L 8 KR 216/13

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 18 KR 58/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 216/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 10/15 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 17. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens auch in der Berufungsinstanz.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht ein Krankenhausvergütungsanspruch.

Die Klägerin ist die Trägerin der A. in A-Stadt. Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte C. C. befand sich in der Zeit vom 25.09.2009 bis 29.09.2009 dort in stationärer Behandlung. Die Klägerin meldete der Beklagten im Wege des Datenträgeraustauschs (DTA) die Hauptdiagnose H61.0 (Perichondritis – Entzündung der Knorpelhaut – des äußeren Ohres) und die Prozedur OPS 1-242 (Audiometrie). Die Behandlungskosten bezifferte sie auf der Basis der DRG D66Z (Andere Krankheiten an Ohr, Nase, Mund und Hals) mit Rechnung vom 06.10.2009 auf 1.204,65 EUR.

Mit Schreiben vom 21.10.2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die gemeldete Leistung sei grundsätzlich im niedergelassenen Bereich leistbar, weshalb um nachvollziehbare Begründung der stationären Behandlung gebeten werde. Die Klägerin erwiderte mit Schreiben vom 28.10.2009, die stationäre Notwendigkeit ergebe sich nicht nur aus dem übermittelten OPS, sondern in Art und Weise der durchgeführten Therapie, die sie "aus den bekannten Gründen nicht weiter erläutern" könne. Werde die stationäre Behandlungsnotwendigkeit weiterhin angezweifelt, habe die Klägerin die Möglichkeit, den Fall vom MDK überprüfen zu lassen. Ein erneutes Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 02.12.2009 unter der Überschrift "Anfrage gemäß Landesvertrag § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V (Kurzbericht)", mit dem diese an die Beantwortung des Schreibens vom 21.10.2009 erinnerte, blieb unbeantwortet. Hierauf teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 08.12.2009 mit, der geltend gemachte Zahlungsanspruch werde zurückgewiesen.

Die Klägerin hat am 28.02.2011 Klage zum Sozialgericht Wiesbaden auf Zahlung von 1.204,65 EUR nebst Zinsen erhoben. Unter Vorlage der Behandlungsunterlagen hat sie geltend gemacht, die stationäre Behandlung des Patienten sei medizinisch erforderlich gewesen. Sie sei gegenüber der Beklagten allen Informationspflichten nachgekommen. Zu der von der Beklagten vorprozessual angestrebten inhaltlichen Überprüfung der vollstationären Behandlungsbedürftigkeit sei nur der MDK berechtigt gewesen. Dass die Beklagte diesen nicht eingeschaltet habe, gehe zu ihren Lasten.

Die Beklagte hat eingewandt, aus den per DTA übermittelten Daten nach § 301 SGB V habe sich keine zwingende Notwendigkeit einer vollstationären Behandlung ergeben, da die gemeldete Prozedur (Audiometrie) in der Regel ambulant erbracht werde. Sie hat ihre Verwaltungsakte vorgelegt, in der sich eine nach Klageerhebung von der Beklagten eingeholte Stellungnahme des MDK nach Aktenlage vom 21.07.2011 befindet. Auf der Grundlage der mit der Klage eingereichten Krankenunterlagen der Klägerin bejaht der MDK die stationäre Behandlungsbedürftigkeit im Hinblick auf die stattgefundene intravenöse antibiotische Therapie mit X.®.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.06.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zu. Erste Voraussetzung dieses Vergütungsanspruchs sei nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16.05.2012, B 3 KR 14/11 R) die ordnungsgemäße Information der Krankenkasse über die abgerechnete Versorgung, da es ansonsten bereits an der Fälligkeit der Forderung fehle. Vorliegend genügten die DTA-Mitteilungen der Klägerin nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen des § 301 Abs. 1 Nr 3 SGB V (Grund der Aufnahme). Ihnen seien insbesondere keine Informationen darüber zu entnehmen, warum die streitgegenständliche Audiometrie nicht durch einen niedergelassenen Facharzt als elektroakustische Hörprüfung ambulant habe erbracht und nach EBM-Ziffer 09320 abgerechnet werden können. Im Übrigen habe die Klägerin die Erforderlichkeit der stationären Behandlung auch in der vorgelegten Patientenakte nicht ausreichend dokumentiert.

Gegen den ihr am 19.06.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 11.07.2013 Berufung eingelegt.

Sie führt aus, das SG gehe unzutreffend davon aus, dass der "Grund für die Aufnahme" des Versicherten im Sinne von § 301 Abs. 1 Nr 3 SGB V nicht angegeben worden sei. Eine inhaltliche Begründung der Erforderlichkeit einer vollstationären Aufnahme sei mit den vertraglich vereinbarten Schlüsselnummern im Rahmen der Meldung nach § 301 SGB V aber überhaupt nicht darstellbar, weshalb der übermittelte Datensatz nicht zu beanstanden sei. Aus diesem habe sich immerhin ergeben, dass eine Verordnung notfallmäßiger Krankenhausbehandlung durch einen Allgemeinmediziner erfolgt sei und damit Anhaltspunkte dafür bestanden, dass eine ambulante Behandlung nicht möglich gewesen sei. Weitergehende Angaben seien erst im Rahmen des Kurzberichts möglich, den die Beklagte mit dem Schreiben vom 21.10.2009 jedoch nicht explizit angefordert habe. Nachdem sie – die Klägerin – mit ihrem Antwortschreiben vom 28.10.2009 auf die Möglichkeit der Einleitung eines MDK-Verfahrens hingewiesen habe, habe sie auf das erneute Schreiben der Beklagten vom 02.12.2009 auch nicht mehr reagieren müssen. Im Übrigen habe sie die Notwendigkeit der stationären Aufnahme nicht näher begründen können, ohne medizinische Details der Behandlung offenzulegen, woran sie jedoch vom Datenschutz gehindert sei. Da ihr keine Versäumnisse im Rahmen der Abrechnungsinformationen vorzuwerfen seien, habe auch die Patientenakte durch das SG nicht ausgewertet werden dürfen.

Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 17.06.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.204,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.11.2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der Beratung war, Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat über die Berufung ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2SGG).

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zu.

Wie bereits vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt ist Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (KHEntgG) sowie der Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr 1 SGB V zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft und den Krankenkassen(-verbänden). Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht dabei unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V erforderlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Mai 2000, BSGE 86, 166 ff.).

Diese Voraussetzungen sind insoweit erfüllt, als die stattgefundene Krankenhausbehandlung des Versicherten C. in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgte und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich war. Aus den von der Klägerin mit Klageerhebung vorgelegten Behandlungsunterlagen der Klinik ergibt sich, dass der Versicherte wegen einer akut progredienten Perichondritis (Entzündung der Knorpelhaut) des äußeren Ohres stationär aufgenommen wurde. Während des Aufenthalts in der Klinik erfolgte dabei nicht lediglich – wie im Rahmen des DTA mitgeteilt eine Audiometrie, sondern eine mehrtägige antibiotische Therapie. Im Hinblick auf die Gefahr einer Zerstörung des Ohrknorpels, die schwierig und intravenös mit einem Antibiotikum (X.®) zu therapieren war, hat der MDK in seiner Stellungnahme vom 21.06.2011 die Erforderlichkeit einer vollstationären Behandlung auch in dem zeitlichen Umfang von 5 Tagen als nachvollziehbar bezeichnet. Der Senat hat keine Bedenken dem zu folgen.

Die Klägerin hat dennoch keinen Vergütungsanspruch. Denn sie ist mit diesem nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeschlossen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (zuletzt Urteil vom 21.03.2013, B 3 KR 28/12 R, juris Rdnr 12 m.w.N.; vom 18.07.2013, B 3 KR 22/12 R, juris Rdnr. 16) bestehen zwischen Krankenhäusern, Krankenkassen und MDK wechselseitige Auskunfts-, Prüf- und Mitwirkungspflichten auf drei Ebenen: Danach sind zwingend auf der ersten Stufe zunächst die Angaben nach § 301 Abs. 1 SGB V zu machen. Hiernach ist das Krankenhaus verpflichtet, der Krankenkasse bei Krankenhausbehandlung die wesentlichen Aufnahme- und Behandlungsdaten zu übermitteln. Dazu gehört – hier von besonderem Interesse – gemäß § 301 Abs. 1 S 1 Nr 3 SGB V auch der "Grund der Aufnahme". Erschließen sich aufgrund dessen oder des Kurzberichts nach Maßgabe des Landesvertrags die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung oder weitere Abrechnungsvoraussetzungen den medizinisch in der Regel nicht besonders ausgebildeten Mitarbeitern der Krankenkasse nicht selbst, hat diese auf der zweiten Stufe der Sachverhaltserhebung ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr 1 SGB V einzuleiten und beim MDK eine gutachtliche Stellungnahme einzuholen, die auf der Grundlage der vom Krankenhaus der Krankenkasse zur Verfügung gestellten Unterlagen - also insbesondere den Angaben nach § 301 SGB V - sowie ggf. mit vom Versicherten überlassenen Unterlagen zu erstellen ist (§ 276 Abs. 1 S 2 SGB V). Lässt sich auch unter Auswertung dieser Sozialdaten ein abschließendes Ergebnis nicht finden, so hat das Krankenhaus schließlich auf der dritten Stufe der Sachverhaltserhebung auf eine von der Krankenkasse nach § 275 Abs. 1c S 2 SGB V ordnungsgemäß eingeleitete Prüfung dem MDK gemäß § 276 Abs. 2 S 1 Halbsatz 2 SGB V auch alle weiteren Angaben zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, die im Einzelfall zur Beantwortung der Prüfanfrage der Krankenkasse benötigt werden.

Die Überprüfung der Erforderlichkeit der stationären Krankenhausbehandlung ist dabei eine Rechtspflicht der Krankenkassen, an der sich durch die Einführung von § 275 Abs. 1c SGB V mit seinen Beschleunigungsgeboten und seinem Anreizsystem zur Vermeidung von einzelfallbezogenen Prüfungen (§ 275 Abs. 1c S 3 SGB V) nichts Grundsätzliches geändert hat. Anlass für die Neuregelung war lediglich die Einschätzung des Gesetzgebers, dass die Prüfungsmöglichkeiten nach § 275 Abs. 1 Nr 1 SGB V von einzelnen Krankenkassen in unverhältnismäßiger und nicht sachgerechter Weise zur Einzelfallsteuerung genutzt worden waren. Als Beitrag zum Bürokratieabbau wurde deshalb mit der Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c S 3 SGB V ein Anreiz dafür gesetzt, Einzelfallprüfungen zielorientierter und zügiger durchzuführen (BT-Drucks 16/3100 S 171). Diesen gesetzgeberischen Vorstellungen können die Krankenkassen nur gerecht werden, wenn sie ihrerseits vom Krankenhaus alle zur Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls unerlässlichen Informationen erhalten, um die Prüfung der Krankenhausabrechnungen im Sinne der vom Gesetzgeber angestrebten Bürokratieminderung bereits auf der ersten oder zweiten Stufe und ohne Beauftragung des MDK mit Erhebungen im Krankenhaus auf der dritten Stufe der Sachverhaltserhebung abschließen zu können (BSG aaO.).

Entsprechend dem Grundsatz "ambulant vor stationär" hat ein Krankenhaus deshalb im Rahmen des § 301 Abs. 1 S 1 Nr 3 SGB V - Grund der Aufnahme - ebenfalls notwendige Angaben dazu zu machen, warum eine im Regelfall ambulant durchführbare Versorgung im konkreten Einzelfall stationär vorgenommen worden ist. Auch nach Einführung von § 275 Abs. 1c SGB V haben die Krankenkassen nach der eindeutigen Vorstellung des Gesetzgebers den MDK einzuschalten, wenn "Zweifel an der Behandlungsnotwendigkeit" bestehen. Solche Zweifel muss eine Krankenkasse bei einer in der Regel ambulant durchführbaren Versorgung aus Rechtsgründen notwendigerweise haben, wenn sie vom Krankenhaus keine Angaben dazu erhalten hat, warum im abgerechneten Einzelfall gleichwohl eine stationäre Behandlung notwendig gewesen sein soll, weil das Behandlungsziel mit den ambulanten Möglichkeiten nicht erreicht werden konnte (BSG aaO unter Hinweis auf BSG - Großer Senat - BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 15 ff). An der Erfüllung dieser Informationspflichten sind die Krankenhäuser entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht durch die Datenübermittlungsvorschriften gehindert, die gemäß § 301 Abs. 3 SGB V vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder den Bundesverbänden der Krankenhausträger zur Ausgestaltung der Übermittlungserfordernisse nach § 301 Abs. 1 SGB V gemeinsam vereinbart werden. Eine Krankenhausabrechnung ist grundsätzlich nur dann schlüssig, wenn ihr im Sinne von § 301 Abs. 1 Nr 3 SGB V ausreichende Angaben zum Grund der stationären Leistungserbringung beigegeben werden. Lässt sich dies nicht im Wege des DTA erledigen, hat dies in entsprechender Anwendung des § 301 Abs. 1 S 2 SGB V auf dem Weg zu geschehen, dass erforderliche Angaben in nicht maschinenlesbarer Form erfolgen, also durch ein separates Anschreiben, Fax oder E-Mail.

Diesen Darlegungspflichten ist die Klägerin vorprozessual nicht nachgekommen. Wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, war den DTA-Mitteilungen der Klägerin der Grund für die stationäre Durchführung einer grundsätzlich ambulant erbringbaren Leistung in Form der Audiometrie, die nach Ziffer 09320 EBM zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden kann, nicht zu entnehmen. Die Beklagte war daher ohne Einschaltung des MDK berechtigt, von der Klägerin die Ergänzung der nach § 301 Abs. 1 SGB V zu erteilenden Angaben zu fordern. Die Ablehnung dieses Auskunftsbegehrens der Beklagten durch die Klägerin hat zur Folge, dass der Zahlungsanspruch der Klägerin mangels formal ordnungsgemäßer Abrechnung schon nicht fällig geworden ist (BSG, Urteil vom 16.05.2012, B 3 KR 14/11 R, juris Rdnr. 32 m.w.N.).

Die Klägerin hat allerdings mit der Klage vom 23.02.2011 die erforderlichen Angaben nachgeholt; denn aufgrund der vorgelegten Unterlagen war nunmehr die Erforderlichkeit einer stationären Krankenhausbehandlung nachvollziehbar. Zu diesem Zeitpunkt steht dem Zahlungsanspruch der Klägerin jedoch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen.

Zwar hat das BSG in seiner Entscheidung vom 21.03.2013 dem Krankenhaus die nachträgliche Ergänzung einer ursprünglich nicht ausreichend substantiierten Schlussrechnung zugestanden. Es hat dazu ausgeführt, es könne offenbleiben, ob und inwieweit die zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern bestehenden Pflichten zu gegenseitiger Rücksichtnahme zeitliche Grenzen für die nachträgliche Information der Krankenkasse über den Anlass für die ausnahmsweise stationäre Durchführung einer ansonsten dem ambulanten Bereich vorbehaltenen Versorgung setzen. Ebenso könne offenbleiben, ob die vom 1. und 3. Senat des BSG entwickelten Grundsätze zur nachträglichen Rechnungskorrektur hier anzuwenden sein könnten. Im vom BSG zu entscheidenden Fall hatte das Krankenhaus im Rahmen des vorprozessualen Schriftverkehrs mit der Krankenkasse nach rund 8 Monaten die maßgebenden Gründe für die stationäre Versorgung des Versicherten mitgeteilt und dargelegt, weshalb aus Ihrer Sicht ausnahmsweise dessen Aufnahme ins Krankenhaus veranlasst war. Bei einer solchen zeitlichen Abfolge sind nach Auffassung des BSG die äußeren zeitlichen Grenzen, die sich insoweit aus Treu und Glauben ergeben können, noch nicht überschritten.

Der vorliegende Fall ist dagegen dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin vorprozessual jegliche ergänzende Auskunft zur Notwendigkeit einer stationären Behandlung gegenüber der Beklagten abgelehnt und erstmals mit Klageerhebung die für die stationäre Behandlung maßgeblichen Gründe benannt hat. Das hat zur Folge, dass sie nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, der über § 69 SGB V gemäß dem Rechtsgedanken des § 242 BGB auf die Rechtsbeziehungen der Vertragspartner einwirkt, von der Geltendmachung dieses Vergütungsanspruchs ausgeschlossen ist. Denn die Ausgestaltung des Abrechnungsverfahrens zielt darauf ab, unter den Bedingungen der Massenabrechnungen von Krankenhausaufenthalten eine für alle Beteiligte gleichermaßen tragfähige wie nach den Kriterien des § 39 SGB V inhaltlich zutreffende Überprüfung von Krankenhausaufenthalten sicherzustellen. Den Beteiligten werden damit besondere Obhutspflichten auferlegt. Demgemäß hat das Krankenhaus bereits bei der Erklärung nach § 301 SGB V dafür Sorge zu tragen, dass der Krankenkasse nach Möglichkeit ohne Einleitung eines Prüfverfahrens nach §§ 275, 276 SGB V alle entscheidungserheblichen Angaben zur Verfügung stehen. Das Krankenhaus verfügt - anders als die Krankenkasse - umfassend über alle Informationen, die die stationäre Behandlung der Versicherten betreffen. Das enthebt das Krankenhaus zwar nicht von der Prüfung, ob die Weitergabe der angeforderten Daten erforderlich und damit zulässig ist. Jedoch verstößt es gravierend gegen seine Pflichten aus Gesetz und Landesvertrag, wenn es notwendige Angaben ohne substantiierte Erläuterung nur formelhaft ablehnt oder sie grundlos schlechthin verweigert (BSG, Urteil vom 22. April 2009 – B 3 KR 24/07 R –, juris Rdnr 32). So verhält es sich vorliegend, weil die Klägerin keinerlei Angaben zu den Gründen für die stationäre Behandlung des Versicherten machte, sondern die Anfrage der Beklagten mit formelhafter Begründung ("aus den bekannten Gründen") zurückwies. Soweit die Klägerin einwendet, zur Übermittlung weiterer Daten über die Behandlung sei sie schon aus Gründen des Datenschutzes nicht berechtigt gewesen, ist dies nach den obigen Darlegungen unzutreffend, weil sich diese Übermittlungsbefugnis unmittelbar aus § 301 Abs. 1 Nr 3 SGB V ergab.

In einem Fall der gravierenden Verletzung vorprozessualer Pflichten des Krankenhauses im Sinne einer endgültigen Verweigerung einer vertraglich gebotenen und erkennbar erforderlichen Mitwirkung ist die spätere, nunmehr mit den angeforderten medizinischen Informationen versehene Zahlungsklage als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Denn die Klägerin verstößt damit gegen ihre Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Krankenkasse und setzt diese einem vermeidbaren prozessualen Kostenrisiko aus. Dies wiegt gerade in Fällen wie dem vorliegenden mit einem geringen Streitwert besonders schwer, weil die entstehenden Prozesskosten im Vergleich zur Hauptforderung unverhältnismäßig hoch sind. Derartiges soll durch die gesetzlichen und vertraglichen Regelungen über die gegenseitigen Informationspflichten vermieden werden.

Vorliegend kommt hinzu, dass das Krankenhaus seinen Anspruch nicht zeitnah, sondern erst geraume Zeit später geltend gemacht hat. Insoweit kann auf die Rechtsprechung des BSG zu den Grenzen einer nachträglichen Rechnungskorrektur durch die Krankenhäuser zurückgegriffen werden. In Zusammenhang mit einer unrichtigen Schlussrechnung des Krankenhauses hat der 3. Senat des BSG ausgeführt, die Krankenkassen seien auf tragfähige Berechnungsgrundlagen angewiesen, weshalb sie sich grundsätzlich auf die "Schlussrechnung" eines Krankenhauses verlassen können müssten. Der äußerste zeitliche Rahmen für zulässige Nachberechnungen bereits abgerechneter Behandlungsfälle sei nicht anhand des laufenden Haushaltsjahres, sondern so festzulegen, dass der Anspruch auf die noch offene Vergütung in der Regel verwirkt sei, wenn er nicht bis zum Ende des auf die unrichtige erste Abrechnung folgenden Kalenderjahres geltend gemacht worden sei (Urteil vom 22.11.2012, B 3 KR 1/12 R, juris Rdnr 19).

Der 3. Senat des BSG sieht sich insoweit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des 1. Senats im Urteil vom 13.11.2012 (B 1 KR 6/12 R). Danach ist ein Krankenhaus in der Regel nach Treu und Glauben mit seiner Nachforderungen ausgeschlossen, wenn es sich länger als ein ganzes Rechnungsjahr Zeit lässt, um eine ohne rechtsbedeutsamen Vorbehalt erteilte Schlussrechnung im Wege der Nachforderung mit Blick auf Grundlagen zu korrigieren, die dem eigenen Verantwortungsbereich entstammen (juris Rdnr 14).

Hiernach ist jedenfalls eine Zahlungsklage, die annähernd 1 ½ Jahre und mehr als ein Rechnungsjahr nach der Ablehnung einer erkennbar berechtigten Anfrage der Krankenkasse zu den Gründen für die stationäre Behandlung anhängig gemacht wird, als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Vorliegend erfolgte die Abrechnung im Oktober 2009, so dass im Februar 2011 der Vergütungsanspruch nicht mehr klageweise geltend gemacht werden konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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