNO-Facharztes Dr. H. vom 10.03.1997 bei und veranlasste eine Arbeitsplatzexposition durch ihren Präventionsdienst. In dessen Bericht vom 19.07.2011 wurden folgende Beurteilungspegel (BP) für die Beschäftigungszeiträume des Klägers angegeben: vom 01.10.1989 bis 31.07.1994 ein BP von 86-87 dB(A), vom 01.08.1994 bis 30.09.1999 ein BP von 90-93 dB(A), vom 01.10.1999 bis 31.01.2005 ein BP von deutlich weniger als 85 dB(A) und seit dem 01.02.2005 ein BP von weniger als 85 dB(A).
Die Beklagte holte daraufhin das Gutachten des Dr. H. vom 27.01.2012 ein. Danach habe das Tonschwellenaudiogramm einen deckungsgleichen Verlauf von Luft- und Knochenleitungskurve beidseits gezeigt. Die Hörkurve verlaufe rechts bis 2000 Herz zwischen 0 und 20 dB, bei 3000 Herz liege sie bei 25 dB, um danach steil abzufallen bis auf 90 dB. Oberhalb davon steige sie wieder an. Links verlaufe die Hörkurve ähnlich. Der Hörverlust für Sprache, gemessen am 50-%igen Verständnis für Zahlwörter, liege rechts zwischen 5 und 10 und links zwischen 0 und 5 dB. Einsilbige Prüfworte würden bei einem Sprachschallpegel von 100 dB rechts zu 100 % und links zu 80 % richtig beantwortet. Zum Zeitpunkt der Untersuchung habe kein Tinnitus bestanden. Der Kläger habe selbst angegeben, nur gelegentlich einen Tinnitus zu verspüren. Der Verlauf der Hörkurve im Tonaudiogramm sei zum jetzigen Zeitpunkt sowie im Jahr 1997 typisch für eine durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit. Eine wesentliche Verschlechterung sei seit 1997 nicht mehr eingetreten, was dazu passe, dass der Kläger seit 2000 nicht mehr im Lärm arbeite. Nach der Tabelle von Boennighaus und Röser (1973) ergebe sich unter Zugrundelegung des Sprachaudiogramms und bei seiner Auswertung mit Hilfe des gewichteten Gesamtwortverstehens nach Feldmann (1988) ein prozentualer Hörverlust von 0 % beidseits. Es bestehe nach dem Sprachaudiogramm somit Normalhörigkeit auf beiden Seiten. Unter Berücksichtigung des Königsteiner Merkblattes sei die MdE auf 0 festzusetzen. Es liege nur eine im Tonaudiogramm messbare, durch lärmverursachte Innenohrschwerhörigkeit beidseits vor, deren geringes Ausmaß die Feststellung einer MdE nicht rechtfertige.
Mit Bescheid vom 21.03.2012 anerkannte die Beklagte das Vorliegen einer BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV. Der Kläger leide an einer beruflich bedingten beginnenden Innen-ohrschwerhörigkeit im Hochtonbereich sowie an - von der beruflichen Tätigkeit unabhängigen - gelegentlichen Ohrgeräuschen (Tinnitus). Eine rentenberechtigende MdE könne nicht festgestellt werden. Ein Anspruch auf Rente wegen der anerkannten BK bestehe danach nicht. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers, den dieser nicht näher begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.08.2012 zurück. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde auf die dreimonatige Klagefrist bei Bekanntgabe im Ausland hingewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 04.10.2012 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und die Gewährung einer Verletztenrente (auch unter Berücksichtigung des Tinnitus) beantragt. Es sei ein drastischer Hochtonabfall im Tonaudiogramm erwiesen. Der Abfall gehe bis 80 dB bzw. 90 dB. Hierfür sei ein Hörverlust von 20 bis 40 % zu veranschlagen, wobei die Ohrgeräusche zu berücksichtigen seien. Vorliegend könne auch eine geringere MdE rentenberechtigend sein, da ein Stützfall (Arbeitsunfälle 1994 und 2010) vorliege. Zur weiteren Begründung hat der Kläger das Tonaudiogramm vom 15.12.2011 vorgelegt und darauf hingewiesen, dass der Wert der Hörschädigung bei 4000 Herz ebenfalls Berücksichtigung finden müsse.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG die Beklagte aufgefordert, eine Stellungnahme des Dr. H. hinsichtlich der Auswertung des Tonaudiogramms einzuholen. In seiner von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme vom 14.02.2013 hat dieser ausgeführt, dass die Hörstörung des Klägers nach dem Sprachaudiogramm nicht zu einer messbaren MdE führe. Auch nach dem Tonaudiogramm betrage der prozentuale Hörverlust auf beiden Seiten 0 %. Es ergebe sich also auch aus dem Tonaudiogramm keine messbare MdE. Dies sei bei der Abfassung seines Gutachtens auf den ersten Blick erkennbar gewesen, weswegen er eine eigene Berechnung nach dem Tonaudiogramm für entbehrlich gehalten habe. Er könne daher nochmals bestätigen, dass sich aus dem Tonaudiogramm keine messbare MdE ergebe.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 23.10.2013 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente. Beim Kläger liege zwar eine als BK anerkannte Lärmschwerhörigkeit vor. Die Erwerbsfähigkeit sei aber weder mindestens um 20 v.H. gemindert, noch liege ein Stützrententatbestand vor. Dies ergebe sich aus dem Gutachten Dr. H., den Ton- und Sprachaudiogrammen vom 15.12.2011 und der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters vom 14.02.2013. Die Bewertung von Hörverlusten richte sich im Wesentlichen nach der sog. Königsteiner Empfehlung von 2012. Die Einschätzung des Dr. H. korrespondiere mit der Königsteiner Empfehlung. Danach werde die MdE aus dem prozentualen Hörverlust der beiden Ohren bestimmt. Der prozentuale Hörverlust werde nach der Tabelle von Boennighaus und Röser (1973) ermittelt. Hierzu müsse der Hörverlust für Zahlwörter, das Gesamtwortverstehen und das gewichtete Gesamtwortverstehen aus dem Sprachaudiogramm errechnet werden. Nach dem Sprachaudiogramm vom 15.12.2011 ergebe sich auf der Achse des 50-%igen Verständnisses für Zahlwörter auf dem rechten Ohr zwischen der Normalkurve und der gemessenen Zahlwörterkurve ein Abstand von 5 und auf dem linken Ohr ebenfalls ein Abstand von 5. Auf dem rechten Ohr ergebe das Gesamtwortverstehen eine Summe von 290 (90 + 100 + 100) und auf dem linken Ohr von 270 (100 + 90 + 80) für die Verständnisquoten für Einsilber bei den Schallpegeln 60, 80 und 100 dB. Das gewichtete Gesamtwortverstehen nach Feldmann (1988) betrage rechts 285 und links 280. Da der Hörverlust für Zahlwörter beidseits unter 20 und das gewichtete Gesamtwortverstehen beidseits über 280 liege, ergebe sich nach der Tabelle von Boennighaus und Röser (1973) ein prozentualer Hörverlust von beidseits 0 v.H ... Daher sei für die Entscheidung, ob eine versicherungsrechtlich relevante Schwerhörigkeit vorliege, das Tonaudiogramm heranzuziehen. Der Hörverlust sei in diesem Fall aus dem Tonaudiogramm nach der Drei-Frequenz-Tabelle (Röser 1980) zu berechnen. Hiernach seien die Werte bei 1, 2 und 3 kHz maßgebend. Auf dem rechten Ohr habe der Kläger nach dem Tonaudiogramm vom 15.12.2011 folgende Werte: 1 kHz 0, 2 kHz 5, 3 kHz 25. Auf dem linken Ohr bestünden folgende Werte: 1 kHz 0, 2 kHz 5, 3 kHz 20. Für die Drei-Frequenz-Tabelle seien die Werte bei 2 und 3 kHz zusammenzurechnen. Bei einem Wert von 30 für die Messung bei 2 und 3 kHz auf dem rechten Ohr und 25 auf dem linken Ohr ergebe sich somit beidseits ein prozentualer Hörverlust von 0 v.H ... Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die am 15.12.2011 erstellten Ton- und Sprachaudiogramme unzutreffend seien. Derartiges werde vom Kläger auch nicht vorgetragen. Die Heranziehung der Werte bei 4 kHz aus dem Tonaudiogramm sei nach der Königsteiner Empfehlung und nach den entsprechenden Ausführungen in der Literatur nicht vorgesehen. Aus der Königsteiner Empfehlung ergebe sich vielmehr ausdrücklich, dass die Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser maßgebend sei. Die vom Gutachter Dr. H. angegebene MdE liege damit zutreffend bei 0 v.H ... Diese Einschätzung korrespondiere mit den Erfahrungswerten in der Literatur. Nach der Tabelle von Brusis/Mehrtens (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 345) sei ein Hörverlust von 0 v.H. mit einer MdE von 0 v.H. zu bewerten. Zu einem gleichen Ergebnis führten die Begutachtungsvorschläge für Lärmschwerhörigkeit nach der Königsteiner Empfehlung. Die Beklagte habe demnach auch zutreffend eine Stützrente abgelehnt. Zwar liege ein Nachweis über die Anerkennung der geltend gemachten Arbeitsunfälle von 1994 und 2010 nicht vor. Da aber bereits keine MdE von mindestens 5 v.H. anerkannt werden könne, habe der Kläger auch keinen Anspruch auf eine Stützrente. Ein Tinnitus, der bei der MdE-Einschätzung im Rahmen der Gesamt-MdE integrierend zu bewerten sei, sei nicht nachgewiesen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. H. habe kein Tinnitus bestanden. Eine weitere Sachaufklärung diesbezüglich sei nicht erforderlich gewesen, da der Kläger weder im Verwaltungs- noch im Klageverfahren Angaben zum Tinnitus gemacht habe. Darüber hinaus sei nach der Königsteiner Empfehlung ein lärmbedingter Tinnitus ohne einen lärmbedingten Hörverlust nicht denkbar.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29.10.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 28.11.2013 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt und vorgetragen, er leide an einer von der Beklagten anerkannten beginnenden Innenohrschwerhörigkeit im Hochtonbereich. Vorliegend genüge eine MdE von 10 oder 15 v.H., da eine "Stützsituation" vorliege. Der Umstand, dass eine berufliche Lärmschwerhörigkeit anerkannt sei, weise darauf hin, dass eine MdE von 10 v.H. vorliegen müsse. Unterhalb eines Hörverlustes von 20 %. falle eine Lärmschwerhörigkeit nicht auf. Dies sei "ein alter HNO-ärztlicher Erfahrungssatz". Auch in der Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S.353) werde davon ausgegangen, dass bei einer Rückbewertung der MdE und entsprechenden subjektiven Beschwerden von einer MdE von mindestens 10 v.H. auszugehen sei. Eine MdE von 0 v.H. gebe es bei einer anerkannten Lärmschwerhörigkeit nicht. Im Übrigen müsse der Abfall der Audiogrammkurve des Tonaudiogramms bei 4 kHz Berücksichtigung finden.
Der Kläger beantragt - teilweise sachdienlich gefasst -,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23.10.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 21.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.08.2012 zu verurteilen, eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. aus Anlass der beruflich anerkannten Lärmschwerhörigkeit einschließlich des Tinnitus zu gewähren, hilfsweise als Stützrente.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers formuliere merkwürdige angebliche HNO-ärztliche Erfahrungssätze. Sie verweise insofern auf die einschlägige Empfehlung für die Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit, nämlich auf die Königsteiner Empfehlung. In deren Kapitel 4.3 werde die Berechnung des prozentualen Hörverlustes und in Kapitel 4.4. die Einschätzung der MdE dargestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 21.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.08.2012 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht keine - auch nicht aufgrund eines Stütztatbestandes zu gewährende - Verletztenrente als Folge der anerkannten BK Nr. 2301 nach der Anlage 1 zur BKV zu. Denn die beruflich bedingten Gesundheitsstörungen führen zu keiner feststellbaren MdE.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 21.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.08.2012, wodurch die Beklagte nicht nur über das Vorliegen der BK Nr. 2301 entschieden hat, sondern auch über das (Nicht-)Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente. Zwar wurde das Verwaltungsverfahren (§§ 8, 18 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) nicht durch den Kläger in Gang gesetzt. Vielmehr hat die Beklagte ein Feststellungsverfahren auf die Anzeige des Dr. Lukes eingeleitet. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid wurde im Verfügungssatz aber nicht nur das Vorliegen der BK Nr. 2301 festgestellt, sondern - nach Bejahung eines Versicherungsfalls - auch ein Anspruch auf Rente als Folge der BK abgelehnt (Ziff. 2 des Verfügungssatzes), da die festgestellte BK keine rentenberechtigende MdE zur Folge habe. Die vom Kläger erhobene Leistungsklage ist daher zulässig. Dabei ist bei sachdienlicher Auslegung (§§ 106 Abs 1, 112 Abs. 2 Satz 2, 123 SGG; § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) des Antrags des Klägers im Berufungsverfahren davon auszugehen, dass er die Gewährung einer Verletztenrente als Folge der anerkannten BK Nr. 2301 begehrt, wobei er hilfsweise geltend macht, dass in der Vergangenheit Stützrententatbestände (Arbeitsunfälle 1994 und 2010) vorlägen (hierzu weiter unten).
Der Anspruch des Klägers auf Verletztenrente richtet sich nach den Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sowie des auf seiner Grundlage erlassenen Rechts. Dies folgt aus § 214 Abs. 3 SGB VII. Danach gelten die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des in Krafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstmals festzusetzen sind. Die hier begehrte Verletztenrente aufgrund der BK Nr. 2301 könnte frühestens mit dem Tag ihrer Anerkennung beginnen. Die Rente würde daher (auch wenn ein vom Kläger geltend gemachter Stützrententatbestand bereits 1994 vorgelegen haben soll) erst nach Inkrafttreten des SGB VII erstmals festzusetzen sein.
Gemäß § 26 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld (§ 45 SGB VII) und Rente (§ 56 SGB VII)). Insbesondere nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente; die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern, § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfall- bzw. Berufskrankheitsfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26.06.1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19.12.2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Unfalls oder der Berufskrankheit beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Urteil vom 05.09.2006, - B 2 U 25/05 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; Beschluss vom 22.08.1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze liegt beim Kläger zwar der Fall einer BK Nr. 2301 vor, wie die Beklagte im Bescheid vom 21.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.08.2012 festgestellt hat. Allerdings begründen die Folgen der anerkannten BK zur Überzeugung des Senats keine MdE, weshalb es - hierauf hat das SG zutreffend hingewiesen - nicht auf das Vorliegen von Stütztatbeständen in den Jahren 1994 und 2010 ankommt und weitere Ermittlungen diesbezüglich nicht angezeigt waren.
Die beim Kläger diagnostizierte und anerkannte beginnende Innenohrschwerhörigkeit beidseits bedingt keine MdE. Dies ergibt sich aus den überzeugenden und schlüssigen Ausführungen des Dr. H. in seinem Gutachten vom 27.01.2012, welches im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden kann, und aus seiner Stellungnahme vom 14.02.2013. Sowohl Dr. H. als auch das SG haben bei der Beurteilung der MdE die Königsteiner Empfehlung ("Empfehlung für die Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit [BK-Nr. 2301] - Königsteiner Empfehlung", herausgegeben von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, 2. korrigierte Aufl., Juli 2012), die auch der Senat seiner Rechtsprechung zu Grunde legt (vgl. nur Senatsurteil vom 13.10.2010 - L 1 U 2976/10), berücksichtigt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe in dem angefochtenen Gerichtsbescheid des SG Bezug genommen, denen sich der Senat nach eigener Prüfung ausdrücklich anschließt.
Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren ist lediglich ergänzend auszuführen, dass seine Auffassung, wonach die Anerkennung der BK Nr. 2301 quasi automatisch zu einer MdE von 10 v.H. führen müsse, nicht zutrifft. Denn nach den zur MdE-Bewertung heranzuziehenden Tabellen von Feldmann (1995; vgl. Königsteiner Empfehlung, S. 34) und Brusis/Mehrtens (1981, a.a.O., S. 35) gilt Folgendes: Zwar kann - wie vorliegend beim Kläger - ein lärmtypischer Hochtonschaden mit einem Hörverlust von 0% bestehen. Allerdings wird vorgeschlagen, in einer solchen Situation nicht von einer Normalhörigkeit zu sprechen, sondern den Hochtonschaden als - wie vom Beklagten zutreffend vorgenommen - beginnende Schwerhörigkeit zu bezeichnen ist. Die "beginnende" Schwerhörigkeit, die als BK Nr. 2301 anerkannt werden kann, führt aber nach den genannten Tabellen nicht zu einer feststellbaren MdE. Erst wenn zumindest auf einem Ohr eine "geringgradige" Schwerhörigkeit besteht, kann eine MdE von 10 v. H. angenommen werden. Eine solche geringgradige Schwerhörigkeit liegt beim Kläger jedoch nicht vor, was sich aus dem Gutachten des Dr. H. ergibt.
In diesem Zusammenhang überzeugt auch der Hinweis des Klägers auf die Ausführungen bei Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O., S. 353) nicht. Danach sind "typische Daten, an die bei der Rückbewertung der MdE angeknüpft werden kann, [ ] erste subjektive Beschwerden, die der Erwartung genügen; sie entsprechen im Allgemeinen einer MdE von mindestens 10%." Dabei handelt es sich ausdrücklich um Vorschläge für eine MdE-Bewertung für zurückliegende Zeiträume vor dem Jahr 1974 (= Inkrafttreten der Unfallverhütungsvorschrift (UVV) "Lärm" - abgelöst durch die "Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung" von 2007), da vor dieser Zeit das Gehör vor Beginn der Lärmarbeit und später in Abständen nicht untersucht wurde. So liegt der Fall hier aber nicht. Beim Kläger sind Zeiträume mit Lärmexposition ab Oktober 1989 durch den Präventionsdienst bewertet worden, wobei Tonaudiogramme seit März 1997 (Bl. 32 der Verw.akte) vorliegen, die auch von Dr. H. in dessen Gutachten berücksichtigt wurden. Für die Bewertung der MdE kommt es daher allein auf die Auswertung der vorliegenden Sprach- und Tonaudiogramme an, die - wie bereits dargelegt - zu keiner feststellbaren MdE führen.
Schließlich führt auch der Hörverlust bei 4 kHz, wie den vorliegenden Tonaudiogrammen vom 10.03.1997, 14.03.2011 und 15.12.2011 zu entnehmen ist, zu keinem anderen Ergebnis. Denn dieser belegt nur die "beginnende" Gehörschädigung (vgl. hierzu die Merkblätter zu Berufskrankheiten, Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 01.07.2008, GMBl. 2008, S. 798 ff, 799, Ziff. III), die nicht zu einer feststellbaren MdE führt. Darüber hinaus hat das SG in diesem Zusammenhang auch zutreffend dargelegt, dass für die Beurteilung der MdE bei Auswertung des Tonaudiogramms allein die Drei-Frequenz-Methode nach Röser (1995) maßgeblich ist (vgl. hierzu Königsteiner Empfehlung, S. 33) und es hierbei allein auf den prozentualen Hörverlust bei 1, 2 und 3 kHz ankommt.
Ein Fortschreiten der Schwerhörigkeit des Klägers aufgrund einer beruflichen Lärmeinwirkung ist im Übrigen nicht anzunehmen, da der Kläger nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten seit dem Jahr 2000 nur noch Lärm von weniger als 85 db(A) ausgesetzt ist (Bericht vom 19.07.2011 mit Arbeitsplatzermittlung am 17.05.2011). Bei einer Lärmexposition von weniger als 85 dB(A) ist eine Lärmschwerhörigkeit aber ausgeschlossen, wenn der Geräuschpegel nicht stark hochfrequente Frequenzanteile enthält (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., (S. 329), wofür vorliegend keine Anhaltspunkte bestehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente (hilfsweise als Stützrente) aufgrund einer von der Beklagten als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordung (BKV) anerkannten Lärmschwerhörigkeit streitig.
Der 1967 geborene Kläger absolvierte nach seinen eigenen Angaben von 1982 bis 1986 eine Ausbildung zum Maschinenschlosser. Im Anschluss daran war er bis März 1988 als Facharbeiter in diesem Beruf tätig. Es folgte eine dreimonatige Tätigkeit als Kraftfahrer. Danach leistete er bis September 1989 seinen Wehrdienst. Von Oktober 1989 bis Juli 1994 war er als Kraftfahrer und Schlosser bei der Firma G. M. W. in T. beschäftigt. Seit August 1994 ist er bei der Firma M. Maschinenbaugesellschaft mbH in T. tätig. Zunächst war er Meister in der Produktion (bis September 1999), dann Leiter der Serviceabteilung (bis Januar 2005), Produktionsleiter (bis Juli 2007) und seit August 2007 ist er als technischer Betriebsleiter beschäftigt. Seit Anfang 2000 war er nicht mehr in einem lärmrelevanten Bereich tätig.
Am 18.02.2010 erlitt der Kläger einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall, nachdem er sich beim Arbeiten mit einer Traverse das rechte Daumenendglied gequetscht und amputiert hatte. Die Beklagte ging im Rahmen einer Schätzung (noch ohne Bescheiderteilung) von einer voraussichtlichen Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 15 v.H. aus.
Am 18.04.2011 zeigte Dr. L., Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO), unter Vorlage des Tonaudiogramms vom 14.03.2011 bei der Beklagten den Verdacht einer BK an. Die Beklagte holte zunächst dessen Bericht vom 08.05.2011 ein, wonach eine Hochtonschwerhörigkeit beidseits vorliege. Als sonstige Umstände, die für diese Erkrankung von Bedeutung sein könnten, nannte er das in der Freizeit vom Kläger ausgeführte "Schnalzen" (Peitschenknallen). Des Weiteren zog die Beklagte das Tonaudiogramm des HNO-Facharztes Dr. H. vom 10.03.1997 bei und veranlasste eine Arbeitsplatzexposition durch ihren Präventionsdienst. In dessen Bericht vom 19.07.2011 wurden folgende Beurteilungspegel (BP) für die Beschäftigungszeiträume des Klägers angegeben: vom 01.10.1989 bis 31.07.1994 ein BP von 86-87 dB(A), vom 01.08.1994 bis 30.09.1999 ein BP von 90-93 dB(A), vom 01.10.1999 bis 31.01.2005 ein BP von deutlich weniger als 85 dB(A) und seit dem 01.02.2005 ein BP von weniger als 85 dB(A).
Die Beklagte holte daraufhin das Gutachten des Dr. H. vom 27.01.2012 ein. Danach habe das Tonschwellenaudiogramm einen deckungsgleichen Verlauf von Luft- und Knochenleitungskurve beidseits gezeigt. Die Hörkurve verlaufe rechts bis 2000 Herz zwischen 0 und 20 dB, bei 3000 Herz liege sie bei 25 dB, um danach steil abzufallen bis auf 90 dB. Oberhalb davon steige sie wieder an. Links verlaufe die Hörkurve ähnlich. Der Hörverlust für Sprache, gemessen am 50-%igen Verständnis für Zahlwörter, liege rechts zwischen 5 und 10 und links zwischen 0 und 5 dB. Einsilbige Prüfworte würden bei einem Sprachschallpegel von 100 dB rechts zu 100 % und links zu 80 % richtig beantwortet. Zum Zeitpunkt der Untersuchung habe kein Tinnitus bestanden. Der Kläger habe selbst angegeben, nur gelegentlich einen Tinnitus zu verspüren. Der Verlauf der Hörkurve im Tonaudiogramm sei zum jetzigen Zeitpunkt sowie im Jahr 1997 typisch für eine durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit. Eine wesentliche Verschlechterung sei seit 1997 nicht mehr eingetreten, was dazu passe, dass der Kläger seit 2000 nicht mehr im Lärm arbeite. Nach der Tabelle von Boennighaus und Röser (1973) ergebe sich unter Zugrundelegung des Sprachaudiogramms und bei seiner Auswertung mit Hilfe des gewichteten Gesamtwortverstehens nach Feldmann (1988) ein prozentualer Hörverlust von 0 % beidseits. Es bestehe nach dem Sprachaudiogramm somit Normalhörigkeit auf beiden Seiten. Unter Berücksichtigung des Königsteiner Merkblattes sei die MdE auf 0 festzusetzen. Es liege nur eine im Tonaudiogramm messbare, durch lärmverursachte Innenohrschwerhörigkeit beidseits vor, deren geringes Ausmaß die Feststellung einer MdE nicht rechtfertige.
Mit Bescheid vom 21.03.2012 anerkannte die Beklagte das Vorliegen einer BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV. Der Kläger leide an einer beruflich bedingten beginnenden Innen-ohrschwerhörigkeit im Hochtonbereich sowie an - von der beruflichen Tätigkeit unabhängigen - gelegentlichen Ohrgeräuschen (Tinnitus). Eine rentenberechtigende MdE könne nicht festgestellt werden. Ein Anspruch auf Rente wegen der anerkannten BK bestehe danach nicht. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers, den dieser nicht näher begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.08.2012 zurück. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde auf die dreimonatige Klagefrist bei Bekanntgabe im Ausland hingewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 04.10.2012 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und die Gewährung einer Verletztenrente (auch unter Berücksichtigung des Tinnitus) beantragt. Es sei ein drastischer Hochtonabfall im Tonaudiogramm erwiesen. Der Abfall gehe bis 80 dB bzw. 90 dB. Hierfür sei ein Hörverlust von 20 bis 40 % zu veranschlagen, wobei die Ohrgeräusche zu berücksichtigen seien. Vorliegend könne auch eine geringere MdE rentenberechtigend sein, da ein Stützfall (Arbeitsunfälle 1994 und 2010) vorliege. Zur weiteren Begründung hat der Kläger das Tonaudiogramm vom 15.12.2011 vorgelegt und darauf hingewiesen, dass der Wert der Hörschädigung bei 4000 Herz ebenfalls Berücksichtigung finden müsse.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG die Beklagte aufgefordert, eine Stellungnahme des Dr. H. hinsichtlich der Auswertung des Tonaudiogramms einzuholen. In seiner von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme vom 14.02.2013 hat dieser ausgeführt, dass die Hörstörung des Klägers nach dem Sprachaudiogramm nicht zu einer messbaren MdE führe. Auch nach dem Tonaudiogramm betrage der prozentuale Hörverlust auf beiden Seiten 0 %. Es ergebe sich also auch aus dem Tonaudiogramm keine messbare MdE. Dies sei bei der Abfassung seines Gutachtens auf den ersten Blick erkennbar gewesen, weswegen er eine eigene Berechnung nach dem Tonaudiogramm für entbehrlich gehalten habe. Er könne daher nochmals bestätigen, dass sich aus dem Tonaudiogramm keine messbare MdE ergebe.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 23.10.2013 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente. Beim Kläger liege zwar eine als BK anerkannte Lärmschwerhörigkeit vor. Die Erwerbsfähigkeit sei aber weder mindestens um 20 v.H. gemindert, noch liege ein Stützrententatbestand vor. Dies ergebe sich aus dem Gutachten Dr. H., den Ton- und Sprachaudiogrammen vom 15.12.2011 und der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters vom 14.02.2013. Die Bewertung von Hörverlusten richte sich im Wesentlichen nach der sog. Königsteiner Empfehlung von 2012. Die Einschätzung des Dr. H. korrespondiere mit der Königsteiner Empfehlung. Danach werde die MdE aus dem prozentualen Hörverlust der beiden Ohren bestimmt. Der prozentuale Hörverlust werde nach der Tabelle von Boennighaus und Röser (1973) ermittelt. Hierzu müsse der Hörverlust für Zahlwörter, das Gesamtwortverstehen und das gewichtete Gesamtwortverstehen aus dem Sprachaudiogramm errechnet werden. Nach dem Sprachaudiogramm vom 15.12.2011 ergebe sich auf der Achse des 50-%igen Verständnisses für Zahlwörter auf dem rechten Ohr zwischen der Normalkurve und der gemessenen Zahlwörterkurve ein Abstand von 5 und auf dem linken Ohr ebenfalls ein Abstand von 5. Auf dem rechten Ohr ergebe das Gesamtwortverstehen eine Summe von 290 (90 + 100 + 100) und auf dem linken Ohr von 270 (100 + 90 + 80) für die Verständnisquoten für Einsilber bei den Schallpegeln 60, 80 und 100 dB. Das gewichtete Gesamtwortverstehen nach Feldmann (1988) betrage rechts 285 und links 280. Da der Hörverlust für Zahlwörter beidseits unter 20 und das gewichtete Gesamtwortverstehen beidseits über 280 liege, ergebe sich nach der Tabelle von Boennighaus und Röser (1973) ein prozentualer Hörverlust von beidseits 0 v.H ... Daher sei für die Entscheidung, ob eine versicherungsrechtlich relevante Schwerhörigkeit vorliege, das Tonaudiogramm heranzuziehen. Der Hörverlust sei in diesem Fall aus dem Tonaudiogramm nach der Drei-Frequenz-Tabelle (Röser 1980) zu berechnen. Hiernach seien die Werte bei 1, 2 und 3 kHz maßgebend. Auf dem rechten Ohr habe der Kläger nach dem Tonaudiogramm vom 15.12.2011 folgende Werte: 1 kHz 0, 2 kHz 5, 3 kHz 25. Auf dem linken Ohr bestünden folgende Werte: 1 kHz 0, 2 kHz 5, 3 kHz 20. Für die Drei-Frequenz-Tabelle seien die Werte bei 2 und 3 kHz zusammenzurechnen. Bei einem Wert von 30 für die Messung bei 2 und 3 kHz auf dem rechten Ohr und 25 auf dem linken Ohr ergebe sich somit beidseits ein prozentualer Hörverlust von 0 v.H ... Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die am 15.12.2011 erstellten Ton- und Sprachaudiogramme unzutreffend seien. Derartiges werde vom Kläger auch nicht vorgetragen. Die Heranziehung der Werte bei 4 kHz aus dem Tonaudiogramm sei nach der Königsteiner Empfehlung und nach den entsprechenden Ausführungen in der Literatur nicht vorgesehen. Aus der Königsteiner Empfehlung ergebe sich vielmehr ausdrücklich, dass die Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser maßgebend sei. Die vom Gutachter Dr. H. angegebene MdE liege damit zutreffend bei 0 v.H ... Diese Einschätzung korrespondiere mit den Erfahrungswerten in der Literatur. Nach der Tabelle von Brusis/Mehrtens (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 345) sei ein Hörverlust von 0 v.H. mit einer MdE von 0 v.H. zu bewerten. Zu einem gleichen Ergebnis führten die Begutachtungsvorschläge für Lärmschwerhörigkeit nach der Königsteiner Empfehlung. Die Beklagte habe demnach auch zutreffend eine Stützrente abgelehnt. Zwar liege ein Nachweis über die Anerkennung der geltend gemachten Arbeitsunfälle von 1994 und 2010 nicht vor. Da aber bereits keine MdE von mindestens 5 v.H. anerkannt werden könne, habe der Kläger auch keinen Anspruch auf eine Stützrente. Ein Tinnitus, der bei der MdE-Einschätzung im Rahmen der Gesamt-MdE integrierend zu bewerten sei, sei nicht nachgewiesen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. H. habe kein Tinnitus bestanden. Eine weitere Sachaufklärung diesbezüglich sei nicht erforderlich gewesen, da der Kläger weder im Verwaltungs- noch im Klageverfahren Angaben zum Tinnitus gemacht habe. Darüber hinaus sei nach der Königsteiner Empfehlung ein lärmbedingter Tinnitus ohne einen lärmbedingten Hörverlust nicht denkbar.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29.10.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 28.11.2013 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt und vorgetragen, er leide an einer von der Beklagten anerkannten beginnenden Innenohrschwerhörigkeit im Hochtonbereich. Vorliegend genüge eine MdE von 10 oder 15 v.H., da eine "Stützsituation" vorliege. Der Umstand, dass eine berufliche Lärmschwerhörigkeit anerkannt sei, weise darauf hin, dass eine MdE von 10 v.H. vorliegen müsse. Unterhalb eines Hörverlustes von 20 %. falle eine Lärmschwerhörigkeit nicht auf. Dies sei "ein alter HNO-ärztlicher Erfahrungssatz". Auch in der Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S.353) werde davon ausgegangen, dass bei einer Rückbewertung der MdE und entsprechenden subjektiven Beschwerden von einer MdE von mindestens 10 v.H. auszugehen sei. Eine MdE von 0 v.H. gebe es bei einer anerkannten Lärmschwerhörigkeit nicht. Im Übrigen müsse der Abfall der Audiogrammkurve des Tonaudiogramms bei 4 kHz Berücksichtigung finden.
Der Kläger beantragt - teilweise sachdienlich gefasst -,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23.10.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 21.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.08.2012 zu verurteilen, eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. aus Anlass der beruflich anerkannten Lärmschwerhörigkeit einschließlich des Tinnitus zu gewähren, hilfsweise als Stützrente.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers formuliere merkwürdige angebliche HNO-ärztliche Erfahrungssätze. Sie verweise insofern auf die einschlägige Empfehlung für die Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit, nämlich auf die Königsteiner Empfehlung. In deren Kapitel 4.3 werde die Berechnung des prozentualen Hörverlustes und in Kapitel 4.4. die Einschätzung der MdE dargestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 21.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.08.2012 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht keine - auch nicht aufgrund eines Stütztatbestandes zu gewährende - Verletztenrente als Folge der anerkannten BK Nr. 2301 nach der Anlage 1 zur BKV zu. Denn die beruflich bedingten Gesundheitsstörungen führen zu keiner feststellbaren MdE.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 21.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.08.2012, wodurch die Beklagte nicht nur über das Vorliegen der BK Nr. 2301 entschieden hat, sondern auch über das (Nicht-)Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente. Zwar wurde das Verwaltungsverfahren (§§ 8, 18 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) nicht durch den Kläger in Gang gesetzt. Vielmehr hat die Beklagte ein Feststellungsverfahren auf die Anzeige des Dr. Lukes eingeleitet. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid wurde im Verfügungssatz aber nicht nur das Vorliegen der BK Nr. 2301 festgestellt, sondern - nach Bejahung eines Versicherungsfalls - auch ein Anspruch auf Rente als Folge der BK abgelehnt (Ziff. 2 des Verfügungssatzes), da die festgestellte BK keine rentenberechtigende MdE zur Folge habe. Die vom Kläger erhobene Leistungsklage ist daher zulässig. Dabei ist bei sachdienlicher Auslegung (§§ 106 Abs 1, 112 Abs. 2 Satz 2, 123 SGG; § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) des Antrags des Klägers im Berufungsverfahren davon auszugehen, dass er die Gewährung einer Verletztenrente als Folge der anerkannten BK Nr. 2301 begehrt, wobei er hilfsweise geltend macht, dass in der Vergangenheit Stützrententatbestände (Arbeitsunfälle 1994 und 2010) vorlägen (hierzu weiter unten).
Der Anspruch des Klägers auf Verletztenrente richtet sich nach den Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sowie des auf seiner Grundlage erlassenen Rechts. Dies folgt aus § 214 Abs. 3 SGB VII. Danach gelten die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des in Krafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstmals festzusetzen sind. Die hier begehrte Verletztenrente aufgrund der BK Nr. 2301 könnte frühestens mit dem Tag ihrer Anerkennung beginnen. Die Rente würde daher (auch wenn ein vom Kläger geltend gemachter Stützrententatbestand bereits 1994 vorgelegen haben soll) erst nach Inkrafttreten des SGB VII erstmals festzusetzen sein.
Gemäß § 26 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld (§ 45 SGB VII) und Rente (§ 56 SGB VII)). Insbesondere nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente; die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern, § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfall- bzw. Berufskrankheitsfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26.06.1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19.12.2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Unfalls oder der Berufskrankheit beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Urteil vom 05.09.2006, - B 2 U 25/05 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; Beschluss vom 22.08.1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze liegt beim Kläger zwar der Fall einer BK Nr. 2301 vor, wie die Beklagte im Bescheid vom 21.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.08.2012 festgestellt hat. Allerdings begründen die Folgen der anerkannten BK zur Überzeugung des Senats keine MdE, weshalb es - hierauf hat das SG zutreffend hingewiesen - nicht auf das Vorliegen von Stütztatbeständen in den Jahren 1994 und 2010 ankommt und weitere Ermittlungen diesbezüglich nicht angezeigt waren.
Die beim Kläger diagnostizierte und anerkannte beginnende Innenohrschwerhörigkeit beidseits bedingt keine MdE. Dies ergibt sich aus den überzeugenden und schlüssigen Ausführungen des Dr. H. in seinem Gutachten vom 27.01.2012, welches im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden kann, und aus seiner Stellungnahme vom 14.02.2013. Sowohl Dr. H. als auch das SG haben bei der Beurteilung der MdE die Königsteiner Empfehlung ("Empfehlung für die Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit [BK-Nr. 2301] - Königsteiner Empfehlung", herausgegeben von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, 2. korrigierte Aufl., Juli 2012), die auch der Senat seiner Rechtsprechung zu Grunde legt (vgl. nur Senatsurteil vom 13.10.2010 - L 1 U 2976/10), berücksichtigt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe in dem angefochtenen Gerichtsbescheid des SG Bezug genommen, denen sich der Senat nach eigener Prüfung ausdrücklich anschließt.
Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren ist lediglich ergänzend auszuführen, dass seine Auffassung, wonach die Anerkennung der BK Nr. 2301 quasi automatisch zu einer MdE von 10 v.H. führen müsse, nicht zutrifft. Denn nach den zur MdE-Bewertung heranzuziehenden Tabellen von Feldmann (1995; vgl. Königsteiner Empfehlung, S. 34) und Brusis/Mehrtens (1981, a.a.O., S. 35) gilt Folgendes: Zwar kann - wie vorliegend beim Kläger - ein lärmtypischer Hochtonschaden mit einem Hörverlust von 0% bestehen. Allerdings wird vorgeschlagen, in einer solchen Situation nicht von einer Normalhörigkeit zu sprechen, sondern den Hochtonschaden als - wie vom Beklagten zutreffend vorgenommen - beginnende Schwerhörigkeit zu bezeichnen ist. Die "beginnende" Schwerhörigkeit, die als BK Nr. 2301 anerkannt werden kann, führt aber nach den genannten Tabellen nicht zu einer feststellbaren MdE. Erst wenn zumindest auf einem Ohr eine "geringgradige" Schwerhörigkeit besteht, kann eine MdE von 10 v. H. angenommen werden. Eine solche geringgradige Schwerhörigkeit liegt beim Kläger jedoch nicht vor, was sich aus dem Gutachten des Dr. H. ergibt.
In diesem Zusammenhang überzeugt auch der Hinweis des Klägers auf die Ausführungen bei Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O., S. 353) nicht. Danach sind "typische Daten, an die bei der Rückbewertung der MdE angeknüpft werden kann, [ ] erste subjektive Beschwerden, die der Erwartung genügen; sie entsprechen im Allgemeinen einer MdE von mindestens 10%." Dabei handelt es sich ausdrücklich um Vorschläge für eine MdE-Bewertung für zurückliegende Zeiträume vor dem Jahr 1974 (= Inkrafttreten der Unfallverhütungsvorschrift (UVV) "Lärm" - abgelöst durch die "Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung" von 2007), da vor dieser Zeit das Gehör vor Beginn der Lärmarbeit und später in Abständen nicht untersucht wurde. So liegt der Fall hier aber nicht. Beim Kläger sind Zeiträume mit Lärmexposition ab Oktober 1989 durch den Präventionsdienst bewertet worden, wobei Tonaudiogramme seit März 1997 (Bl. 32 der Verw.akte) vorliegen, die auch von Dr. H. in dessen Gutachten berücksichtigt wurden. Für die Bewertung der MdE kommt es daher allein auf die Auswertung der vorliegenden Sprach- und Tonaudiogramme an, die - wie bereits dargelegt - zu keiner feststellbaren MdE führen.
Schließlich führt auch der Hörverlust bei 4 kHz, wie den vorliegenden Tonaudiogrammen vom 10.03.1997, 14.03.2011 und 15.12.2011 zu entnehmen ist, zu keinem anderen Ergebnis. Denn dieser belegt nur die "beginnende" Gehörschädigung (vgl. hierzu die Merkblätter zu Berufskrankheiten, Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 01.07.2008, GMBl. 2008, S. 798 ff, 799, Ziff. III), die nicht zu einer feststellbaren MdE führt. Darüber hinaus hat das SG in diesem Zusammenhang auch zutreffend dargelegt, dass für die Beurteilung der MdE bei Auswertung des Tonaudiogramms allein die Drei-Frequenz-Methode nach Röser (1995) maßgeblich ist (vgl. hierzu Königsteiner Empfehlung, S. 33) und es hierbei allein auf den prozentualen Hörverlust bei 1, 2 und 3 kHz ankommt.
Ein Fortschreiten der Schwerhörigkeit des Klägers aufgrund einer beruflichen Lärmeinwirkung ist im Übrigen nicht anzunehmen, da der Kläger nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten seit dem Jahr 2000 nur noch Lärm von weniger als 85 db(A) ausgesetzt ist (Bericht vom 19.07.2011 mit Arbeitsplatzermittlung am 17.05.2011). Bei einer Lärmexposition von weniger als 85 dB(A) ist eine Lärmschwerhörigkeit aber ausgeschlossen, wenn der Geräuschpegel nicht stark hochfrequente Frequenzanteile enthält (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., (S. 329), wofür vorliegend keine Anhaltspunkte bestehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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