Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AS 182/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 678/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit ab 25.02.2014 bis zum 30.06.2014 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Höhe des maßgebenden Regelbedarfes zu gewähren. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin dem Grunde nach zur Hälfte. Dem Kläger Antragstelle wird für diesen Rechtszug für die Zeit ab 18.03.2014 Pro-zesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt X., F., beigeordnet.
Gründe I:
Der Antragsteller begehrt die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Regel-bedarfe und Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGBII).
Der am 00.00.00 geborene Antragsteller ist portugiesischer Staatsangehöriger. Am 16.12.2013 beantragte er Leistungen beim Antragsgegner. Er gab an, er sei im Sommer (Juni oder Juli) mit seinem Vater (vgl. Parallelverfahren S 5 AS 184/14 ER) und einem Bekannten (vgl. Parallelverfahren S 4 AS 183/14 ER) nach Deutschland eingereist zu sein. Zunächst habe man sich im Bereich des Trockenbaus selbstständig gemacht. Auf-grund der Erfolglosigkeit des Gewerbes habe man dieses im Dezember abgemeldet. Bis-lang habe man von kleinen Arbeiten für den Vermieter gelebt, für die er, sein Vater und der Bekannte Geld erhalten hätten. Alle drei seien zum Zwecke der Arbeitssuche nach Deutschland gezogen. Der Antragsteller fügte einen ab Juni 2013 geschlossenen Mietvertrag bei. Danach bewohnt er eine 35 Quadratmeter große Wohnung in der E. Straße 00 in F., die er sich mit seinem Vater teilt. Die monatliche Miete beträgt inklusive Betriebs- (50 EUR) und Heizkosten (38 EUR) monatlich 313 EUR. Ferner legte er eine Gewerbeabmeldung vom 12.12.2013 vor.
Mit Bescheid vom 29.01.2014 lehnte der Antragsgegner den Antrag unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ab. Der Antragsteller habe angegeben, sich zum Zwecke der Ar-beitssuche in Deutschland aufzuhalten.
Anwaltlich vertreten legte der Kläger dagegen am 26.02.2014 Widerspruch ein, den er nicht begründete.
Am 25.02.2014 hat der Antragsteller um sozialgerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht. Er trägt vor, er halte sich seit Dezember 2012 in Deutschland auf. Seit Mietbeginn im Juni 2013 bis zum Dezember 2013 hätten er, sein Vater und ihr Bekannter Umbaumaßnahmen in dem Haus des Vermieters durchgeführt, in die sie bis heute wohnten. Dabei habe jeder von ihnen monatlich 900 EUR verdient. Dies habe man beim Finanzamt angezeigt. Von den 900 EUR, die jeweils in bar ausgezahlt worden seien, sei die Miete direkt einbehalten worden. Ein eigenes Konto besitze der Antragsteller nicht und verfüge nunmehr über keinerlei Einkommen. Seit Januar könne er seine Miete nicht bezahlen. Es drohe insofern Wohnungslosigkeit. Der Antragsteller reicht eine Gewerbeanmeldung vom 08.07.2013 zur Gerichtsakte, ferner Rechnungen für die Monate August bis Dezember 2013, ausweislicher derer seinem Vermieter unter dem Briefkopf des Antragstellers jeweils 900 EUR mit dem Wortlaut: "vereinbarungsgemäß stellen wir ihnen ( ) folgende Rechnung" in Rechnung gestellt worden sind.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweilgen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB II rückwirkend ab Antragstellung zu gewähren, sinngemäß, dem Antragsgegner Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt X. zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den abzulehnen.
Der Antragsteller habe sich allein zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland aufgehalten. Es sei nicht auszuschließen, dass die monatlich vom gemeinsamen Vermieter bezahlten 900 EUR für den Antragsteller, seinen Vater und deren Bekannten für alle drei zusammen bezahlt worden sei. Damit sei der Lebensunterhalt nicht ansatzweise zu finanzieren gewesen. Der Aufenthalt in Deutschland seit November 2012 werde bloß behauptet. Es fehle Vortrag zu betriebsbedingten Ausgaben.
Die Kammer hat die Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung vom 19.03.2014 in dem erledigten Verfahren S 4 AS 183/14 ER beigezogen, das das parallele Leistungsbegehren des Bekannten des Klägers und dessen Vaters – D. U. – zum Gegenstand hatte. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
Gründe:
II
Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist teilweise zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
A. Die Kammer legt den Antrag des Antragstellers gem. §§ 133, 157 BGB analog dahin-gehend aus, dass Leistungen der Grundsicherung bereits ab Beantragung beim Antrags-gegner – nicht ab Platzierung des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht. Dafür spricht die ausdrücklich rückwirkend begehrte Verpflichtung des Antragsgegners. Indes, das Begehr einer einstweiligen Regelung für einen Zeitraum vor Antragstellung bei Gericht, ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Das Verfahren des Eilrechtsschutzes dient nicht zuvörderst der vollständigen Durchsetzung von Ansprüchen, sondern ausschließlich der Sicherung akut bedrohter Rechtsgüter (vgl. § 86 b Abs. 2 S. 1,2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
B. In Bezug auf Leistungen zur Sicherung des Regelbedarfes nach §§ 19 Abs. 1 S. 3, 20 SGB II ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig und begründet.
Für die begehrte Begründung einer Rechtsposition im einstweiligen Rechtsschutz ist ein Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung statthaft. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozial-gerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige An-ordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt – im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutz allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung - das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d. h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vor-liegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anord-nungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B – juris (Rn. 5) m. w. N.), wenn also mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.03.2013 – L 5 AS 107/13 B ER – juris (Rn. 32) m. w. N.).
Soweit eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet wäre, ist ein schützenswertes Recht des Antragstellers nicht gegeben; der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist abzulehnen. Wäre eine Klage hingegen offensichtlich zulässig und begründet, wird dies im Rahmen des Anordnungsgrundes (Unzumutbarkeit) Beachtung finden.
Zwar ist auch im einstweiligen Rechtsschutz die Sach- und Rechtslage durch die Ge-richte grundsätzlich abschließend zu prüfen. Ist dies aber nicht möglich, ist - entspre-chend der Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts - auf der Grundlage einer Fol-genabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht – BVerfG - Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, Breith. 2005, 803 ff. m.w.N.). Hierbei ist stets die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes zu beachten, die vor dem Hintergrund des Artikels 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) darin besteht, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Dies sind solche Fällen, in denen die Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, a.a.O.; Beschluss vom 22.11.2002, 1 BvR 1582/02; vgl. auch Landessozialgericht – LSG – Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.04.2007, L 28 B 429/07 AS ER). Im Ergebnis ist im Rahmen der Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind grundrechtliche Belange des Antragstellers ein bestimmendes Kriterium. Sind existenzsichernde Leistungen als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) betroffen, so ist ein möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch in der Regel vorläufig zu befriedigen, wenn sich die Sach- und - damit einhergehend - die Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig klären lässt (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05).
Nach diesen Maßstäben musste der Antrag in Bezug auf die vorläufige Bewilligung von Regelbedarfsleistungen Umfang Erfolg haben.
Der Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht worden.
I. Der Antragsteller gehört zunächst zu dem Personenkreis, für den die im SGB II aufge-führten Leistungen vorgesehen sind, denn er hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II).
II. Er ist ferner erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II i. V. m. § 8 SGB II. An der gesundheitlichen Erwerbsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 SGB II bestehen keine Zwei-fel. Auch die rechtliche Erwerbsfähigkeit gem. § 8 Abs. 2 SGB II, die nur vorliegt, wenn eine Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte, ist gegeben. Denn Unionsbürgern wird das sich aus § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1 FreizügG/EU bzw. aus den dieser Norm zugrunde liegenden europäischen Rechtsvorschriften über die Freizügigkeit ergebende Recht auf Einreise und Aufenthalt mit allen damit zusammenhängenden Rechtsvorteilen, hier konkret das Recht aus der Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV), den Arbeitsplatz frei von nationalen Behinderungen zu suchen (freier Arbeitsmarktzugang), unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit gewährt. Portugiesische Staatsangehörige müssen wie alle anderen Unionsbürger mit Ausnahme von (heute nur noch) den Staatsangehörigen Kroatiens keine Arbeitsgenehmigung mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit mehr einholen, bevor sie einer unselbständigen Beschäftigung nachgehen (vgl. §§ 13 FreizügG/EU, 284 SGB III, 39 Abs. 2-4 und Abs. 6 AufenthG). Dem Antragsteller ist die Aufnahme einer Beschäftigung daher ohne weiteres erlaubt.
III. Der Antragsteller hat auch gem. § 294 ZPO im Sinne einer überwiegenden Wahr-scheinlichkeit hinreichend glaubhaft gemacht, dass er nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen in Bezug auf den Regelbedarf nach § 20 SGB II als hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. §§ 9 ff. SGB II einzustufen ist. Seine Angabe, über keinerlei bedarfsdeckendes Einkommen oder Vermögen zu verfügen, erscheint der Kammer - auch unter Berücksichtigung der verspäteten Mitteilung, der Antragsteller verfüge über kein eigenes Konto - glaubhaft. Die Verspätung des Vortrages wird durch die offenbar fehlenden Deutschkenntnisse des Antragstellers und die erschwerte Kommunikation mit seinem Bevollmächtigten plausibel und lässt sich daher nicht als Hinweis auf einen falschen Vortrag deuten. Für eine Hilfebedürftigkeit auch des Antragstellers spricht zudem die Einlassung des Herrn E. F. im Erörterungstermin vom 28.03.2014 im Verfahren S 14 AS 182/14 ER. Dieser schildert in Details den von Hilfe- und Arbeitssuche geprägten Verlauf des Aufenthaltes auch des hiesigen Antragsteller und dessen Vaters in Deutschland. Verbleibenden Zweifeln an der Hilfebedürftigkeit bzw. Fragen nach ihrem Ausmaß wird ggf. im Hauptsacheverfahren weiter nachzugehen sein.
IV. Der Antragsteller hat nach Auffassung der Kammer auch hinreichend glaubhaft ge-macht, dass er in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i. V. m. § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) – Allgemeiner Teil –), denn der örtliche Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse ist faktisch dauerhaft – nämlich nicht auf Beendigung angelegt, sondern zukunftsoffen – im Inland (vgl. insoweit z. B. BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris (Rn. 18); LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 – juris (Rn. 35)). Dass diese Vorausset-zung erfüllt ist, ergibt sich – aus Sicht der Kammer mit überwiegender Wahrscheinlichkeit – daraus, dass der Antragsteller jedenfalls seit Mitte 2013 - nach den erkennbaren Um-ständen - zukunftsoffen in Eschweiler lebt und mit seinem Vater und Herrn F. über einen gewissen sozialen Verbund verfügt.
V. Der Antragsteller ist auch nicht gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGB II von den Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr.1 SGB II sind Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Abs. 3 Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) freizügigkeitsberechtigt sind, für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts vom Leistungsbezug ausgenommen. Zu Beginn des streitigen Zeitraums hielt sich die Antragsteller jedoch – gleich ob er im Jahr 2012 oder aber erst im Juni oder Juli 2013 eingereist ist - schon länger als drei Monate in Deutschland auf.
VI. Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zu Lasten des Antragstellers eingreift, ist nach Auffassung der Kammer – unter Berücksichtigung des derzeitigen Standes der Diskussion um die Europarechtskonformität des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II und im Anschluss an die im Ergebnis einheitliche obergerichtliche Rechtsprechung in Nordrhein-Westfalen - zu verneinen.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II werden Ausländerinnen und Ausländer einschließlich ihrer Familienangehörigen aus dem Kreis der Leistungsberechtigten ausgenommen, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU) ergibt. Diese Vorschrift ist als Ausschlussregelung von existenzsichernden Sozialleistungen eng auszulegen. Auch aus dem Aufbau der Norm ist abzuleiten, dass positiv feststellt werden muss, dass dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris (Rn. 26 ff.); LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 – juris (Rn. 57 ff.). So sind gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt etwa auch Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufhalten wollen. Der Begriff des Arbeitnehmers in § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FreizügG/EU ist unter besonderer Berücksichtigung der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 sowie des Art. 45 AEUV europarechtlich autonom auszulegen (vgl. dazu BSG EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R = juris; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 = juris). Dabei ist der Begriff nach ständiger Rechtsprechung des EuGH unionsrechtlich nicht eng auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 21.02.2013, C-46/12 = juris, unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 03.07.1986 Lawrie-Blum, 66/85, Slg. 1986, 2121, Rn. 16; Urteil vom 21.06.1988, Brown, 197/86, Slg. 1988, 3205, Rn. 21; Urteil vom 26.02.1992, Bernini, C 3/90, Slg. 1992, I 1071, Rn. 14; Urteil vom. 06.11.2003 Ninni-Orasche, C 413/01, Slg. 2003, I 13187, Rn. 23). Nach dieser Rechtsprechung ist der Begriff des Arbeitnehmers "anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der betroffenen Personen kennzeichnen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. Urteile Lawrie-Blum, Randnr. 17; Ninni-Orasche, Randnr. 24, sowie Vatsouras und Koupatantze, Randnr. 26). Die beschränkte Höhe dieser Vergütung, der Ursprung der Mittel für diese, die stärker oder schwächere Produktivität des Betroffenen oder der Umstand, dass er nur eine geringe Anzahl von Wochenstunden Arbeit leistet, schließen es nicht aus, dass eine Person als "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 45 AEUV anerkannt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile Lawrie-Blum, Randnr. 21; vom 31. Mai 1989, Bettray, 344/87, Slg. 1989, 1621, Randnr. 15, und Bernini, Randnr. 16).Allerdings ist für die Qualifizierung als "Arbeitnehmer" erforderlich, dass eine Person eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, die keinen so geringen Umfang hat, dass sie sich als vollständig untergeordnet und unwesentlich darstellt. (vgl. u. a. Urteile vom du 23. März 1982, Levin, 53/81, Slg. 1982, 1035, Randnr. 17, sowie Vatsouras und Koupatantze, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).Bei der Prüfung, ob im konkreten Fall eine tatsächliche und echte Tätigkeit vorliegt, muss das vorlegende Gericht objektive Kriterien heranziehen und alle Umstände des Falles, die sich auf die Art sowohl der fraglichen Tätigkeiten als auch des fraglichen Arbeitsverhältnisses beziehen, in ihrer Gesamtheit beurteilen (Urteil Ninni-Orasche, Randnr. 27). Die Untersuchung sämtlicher Merkmale, die ein Arbeitsverhältnis auszeichnen, um beurteilen zu können, ob die von N. vor und nach Beginn seiner Ausbildung ausgeübte Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis tatsächlich und echt war, und somit, ob er die Eigenschaft eines Arbeitnehmers besaß, fällt daher in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts. Dieses allein hat nämlich unmittelbar Kenntnis vom Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und den Merkmalen, die das Arbeitsverhältnis des Klägers des Ausgangsverfahrens kennzeichnen, und ist daher am besten in der Lage, die notwendigen Prüfungen durchzuführen" (EuGH, Urteil vom 21.02.2013, C-46/12 = juris Rn. 40 ff.).
Im vorliegenden Fall ist nach diesen Vorgaben eine abschließende Prüfung der Arbeit-nehmereigenschaft im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unter besonderer Berücksichtigung der Frage der Gewährung existenzsichernder Leistungen nicht möglich. In Konsistenz zum Vortrag des Antragstellers hinsichtlich seiner Hilfebedürftigkeit ist allerdings mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller jedenfalls seit Dezember 2013 die Arbeiten für seinen Vermieter beendet hat und schon aus diesem Grunde nicht (mehr) (auch) aus den Gründen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FreizügG/EU in Deutschland ist.
Der Leistungsausschluss verstößt aber jedenfalls gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. (vgl. insoweit insbesondere Hessisches LSG, Be-schluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (Rn. 25-35); Bayerisches LSG, Urteil vom 19.06.2013 – L 16 AS 847/12 – juris (Rn. 44-67)). Ob er darüber hinaus auch dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 24 Abs. 1 der Unionsbürger-Richtlinie (oder: Freizügigkeits-Richtlinie) 2004/38/EG widerspricht und ist auch nicht von der Ermächtigung in Art. 24 Abs. 2 dieser Richtlinie gedeckt ist, weil von genereller, nur auf die Staatsangehörigkeit abstellender Natur ist, nicht auf individuelle Lebensumstände bzw. Einzelfallgesichtspunkte Rücksicht nimmt und keine Verhältnismäßigkeitsprüfung ermöglicht, kann insofern offen bleiben. (vgl. insoweit – mit teilweise unterschiedlichen Begründungen bzw. dogmatischen Ansätzen – insbes.: Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (insbes. Rn. 25-38); LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (bislang nur Pressemitteilung veröffentlicht); Bayerisches LSG, Urteil vom 19.06.2013 – L 16 AS 847/12 – juris (Rn. 44-67); Hessisches LSG, Beschluss vom 18.12.2012 – L 7 AS 624/12 B ER – juris; a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.11.2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris (Rn. 23 ff.); vgl. zum Ganzen ferner: Frings, ZAR 2012, 317).
Der Antragsteller unterfällt als Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaates dem persönli-chen Geltungsbereich der Verordnung (Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 883/2004). Dahinstehen kann, ob der persönliche Anwendungsbereich nur eröffnet ist, wenn ein gegenwärtiger oder früherer Bezug zu einem anderen System der sozialen Sicherheit besteht, weil nach dem Koordinierungszweck der Verordnung nur Personen in den Anwendungsbereich der Verordnung einzubeziehen sein könnten, die zu irgendeinem Zeitpunkt einen Sachverhalt verwirklicht haben, der einen Anspruch oder einen Versicherungsschutz in einem System der sozialen Sicherheit in einem Mitgliedstaat ausgelöst hat (so Schulte, ZESAR 2010, 202 (205); Cornelissen, in: Eichenhofer (Hrsg.), 50 Jahre nach ihrem Beginn – Neue Regeln für die Koordinierung sozialer Sicherheit, S. 17 (33)), oder die abstrakte Unterworfenheit unter ein System der sozialen Sicherheit ohne konkrete Einbeziehung ausreicht (so Eichenhofer, Sozialrecht der EU, 4. Aufl., Rn. 101). Denn der Antragsteller ist bei der BEK in Stollberg gesetzlich krankenversichert. Auch der sachliche Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist für den Antragsteller eröffnet. Der "Wohnort" i. S. v. Art. 1 lit. j und Art. 70 VO (EG) 883/2004 i. V. m. den Kriterien für die Feststellung des Wohnortes in Art. 11 VO (EG) 987/2009, der Durchführungsverordnung zu VO (EG) 883/2004, befindet sich – wie der "gewöhnliche Aufenthalt" gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II (s. o.) – nach Auffassung der Kammer in Deutschland. Zur Bestimmung des Wohnorts ist insbesondere auf Dauer und Kontinuität des Aufenthalts im betreffenden Mitgliedstaat und die Situation der Person abzustellen. Für die Situation sind insbesondere die Qualität ihrer (un)selbstständigen Tätigkeit (Beschäftigungsort, Dauerhaftigkeit, Laufzeit des Vertrages), die familiären Verhältnisse und Bindungen, die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit, die Finanzierungsform eines etwaigen Studiums, die Wohnsituation (Dauerhaftigkeit) und der steuerliche Wohnsitz bedeutsam. Nach Art. 11 Abs. 2 VO (EG) 987/2009 ist zudem in Zweifelsfällen der Wille der Person, insbesondere der Grund für einen Wohnortwechsel ausschlaggebend (vgl. Schreiber, NZS 2012, 647 (649)). Nach diesen Kriterien und dem insoweit besonders wichtigen subjektiven Faktor des "Mittelpunktes des Interesses" des Antragstellers befindet sich sein Wohnort in Deutschland, und zwar aus den Gründen, die bereits im Zusammenhang mit der Anspruchsvoraussetzung des "gewöhnlichen Aufenthalts" gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II genannt worden sind. Nach der Überzeugung der Kammer gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 VO (EG) 883/2004 auch für die besonderen beitragsunabhängigen Leistungen gem. Art. 3 Abs. 3 i. V. m. Art. 70 VO (EG). (vgl. zum Ganzen auch Frings, ZAR 2012, 317 (321 f.)) und verschafft dem Antragsteller einen individuellen Anspruch auf Gewährung der beson-deren beitragsunabhängigen Leistungen nach den gleichen Voraussetzungen, wie sie auch für Deutsche gelten (a. A. offenbar Bayerisches LSG, Beschluss vom 19.11.2013 – L 7 AS 753/13 B ER – juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 06.11.2013 – L 7 AS 639/13 B ER – juris).
Dies entspricht der Auffassung des 6. Senats des LSG NRW. Der im Gesetz enthaltene ausnahmslose Leistungsausschluss (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II) für arbeitsuchende EU-Bürger ist nach Auffassung des Senats europarechtswidrig. Der Senat ist – insofern noch weitergehender als frühere Entscheidungen anderer Senate des Landessozialge-richts – der Auffassung, der Leistungsausschluss in dieser ausnahmslosen Automatik widerspreche dem zwischen den EU-Staaten vereinbarten gesetzlich wirksamen Gleichbehandlungsgebot (Art. 4 Verordnung EU 883/2004). Darüber hinausgehend führt der Senat aus, soweit die sogenannte Unionsbürgerrichtlinie (Richtlinie 2004/38) den Mitgliedstaaten erlaube, einschränkende Regelungen zur Vermeidung von sog. Sozialtourismus vorzusehen, sei dies nicht in dieser im SGB II enthaltenen unbedingten und umfassenden Form möglich. Die Richtlinie verlange eine bestimmte Solidarität des aufnehmenden Staates Deutschland mit den anderen Mitgliedstaaten. Das erfordere unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit Regelungen, wonach abhängig von den individuellen Umständen Leistungen im Einzelfall jedenfalls ausnahmsweise möglich sein müssen. In dieser Auffassung sehe sich der Senat durch die neueste Rechtsprechung des EuGH bestätigt (EuGH, Urt. v. 19.09.2013 - C-140/12, "Brey").
Dass das Bundessozialgericht hat mit dem Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – ein Verfahren, in dem es um die Europarechtskonformität von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II geht, ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) auf der Grundlage von Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der den Mitgliedstaaten eine einheitliche Auslegung und Anwendung des Unionsrechts ermöglichen soll, Fragen zu Art. 4 und Art. 70 VO (EG) 883/2004, Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG sowie Art. 45 Abs. 2 AEUV i. V. m. Art. 18 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Auch soweit man die Frage der Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses vor diesem Hintergrund als offen betrachtete, wären im Rahmen einer vom Gericht angestellten Fol-gen- bzw. Interessenabwägung die Folgen, die für den Antragsteller entstehen würden, wenn die einstweilige Anordnung zu seinen Gunsten nicht erlassen würde, als wesentlich erheblicher anzusehen als die Folgen, die im umgekehrten Fall entstünden. Denn es geht hier um die Gewährung oder Nichtgewährung existenzsichernder Leistungen und damit um eine drohende Verletzung des Grundrechts auf Gewährung eines soziokulturellen Existenzminimums. Umgekehrt bestünde für den Antragsgegner lediglich das Risiko der Nichtdurchsetzbarkeit eines Rückforderungsanspruchs, wenn in der Hauptsache festgestellt würde, dass ein Leistungsanspruch des Antragstellers tatsächlich nicht bestanden hat. Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache wäre für den Antragsteller hingegen unzumutbar hart.
Es ist auch – im tenorierten Umfang – ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Die Eilbedürftigkeit ergibt sich aus dem existenzsichernden Charakter der begehrten Leistung. Es ist dem Anspruchsteller nicht zuzumuten, bis zum Ende des Hauptsacheverfahrens und ggf. eines sich anschließenden Rechtsmittelverfahrens auf Leistungen für den Regelbedarf zu verzichten. Dem Umstand, dass es nicht ausgeschlossen erscheint, dass der Antragsgegner einen etwaigen Rückforderungsanspruch im Falle eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren nicht würde realisieren können und die Zuerkennung der Leistungen deshalb im Ergebnis einen Zustand schaffen könnte, der in seinen (wirtschaftlichen) Auswirkungen der Vorwegnahme in der Hauptsache gleichzusetzen wäre, trägt die Kammer bei der inhaltlichen Ausgestaltung der einstweiligen Anordnung Rechnung, indem sie die nachteiligen Folgen auf Seiten des Antragsgegners zeitlich begrenzt.
C. Hinsichtlich eines Anspruches auf Leistungen der Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II fehlt insbesondere ein Anordnungsgrund. Nach der einhelligen Rechtsprechung der zuständigen Senate des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalens kann in auf die Gewährung von Leistungen für die Unterkunft gerichteten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Anordnungsgrund nur dann angenommen werden, wenn dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung konkret die Wohnungslosigkeit oder eine vergleichbare Notlage - etwa die Sperre der Strom- oder Heizungsversorgung - droht. Dies kann bezüglich der Wohnungsmiete erst dann angenommen werden, wenn ernsthaft mit der Kündigung des Mietverhältnisses und einer Räumungsklage zu rechnen ist (vgl. etwa LSG NRW, Beschlüsse vom 29.04.2008 – L 12 B 46/08 AS ER -, vom 17.03.2008 – L 7 B 10/08 AS ER – und vom 15.07.2009 – L 9 B 41/09 AS ER -). Dies hat der Antragsteller weder vorgetragen, noch glaubhaft gemacht. Das Bestehen von Mietrückständen, die gemäß § 569 Bürgerliches Gesetzbuch den Vermieter zur außerordentlichen Kündigung berechtigen würden, reicht nach Auffassung der Kammer regelmäßig nicht.
Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Die Entscheidung über den am 18.03.2014 vervollständigten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 73a SGG i. V. m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Der Antragsteller kann die Kosten der Prozessführung nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bot aus den vorstehenden Gründen zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife die im Rahmen des § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht. Die Rechtsverfolgung erscheint auch nicht mutwillig und die Beiordnung eines Rechtsanwaltes war unter Berücksichtigung der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich.
Gründe I:
Der Antragsteller begehrt die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Regel-bedarfe und Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGBII).
Der am 00.00.00 geborene Antragsteller ist portugiesischer Staatsangehöriger. Am 16.12.2013 beantragte er Leistungen beim Antragsgegner. Er gab an, er sei im Sommer (Juni oder Juli) mit seinem Vater (vgl. Parallelverfahren S 5 AS 184/14 ER) und einem Bekannten (vgl. Parallelverfahren S 4 AS 183/14 ER) nach Deutschland eingereist zu sein. Zunächst habe man sich im Bereich des Trockenbaus selbstständig gemacht. Auf-grund der Erfolglosigkeit des Gewerbes habe man dieses im Dezember abgemeldet. Bis-lang habe man von kleinen Arbeiten für den Vermieter gelebt, für die er, sein Vater und der Bekannte Geld erhalten hätten. Alle drei seien zum Zwecke der Arbeitssuche nach Deutschland gezogen. Der Antragsteller fügte einen ab Juni 2013 geschlossenen Mietvertrag bei. Danach bewohnt er eine 35 Quadratmeter große Wohnung in der E. Straße 00 in F., die er sich mit seinem Vater teilt. Die monatliche Miete beträgt inklusive Betriebs- (50 EUR) und Heizkosten (38 EUR) monatlich 313 EUR. Ferner legte er eine Gewerbeabmeldung vom 12.12.2013 vor.
Mit Bescheid vom 29.01.2014 lehnte der Antragsgegner den Antrag unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ab. Der Antragsteller habe angegeben, sich zum Zwecke der Ar-beitssuche in Deutschland aufzuhalten.
Anwaltlich vertreten legte der Kläger dagegen am 26.02.2014 Widerspruch ein, den er nicht begründete.
Am 25.02.2014 hat der Antragsteller um sozialgerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht. Er trägt vor, er halte sich seit Dezember 2012 in Deutschland auf. Seit Mietbeginn im Juni 2013 bis zum Dezember 2013 hätten er, sein Vater und ihr Bekannter Umbaumaßnahmen in dem Haus des Vermieters durchgeführt, in die sie bis heute wohnten. Dabei habe jeder von ihnen monatlich 900 EUR verdient. Dies habe man beim Finanzamt angezeigt. Von den 900 EUR, die jeweils in bar ausgezahlt worden seien, sei die Miete direkt einbehalten worden. Ein eigenes Konto besitze der Antragsteller nicht und verfüge nunmehr über keinerlei Einkommen. Seit Januar könne er seine Miete nicht bezahlen. Es drohe insofern Wohnungslosigkeit. Der Antragsteller reicht eine Gewerbeanmeldung vom 08.07.2013 zur Gerichtsakte, ferner Rechnungen für die Monate August bis Dezember 2013, ausweislicher derer seinem Vermieter unter dem Briefkopf des Antragstellers jeweils 900 EUR mit dem Wortlaut: "vereinbarungsgemäß stellen wir ihnen ( ) folgende Rechnung" in Rechnung gestellt worden sind.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweilgen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen nach dem SGB II rückwirkend ab Antragstellung zu gewähren, sinngemäß, dem Antragsgegner Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt X. zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den abzulehnen.
Der Antragsteller habe sich allein zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland aufgehalten. Es sei nicht auszuschließen, dass die monatlich vom gemeinsamen Vermieter bezahlten 900 EUR für den Antragsteller, seinen Vater und deren Bekannten für alle drei zusammen bezahlt worden sei. Damit sei der Lebensunterhalt nicht ansatzweise zu finanzieren gewesen. Der Aufenthalt in Deutschland seit November 2012 werde bloß behauptet. Es fehle Vortrag zu betriebsbedingten Ausgaben.
Die Kammer hat die Niederschrift der nichtöffentlichen Sitzung vom 19.03.2014 in dem erledigten Verfahren S 4 AS 183/14 ER beigezogen, das das parallele Leistungsbegehren des Bekannten des Klägers und dessen Vaters – D. U. – zum Gegenstand hatte. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
Gründe:
II
Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist teilweise zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
A. Die Kammer legt den Antrag des Antragstellers gem. §§ 133, 157 BGB analog dahin-gehend aus, dass Leistungen der Grundsicherung bereits ab Beantragung beim Antrags-gegner – nicht ab Platzierung des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht. Dafür spricht die ausdrücklich rückwirkend begehrte Verpflichtung des Antragsgegners. Indes, das Begehr einer einstweiligen Regelung für einen Zeitraum vor Antragstellung bei Gericht, ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Das Verfahren des Eilrechtsschutzes dient nicht zuvörderst der vollständigen Durchsetzung von Ansprüchen, sondern ausschließlich der Sicherung akut bedrohter Rechtsgüter (vgl. § 86 b Abs. 2 S. 1,2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
B. In Bezug auf Leistungen zur Sicherung des Regelbedarfes nach §§ 19 Abs. 1 S. 3, 20 SGB II ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig und begründet.
Für die begehrte Begründung einer Rechtsposition im einstweiligen Rechtsschutz ist ein Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung statthaft. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozial-gerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige An-ordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt – im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutz allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung - das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d. h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vor-liegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anord-nungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B – juris (Rn. 5) m. w. N.), wenn also mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.03.2013 – L 5 AS 107/13 B ER – juris (Rn. 32) m. w. N.).
Soweit eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet wäre, ist ein schützenswertes Recht des Antragstellers nicht gegeben; der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist abzulehnen. Wäre eine Klage hingegen offensichtlich zulässig und begründet, wird dies im Rahmen des Anordnungsgrundes (Unzumutbarkeit) Beachtung finden.
Zwar ist auch im einstweiligen Rechtsschutz die Sach- und Rechtslage durch die Ge-richte grundsätzlich abschließend zu prüfen. Ist dies aber nicht möglich, ist - entspre-chend der Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts - auf der Grundlage einer Fol-genabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht – BVerfG - Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, Breith. 2005, 803 ff. m.w.N.). Hierbei ist stets die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes zu beachten, die vor dem Hintergrund des Artikels 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) darin besteht, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Dies sind solche Fällen, in denen die Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, a.a.O.; Beschluss vom 22.11.2002, 1 BvR 1582/02; vgl. auch Landessozialgericht – LSG – Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.04.2007, L 28 B 429/07 AS ER). Im Ergebnis ist im Rahmen der Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind grundrechtliche Belange des Antragstellers ein bestimmendes Kriterium. Sind existenzsichernde Leistungen als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) betroffen, so ist ein möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch in der Regel vorläufig zu befriedigen, wenn sich die Sach- und - damit einhergehend - die Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig klären lässt (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05).
Nach diesen Maßstäben musste der Antrag in Bezug auf die vorläufige Bewilligung von Regelbedarfsleistungen Umfang Erfolg haben.
Der Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht worden.
I. Der Antragsteller gehört zunächst zu dem Personenkreis, für den die im SGB II aufge-führten Leistungen vorgesehen sind, denn er hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II).
II. Er ist ferner erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II i. V. m. § 8 SGB II. An der gesundheitlichen Erwerbsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 SGB II bestehen keine Zwei-fel. Auch die rechtliche Erwerbsfähigkeit gem. § 8 Abs. 2 SGB II, die nur vorliegt, wenn eine Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte, ist gegeben. Denn Unionsbürgern wird das sich aus § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1 FreizügG/EU bzw. aus den dieser Norm zugrunde liegenden europäischen Rechtsvorschriften über die Freizügigkeit ergebende Recht auf Einreise und Aufenthalt mit allen damit zusammenhängenden Rechtsvorteilen, hier konkret das Recht aus der Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV), den Arbeitsplatz frei von nationalen Behinderungen zu suchen (freier Arbeitsmarktzugang), unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit gewährt. Portugiesische Staatsangehörige müssen wie alle anderen Unionsbürger mit Ausnahme von (heute nur noch) den Staatsangehörigen Kroatiens keine Arbeitsgenehmigung mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit mehr einholen, bevor sie einer unselbständigen Beschäftigung nachgehen (vgl. §§ 13 FreizügG/EU, 284 SGB III, 39 Abs. 2-4 und Abs. 6 AufenthG). Dem Antragsteller ist die Aufnahme einer Beschäftigung daher ohne weiteres erlaubt.
III. Der Antragsteller hat auch gem. § 294 ZPO im Sinne einer überwiegenden Wahr-scheinlichkeit hinreichend glaubhaft gemacht, dass er nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen in Bezug auf den Regelbedarf nach § 20 SGB II als hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. §§ 9 ff. SGB II einzustufen ist. Seine Angabe, über keinerlei bedarfsdeckendes Einkommen oder Vermögen zu verfügen, erscheint der Kammer - auch unter Berücksichtigung der verspäteten Mitteilung, der Antragsteller verfüge über kein eigenes Konto - glaubhaft. Die Verspätung des Vortrages wird durch die offenbar fehlenden Deutschkenntnisse des Antragstellers und die erschwerte Kommunikation mit seinem Bevollmächtigten plausibel und lässt sich daher nicht als Hinweis auf einen falschen Vortrag deuten. Für eine Hilfebedürftigkeit auch des Antragstellers spricht zudem die Einlassung des Herrn E. F. im Erörterungstermin vom 28.03.2014 im Verfahren S 14 AS 182/14 ER. Dieser schildert in Details den von Hilfe- und Arbeitssuche geprägten Verlauf des Aufenthaltes auch des hiesigen Antragsteller und dessen Vaters in Deutschland. Verbleibenden Zweifeln an der Hilfebedürftigkeit bzw. Fragen nach ihrem Ausmaß wird ggf. im Hauptsacheverfahren weiter nachzugehen sein.
IV. Der Antragsteller hat nach Auffassung der Kammer auch hinreichend glaubhaft ge-macht, dass er in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i. V. m. § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) – Allgemeiner Teil –), denn der örtliche Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse ist faktisch dauerhaft – nämlich nicht auf Beendigung angelegt, sondern zukunftsoffen – im Inland (vgl. insoweit z. B. BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris (Rn. 18); LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 – juris (Rn. 35)). Dass diese Vorausset-zung erfüllt ist, ergibt sich – aus Sicht der Kammer mit überwiegender Wahrscheinlichkeit – daraus, dass der Antragsteller jedenfalls seit Mitte 2013 - nach den erkennbaren Um-ständen - zukunftsoffen in Eschweiler lebt und mit seinem Vater und Herrn F. über einen gewissen sozialen Verbund verfügt.
V. Der Antragsteller ist auch nicht gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGB II von den Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr.1 SGB II sind Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Abs. 3 Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) freizügigkeitsberechtigt sind, für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts vom Leistungsbezug ausgenommen. Zu Beginn des streitigen Zeitraums hielt sich die Antragsteller jedoch – gleich ob er im Jahr 2012 oder aber erst im Juni oder Juli 2013 eingereist ist - schon länger als drei Monate in Deutschland auf.
VI. Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zu Lasten des Antragstellers eingreift, ist nach Auffassung der Kammer – unter Berücksichtigung des derzeitigen Standes der Diskussion um die Europarechtskonformität des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II und im Anschluss an die im Ergebnis einheitliche obergerichtliche Rechtsprechung in Nordrhein-Westfalen - zu verneinen.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II werden Ausländerinnen und Ausländer einschließlich ihrer Familienangehörigen aus dem Kreis der Leistungsberechtigten ausgenommen, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU) ergibt. Diese Vorschrift ist als Ausschlussregelung von existenzsichernden Sozialleistungen eng auszulegen. Auch aus dem Aufbau der Norm ist abzuleiten, dass positiv feststellt werden muss, dass dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris (Rn. 26 ff.); LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 – juris (Rn. 57 ff.). So sind gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt etwa auch Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufhalten wollen. Der Begriff des Arbeitnehmers in § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FreizügG/EU ist unter besonderer Berücksichtigung der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 sowie des Art. 45 AEUV europarechtlich autonom auszulegen (vgl. dazu BSG EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R = juris; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 = juris). Dabei ist der Begriff nach ständiger Rechtsprechung des EuGH unionsrechtlich nicht eng auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 21.02.2013, C-46/12 = juris, unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 03.07.1986 Lawrie-Blum, 66/85, Slg. 1986, 2121, Rn. 16; Urteil vom 21.06.1988, Brown, 197/86, Slg. 1988, 3205, Rn. 21; Urteil vom 26.02.1992, Bernini, C 3/90, Slg. 1992, I 1071, Rn. 14; Urteil vom. 06.11.2003 Ninni-Orasche, C 413/01, Slg. 2003, I 13187, Rn. 23). Nach dieser Rechtsprechung ist der Begriff des Arbeitnehmers "anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der betroffenen Personen kennzeichnen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. Urteile Lawrie-Blum, Randnr. 17; Ninni-Orasche, Randnr. 24, sowie Vatsouras und Koupatantze, Randnr. 26). Die beschränkte Höhe dieser Vergütung, der Ursprung der Mittel für diese, die stärker oder schwächere Produktivität des Betroffenen oder der Umstand, dass er nur eine geringe Anzahl von Wochenstunden Arbeit leistet, schließen es nicht aus, dass eine Person als "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 45 AEUV anerkannt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile Lawrie-Blum, Randnr. 21; vom 31. Mai 1989, Bettray, 344/87, Slg. 1989, 1621, Randnr. 15, und Bernini, Randnr. 16).Allerdings ist für die Qualifizierung als "Arbeitnehmer" erforderlich, dass eine Person eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, die keinen so geringen Umfang hat, dass sie sich als vollständig untergeordnet und unwesentlich darstellt. (vgl. u. a. Urteile vom du 23. März 1982, Levin, 53/81, Slg. 1982, 1035, Randnr. 17, sowie Vatsouras und Koupatantze, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).Bei der Prüfung, ob im konkreten Fall eine tatsächliche und echte Tätigkeit vorliegt, muss das vorlegende Gericht objektive Kriterien heranziehen und alle Umstände des Falles, die sich auf die Art sowohl der fraglichen Tätigkeiten als auch des fraglichen Arbeitsverhältnisses beziehen, in ihrer Gesamtheit beurteilen (Urteil Ninni-Orasche, Randnr. 27). Die Untersuchung sämtlicher Merkmale, die ein Arbeitsverhältnis auszeichnen, um beurteilen zu können, ob die von N. vor und nach Beginn seiner Ausbildung ausgeübte Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis tatsächlich und echt war, und somit, ob er die Eigenschaft eines Arbeitnehmers besaß, fällt daher in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts. Dieses allein hat nämlich unmittelbar Kenntnis vom Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und den Merkmalen, die das Arbeitsverhältnis des Klägers des Ausgangsverfahrens kennzeichnen, und ist daher am besten in der Lage, die notwendigen Prüfungen durchzuführen" (EuGH, Urteil vom 21.02.2013, C-46/12 = juris Rn. 40 ff.).
Im vorliegenden Fall ist nach diesen Vorgaben eine abschließende Prüfung der Arbeit-nehmereigenschaft im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unter besonderer Berücksichtigung der Frage der Gewährung existenzsichernder Leistungen nicht möglich. In Konsistenz zum Vortrag des Antragstellers hinsichtlich seiner Hilfebedürftigkeit ist allerdings mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller jedenfalls seit Dezember 2013 die Arbeiten für seinen Vermieter beendet hat und schon aus diesem Grunde nicht (mehr) (auch) aus den Gründen des § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FreizügG/EU in Deutschland ist.
Der Leistungsausschluss verstößt aber jedenfalls gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. (vgl. insoweit insbesondere Hessisches LSG, Be-schluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (Rn. 25-35); Bayerisches LSG, Urteil vom 19.06.2013 – L 16 AS 847/12 – juris (Rn. 44-67)). Ob er darüber hinaus auch dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 24 Abs. 1 der Unionsbürger-Richtlinie (oder: Freizügigkeits-Richtlinie) 2004/38/EG widerspricht und ist auch nicht von der Ermächtigung in Art. 24 Abs. 2 dieser Richtlinie gedeckt ist, weil von genereller, nur auf die Staatsangehörigkeit abstellender Natur ist, nicht auf individuelle Lebensumstände bzw. Einzelfallgesichtspunkte Rücksicht nimmt und keine Verhältnismäßigkeitsprüfung ermöglicht, kann insofern offen bleiben. (vgl. insoweit – mit teilweise unterschiedlichen Begründungen bzw. dogmatischen Ansätzen – insbes.: Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (insbes. Rn. 25-38); LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (bislang nur Pressemitteilung veröffentlicht); Bayerisches LSG, Urteil vom 19.06.2013 – L 16 AS 847/12 – juris (Rn. 44-67); Hessisches LSG, Beschluss vom 18.12.2012 – L 7 AS 624/12 B ER – juris; a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.11.2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris (Rn. 23 ff.); vgl. zum Ganzen ferner: Frings, ZAR 2012, 317).
Der Antragsteller unterfällt als Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaates dem persönli-chen Geltungsbereich der Verordnung (Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 883/2004). Dahinstehen kann, ob der persönliche Anwendungsbereich nur eröffnet ist, wenn ein gegenwärtiger oder früherer Bezug zu einem anderen System der sozialen Sicherheit besteht, weil nach dem Koordinierungszweck der Verordnung nur Personen in den Anwendungsbereich der Verordnung einzubeziehen sein könnten, die zu irgendeinem Zeitpunkt einen Sachverhalt verwirklicht haben, der einen Anspruch oder einen Versicherungsschutz in einem System der sozialen Sicherheit in einem Mitgliedstaat ausgelöst hat (so Schulte, ZESAR 2010, 202 (205); Cornelissen, in: Eichenhofer (Hrsg.), 50 Jahre nach ihrem Beginn – Neue Regeln für die Koordinierung sozialer Sicherheit, S. 17 (33)), oder die abstrakte Unterworfenheit unter ein System der sozialen Sicherheit ohne konkrete Einbeziehung ausreicht (so Eichenhofer, Sozialrecht der EU, 4. Aufl., Rn. 101). Denn der Antragsteller ist bei der BEK in Stollberg gesetzlich krankenversichert. Auch der sachliche Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist für den Antragsteller eröffnet. Der "Wohnort" i. S. v. Art. 1 lit. j und Art. 70 VO (EG) 883/2004 i. V. m. den Kriterien für die Feststellung des Wohnortes in Art. 11 VO (EG) 987/2009, der Durchführungsverordnung zu VO (EG) 883/2004, befindet sich – wie der "gewöhnliche Aufenthalt" gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II (s. o.) – nach Auffassung der Kammer in Deutschland. Zur Bestimmung des Wohnorts ist insbesondere auf Dauer und Kontinuität des Aufenthalts im betreffenden Mitgliedstaat und die Situation der Person abzustellen. Für die Situation sind insbesondere die Qualität ihrer (un)selbstständigen Tätigkeit (Beschäftigungsort, Dauerhaftigkeit, Laufzeit des Vertrages), die familiären Verhältnisse und Bindungen, die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit, die Finanzierungsform eines etwaigen Studiums, die Wohnsituation (Dauerhaftigkeit) und der steuerliche Wohnsitz bedeutsam. Nach Art. 11 Abs. 2 VO (EG) 987/2009 ist zudem in Zweifelsfällen der Wille der Person, insbesondere der Grund für einen Wohnortwechsel ausschlaggebend (vgl. Schreiber, NZS 2012, 647 (649)). Nach diesen Kriterien und dem insoweit besonders wichtigen subjektiven Faktor des "Mittelpunktes des Interesses" des Antragstellers befindet sich sein Wohnort in Deutschland, und zwar aus den Gründen, die bereits im Zusammenhang mit der Anspruchsvoraussetzung des "gewöhnlichen Aufenthalts" gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II genannt worden sind. Nach der Überzeugung der Kammer gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 VO (EG) 883/2004 auch für die besonderen beitragsunabhängigen Leistungen gem. Art. 3 Abs. 3 i. V. m. Art. 70 VO (EG). (vgl. zum Ganzen auch Frings, ZAR 2012, 317 (321 f.)) und verschafft dem Antragsteller einen individuellen Anspruch auf Gewährung der beson-deren beitragsunabhängigen Leistungen nach den gleichen Voraussetzungen, wie sie auch für Deutsche gelten (a. A. offenbar Bayerisches LSG, Beschluss vom 19.11.2013 – L 7 AS 753/13 B ER – juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 06.11.2013 – L 7 AS 639/13 B ER – juris).
Dies entspricht der Auffassung des 6. Senats des LSG NRW. Der im Gesetz enthaltene ausnahmslose Leistungsausschluss (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II) für arbeitsuchende EU-Bürger ist nach Auffassung des Senats europarechtswidrig. Der Senat ist – insofern noch weitergehender als frühere Entscheidungen anderer Senate des Landessozialge-richts – der Auffassung, der Leistungsausschluss in dieser ausnahmslosen Automatik widerspreche dem zwischen den EU-Staaten vereinbarten gesetzlich wirksamen Gleichbehandlungsgebot (Art. 4 Verordnung EU 883/2004). Darüber hinausgehend führt der Senat aus, soweit die sogenannte Unionsbürgerrichtlinie (Richtlinie 2004/38) den Mitgliedstaaten erlaube, einschränkende Regelungen zur Vermeidung von sog. Sozialtourismus vorzusehen, sei dies nicht in dieser im SGB II enthaltenen unbedingten und umfassenden Form möglich. Die Richtlinie verlange eine bestimmte Solidarität des aufnehmenden Staates Deutschland mit den anderen Mitgliedstaaten. Das erfordere unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit Regelungen, wonach abhängig von den individuellen Umständen Leistungen im Einzelfall jedenfalls ausnahmsweise möglich sein müssen. In dieser Auffassung sehe sich der Senat durch die neueste Rechtsprechung des EuGH bestätigt (EuGH, Urt. v. 19.09.2013 - C-140/12, "Brey").
Dass das Bundessozialgericht hat mit dem Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – ein Verfahren, in dem es um die Europarechtskonformität von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II geht, ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) auf der Grundlage von Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der den Mitgliedstaaten eine einheitliche Auslegung und Anwendung des Unionsrechts ermöglichen soll, Fragen zu Art. 4 und Art. 70 VO (EG) 883/2004, Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG sowie Art. 45 Abs. 2 AEUV i. V. m. Art. 18 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Auch soweit man die Frage der Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses vor diesem Hintergrund als offen betrachtete, wären im Rahmen einer vom Gericht angestellten Fol-gen- bzw. Interessenabwägung die Folgen, die für den Antragsteller entstehen würden, wenn die einstweilige Anordnung zu seinen Gunsten nicht erlassen würde, als wesentlich erheblicher anzusehen als die Folgen, die im umgekehrten Fall entstünden. Denn es geht hier um die Gewährung oder Nichtgewährung existenzsichernder Leistungen und damit um eine drohende Verletzung des Grundrechts auf Gewährung eines soziokulturellen Existenzminimums. Umgekehrt bestünde für den Antragsgegner lediglich das Risiko der Nichtdurchsetzbarkeit eines Rückforderungsanspruchs, wenn in der Hauptsache festgestellt würde, dass ein Leistungsanspruch des Antragstellers tatsächlich nicht bestanden hat. Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache wäre für den Antragsteller hingegen unzumutbar hart.
Es ist auch – im tenorierten Umfang – ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Die Eilbedürftigkeit ergibt sich aus dem existenzsichernden Charakter der begehrten Leistung. Es ist dem Anspruchsteller nicht zuzumuten, bis zum Ende des Hauptsacheverfahrens und ggf. eines sich anschließenden Rechtsmittelverfahrens auf Leistungen für den Regelbedarf zu verzichten. Dem Umstand, dass es nicht ausgeschlossen erscheint, dass der Antragsgegner einen etwaigen Rückforderungsanspruch im Falle eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren nicht würde realisieren können und die Zuerkennung der Leistungen deshalb im Ergebnis einen Zustand schaffen könnte, der in seinen (wirtschaftlichen) Auswirkungen der Vorwegnahme in der Hauptsache gleichzusetzen wäre, trägt die Kammer bei der inhaltlichen Ausgestaltung der einstweiligen Anordnung Rechnung, indem sie die nachteiligen Folgen auf Seiten des Antragsgegners zeitlich begrenzt.
C. Hinsichtlich eines Anspruches auf Leistungen der Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II fehlt insbesondere ein Anordnungsgrund. Nach der einhelligen Rechtsprechung der zuständigen Senate des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalens kann in auf die Gewährung von Leistungen für die Unterkunft gerichteten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Anordnungsgrund nur dann angenommen werden, wenn dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung konkret die Wohnungslosigkeit oder eine vergleichbare Notlage - etwa die Sperre der Strom- oder Heizungsversorgung - droht. Dies kann bezüglich der Wohnungsmiete erst dann angenommen werden, wenn ernsthaft mit der Kündigung des Mietverhältnisses und einer Räumungsklage zu rechnen ist (vgl. etwa LSG NRW, Beschlüsse vom 29.04.2008 – L 12 B 46/08 AS ER -, vom 17.03.2008 – L 7 B 10/08 AS ER – und vom 15.07.2009 – L 9 B 41/09 AS ER -). Dies hat der Antragsteller weder vorgetragen, noch glaubhaft gemacht. Das Bestehen von Mietrückständen, die gemäß § 569 Bürgerliches Gesetzbuch den Vermieter zur außerordentlichen Kündigung berechtigen würden, reicht nach Auffassung der Kammer regelmäßig nicht.
Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Die Entscheidung über den am 18.03.2014 vervollständigten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 73a SGG i. V. m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Der Antragsteller kann die Kosten der Prozessführung nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bot aus den vorstehenden Gründen zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife die im Rahmen des § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht. Die Rechtsverfolgung erscheint auch nicht mutwillig und die Beiordnung eines Rechtsanwaltes war unter Berücksichtigung der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage erforderlich.
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