Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 11 KG 2/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 KG 3/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 22. September 2011 werden zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Kindergeld nach den Vorschriften des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) ab Juni 2008 bzw. Juni 2009 streitig.
Der 1987 geborene Kläger zu 1. beantragte am 3. Juni 2008 Kindergeld mit dem Hinweis, er sei noch keine 25 Jahre alt und befinde sich in Berufsausbildung. Im weiteren Verlauf gab er an, seine Eltern hätten sich getrennt, als er ca. 3 Jahre alt gewesen sei, und er habe dann in einer Pflegefamilie gelebt. Seine Mutter sei im Gefängnis gewesen und der Vater habe bei D-Stadt gewohnt. Diesen habe er zuletzt gesehen, als er ca. 6 Jahre alt gewesen sei. In der Pflegefamilie sei er bis ca. zu seinem 15. Lebensjahr gewesen, danach sei er zusammen mit seinem Bruder in einer Wohngruppe der Diakonie betreut worden. Das Kindergeld habe seinerzeit das Jugendamt erhalten. Ab dem 17. Lebensjahr habe er zusammen mit seinem Bruder in einer Einrichtung des betreuten Wohnens gelebt. Der Aufenthaltsort seiner Mutter sei ihm unbekannt. Sein Vater lebe in Wien. Der ebenfalls am xx. xxx 1987 geborene Kläger zu 2. ist der Zwillingsbruder des Klägers zu 1. Auch er beantragte Kindergeld am 10. Juni 2009 unter Hinweis auf eine bestehende Berufsausbildung. Ergänzend machte er geltend, im Hinblick auf den Auslandswohnsitz seines Vaters und die Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 BKGG sei seine Situation mit derjenigen von Vollwaisen oder von Kindern, deren Eltern unbekannten Aufenthalts seien, vergleichbar. Bei verfassungskonformer Auslegung unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgebotes des Art. 3 Grundgesetz (GG) sei ein Anspruch nach § 1 Abs. 2 BKGG gegeben.
Durch Bescheide vom 1. Dezember 2008 (Kläger zu 1.) und 1. Oktober 2009 (Kläger zu 2.) lehnte die Beklagte die Anträge mit der Begründung ab, Anspruch auf Kindergeld für sich selbst habe nach § 1 Abs. 2 BKGG, wer Vollwaise sei oder den Aufenthalt seiner Eltern nicht kenne. Nachdem hier der Aufenthalt des Vaters bekannt sei, lägen die Anspruchsvoraussetzungen nicht vor.
Die Kläger erhoben Widerspruch am 4. Dezember 2008 bzw. 7. Oktober 2009 und führten aus, richtig sei zwar, dass ihnen der Aufenthalt des Vaters bekannt sei. Sie seien jedoch einer Person gleichzustellen, die den Aufenthalt der Eltern nicht kenne. Insofern sei zu berücksichtigen, dass der Vater zu keinem Zeitpunkt einen Kindergeldanspruch gehabt habe und dies bis heute gelte. Vielmehr habe bis zum 18. Lebensjahr das Sorgerecht beim Jugendamt gelegen, das auch den Kindergeldanspruch geltend gemacht habe. Zum jetzigen Zeitpunkt habe der Vater gemäß § 1 Abs. 1 BKGG keinen Anspruch auf Kindergeld, so dass dieser unberücksichtigt bleiben müsse und sie deshalb mit Personen gleichzustellen seien, die den Aufenthalt der Eltern nicht kennen würden bzw. Vollwaisen seien. In Anwendung des Gleichheitssatzes sei § 1 Abs. 2 BKGG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass auch ihnen Kindergeld zustehe.
Durch Widerspruchsbescheide vom 11. Dezember 2008 (Kläger zu 1.) und 14. Januar 2010 (Kläger zu 2.) wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Zur Begründung verwies sie erneut darauf, der Aufenthalt des Vaters sei bekannt, so dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 BKGG in der Person der Kläger nicht vorlägen.
Mit den am 15. Januar 2009 (Kläger zu 1., S 11 KG 2/09) und 17. Februar 2010 (Kläger zu 2., S 11 KG 1/10) zum Sozialgericht Kassel erhobenen Klagen verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. Sie hielten an ihrer Auffassung fest, dass sie Personen gleichzustellen seien, die den Aufenthaltsort der Eltern nicht kennen würden bzw. Vollwaise seien. Im anderen Falle komme es zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 GG. Insofern würden sie gegenüber der Gruppe von Anspruchsberechtigten, die einen Anspruch für sich selbst hätten, weil ihnen der Aufenthaltsort der Eltern unbekannt sei, ungleich behandelt, obwohl hier nur ein vager Kontakt zum Vater bestehe und dieser auch keinen Antrag auf Kindergeld stellen könne. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Kindergeldes sei diese Ungleichbehandlung weder willkürfrei noch verhältnismäßig. Das von dem Gesetzgeber gewählte Abgrenzungskriterium der Kenntnis vom Aufenthaltsort sei zudem ungeeignet. So bestehe beispielsweise ein Anspruch für sich selbst, wenn die anspruchsberechtigte Person durch Unfall oder Krankheit den Aufenthaltsort des Vaters vergessen habe. Abschließend verwiesen die Kläger auf die Beschwerdeentscheidung des erkennenden Senats vom 27. Mai 2009 (L 6 KG 2/09 B), mit der dem Kläger zu 1. entgegen der ablehnenden Entscheidung des Sozialgerichts Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, sowie auf die Gesetzesmaterialien (Hinweis auf Bundestags-Drucksache - BT-Drucks. - 10/2563, S. 3 und BT-Drucks. 10/3369, S. 11).
Das Sozialgericht hat durch Beschluss vom 22. September 2011 die beiden Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und sodann durch Urteil vom selben Tag die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BKGG seien vorliegend nicht erfüllt, weil unstreitig der Aufenthaltsort des Vaters der Kläger, der seinen Wohnsitz in Wien/Österreich habe, bekannt sei. Damit scheide nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut eine Kindergeldzahlung an die Kläger selbst aus. Ein für die Kläger günstigeres Ergebnis lasse sich auch nicht im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgebotes des Art. 3 GG erzielen. Zwar habe das Hessische Landessozialgericht im Beschluss vom 27. Mai 2009 zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber mit Einfügung der Vorschrift des Abs. 2 in § 1 BKGG mit Wirkung vom 1. Januar 1986 und mit der Regelung eines Anspruches auf Kindergeld für sich selbst für Vollwaisen bzw. Personen, denen der Aufenthalt ihrer Eltern unbekannt seien, eine bis dahin als ungerecht empfundene Gesetzeslage beseitigt habe. Dabei sei es nach der Intention des Gesetzgebers ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. a.a.O.) um die Einbeziehung eines begrenzten Personenkreises der alleinstehenden Kinder gegangen, bei denen nach Tod oder Verschollenheit der Eltern niemand die Elternstelle im Sinne des Kindergeldrechts eingenommen habe und deshalb kein Kindergeld gezahlt worden sei. Hier sei zwar die Mutter der Kläger unbekannten Aufenthaltes und der Vater der Kläger erfülle die Voraussetzungen für die Zahlung von Kindergeld nach dem BKGG bzw. dem Einkommensteuergesetz (EStG) wegen seines Auslandswohnsitzes in Wien nicht. Unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien sei jedoch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber tatsächlich eine Konstellation, wie bei den Klägern, von der Kindergeldgewährung habe ausschließen wollen. Aber selbst unter Annahme einer bestehenden Regelungslücke seien auch unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes des Art. 3 GG keine Anhaltspunkte ersichtlich, die das Begehren der Kläger stützten. Insofern könne die vorliegende Situation, der Auslandsaufenthalt eines Elternteils, nicht unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten zu einem Kindergeldanspruch der Kläger führen, da jedenfalls ein Elternteil greifbar sei und die Kläger daher nicht "alleinstehend" seien. Der Argumentationslinie der Kläger folgend wäre ein Kindergeldanspruch für die Kinder selbst immer dann zu bejahen, wenn ein Elternteil oder beide Eltern aufgrund eines ständigen Auslandsaufenthalts keinen Kindergeldanspruch hätten. Ein bloßer Auslandswohnsitz der Eltern sei aber keineswegs mit der gesetzgeberischen Absicht der Kindergeldgewährung an die Kinder selbst bei Tod oder Verschollenheit der Eltern gleichzusetzen.
Gegen das den Klägern am 29. September 2011 zugestellte Urteil richten sich die am 31. Oktober 2011 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangenen Berufungen. Sie tragen vor, die Vorschrift des § 1 Abs. 2 BKGG sei zur Vermeidung einer Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG teleologisch zu reduzieren und sie seien einer Person gleichzustellen, die den Aufenthalt der Eltern nicht kennen würden bzw. Vollwaise seien. Die derzeitige Regelung sei planwidrig, was sich aus den Gesetzesmaterialien bzw. der daraus ersichtlichen Intention des Gesetzgebers zur Neuregelung des BKGG ergebe. Soweit Vollwaisen und Kinder, denen der Aufenthalt der Eltern unbekannt sei, als anspruchsberechtigt in den Tatbestand aufgenommen worden seien, habe der Gesetzgeber offensichtlich die Problematik der im Ausland lebenden Eltern übersehen. Insofern sei die Interessenlage die gleiche, denn es sei davon auszugehen, dass das Kindergeld Eltern bei der Pflege und Sorge um ihre Kinder unterstützen solle. Soweit sich die Erkenntnis durchgesetzt habe, dass die Kinder, welche ohnehin schon benachteiligt seien, weil ihre Eltern verstorben seien oder ihr Aufenthalt nicht bekannt sei, den gleichen Anspruch erhalten sollten, könne nicht nachvollzogen werden, warum dies anders sein solle, wenn der Aufenthalt bekannt sei. Ein Kind, welches zwar den Aufenthaltsort der Eltern kenne, diese sich aber nicht um das Kind kümmerten, sei gleichermaßen vom Schicksal getroffen. Insofern stehe die Fallgestaltung eines sich im Ausland aufhaltenden Elternteils, zu dem lediglich Kontakt bestehe und der keinen Kindergeldantrag stellen könne, den gesetzlich anerkannten Fallgruppen in nichts nach. Das Kindergeld diene dazu, die Lebensgrundlage des Kindes zu sichern. Nicht nachvollziehbar sei deshalb, warum derjenige, der seinen eigenen Lebensunterhalt sichern müsse, weil seine Eltern ihn im Stich gelassen hätten, diesen Anspruch nicht haben solle. Das Abgrenzungskriterium der "Kenntnis vom Aufenthaltsort" sei gänzlich ungeeignet und nach Sinn und Zweck der Regelung des § 1 Abs. 2 BKGG sei diese insoweit teleologisch zu reduzieren, dass ein Aufenthalt im Inland bekannt sein müsse. Die Kenntnis des Aufenthaltes eines Elternteils im Ausland hindere den Anspruch dagegen nicht. Die Norm verletze in ihrer jetzigen Form das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Insofern führe die Regelung zu einer Ungleichbehandlung zweier vergleichbarer Sachverhalte, die nicht durch einen hinreichend gewichtigen Grund gerechtfertigt sei. Die Verfassung schütze durch Art. 6 Abs. 1 GG nicht nur die Familie, in Art. 6 Abs. 5 GG schaffe sie auch einen Anspruch unehelicher Kinder gegenüber dem Staat auf Gleichbehandlung. Dementsprechend müssten sehr gewichtige Gründe vorliegen, einer Gruppe von Kindern Leistungen vorzuenthalten. Dem werde das Merkmal "Kenntnis des Aufenthaltes" nicht gerecht und es erscheine vielmehr willkürlich.
Der Kläger zu 1. beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 22. September 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2008 zu verurteilen, ihm ab dem 1. Juni 2008 Kindergeld in gesetzlichem Umfang zu zahlen.
Der Kläger zu 2. beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 22. September 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2010 zu verurteilen, ihm ab dem 1. Juni 2009 Kindergeld in gesetzlichem Umfang zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer ablehnenden Auffassung fest und stützt sich auf den Wortlaut des § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BKGG. Es sei vorliegend auch kein Raum für eine ergänzende Auslegung, denn eine Regelungslücke sei nicht erkennbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Akten des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben.
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthaften Berufungen sind zulässig; sie sind insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.
Die Berufungen der Kläger sind jedoch sachlich nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klagen zu Recht durch Urteil vom 22. September 2011 abgewiesen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Kindergeld ab Juni 2008 bzw. Juni 2009. Der Bescheid vom 1. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2008 betreffend den Kläger zu 1. und der Bescheid vom 1. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2010 betreffend den Kläger zu 2. sind nicht zu beanstanden. Zunächst wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung verwiesen, denen sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG). Demgegenüber gebietet das Vorbringen der Kläger im Berufungsverfahren keine andere Sicht der Dinge.
Auch der Senat vertritt die Auffassung, dass von einer planwidrigen Regelungslücke nicht ausgegangen werden kann. Wie der Senat bereits im Beschluss vom 27. Mai 2009 betreffend die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren (L 6 KG 2/09 B) ausgeführt hat, waren von dem Bezug des sog. sozialrechtlichen Kindergeldes nach der vor 1986 geltenden Rechtslage u.a. Vollwaisen ausgeschlossen. Dies ist in der damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung - insbesondere auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten gemäß Art. 3, 6 und 20 GG - nicht beanstandet worden (vgl. BSG, Urteil vom 25. Oktober 1977, 8/12 RKg 15/77). Gleichwohl wurde der Ausschluss von Vollwaisen als sozial ungerecht empfunden und beschäftigte wiederholt den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages. Hierauf reagierte der Gesetzgeber, indem er mit Wirkung ab dem 1. Januar 1986 durch das 11. Gesetz zur Änderung des BKGG vom 27. Juni 1985 (BGBl. I 1985, 1251) mit dem neu eingefügten Abs. 2 in § 1 BKGG einen Anspruch auf Kindergeld für sich selbst für Vollwaisen und Personen, die den Aufenthalt der Eltern nicht kennen, regelte. Den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren kann folgendes entnommen werden: Bereits im Verfahren des vorangegangenen 10. Gesetzes zur Änderung des BKGG hatte der Ausschuss für Jugend, Familie und Gesundheit des Bundestages eine sozial gerechte Lösung im Hinblick auf den Bezug von Kindergeld von Vollwaisen dringlich angemahnt (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit vom 5. Dezember 1984, BT-Drucks. 10/2563, S. 3). Hierzu wurde seitens des Berichterstatters des Ausschusses darauf hingewiesen, im Einklang mit dem Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung sei es dringend geboten, endlich auch "alleinstehende Vollwaisen" in die Kindergeldzahlungen einzubeziehen. Insoweit seien in mehreren vom Petitionsausschuss behandelten Fällen Kinder, die nach dem Tode ihrer Eltern zusammen mit ihren jüngeren Geschwistern und für diese den elterlichen Haushalt weitergeführt hätten, für ihre Person ohne Kindergeld geblieben, weil das geltende Kindergeldrecht eine Zahlung an das haushaltsführende Kind nicht vorsehe. Nach der grundsätzlichen Konzeption des BKGG diene das Kindergeld der elterlichen Entlastung und stehe deshalb nur Personen zu, die als Eltern oder ähnlich wie Eltern mit dem Unterhalt von Kindern belastet seien. Dies habe zur Folge, dass in den im Petitionsausschuss vorgetragenen Fällen die haushaltsführenden Kinder Kindergeld nur für ihre jüngeren Geschwister erhalten hätten. Trotz der "rechtssystematischen Schwierigkeiten" hätten sich sowohl die Bundesregierung als auch verschiedene Ausschüsse des Deutschen Bundestages wiederholt für eine Regelung zu Gunsten des "sehr begrenzten Personenkreises der alleinstehenden Vollwaisen" ausgesprochen. Entgegen dieser dringlichen Aufforderung des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zur Erstellung eines entsprechenden Neuregelungsentwurfs sah der Entwurf eines 11. Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes der Bundesregierung (BT-Drucks. 10/2886) noch keinen Kindergeldanspruch für alleinstehende Vollwaisen vor. In seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf bat der Bundesrat die Bundesregierung um Einbeziehung von "haushaltsführenden Vollwaisen" in die Kindergeldzahlungen und führte hierzu aus, zur Vermeidung von Härtefällen erscheine es geboten, auch alleinstehende Vollwaisen für ihre eigene Person in die Kindergeldzahlungen einzubeziehen, damit zu dem persönlichen Verlust bei Tod der Eltern nicht zusätzliche finanzielle Verschlechterungen durch den teilweisen Wegfall des Kindergeldes eintreten würden (BT-Drucks. a.a.O., S. 9). In der Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates wurde angekündigt, in das Gesetzgebungsverfahren den Formulierungsvorschlag für eine "Vollwaisenregelung" einzubringen (BT-Drucks. a.a.O., S. 10). Schließlich wies die Berichterstatterin des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit des Bundestages erneut auf die aufgetretenen Schwierigkeiten alleinstehender Kinder hin und führte hierzu aus, es werde als sozial ungerecht empfunden, dass für Kinder, bei denen nach dem Tod oder der Verschollenheit ihrer Eltern niemand die Elternstelle im Sinne des Kindergeldrechts eingenommen habe " alleinstehende Kinder -" kein Kindergeld gezahlt werde, und es solle deshalb in das Kindergeldgesetz als neue Leistung ein Kindergeld für alleinstehende Kinder eingeführt werden (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit vom 21. Mai 1985, BT-Drucks. 10/3369, S. 11). Aus den zitierten Materialien geht hervor, dass der Gesetzgeber unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Kindergeldes und von gesetzessystematischen Bedenken eine eng begrenzte Ausnahmeregelung unter Härtegesichtspunkten schaffen und Kindergeld für sich selbst nur einem entsprechend eng begrenzten Personenkreis zukommen lassen wollte. Im Gesetzgebungsverfahren war zunächst nur die Rede von "Vollwaisen", "alleinstehenden Vollwaisen" und "haushaltsführenden Vollwaisen". Erstmals in der Beschlussempfehlung bzw. dem Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit vom 21. Mai 1985 wird neben dem Tod auch die Verschollenheit der Eltern erwähnt und für beide Konstellationen der Begriff der "alleinstehenden Kinder" gebraucht. Die letztlich beschlossene Gesetzesfassung geht hierüber noch hinaus, denn nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BKGG in der zum 1. Januar 1986 in Kraft getretenen Fassung erhält Kindergeld für sich selbst, wer Vollwaise ist oder den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennt. Damit reicht für die Anspruchserfüllung - neben dem Tod - eine in erster Linie subjektive Unkenntnis vom Aufenthalt der Eltern aus (Felix, Kindergeldrecht Kommentar, § 1 BKGG Rn. 36 m.w.N.) und der Gesetzgeber hat nicht an die weitergehenden Voraussetzungen einer Verschollenheit (vgl. § 1 Verschollenheitsgesetz - VerschG -) angeknüpft. Aus allem folgt aber, dass im Gesetzgebungsverfahren durchaus gesehen worden ist, dass die eng begrenzte Ausnahmeregelung auch zu einem Ausschluss von Personen führt, die die Voraussetzungen des entsprechend eng gefassten Personenkreises nicht erfüllen, insbesondere angesichts § 1 Abs. 1 Nr. 1 BKGG (in der zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens geltenden Fassung) im Falle eines beiderseitigen Auslandsaufenthaltes der Eltern (oder eines Auslandsaufenthaltes des allein noch lebenden Elternteils) an im Inland wohnende oder sich gewöhnlich aufhaltende Kinder in Anwendung von § 1 Abs. 2 Nr. 2 BKGG (ab 1. Januar 1996: Abs. 2 S. 1 Nr. 2) kein Kindergeld gezahlt werden kann. Dementsprechend wollte der Gesetzgeber den engen Anwendungsbereich der aus Härtegesichtspunkten geschaffenen Ausnahmeregelung nicht auch auf den bloßen Auslandswohnsitz bzw. gewöhnlichen Auslandsaufenthalt der Eltern ausdehnen, worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat. Eine planwidrige Regelungslücke liegt mithin nicht vor.
Die gesetzliche Regelung des § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BKGG begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weder im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG noch Art. 3 Abs. 1 GG. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber im Bereich der steuerfinanzierten Sozialleistungen bzw. der gewährenden Staatstätigkeit, auch im Hinblick auf die Familienförderung, eine weite Gestaltungsfreiheit zukommt (BVerfG, Beschlüsse vom 20. April 2011, 1 BvR 1811/08 u. 9. November 2011, 1 BvR 1853/11). Davon ausgehend folgt aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht, dass diejenigen Kinder in den Kreis der anspruchsberechtigten Personen einzubeziehen wären, deren Eltern im Ausland wohnen oder sich dort gewöhnlich aufhalten. Aber auch der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1980, 1 BvL 89/79, 1 BvR 240/79 = BVerfGE 55, 72 - 95; Beschluss vom 9. November 2004, 1 BvR 684/98 = BVerfGE 112, 50 - 74). Umgekehrt verbietet Art. 3 Abs. 1 GG auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, insbesondere die Gleichbehandlung einer Gruppe von Normadressaten mit einer anderen, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die deren Gleichbehandlung verbieten. Dabei legt das Bundesverfassungsgericht je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal einen unterschiedlich strengen Prüfungsmaßstab an (BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1993, 1 BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92 = BVerfGE 88, 87 - 103). Soweit die Kläger anders behandelt werden gegenüber Vollwaisen bzw. Personen, denen der Aufenthalt der Eltern nicht bekannt ist, fehlt es bereits an einer Ungleichbehandlung, weil es sich um ungleiche Gruppen mit erheblichen Unterschieden im Hinblick auf die Familienkonstellation handelt. Die begrenzte Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises durch Einfügung des Abs. 2 in § 1 BKGG erfolgte zur Vermeidung von unbilligen Härten aber auch vor dem Hintergrund, dass nach Sinn und Zweck das Kindergeld der elterlichen Entlastung dient und deshalb grundsätzlich nur Personen zusteht, die als Eltern oder ähnlich wie Eltern mit dem Unterhalt von Kindern belastet sind. Für Kinder, deren Eltern verstorben sind oder die den Aufenthalt der Eltern nicht kennen, kann niemand die Elternstelle im Sinne des Kindergeldrechts einnehmen. Insofern war es gerechtfertigt, die Anspruchsberechtigung entsprechend begrenzt zu erweitern und einen Anspruch auf Kindergeld für sich selbst einzuführen. Die zu Grunde liegenden Erwägungen treffen gerade nicht auf den bloßen Auslandswohnsitz oder gewöhnlichen Auslandsaufenthalt der Eltern gleichermaßen zu, denn insoweit ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass durch einen Wohnsitzwechsel oder Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts in das Inland die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKGG (Fassung bis 31. Dezember 1995) bzw. gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) erfüllt werden können. Im Übrigen ist ebenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der in Wien lebende Vater der Kläger einen Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe bei dem dortigen Leistungsträger geltend macht.
Die Berufungen waren nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nach Überzeugung des Senats mit Rücksicht auf den Gesetzestext und die Gesetzesmaterialien nicht vorliegen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Kindergeld nach den Vorschriften des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) ab Juni 2008 bzw. Juni 2009 streitig.
Der 1987 geborene Kläger zu 1. beantragte am 3. Juni 2008 Kindergeld mit dem Hinweis, er sei noch keine 25 Jahre alt und befinde sich in Berufsausbildung. Im weiteren Verlauf gab er an, seine Eltern hätten sich getrennt, als er ca. 3 Jahre alt gewesen sei, und er habe dann in einer Pflegefamilie gelebt. Seine Mutter sei im Gefängnis gewesen und der Vater habe bei D-Stadt gewohnt. Diesen habe er zuletzt gesehen, als er ca. 6 Jahre alt gewesen sei. In der Pflegefamilie sei er bis ca. zu seinem 15. Lebensjahr gewesen, danach sei er zusammen mit seinem Bruder in einer Wohngruppe der Diakonie betreut worden. Das Kindergeld habe seinerzeit das Jugendamt erhalten. Ab dem 17. Lebensjahr habe er zusammen mit seinem Bruder in einer Einrichtung des betreuten Wohnens gelebt. Der Aufenthaltsort seiner Mutter sei ihm unbekannt. Sein Vater lebe in Wien. Der ebenfalls am xx. xxx 1987 geborene Kläger zu 2. ist der Zwillingsbruder des Klägers zu 1. Auch er beantragte Kindergeld am 10. Juni 2009 unter Hinweis auf eine bestehende Berufsausbildung. Ergänzend machte er geltend, im Hinblick auf den Auslandswohnsitz seines Vaters und die Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 BKGG sei seine Situation mit derjenigen von Vollwaisen oder von Kindern, deren Eltern unbekannten Aufenthalts seien, vergleichbar. Bei verfassungskonformer Auslegung unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgebotes des Art. 3 Grundgesetz (GG) sei ein Anspruch nach § 1 Abs. 2 BKGG gegeben.
Durch Bescheide vom 1. Dezember 2008 (Kläger zu 1.) und 1. Oktober 2009 (Kläger zu 2.) lehnte die Beklagte die Anträge mit der Begründung ab, Anspruch auf Kindergeld für sich selbst habe nach § 1 Abs. 2 BKGG, wer Vollwaise sei oder den Aufenthalt seiner Eltern nicht kenne. Nachdem hier der Aufenthalt des Vaters bekannt sei, lägen die Anspruchsvoraussetzungen nicht vor.
Die Kläger erhoben Widerspruch am 4. Dezember 2008 bzw. 7. Oktober 2009 und führten aus, richtig sei zwar, dass ihnen der Aufenthalt des Vaters bekannt sei. Sie seien jedoch einer Person gleichzustellen, die den Aufenthalt der Eltern nicht kenne. Insofern sei zu berücksichtigen, dass der Vater zu keinem Zeitpunkt einen Kindergeldanspruch gehabt habe und dies bis heute gelte. Vielmehr habe bis zum 18. Lebensjahr das Sorgerecht beim Jugendamt gelegen, das auch den Kindergeldanspruch geltend gemacht habe. Zum jetzigen Zeitpunkt habe der Vater gemäß § 1 Abs. 1 BKGG keinen Anspruch auf Kindergeld, so dass dieser unberücksichtigt bleiben müsse und sie deshalb mit Personen gleichzustellen seien, die den Aufenthalt der Eltern nicht kennen würden bzw. Vollwaisen seien. In Anwendung des Gleichheitssatzes sei § 1 Abs. 2 BKGG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass auch ihnen Kindergeld zustehe.
Durch Widerspruchsbescheide vom 11. Dezember 2008 (Kläger zu 1.) und 14. Januar 2010 (Kläger zu 2.) wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Zur Begründung verwies sie erneut darauf, der Aufenthalt des Vaters sei bekannt, so dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 BKGG in der Person der Kläger nicht vorlägen.
Mit den am 15. Januar 2009 (Kläger zu 1., S 11 KG 2/09) und 17. Februar 2010 (Kläger zu 2., S 11 KG 1/10) zum Sozialgericht Kassel erhobenen Klagen verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. Sie hielten an ihrer Auffassung fest, dass sie Personen gleichzustellen seien, die den Aufenthaltsort der Eltern nicht kennen würden bzw. Vollwaise seien. Im anderen Falle komme es zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 GG. Insofern würden sie gegenüber der Gruppe von Anspruchsberechtigten, die einen Anspruch für sich selbst hätten, weil ihnen der Aufenthaltsort der Eltern unbekannt sei, ungleich behandelt, obwohl hier nur ein vager Kontakt zum Vater bestehe und dieser auch keinen Antrag auf Kindergeld stellen könne. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Kindergeldes sei diese Ungleichbehandlung weder willkürfrei noch verhältnismäßig. Das von dem Gesetzgeber gewählte Abgrenzungskriterium der Kenntnis vom Aufenthaltsort sei zudem ungeeignet. So bestehe beispielsweise ein Anspruch für sich selbst, wenn die anspruchsberechtigte Person durch Unfall oder Krankheit den Aufenthaltsort des Vaters vergessen habe. Abschließend verwiesen die Kläger auf die Beschwerdeentscheidung des erkennenden Senats vom 27. Mai 2009 (L 6 KG 2/09 B), mit der dem Kläger zu 1. entgegen der ablehnenden Entscheidung des Sozialgerichts Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, sowie auf die Gesetzesmaterialien (Hinweis auf Bundestags-Drucksache - BT-Drucks. - 10/2563, S. 3 und BT-Drucks. 10/3369, S. 11).
Das Sozialgericht hat durch Beschluss vom 22. September 2011 die beiden Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und sodann durch Urteil vom selben Tag die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BKGG seien vorliegend nicht erfüllt, weil unstreitig der Aufenthaltsort des Vaters der Kläger, der seinen Wohnsitz in Wien/Österreich habe, bekannt sei. Damit scheide nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut eine Kindergeldzahlung an die Kläger selbst aus. Ein für die Kläger günstigeres Ergebnis lasse sich auch nicht im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgebotes des Art. 3 GG erzielen. Zwar habe das Hessische Landessozialgericht im Beschluss vom 27. Mai 2009 zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber mit Einfügung der Vorschrift des Abs. 2 in § 1 BKGG mit Wirkung vom 1. Januar 1986 und mit der Regelung eines Anspruches auf Kindergeld für sich selbst für Vollwaisen bzw. Personen, denen der Aufenthalt ihrer Eltern unbekannt seien, eine bis dahin als ungerecht empfundene Gesetzeslage beseitigt habe. Dabei sei es nach der Intention des Gesetzgebers ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. a.a.O.) um die Einbeziehung eines begrenzten Personenkreises der alleinstehenden Kinder gegangen, bei denen nach Tod oder Verschollenheit der Eltern niemand die Elternstelle im Sinne des Kindergeldrechts eingenommen habe und deshalb kein Kindergeld gezahlt worden sei. Hier sei zwar die Mutter der Kläger unbekannten Aufenthaltes und der Vater der Kläger erfülle die Voraussetzungen für die Zahlung von Kindergeld nach dem BKGG bzw. dem Einkommensteuergesetz (EStG) wegen seines Auslandswohnsitzes in Wien nicht. Unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien sei jedoch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber tatsächlich eine Konstellation, wie bei den Klägern, von der Kindergeldgewährung habe ausschließen wollen. Aber selbst unter Annahme einer bestehenden Regelungslücke seien auch unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes des Art. 3 GG keine Anhaltspunkte ersichtlich, die das Begehren der Kläger stützten. Insofern könne die vorliegende Situation, der Auslandsaufenthalt eines Elternteils, nicht unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten zu einem Kindergeldanspruch der Kläger führen, da jedenfalls ein Elternteil greifbar sei und die Kläger daher nicht "alleinstehend" seien. Der Argumentationslinie der Kläger folgend wäre ein Kindergeldanspruch für die Kinder selbst immer dann zu bejahen, wenn ein Elternteil oder beide Eltern aufgrund eines ständigen Auslandsaufenthalts keinen Kindergeldanspruch hätten. Ein bloßer Auslandswohnsitz der Eltern sei aber keineswegs mit der gesetzgeberischen Absicht der Kindergeldgewährung an die Kinder selbst bei Tod oder Verschollenheit der Eltern gleichzusetzen.
Gegen das den Klägern am 29. September 2011 zugestellte Urteil richten sich die am 31. Oktober 2011 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangenen Berufungen. Sie tragen vor, die Vorschrift des § 1 Abs. 2 BKGG sei zur Vermeidung einer Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG teleologisch zu reduzieren und sie seien einer Person gleichzustellen, die den Aufenthalt der Eltern nicht kennen würden bzw. Vollwaise seien. Die derzeitige Regelung sei planwidrig, was sich aus den Gesetzesmaterialien bzw. der daraus ersichtlichen Intention des Gesetzgebers zur Neuregelung des BKGG ergebe. Soweit Vollwaisen und Kinder, denen der Aufenthalt der Eltern unbekannt sei, als anspruchsberechtigt in den Tatbestand aufgenommen worden seien, habe der Gesetzgeber offensichtlich die Problematik der im Ausland lebenden Eltern übersehen. Insofern sei die Interessenlage die gleiche, denn es sei davon auszugehen, dass das Kindergeld Eltern bei der Pflege und Sorge um ihre Kinder unterstützen solle. Soweit sich die Erkenntnis durchgesetzt habe, dass die Kinder, welche ohnehin schon benachteiligt seien, weil ihre Eltern verstorben seien oder ihr Aufenthalt nicht bekannt sei, den gleichen Anspruch erhalten sollten, könne nicht nachvollzogen werden, warum dies anders sein solle, wenn der Aufenthalt bekannt sei. Ein Kind, welches zwar den Aufenthaltsort der Eltern kenne, diese sich aber nicht um das Kind kümmerten, sei gleichermaßen vom Schicksal getroffen. Insofern stehe die Fallgestaltung eines sich im Ausland aufhaltenden Elternteils, zu dem lediglich Kontakt bestehe und der keinen Kindergeldantrag stellen könne, den gesetzlich anerkannten Fallgruppen in nichts nach. Das Kindergeld diene dazu, die Lebensgrundlage des Kindes zu sichern. Nicht nachvollziehbar sei deshalb, warum derjenige, der seinen eigenen Lebensunterhalt sichern müsse, weil seine Eltern ihn im Stich gelassen hätten, diesen Anspruch nicht haben solle. Das Abgrenzungskriterium der "Kenntnis vom Aufenthaltsort" sei gänzlich ungeeignet und nach Sinn und Zweck der Regelung des § 1 Abs. 2 BKGG sei diese insoweit teleologisch zu reduzieren, dass ein Aufenthalt im Inland bekannt sein müsse. Die Kenntnis des Aufenthaltes eines Elternteils im Ausland hindere den Anspruch dagegen nicht. Die Norm verletze in ihrer jetzigen Form das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Insofern führe die Regelung zu einer Ungleichbehandlung zweier vergleichbarer Sachverhalte, die nicht durch einen hinreichend gewichtigen Grund gerechtfertigt sei. Die Verfassung schütze durch Art. 6 Abs. 1 GG nicht nur die Familie, in Art. 6 Abs. 5 GG schaffe sie auch einen Anspruch unehelicher Kinder gegenüber dem Staat auf Gleichbehandlung. Dementsprechend müssten sehr gewichtige Gründe vorliegen, einer Gruppe von Kindern Leistungen vorzuenthalten. Dem werde das Merkmal "Kenntnis des Aufenthaltes" nicht gerecht und es erscheine vielmehr willkürlich.
Der Kläger zu 1. beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 22. September 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2008 zu verurteilen, ihm ab dem 1. Juni 2008 Kindergeld in gesetzlichem Umfang zu zahlen.
Der Kläger zu 2. beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 22. September 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2010 zu verurteilen, ihm ab dem 1. Juni 2009 Kindergeld in gesetzlichem Umfang zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer ablehnenden Auffassung fest und stützt sich auf den Wortlaut des § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BKGG. Es sei vorliegend auch kein Raum für eine ergänzende Auslegung, denn eine Regelungslücke sei nicht erkennbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Akten des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben.
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthaften Berufungen sind zulässig; sie sind insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.
Die Berufungen der Kläger sind jedoch sachlich nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klagen zu Recht durch Urteil vom 22. September 2011 abgewiesen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Kindergeld ab Juni 2008 bzw. Juni 2009. Der Bescheid vom 1. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2008 betreffend den Kläger zu 1. und der Bescheid vom 1. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2010 betreffend den Kläger zu 2. sind nicht zu beanstanden. Zunächst wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung verwiesen, denen sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG). Demgegenüber gebietet das Vorbringen der Kläger im Berufungsverfahren keine andere Sicht der Dinge.
Auch der Senat vertritt die Auffassung, dass von einer planwidrigen Regelungslücke nicht ausgegangen werden kann. Wie der Senat bereits im Beschluss vom 27. Mai 2009 betreffend die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren (L 6 KG 2/09 B) ausgeführt hat, waren von dem Bezug des sog. sozialrechtlichen Kindergeldes nach der vor 1986 geltenden Rechtslage u.a. Vollwaisen ausgeschlossen. Dies ist in der damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung - insbesondere auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten gemäß Art. 3, 6 und 20 GG - nicht beanstandet worden (vgl. BSG, Urteil vom 25. Oktober 1977, 8/12 RKg 15/77). Gleichwohl wurde der Ausschluss von Vollwaisen als sozial ungerecht empfunden und beschäftigte wiederholt den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages. Hierauf reagierte der Gesetzgeber, indem er mit Wirkung ab dem 1. Januar 1986 durch das 11. Gesetz zur Änderung des BKGG vom 27. Juni 1985 (BGBl. I 1985, 1251) mit dem neu eingefügten Abs. 2 in § 1 BKGG einen Anspruch auf Kindergeld für sich selbst für Vollwaisen und Personen, die den Aufenthalt der Eltern nicht kennen, regelte. Den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren kann folgendes entnommen werden: Bereits im Verfahren des vorangegangenen 10. Gesetzes zur Änderung des BKGG hatte der Ausschuss für Jugend, Familie und Gesundheit des Bundestages eine sozial gerechte Lösung im Hinblick auf den Bezug von Kindergeld von Vollwaisen dringlich angemahnt (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit vom 5. Dezember 1984, BT-Drucks. 10/2563, S. 3). Hierzu wurde seitens des Berichterstatters des Ausschusses darauf hingewiesen, im Einklang mit dem Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung sei es dringend geboten, endlich auch "alleinstehende Vollwaisen" in die Kindergeldzahlungen einzubeziehen. Insoweit seien in mehreren vom Petitionsausschuss behandelten Fällen Kinder, die nach dem Tode ihrer Eltern zusammen mit ihren jüngeren Geschwistern und für diese den elterlichen Haushalt weitergeführt hätten, für ihre Person ohne Kindergeld geblieben, weil das geltende Kindergeldrecht eine Zahlung an das haushaltsführende Kind nicht vorsehe. Nach der grundsätzlichen Konzeption des BKGG diene das Kindergeld der elterlichen Entlastung und stehe deshalb nur Personen zu, die als Eltern oder ähnlich wie Eltern mit dem Unterhalt von Kindern belastet seien. Dies habe zur Folge, dass in den im Petitionsausschuss vorgetragenen Fällen die haushaltsführenden Kinder Kindergeld nur für ihre jüngeren Geschwister erhalten hätten. Trotz der "rechtssystematischen Schwierigkeiten" hätten sich sowohl die Bundesregierung als auch verschiedene Ausschüsse des Deutschen Bundestages wiederholt für eine Regelung zu Gunsten des "sehr begrenzten Personenkreises der alleinstehenden Vollwaisen" ausgesprochen. Entgegen dieser dringlichen Aufforderung des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zur Erstellung eines entsprechenden Neuregelungsentwurfs sah der Entwurf eines 11. Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes der Bundesregierung (BT-Drucks. 10/2886) noch keinen Kindergeldanspruch für alleinstehende Vollwaisen vor. In seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf bat der Bundesrat die Bundesregierung um Einbeziehung von "haushaltsführenden Vollwaisen" in die Kindergeldzahlungen und führte hierzu aus, zur Vermeidung von Härtefällen erscheine es geboten, auch alleinstehende Vollwaisen für ihre eigene Person in die Kindergeldzahlungen einzubeziehen, damit zu dem persönlichen Verlust bei Tod der Eltern nicht zusätzliche finanzielle Verschlechterungen durch den teilweisen Wegfall des Kindergeldes eintreten würden (BT-Drucks. a.a.O., S. 9). In der Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates wurde angekündigt, in das Gesetzgebungsverfahren den Formulierungsvorschlag für eine "Vollwaisenregelung" einzubringen (BT-Drucks. a.a.O., S. 10). Schließlich wies die Berichterstatterin des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit des Bundestages erneut auf die aufgetretenen Schwierigkeiten alleinstehender Kinder hin und führte hierzu aus, es werde als sozial ungerecht empfunden, dass für Kinder, bei denen nach dem Tod oder der Verschollenheit ihrer Eltern niemand die Elternstelle im Sinne des Kindergeldrechts eingenommen habe " alleinstehende Kinder -" kein Kindergeld gezahlt werde, und es solle deshalb in das Kindergeldgesetz als neue Leistung ein Kindergeld für alleinstehende Kinder eingeführt werden (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit vom 21. Mai 1985, BT-Drucks. 10/3369, S. 11). Aus den zitierten Materialien geht hervor, dass der Gesetzgeber unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Kindergeldes und von gesetzessystematischen Bedenken eine eng begrenzte Ausnahmeregelung unter Härtegesichtspunkten schaffen und Kindergeld für sich selbst nur einem entsprechend eng begrenzten Personenkreis zukommen lassen wollte. Im Gesetzgebungsverfahren war zunächst nur die Rede von "Vollwaisen", "alleinstehenden Vollwaisen" und "haushaltsführenden Vollwaisen". Erstmals in der Beschlussempfehlung bzw. dem Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit vom 21. Mai 1985 wird neben dem Tod auch die Verschollenheit der Eltern erwähnt und für beide Konstellationen der Begriff der "alleinstehenden Kinder" gebraucht. Die letztlich beschlossene Gesetzesfassung geht hierüber noch hinaus, denn nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BKGG in der zum 1. Januar 1986 in Kraft getretenen Fassung erhält Kindergeld für sich selbst, wer Vollwaise ist oder den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennt. Damit reicht für die Anspruchserfüllung - neben dem Tod - eine in erster Linie subjektive Unkenntnis vom Aufenthalt der Eltern aus (Felix, Kindergeldrecht Kommentar, § 1 BKGG Rn. 36 m.w.N.) und der Gesetzgeber hat nicht an die weitergehenden Voraussetzungen einer Verschollenheit (vgl. § 1 Verschollenheitsgesetz - VerschG -) angeknüpft. Aus allem folgt aber, dass im Gesetzgebungsverfahren durchaus gesehen worden ist, dass die eng begrenzte Ausnahmeregelung auch zu einem Ausschluss von Personen führt, die die Voraussetzungen des entsprechend eng gefassten Personenkreises nicht erfüllen, insbesondere angesichts § 1 Abs. 1 Nr. 1 BKGG (in der zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens geltenden Fassung) im Falle eines beiderseitigen Auslandsaufenthaltes der Eltern (oder eines Auslandsaufenthaltes des allein noch lebenden Elternteils) an im Inland wohnende oder sich gewöhnlich aufhaltende Kinder in Anwendung von § 1 Abs. 2 Nr. 2 BKGG (ab 1. Januar 1996: Abs. 2 S. 1 Nr. 2) kein Kindergeld gezahlt werden kann. Dementsprechend wollte der Gesetzgeber den engen Anwendungsbereich der aus Härtegesichtspunkten geschaffenen Ausnahmeregelung nicht auch auf den bloßen Auslandswohnsitz bzw. gewöhnlichen Auslandsaufenthalt der Eltern ausdehnen, worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat. Eine planwidrige Regelungslücke liegt mithin nicht vor.
Die gesetzliche Regelung des § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BKGG begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weder im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG noch Art. 3 Abs. 1 GG. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber im Bereich der steuerfinanzierten Sozialleistungen bzw. der gewährenden Staatstätigkeit, auch im Hinblick auf die Familienförderung, eine weite Gestaltungsfreiheit zukommt (BVerfG, Beschlüsse vom 20. April 2011, 1 BvR 1811/08 u. 9. November 2011, 1 BvR 1853/11). Davon ausgehend folgt aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht, dass diejenigen Kinder in den Kreis der anspruchsberechtigten Personen einzubeziehen wären, deren Eltern im Ausland wohnen oder sich dort gewöhnlich aufhalten. Aber auch der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1980, 1 BvL 89/79, 1 BvR 240/79 = BVerfGE 55, 72 - 95; Beschluss vom 9. November 2004, 1 BvR 684/98 = BVerfGE 112, 50 - 74). Umgekehrt verbietet Art. 3 Abs. 1 GG auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, insbesondere die Gleichbehandlung einer Gruppe von Normadressaten mit einer anderen, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die deren Gleichbehandlung verbieten. Dabei legt das Bundesverfassungsgericht je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal einen unterschiedlich strengen Prüfungsmaßstab an (BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1993, 1 BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92 = BVerfGE 88, 87 - 103). Soweit die Kläger anders behandelt werden gegenüber Vollwaisen bzw. Personen, denen der Aufenthalt der Eltern nicht bekannt ist, fehlt es bereits an einer Ungleichbehandlung, weil es sich um ungleiche Gruppen mit erheblichen Unterschieden im Hinblick auf die Familienkonstellation handelt. Die begrenzte Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises durch Einfügung des Abs. 2 in § 1 BKGG erfolgte zur Vermeidung von unbilligen Härten aber auch vor dem Hintergrund, dass nach Sinn und Zweck das Kindergeld der elterlichen Entlastung dient und deshalb grundsätzlich nur Personen zusteht, die als Eltern oder ähnlich wie Eltern mit dem Unterhalt von Kindern belastet sind. Für Kinder, deren Eltern verstorben sind oder die den Aufenthalt der Eltern nicht kennen, kann niemand die Elternstelle im Sinne des Kindergeldrechts einnehmen. Insofern war es gerechtfertigt, die Anspruchsberechtigung entsprechend begrenzt zu erweitern und einen Anspruch auf Kindergeld für sich selbst einzuführen. Die zu Grunde liegenden Erwägungen treffen gerade nicht auf den bloßen Auslandswohnsitz oder gewöhnlichen Auslandsaufenthalt der Eltern gleichermaßen zu, denn insoweit ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass durch einen Wohnsitzwechsel oder Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts in das Inland die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKGG (Fassung bis 31. Dezember 1995) bzw. gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) erfüllt werden können. Im Übrigen ist ebenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der in Wien lebende Vater der Kläger einen Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe bei dem dortigen Leistungsträger geltend macht.
Die Berufungen waren nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nach Überzeugung des Senats mit Rücksicht auf den Gesetzestext und die Gesetzesmaterialien nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved