L 23 SO 68/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 20 SO 190/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 68/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit der Berufung noch gegen die Anrechnung eines Guthabens aus einer Betriebskostenabrechnung und der sich daraus ergebenden teilweisen Aufhebung der Leistungsbewilligung.

Der 1969 geborene Kläger ist auf Dauer voll erwerbsgemindert. Er bezieht aufgrund Bescheids vom 16. September 2009 von der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung und seit dem 1. November 2009 ergänzend Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII) von der Beklagten. Zuvor bezog er seit Mai 2009 von der Beklagten Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII und zwar mit Bescheid vom 9. April 2009 "ab Mai 2009 bis auf weiteres", geändert durch Bescheide vom 9. Juni 2009 und vom 23. November 2009. Vor Mai 2009 hatte der Kläger Alg II von der Potsdamer Arbeitsgemeinschaft zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (PAGA) erhalten.

Auf Anforderung der Beklagten legte der Kläger die Betriebskostenabrechnung der P P GmbH vom 15. Juli 2009 betreffend das Jahr 2008 vor, aus der ein Guthaben von 125,68 EUR ersichtlich ist. Das Guthaben wurde dem Mieterkonto des Klägers unter dem 15. August 2009 gutgeschrieben. Das Guthaben gelangte nicht zur Auszahlung, weil die Vermieterin es in der Folgezeit gemeinsam mit dem Betriebskostenguthaben für 2009 mit behaupteten Forderungen aus der Betriebskostenabrechnung 2007, Mietunterzahlungen aus den Monaten Oktober, November, Dezember 2008 sowie Rechtsanwalts- und Gerichtskosten (Kostenfestsetzungsbeschlusses zu Gunsten der G vom 7. Mai 2010 über 164,25 EUR) verrechnete.

Mit Schreiben vom 30. März 2010 hörte die Beklagte den Kläger zu einer voraussichtlichen Rücknahme eines Sozialhilfebescheides sowie zu einer Rückforderung von zu Unrecht erbrachten Leistungen aufgrund der genannten Betriebskostenabrechnung in Höhe von 125,68 EUR an.

Mit Bescheid vom 29. April 2010 hob die Beklagte ihren Bescheid vom 9. Juni 2009 für den Monat August 2009 - zunächst gem. § 45 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) - auf und forderte den Kläger auf, ihr die zu viel erhaltene Sozialhilfe von 125,68 EUR aus der Betriebskostenabrechnung 2008 zu erstatten.

Den dagegen vom Kläger mit Schreiben vom 10. Mai 2010 erhobenen Widerspruch, mit dem er der Sache nach geltend machte, das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung nie ausgezahlt bekommen zu haben, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2010 zurück.

Zur Begründung heißt es, sie deute den streitgegenständlichen Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 29. April 2010 um in einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Bei dem Zufluss des Betriebskostenguthabens auf sein Mieterkonto habe es sich um eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen gehandelt, die erst im August 2009, also nach dem Wirksamwerden des Bewilligungsbescheides vom 9. Juni 2009, eingetreten sei. Die Bewilligung vom 9. Juni 2009 sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, weswegen der Anwendungsbereich von § 48 SGB X eröffnet sei.

Das Betriebskostenguthaben von 125,68 EUR sei als Einkommen im Sinne des § 82 Abs. 1 SGB XII anzusehen, auch wenn es dem Kläger lediglich auf sein Mieterkonto zugeflossen und sodann mit Forderungen seines Vermieters verrechnet worden sei. Es sei ihm in dem Monat als Einkommen anzurechnen, in welchem es ihm zugeflossen sei, hier im August 2009. In Ausübung ihres Ermessens erkenne sie keine Gründe, von der Aufhebung und Erstattung abzusehen. Das private Interesse des Klägers am Behalten der Leistung trete hinter das Interesse der Solidargemeinschaft am sparsamen Einsatz von staatlichen Transferleistungen zurück. Es greife der sozialhilferechtliche Nachranggrundsatz; der Kläger habe daher das Betriebskostenguthaben zur Deckung seines Lebensunterhaltes einzusetzen. Dem stehe nicht entgegen, dass ihm das Guthaben tatsächlich nicht zur Verfügung gestanden habe, weil es zur Begleichung von Schulden gegenüber dem Vermieter eingesetzt worden sei. Bei der Beurteilung der Bedürftigkeit eines Betroffenen seien derartige Umstände nicht zu berücksichtigen, denn Sozialhilfe diene nicht dem Zweck, Schulden des Hilfeempfängers zu begleichen. Gegen den ihm am 11. Dezember 2010 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 22. Dezember 2010 zum Aktenzeichen S 20 SO 190/10 Klage erhoben, mit der er das Begehren auf Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide und Feststellung, dass er das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung 2008 von 125,68 EUR der Beklagten nicht zu erstatten habe, verfolgt hat.

Da ihm das Guthaben tatsächlich nicht zur Verfügung gestanden habe, habe er es auch nicht zu erstatten. Außerdem habe ihm die Sachbearbeiterin der Beklagten, Frau N, erklärt, sich um die Betriebskostenabrechnung zu kümmern.

Der Kläger hatte zudem weitere Widersprüche erhoben gegen eine Belehrung zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft vom 26. Februar 2010, gegen ein Informationsgespräch vom 11. März 2010 sowie gegen das Anhörungsschreiben zur beabsichtigten Rückforderung vom 30. März 2010. Die Beklagte hatte diese Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2010 als unzulässig zurückgewiesen.

Auch hiergegen hat der Kläger am 22. Dezember 2010 Klage zum SG Potsdam zum Aktenzeichen S 20 SO 189/10 erhoben, die das SG mit Beschluss vom 30. März 2011 zum Verfahren S 20 SO 190/10 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat.

Das SG hat die Klagen mit Urteil vom 31. März 2011 abgewiesen und die Berufung hiergegen nicht zugelassen.

Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, soweit die Klage zulässig sei, sei sie unbegründet. Insbesondere seien die formellen und materiellen Voraussetzungen der von der Beklagten herangezogenen Rechtsgrundlage - § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X - erfüllt. Die Beklagte habe zu Recht für August 2009 das Einkommen aus der Betriebskostenabrechnung 2008 in Höhe von 125,68 EUR angerechnet und den Bewilligungsbescheid in dieser Höhe teilweise aufgehoben. Dem stehe nicht entgegen, dass dem Kläger diese Summe nicht tatsächlich zugeflossen sei, sondern sein Vermieter, die G, diesen Betrag - zu Recht oder zu Unrecht - zur Tilgung von aufgelaufenen Schulden des Klägers - eingesetzt habe. Insoweit wäre es Sache des Klägers gewesen, einen etwaigen Rückzahlungsanspruch (z.B. wegen ungerechtfertigter Bereicherung) gegen die G zu realisieren, um über die Mittel verfügen zu können. Daraus folgend erweise sich auch die Erstattungsforderung über 125,68 EUR gem. § 50 Abs. 1 SGB X als rechtmäßig.

Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil vom 31. März 2011 Beschwerde erhoben (L 23 SO 126/11 NZB), auf die der Senat mit Beschluss vom 28. Februar 2012 die Berufung zugelassen hat.

Der Kläger verfolgt im Berufungsverfahren sein ehemals unter dem Aktenzeichen S 20 SO 189/10 anhängig gewesenes Begehren, die diversen ,,Bescheide” der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2010 aufzuheben, nicht weiter und wendet sich nur noch gegen die Anrechnung des Betriebskostenguthabens und der sich daraus ergebenden teilweisen Aufhebung der Leistungsbewilligung und Rückforderung der Leistung.

Mit der Berufungsbegründung trägt er vor, es habe sich bei der Betriebskostenabrechnung nie um ein Guthaben gehandelt. Es habe sich um eine Forderung wegen fehlerhafter "Spätkalkulation" seitens der Pro Potsdam gehandelt, mit der man ihm "trickbetrügerisch" 125 EUR habe abnötigen wollen und "nun umgedreht als Guthaben das nie bestand und erreichbar sofort verrechnet" habe. Er sei zweifach betrogen worden. Wegen dieses Überbetrags zu den Betriebskosten seien diese damals auch nicht von der PAGA bezahlt worden. Es sei immer nur darum gegangen, ihm diese Summe "abzubetrügen".

Mit Schreiben vom 16. Januar 2013 erläuterte der Kläger dies dahingehend, dass es ab dem 1. Januar 2007 zu einer Steuererhöhung von 16 auf 19 % und damit zu einer Erhöhung der Gesamtmiete gekommen sei. Sein Vermieter habe zur Vorbeugung eines eigenen Verlustes die Betriebskosten pauschal "überfehlkalkuliert", so dass eine Betriebskostenabrechnungssumme entstanden sei, die sein damaliger Leistungsträger, die PAGA, zu Recht nicht in vollem Umfang habe tragen wollen. Deswegen sei ihm der offene Rest als scheinoffener Betrag zur Last gelegt worden. Es habe sich um eine Fehlkalkulation der G wegen der Steuererhöhung gehandelt. Bei der nächsten Betriebskostenabrechnung habe sich dann aus dieser Fehlkalkulation eine reale Summe der Betriebskosten ergeben, die als Guthaben über ihn hinweg zur Tilgung des scheinoffenen Betrages vom Jahr 2007 verwendet worden sei. Er sei auch nie im Mietrückstand gewesen. Die Differenz von 3 × 13,16 EUR Mietzahlungen sei entstanden, weil die PAGA es versäumt habe, den wegen der erhöhten Mehrwertsteuer erhöhten Mietpreis zu überweisen. Der Kläger hat hierzu eine "2. Mahnung" der G vom 13. März 2009 über einen Rückstand von 115,38 EUR sowie einen Kontoauszug des Mieterkontos vom 31. März 2009 zur Akte gereicht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 31. März 2011 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 29. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Auch unter Würdigung des klägerischen Vorbringens sei davon auszugehen, dass der Kläger einen realistischen Anspruch gegen seinen Vermieter auf Auszahlung des Betriebskostenguthabens gehabt habe bzw. hätte haben können. So sei der in der Leistungsakte befindliche Auszug des Mieterkontos des Klägers vom 31. März 2009 hinsichtlich der drei rückständigen Teil-Mietzinsbeträge von jeweils 13,16 EUR mit dem offenkundig von der PAGA stammenden Vermerk "wird nachgezahlt" versehen. Sollte – wovon auszugehen sei – die PAGA die angekündigte Nachzahlung zeitnah vorgenommen haben, hätte der Kläger die ausgezahlten Teilbeträge zum Ausgleich der entstandenen Mietrückstände verwenden müssen. Sollte seitens der PAGA die Nachzahlung ausgeblieben sein, müsse der Kläger darlegen, wie er sich – nachweisbar – bei der PAGA um Klärung dieser Angelegenheit bemüht habe. Ausweislich der vom Kläger übersandten zweiten Mahnung der G vom 10. März 2009 habe der Kläger in dieser Angelegenheit zur Klärung etwaiger Unstimmigkeiten keinen Kontakt zu einem Mitarbeiter der G gesucht. Überdies fehlten generell Nachweise über eine Auseinandersetzung des Klägers mit seinem Vermieter hinsichtlich der erstellten Betriebskostenabrechnungen. Außerdem bestünden Zweifel, ob die G eine den Erfordernissen des § 388 BGB Rechnung tragende Aufrechnungserklärung überhaupt abgegeben habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden sowie des Verfahrens zum Geschäftszeichen S 20 SO 189/10 und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten (zwei Ordner grau, zwei Hefter grün), die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat zugelassene Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht Potsdam hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 29. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Zutreffend hat das Sozialgericht entschieden, dass Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung und Erstattungsforderung im Bescheid vom 29. April 2010 die §§ 48, 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sind. Ebenfalls zutreffend hat das SG entschieden, dass die Beklagte nicht gehindert war, den zunächst fehlerhaft als Rücknahme- und Erstattungsbescheid nach §§ 45, 50 Abs. 1 SGB X bezeichneten Bescheid gem. § 43 SGB X in einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid gem. §§ 48, 50 Abs. i SGB X umzudeuten. Hinsichtlich der Voraussetzungen im Einzelnen wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Hierbei sind das erstinstanzliche Gericht als auch die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass Gegenstand der Aufhebungsentscheidung der Bescheid vom 9. Juni 2009 war. Insofern könnten zwar Bedenken bestehen, weil die ursprüngliche und zeitlich nicht befristete Bewilligung mit Bescheid vom 8. April 2009 über Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII ab dem 1. Mai 2009 bis auf weiteres i.H.v. 620,18 EUR erfolgt war und es sich bei dem Bescheid vom 9. Juni 2009 lediglich um einen Änderungsbescheid für die Monate Mai bis Juli 2009 gehandelt haben könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat die Beklagte mit dem Bescheid vom 9. Juni 2009 den Bescheid vom 8. April 2009 vollständig ersetzt und für den Bewilligungszeitraum "ab Mai 2009 bis unbefristet" eine neue Leistungsbewilligung vorgenommen.

Der Bescheid vom 9. Juni 2009 lautet wörtlich: "Bescheid über die Änderung von laufenden Leistungen nach SGB XII – drittes Kapitel (Hilfe zum Lebensunterhalt)"

"Sehr geehrter Herr K, unter Berücksichtigung Ihrer geänderten wirtschaftlichen bzw. persönlichen Verhältnisse habe ich die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem dritten Kapitel von SGB XII für die nachfolgend aufgeführten Personen: K R 1969 neu berechnet, berücksichtigt wurden: - Die Beiträge zur Kranken-und Pflegeversicherung ab Mai 2009 - die Regelsatzerhöhung ab Juli 2009 - die Anpassung der Warmwasserpauschale ab Juli 2009 nach dieser Berechnung haben Sie folgenden Anspruch auf Sozialhilfe für den Monat 5/2009: 763,82 EUR für den Monat 6/2009: 763,82 EUR für den Monat 7/2009: 771,67 EUR

Allgemeine Hinweise: Nach den für die bewilligten Leistungen maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen sind sie gemäß §§ 60 ff. SGB (SGB) I verpflichtet, alle Änderungen von Tatsachen, die für die Hilfegewährung maßgebend sind, insbesondere Einkommens – und Vermögensverhältnisse unverzüglich mitzuteilen ... Überzahlungen werden im Berechnungsbogen als negative Beträge ausgewiesen und in den Folgemonaten verrechnet."

Insbesondere aufgrund der Hinweise, dass Änderungen in der Folgezeit unverzüglich mitzuteilen seien, dass es sich um einen Bescheid über "laufende Leistungen" handele und dass die Änderungen jeweils "ab" einem bestimmten Monat berücksichtigt werden, konnte der Regelungsgehalt des Bescheides nur dahin verstanden werden, dass er den Bewilligungsbescheid vom 8. April 2009 vollständig ersetzen sollte und auch die Leistungsbewilligung für die Monate August 2009 und fortlaufend erfasst hat.

Die Voraussetzung des § 48 Absatz 1 S. 2 Nr. 3 SGB X lagen vor. Nach dieser Vorschrift soll der Verwaltungsakt - hier der Bewilligungsbescheid vom 9. Juni 2009 - mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt nach Satz 3 des Absatzes 1 des § 48 SGB X derjenige, in dem Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund des besonderen Teils dieses Gesetzbuches anzurechnen ist.

Das Betriebskostenguthaben i.H.v. 125,68 EUR war als Einkommen im Sinne des § 82 Abs. 1 SGB XII anzusehen. Es war in dem Monat anzurechnen, indem es dem Kläger zu geflossen war, d.h. hier im Monat August 2009.

Der Senat schließt sich grundsätzlich dem für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen 4. Senat des Bundessozialgerichts an, der mit Urteil vom 16. Mai 2012 im Verfahren B 4 AS 132/11 R (veröffentlicht in Juris) zu der gleich gelagerten Fragestellung im Rahmen des Leistungsbezugs nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) entschieden hat, dass ein Betriebskostenguthaben, das vom Vermieter in voller Höhe gegen Mietrückstände aufgerechnet wird, sich die Aufwendungen für Unterkunftskosten (nur) dann nicht mindern, wenn der Leistungsberechtigte das Guthaben aus Rechtsgründen nicht realisieren kann, es grundsätzlich aber als Einkommen anzurechnen ist.

Im Einzelnen hat das BSG Folgendes ausgeführt:

"Auch insofern [bei dem Betriebskostenguthaben] handelt es sich - nach den allgemeinen Grundsätzen zum Begriff und zur Berücksichtigung von Einkommen - grundsätzlich um zugeflossenes Einkommen iS von § 11 Abs 1 SGB II. Zwar enthält § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II keine weitergehende Definition dessen, was als Einkommen gilt. Eine Betriebskostenrückzahlung, die dem Hilfebedürftigen nicht ausgezahlt wird, sondern mit aufgelaufenen oder künftigen Mietforderungen des Vermieters von diesem verrechnet wird, bewirkt aber bei ihm einen "wertmäßigen Zuwachs", weil sie wegen der damit ggf. verbundenen Schuldbefreiung oder Verringerung anderweitiger Verbindlichkeiten aus der Vergangenheit oder Zukunft einen bestimmten, in Geld ausdrückbaren wirtschaftlichen Wert besitzt (s BSGE 74, 287 = SozR 3-1300 § 48 Nr 33, S 68 f zur Aufrechnung mit Arbeitsentgeltansprüchen; vgl BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2 zu gepfändeten Einkommensteilen; zu einem von der Vermieterin verrechneten Betriebs- und Heizkostenguthaben mit zukünftigen Mietzahlungen: BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 139/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 55, RdNr 16). Handelt es sich demnach um grundsätzlich zu berücksichtigendes Einkommen, wird das SG noch zu prüfen haben, ob die Kläger das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2008 - auch wenn es (zunächst) an einer "tatsächlichen Verfügungsgewalt" fehlte - auch aus Rechtsgründen überhaupt nicht oder nicht ohne Weiteres realisieren konnten. Nur wenn dies festgestellt worden ist, standen den Klägern bereite Mittel zur Bedarfsdeckung nicht zur Verfügung und muss - in gleicher Weise wie bei gepfändeten Teilen des Alg II - die mögliche Folge einer Tilgung von Mietschulden aus der Vergangenheit durch Rückzahlungen aus Betriebskostenabrechnungen hingenommen werden (vgl zur Pfändung BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2 mwN; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11 RdNr 100 f; Söhngen in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 11 RdNr 41). Diese Prüfung ist erforderlich, obwohl das Betriebskostenguthaben mit Kosten der Unterkunft und Heizung "verrechnet" worden ist. Zwar sind Aufwendungen der Kosten der Unterkunft und Heizung von dem SGB II-Träger zu übernehmen, wenn sie auf einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung beruhen und tatsächlich gezahlt werden (BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16 zum Staffelmietvertrag; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 47, RdNr 14). Der hier von dem Vermieter vorgenommenen Einbehaltung des Betriebskostenguthabens liegt jedoch keine Vereinbarung zwischen den Klägern und ihrem Vermieter zugrunde, sondern sie ist als Aufrechnungserklärung iS des § 388 BGB die bloße Ausübung eines Gestaltungsrechts des Vermieters. Die ungeprüfte Akzeptanz des allein tatsächlichen Vermieterhandelns käme - so der Beklagte zu Recht - der im SGB II grundsätzlich nicht möglichen "freiwilligen" Schuldentilgung gleich. Insofern haben die beiden für die Grundsicherung nach dem SGB II zuständigen Senate des BSG bereits in anderem Zusammenhang darauf verwiesen, dass bei der Abgrenzung der als Zuschuss übernahmefähigen Aufwendungen nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II von den Schulden iS von § 22 Abs 5 SGB II ausgehend von dem Zweck der Leistungen nach dem SGB II danach zu unterscheiden ist, ob es sich um einen tatsächlich eingetretenen, bisher noch nicht von dem SGB II-Träger gedeckten Bedarf handelt oder nicht (zur Übernahme einer Heizkostennachforderung des Vermieters nach § 22 Abs 1 SGB II: BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 38, RdNr 17; BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 121/10 R - RdNr 15, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die Regelung des § 22 Abs 5 SGB II verdeutlicht, dass - auch im Bereich der Unterkunftskosten - Schulden nur dann und auch nur als Darlehen übernommen werden sollen, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist.

7. Bei den vor diesem Hintergrund noch erforderlichen Feststellungen zur Realisierbarkeit des Einkommens aus der Betriebskostenabrechnung des ehemaligen Vermieters wird zu berücksichtigen sein, dass eine Aufrechnungserklärung nach § 388 BGB ein Erlöschen der Forderung des Klägers aus der Betriebskostenabrechnung bewirken kann (§ 389 BGB). Ihre Wirksamkeit setzt jedoch ua die hinreichende Bestimmtheit auch der Gegen- bzw Passivforderung, dh hier der vom Vermieter behaupteten Mietrückstände (vgl allgemein zB Grüneberg in Palandt, BGB, 67. Aufl 2008, § 388 RdNr 1; Wenzel in Münchner Kommentar, BGB, 5. Aufl 2007, § 366 BGB RdNr 2, 10; BGH Urteil vom 6.11.1990 - XI ZR 262/89 - NJW-RR 1991, 169 f; BGH Urteil vom 17.9.2001 - II ZR 275/99 - NJW 2001, 3781 f; vgl zu Verrechnungsregelungen in Mietverträgen zB BGH Urteil vom 20.6.1984 - VIII ZR 337/82 - NJW 1984, 2404 ff) sowie deren Fälligkeit (vgl zB BSGE 74, 287 = SozR 3-1300 § 48 Nr 33 S 67) voraus."

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, die im vollen Umfang auch auf die Regelungen des SGB XII (hier § 82 Abs. 1 SGB XII) zu übertragen sind, hat die Beklagte das Betriebskostenguthaben vorliegend zu Recht als Einkommen berücksichtigt. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger dieses Guthaben aus Rechtsgründen nicht – oder nicht ohne weiteres – hätte realisieren können. Der Kläger hätte sich vielmehr mit guter Aussicht auf Erfolg auf dem Zivilrechtsweg gegen die Aufrechnung seiner Vermieterin zur Wehr setzen können.

Denn die Aufrechnungserklärung der G war nichtig. Gemäß § 394 BGB ist die Aufrechnung gegen eine unpfändbare Forderung nicht zulässig ("Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt"). Unter Zugrundelegung der neuesten – im Recht der Leistungen nach dem SGB II ergangenen - höchstrichterlichen Rechtsprechung unterliegen auch bei einem Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII Betriebs- und Heizkostenerstattungen des Vermieters nicht der Pfändung. Der Senat schließt sich insoweit der zur Parallelvorschrift im SGB II ergangenen Rechtsprechung des 14. Senats des BSG (Urteil vom 16. Oktober 2012 – B 14 AS 188/11 R – Juris) an, wonach Einkommen eines Schuldners, dass bei der Deckung seines Bedarfs nach dem SGB II zu berücksichtigen ist, nicht der Pfändung und Zwangsvollstreckung unterliegt. Diese Rechtsauffassung wird ausdrücklich auch vom Bundesgerichtshof (BGH) geteilt.

Der BGH hat mit Urteil vom 20. Juni 2013 – IX ZR 310/12 – (juris) - ebenfalls betreffend Bezieher von Leistungen nach dem SGB II – insoweit folgendes ausgeführt:

"Erst nach ihrer Verkündung ist das Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. Oktober 2012 (NZS 2013, 273 Rn. 19 f, zVb in BSGE) bekannt geworden, nach welchem Betriebs- und Heizkostenerstattungen des Vermieters nicht der Pfändung und Zwangsvollstreckung gegen einen Bezieher von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Teil II unterliegen. Der Senat schließt sich der Auffassung des Bundessozialgerichts an, weil diese Rückzahlung von öffentlichen Leistungen gemäß § 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1 SGB II nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II (früher § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II) die Leistungen des Folgemonats an den Hilfeempfänger mindert. Wäre in diesen Fällen die Pfändung zulässig, würde sie nach dem Gesetz zu Lasten öffentlicher Mittel erfolgen, die dem Leistungsbezieher das Existenzminimum sichern sollen. Solchen Vollstreckungsmaßnahmen ist auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon bisher entgegengetreten (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 2004 - IXa ZB 321/03, WM 2004, 935, 936 unter 2. a; im Ergebnis ebenso Beschluss vom 16. Juni 2011 - VII ZB 12/09, WM 2011, 1418 Rn. 7 f). Der Senat sieht keinen Anlass, davon abzuweichen. Ob sich dieses Ergebnis mit dem Berufungsgericht hier auch durch eine Analogie zu § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I begründen lässt, kann offenbleiben".

Der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ist auch im Übrigen rechtmäßig, insbesondere ermessensfehlerfrei und fristgerecht ergangen. Wegen der weiteren Voraussetzungen der §§ 48, 50 SGB X wird auf die Ausführungen des SG Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 154 Abs. 2 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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