L 12 KO 2832/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 KO 2832/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Vergütung des Antragstellers für das Gutachten vom 06.06.2013 im Verfahren L 9 U 2808/09 wird auf 4.149,11 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

In dem beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) geführten Verfahren L 9 U 2808/09 ist die Anerkennung der Nervenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit streitig. Mit gerichtlicher Verfügung vom 15.05.2013 wurde der Antragsteller von Amts wegen zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und um die Erstattung eines Gutachtens auf Grund ambulanter Untersuchung des Klägers gebeten. Beigefügt waren neben den Gerichtsakten beider Instanzen auch die Verwaltungsakten der Beklagten. Am 06.06.2013 hat der Antragsteller ein 64-seitiges arbeitsmedizinisches Gutachten erstattet. Hierfür hat er mit Rechnung vom 07.06.2013 eine Vergütung in Höhe von 4.149,11 EUR verlangt. Abgerechnet hat der Antragsteller 39,5 Stunden zu je 85 EUR (Honorargruppe M3), Schreibgebühren, Kopien und Portokosten.

Die Kostenbeamtin hat mit Schreiben vom 13.06.2013 eine Vergütung von insgesamt 2.631,86 EUR errechnet. Sie hat ebenfalls die Honorargruppe M3 zugrundegelegt. Mit näheren Ausführungen zur Plausibilitätsprüfung hat sie jedoch nur einen Zeitaufwand von 24,5 Stunden anerkannt, wobei sie vor allem den Zeitaufwand für die Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen einschließlich Diktat von 24 auf 9 Stunden herabgesetzt hat.

Mit Schreiben vom 16.06.2013 hat der Antragsteller die richterliche Überprüfung und Festsetzung seiner Vergütung beantragt. Die angegebene Zeit habe er tatsächlich benötigt. Der Zeitaufwand sei auch wegen der Schwierigkeit und des Umfangs des Gutachtens erforderlich gewesen; dazu macht der Antragsteller nähere Ausführungen.

Die Kostenbeamtin hat dem Antrag nicht abgeholfen und die Sache dem Kostensenat vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten Bezug genommen.

II.

Über den Antrag auf richterliche Festsetzung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) entscheidet der Senat nach § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG durch den Berichterstatter; Gründe für eine Übertragung des Verfahrens auf den Senat liegen nicht vor.

Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall auch nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl. I S. 2586) gemäß der Übergangsvorschrift des § 24 JVEG die Regelungen des JVEG in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung. Denn der Gutachtensauftrag ist vor dem Inkrafttreten des 2. KostRMoG (01.08.2013) erfolgt.

Grundlage des hier zu beurteilenden Vergütungsanspruchs sind die §§ 8, 9 JVEG. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 JVEG erhält der Sachverständige neben dem Ersatz von Fahrtkosten und Entschädigung für sonstigen Aufwand (§ 8 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 JVEG) für seine Leistung ein Honorar, das nach Stundensätzen zu bemessen ist. Die Höhe des Stundensatzes variiert je nach der Zugehörigkeit des Gutachtens zu einer bestimmten Honorargruppe (§ 9 Abs. 1 JVEG i.V.m. Anlage 1 zu § 9 Abs. 1). Das Honorar wird gemäß § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit gewährt.

Das Gutachten vom 06.06.2013 ist nach der Honorargruppe M3 mit einem Stundensatz von 85,- EUR zu vergüten. Davon gehen sowohl der Antragsteller wie auch die Kostenbeamtin zu Recht aus. Denn es handelt sich um ein unfallversicherungsrechtliches Gutachten mit speziellen Fragestellungen und schwieriger und aufwändiger Beurteilung der Kausalzusammenhänge.

Im vorliegenden Fall steht der Zeitaufwand, d.h. die Anzahl der zu vergütenden Stunden, ganz im Vordergrund der kostenrechtlichen Prüfung; hier liegt der Grund der Kürzung der Kostenbeamtin. Handelt es sich wie hier um ein Zeithonorar nach § 9 Abs. 1 JVEG, hat der Sachverständige in der Kostenrechnung anzugeben, welcher Zeitaufwand für die Erbringung der Leistung notwendig war. Das JVEG sieht im Grundsatz keine Begrenzung der für eine Leistung benötigten Zeit vor. Eine Vergütung wird allerdings nur für die "erforderliche" und nicht für die tatsächlich benötigte Zeit gewährt, § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG. Die "erforderliche" Zeit ist nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen (siehe z.B. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Auflage 2014, § 8 Rdnrn. 13 ff. mit zahlreichen Nachweisen). Erforderlich ist die Zeit, die bei sachgerechter Abwägung von erfahrenen Sachverständigen in durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt wird. Hierbei geht die Rechtsprechung vielfach von Erfahrungssätzen aus, die anhand einer Vielzahl von Gutachten ermittelt worden sind und die im Interesse einer Gleichbehandlung aller Sachverständigen notwendige objektive Beurteilung ermöglichen. Hieraus leitet sich auch die Kompetenz zur Überprüfung von Entschädigungsansprüchen ab, die mithin mit keinerlei Wertung hinsichtlich der Gutachten und ihrer Bearbeitung verbunden ist.

Grundsätzlich ist von der Richtigkeit der Angaben eines Sachverständigen zu seinem tatsächlichen Zeitaufwand auszugehen. Die Überprüfung zur Ermittlung der nach dem JVEG nur vergütungsfähigen erforderlichen Zeit erfolgt in der Regel mittels der vom Senat entwickelten Plausibilitätskriterien (grundlegend Beschluss des Senats vom 22.09.2004 - L 12 RJ 3686/04 KO-A - MedR 2006, 118, sowie in Juris).

Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel an einem Vergütungsanspruch des Antragsteller in Höhe seiner Abrechnung vom 07.06.2013. Insbesondere ergeben sich keine Zweifel aufgrund der vom Senat entwickelten Plausibilitätskriterien. Bei der Plausibilitätsprüfung wird nämlich anhand von Erfahrungswerten der Zeitaufwand ermittelt, der im Falle eines "Routinegutachtens" zu erwarten ist (z.B. Beschluss vom 05.04.2005 - L 12 SB 795/05 KO-A -, juris). Das hier in Auftrag gegebene und vom Antragsteller erstattete Gutachten weicht von einem solchen Routinegutachten oder Standardgutachten in so hohem Maße ab, dass die Erfahrungswerte der Plausibilitätsprüfung keine Aussagekraft haben. Das gilt hier namentlich für die Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen, was stets die wesentliche gedankliche Leistung und das Kernstück eines Gutachtens ist. Der Antragsteller hat in seinem Schreiben vom 16.06.2013 zur Begründung des dafür aufgewendeten sehr hohen Zeitaufwands ausgeführt, dieser Teil seines Gutachtens umfasse 50 Seiten; mit einzurechnen sei hier die chronologische Darstellung des Erkrankungsverlaufs, was bei einer zeitlich ungeordneten Aktenlage mit ca. 700 Seiten mit einem erheblichen Aufwand verbunden sei, was aber für eine stichhaltige nachvollziehbare Kausalitätsbeurteilung unverzichtbar sei. Das ist zutreffend; die inhaltliche Betrachtung des Gutachtens bestätigt einen geradezu detektivischen Aufwand und Sorgfalt bei der Herausarbeitung und Auswertung der zahlreichen in den Akten enthaltenen medizinischen und sonstigen Einzelheiten sowie umfangreiche und komplizierte Überlegungen zur Einordnung der Krankheitserscheinungen und zur Kausalitätsbeurteilung. Das Gutachten passt aufgrund der sachlichen Besonderheiten des Falles von vornherein nicht in das übliche Gliederungsschema (Aktenstudium - wobei im Rahmen der Plausibilitätsprüfung nur die orientierende Aktendurchsicht gemeint ist -, Untersuchung, Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen, Durchsicht und Korrektur) und überschreitet Umfang und Schwierigkeit eines durchschnittlichen Gutachtens bei weitem. Für Gutachten dieser Qualität sind die Ergebnisse der Plausibilitätsprüfung nicht anzuwenden (so z.B. ausdrücklich für ein vergleichbar aufwändiges Gutachten bereits der Beschluss des Senats vom 07.02.2005 - L 12 U 253/05 KO-A -). Vor diesem Hintergrund bestehen keine Bedenken, das Gutachten des Antragstellers unter Zugrundelegung des angegebenen Zeitaufwands zu vergüten.

Nachdem hinsichtlich Schreibgebühren, Kopien und Portokosten ohnehin kein Diskussionsbedarf besteht, ist die Vergütung insgesamt wie beantragt in Höhe von 4.149,11 EUR festzusetzen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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