Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 12 KR 384/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4441/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Andickungsmittel Thick & Easy ist kein Arzneimittel.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.09.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Versorgung des Klägers mit dem Andickungsmittel Thick & Easy streitig.
Der am 29.04.1993 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Der Kläger leidet an einer spastischen Tetraparese, einer neuromuskulären Skoliose sowie einer Speisröhrenmissbildung. Aufgrund der Behinderungen besteht eine massive Kau- und Schluckstörung.
Mit Datum vom 04.10.2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung vom 23.09.2011 die Versorgung mit dem Mittel Thick & Easy.
Die Beklagte veranlasste daraufhin die Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Dr. B. teilte in seinem Gutachten vom 06.10.2011 mit, dass nach den bisherigen Unterlagen und ohne nähere klinische Angaben zum Verlauf eine medizinische Notwendigkeit zum Andicken der Nahrung nicht erkannt werden könne. Darüber hinaus handele es sich bei dem begehrten Produkt um ein Lebensmittel. Es sei daher von der Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkasse ausgeschlossen. Die Ernährung - auch bei medizinisch sinnvollen speziellen Lebensmittelprodukten - sei Teil der Lebens- und Daseinsfürsorge. Neben handelsfertigen Andickungsmitteln gebe es im Übrigen die Möglichkeit der Andickung durch Stärkeprodukte wie zB Mondamin.
Mit Bescheid vom 13.10.2011 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für das Andickungspulver ab. Bei dem Instant-Andickungspulver handele es sich um ein Lebensmittel. Es sei weder apotheken- noch verschreibungspflichtig, sondern frei verkäuflich. Im Übrigen ließen die vorhandenen Unterlagen die medizinische Notwendigkeit zum Andicken der Nahrung nicht erkennen.
Hiergegen legte der Kläger am 15.11.2011 Widerspruch ein. Darüber hinaus wurde ein Attest des behandelnden Hausarztes zur Notwendigkeit der Versorgung des Klägers mit dem Andickungspulver Thick & Easy vorgelegt.
Die Beklagte legte daraufhin die Unterlagen erneut dem MDK zur sozialmedizinischen Begutachtung vor. Dr. A. kam in seinem Gutachten vom 01.12.2011 zu dem Ergebnis, dass es sich bei Thick & Easy um ein Nahrungsergänzungsmittel im leistungsrechtlichen Sinne handele. Dieses sei von der Versorgung ausgeschlossen. Darüber hinaus könne der Kläger auf stärkehaltige Lebensmittel wie Mondamin, Maizena oder das Produkt Dr. Oetker Gustin Fix Speisenanbinder ohne Kochen verwiesen werden. Auch wenn die Notwendigkeit einer Flüssigkeitsandickung zur Erleichterung des Schluckprozesses medizinisch unbestritten sei, dadurch ggfs die Notwendigkeit einer PEG-Anlage entfalle sowie die industriell gefertigten Dickungsmittel geschmacksneutral und vom Patienten ggfs besser toleriert würden, komme aus formaljuristischer Sicht eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht in Betracht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2012 lehnte die Beklagte daraufhin den Widerspruch des Klägers ab. Bei dem Präparat Thick & Easy handele es sich weder um ein apothekenpflichtiges Arzneimittel, ein Medizinprodukt, eine Aminosäuremischung, ein Eiweißhydrolysat, eine Elementardiät noch um Sondennahrung, die als gesetzlich zugelassene Ausnahme in medizinisch notwendigen Fällen verordnungsfähig wäre. Es müsse daher leistungsrechtlich als Nahrungsergänzungsmittel bewertet werden. Da Nahrungsergänzungsmittel von der Versorgung ausgeschlossen seien, bestehe keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies gelte auch bei seltenen und schwerwiegenden Erkrankungen. Hier stellt der Gesetzgeber die Einnahme von nicht apothekenpflichtigen Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmitteln bislang bewusst in die persönliche Verantwortung des Erkrankten.
Hiergegen richtet sich die am 03.02.2012 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, dass es aufgrund der Kau- und Schluckstörungen zu Problemen bei der oralen Aufnahme von Flüssigkeit gekommen sei. Es sei zum Verschlucken bis hin zur Aspiration mit Erstickungsanfällen gekommen. Mit dem Andickungsmittel Thick & Easy könne eine kontrollierte Aufnahme von verdickter Flüssigkeit erreicht und eine Ernährung über eine Sonde vermieden werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten handele es sich um eine verordnungsfähige therapeutische Behandlungsmaßnahme. Zudem sei die Beklagte auch aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots gem § 12 SGB V zur Zahlung verpflichtet, da eine Sondenoperation und -ernährung um ein Vielfaches teurer sei. Außerdem sei der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit durch eine enterale Ernährung wesentlich schwerwiegender. Hinsichtlich handelsüblicher Dickungsmittel sei zu beachten, dass diese entweder nicht geschmacksneutral, sondern gesüßt seien, eine Andickung nicht mit allen Flüssigkeiten möglich, das Einrühren eher aufwändig und die Stabilität der erreichten Konsistenz unklar sei.
Das Gericht hat den behandelnden Hausarzt des Klägers schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dr. R. hat dabei mitgeteilt, dass das Mittel Thick & Easy geeignet sei, eine Verschlimmerung der Krankheit zu verhüten. Hierdurch würde eine völlige Schluckunfähigkeit und damit eine PEG-Sondenernährung verhindert. Die von der Beklagten genannten Alternativen seien nicht als Dauerlösung geeignet, da diese Produkte nicht geschmacksneutral seien und in Verbindung mit Speichel ihre Konsistenz verändern würden. Im Übrigen beinhalte das Produkt Thick & Easy keine unnötigen Zusatzstoffe mit ungewisser Auswirkung bei Dauergabe.
Mit Urteil vom 21.09.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Andickungsmittel Thick & Easy nicht um eine Arznei, sondern vielmehr um ein Lebensmittel handele. Als Lebensmittel sei es jedoch von der Versorgung sowohl nach dem SGB V als auch nach der Arzneimittelrichtlinie (AM-RL) ausgeschlossen. Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 26.09.2012 zugestellt.
Hiergegen richtet sich die am 24.10.2012 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingereichte Berufung. Zur Begründung wird vorgetragen, dass es sich bei dem Produkt Thick & Easy sowohl um ein Funktionsarzneimittel als auch um ein Präsentationsarzneimittel handele. Im Übrigen sei es zumindest apothekenpflichtig, wenn auch nicht verschreibungspflichtig. Welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel bzw Wirkstoffe zu Lasten der Beklagten verordnungsfähig seien, ergebe sich aus der Anlage 1 zur Arzneimittelrichtlinie und aus dem Verfassungsrecht. Bei der jeweiligen Auslegung sei auch die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention) zu beachten. Da der Gemeinsame Bundesausschuss bislang seiner Aktualisierungspflicht hinsichtlich der Arzneimittel für eine Dysphagie aufgrund einer Speiseröhrenanomalie nicht nachgekommen sei, verstoße er als Körperschaft öffentlichen Rechts gegen dessen Bindung an den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Aus dem Verfassungsrecht und der UN-Behindertenrechtskonvention ergebe sich daher eine Verordnungsfähigkeit. Selbst wenn es sich bei Thick & Easy um ein Lebensmittel handeln würde, bestünde der Anspruch des Klägers auf Versorgung mit Thick & Easy gemäß § 21 Abs 1 Satz 1 der Arzneimittelrichtlinie, da es sich um enterale Ernährungen handele. Im Übrigen sei die Gabe von anderen Produkten aufgrund der völlig anderen Eigenschaften von reiner Maisstärke zu der in Thick & Easy enthaltenen modifizierten Maisstärke nicht vergleichbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.09.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger mit dem begehrten Produkt zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Senat hat die Fresenius Kabi Deutschland GmbH als Hersteller des begehrten Produkts befragt. Diese hat in ihrem Schreiben vom 23.12.2013 mitgeteilt, dass es sich bei Thick & Easy nicht um ein Arzneimittel handele. Es unterliege den Vorschriften für Lebensmittel. Thick & Easy sei ein geschmacksneutrales Instant-Andickungspulver, das Speisen und Getränke eine homogene und glatte Konsistenz verleihe. Dies verhelfe Dysphagie-Patienten zu einem sicheren Essen und Trinken. Im Gegensatz zu Trink- und Sondennahrung könne es nicht allein ernähren, sondern verändere "nur" die Konsistenz anderer Nahrungsmittel, die der Ernährung dienten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG), hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs 1 SGG) und statthafte (§ 143 SGG) Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 13.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.01.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Erstattung der für den Kauf des Dickungsmittels Thick & Easy entstandenen Kosten noch einen Anspruch auf Versorgung für die Zukunft.
Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs 3 Alternative 2 SGB V). Der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistungen zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung, vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 mwN). So haben Versicherte nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung auch die Versorgung der Versicherten mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs 1 Satz 3 Nr 3 SGB V). Bei dem Dickungsmittel handelt es sich jedoch weder um ein Arzneimittel noch um ein Heilmittel. Es gehört auch nicht zu den Nahrungsmitteln, die ausnahmsweise als Teil der enteralen Ernährung von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sind. Darüber hinaus kann das Dickungsmittel auch nicht als Hilfsmittel angesehen werden.
Das Instant-Dickungsmittel ist kein von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung mit umfasstes Arzneimittel im Sinne des § 31 Abs 1 Satz 1 SGB V.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist notwendige, nicht hinreichende Bedingung für die Qualität als GKV-Arzneimittel (§ 31 Abs 1 Satz 1 SGB V), dass Arzneimitteleigenschaft iS des Arzneimittelgesetzes (Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG), neugefasst durch Bekanntmachung vom 12.12.2005, BGBl I 3394, zuletzt geändert durch Art 2a Gesetz vom 27.03.2014, BGBl I 261) besteht (BSG 03.07.2012, B 1 KR 23/11 R, juris – Gepan instill, BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 15 mwN - Lorenzos Öl). Nach § 2 Abs 1 Arzneimittelgesetz (AMG) sind Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaft zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind (Nr 1.) oder die in oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um entweder die physiologische Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wieder herzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu stellen (Nr 2.). Dieser weite Arzneimittelbegriff erfährt eine Eingrenzung in § 2 Abs 3 Nr 1 AMG, wonach Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) keine Arzneimittel sind. § 2 Abs 2 LFGB verweist auf den Lebensmittelbegriff des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr 178/2002(vom 28.01.2002, ABl EU L 31, 1, geändert durch VO vom 22.07.2003 ABl EU L 245, 4; sog Basis VO). Danach sind Lebensmittel alle Stoffe der Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder teilweise unverarbeitetem Zustand vom Menschen aufgenommen werden. Nicht zu den Lebensmitteln gehören Arzneimittel im Sinne der Richtlinien der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGRL) 65/65 (ABl EWG 1965 P 22, 369) und 92/73 (ABl EWG 1992 L 297, 8) des Rates. Diese Richtlinien wurden zwar mittlerweile durch Art. 128 Abs 1 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates EGRL 2001/83 (vom 06.11.2001, ABl EG L 311, 67) ausdrücklich aufgehoben. Nach Art. 128 Abs 2 EGRL 2001/83 gelten aber Bezugnahmen auf die aufgehobene Richtlinie als Bezugnahme auf die vorliegende Richtlinie (BSG 16.12.2008, B 1 KN 3/07 KrR). Artikel 2 Abs 2 EWGRL 2001/83 sichert dabei den Anwendungsvorrang des Arzneimittelrechts. Artikel 1 EGRL 2001/83 unterscheidet zwischen den sog Präsentationsarzneimitteln (Arzneimittel nach Bezeichnung) und den Funktionsarzneimitteln (Arzneimittel nach Funktionen); diese Unterscheidung liegt auch den Definitionen in § 2 Abs 1 AMG zugrunde (vgl BSG 16.12.2008 aaO). Durch die Neufassung des AMG hat sich in Bezug auf die Definition des Arzneimittelbegriffs keine Änderung ergeben, da die Bestimmung des § 2 AMG aF, die den nationalen Arzneimittelbegriff regelte, richtlinienkonform im Sinne des neu gefassten europarechtlichen Arzneimittelbegriffs auszulegen war (BGH 26.06.2008, I ZR 112/05, juris – HMB-Kapseln; vgl auch BSG 28.02.2008, B 1 KR 16/07 R, BSGE 100, 103 – Lorenzos Öl).
Nach Art 1 Nr 2 Buchst a) der Richtlinie 2001/83/EG, § 2 Abs 1 Nr 1 AMG sind Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind (sog Präsentationsarzneimittel). Ein Produkt erfüllt diese Voraussetzungen, wenn es entweder ausdrücklich als ein solches Mittel bezeichnet wird oder aber sonst bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass es in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse (EuGH 15.11.2007 C-319/05, Celex-Nr. 62005CJ0319 = juris). Zwar wird das Produkt Thick & Easy vom Hersteller selbst als Nahrungsmittel (Bestandteil einer enteralen Ernährung) bezeichnet, und ein verständiger Durchschnittsverbraucher wird im Allgemeinen nicht annehmen, dass ein als Nahrungsmittel angebotenes Produkt tatsächlich ein Arzneimittel sei. Trotz der Bezeichnung können aber andere Umstände hinzutreten, die ein Produkt gleichwohl als Arzneimittel erscheinen lassen, namentlich die Art der Bewerbung oder die preisende Nennung von (vermeintlich) arzneilich wirksamen Bestandteilen (BVerwG 26.05.2009, 3 C 5/09, NVwZ 2009, 1038). Solche Umstände sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Der Umstand, dass das Präparat in Apotheken verkauft wird, rechtfertigt nicht die Annahme, ein Verbraucher werde das Produkt nur deshalb als Arzneimittel betrachten. Neben Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten darf ein Apotheker auch apothekenübliche Waren iSv § 1a Abs 10 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) idF der Bekanntmachung vom 26.09.1995, BGBl. I S. 1195, zuletzt geändert durch Art 1a der Verordnung vom 19.02.2013, BGBl I S 312) anbieten (vgl hierzu BVerwG 19.09.2013, 3 C 15.12, BVerwGE 148, 28). Es ist offenkundig und bedarf deshalb keines weiteren Beweises, dass in nahezu jeder Apotheke auch Produkte angeboten werden, die keine Arzneimittel sind (vgl auch VGH Baden-Württemberg 23.02.2010, 13 S 2696/09, juris). Weder der Vertriebsweg noch die Art des Vertriebs sowie die Verpackung lassen eine Zuordnung des Dickungsmittels als Arzneimittel erkennen.
Das Produkt ist auch kein sog Funktionsarzneimittel iS des § 2 Abs 1 Nr 2 AMG. Anders als der Begriff des Arzneimittels nach der Bezeichnung (Präsentationsarzneimittel), dessen weite Auslegung die Verbraucher vor Erzeugnissen schützen soll, die nicht die Wirksamkeit besitzen, welche sie erwarten dürfen, soll der Begriff des Arzneimittels nach der Funktion diejenigen Erzeugnisse erfassen, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt wurden und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu bessern oder zu beeinflussen (EuGH aaO). Die Voraussetzungen eines sog Funktionsarzneimittels iS des § 2 Abs 1 Nr 2 AMG sind nicht erfüllt, weil die bestimmungsgemäße Hauptwirkung des Präparats weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus, sondern auf physikalischem Weg erreicht wird (vgl BGH 10.12.2009, I ZR 189/07, juris Golly Telly). Es handelt sich auch nicht um ein Produkt, das durch seine auf physikalischem Gebiet liegende primäre Wirkung eine auf pharmakologischem Gebiet liegende weitere Wirkung auslöst und diese weitere Wirkung die bestimmungsgemäße Hauptwirkung darstellt (vgl hierzu BGH 24.11.2010, I ZR 204/09, PharmR 2011, 299 = juris). Das Dickungsmittel Thick & Easy dient nicht primär der Krankenbehandlung im Sinne des § 2 Abs 1 AMG, sondern es steht umgekehrt der Gesichtspunkt im Vordergrund, dass den Betroffenen keine besondere Nahrung zur Verfügung gestellt werden muss, indem ihm die für jeden Menschen erforderliche Ernährung ermöglicht wird, zu der auch die Flüssigkeitsaufnahme gehört (BSG 05.07.2005, B 1 KR 12/03 R, juris). Da das Produkt kein Arzneimittel ist, kommen die vom BSG entwickelten Grundsätze für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV (vgl hierzu ua BSG 08.11.2011, B 1 KR 19/10 R, BSGE 109, 211) von vornherein nicht in Betracht. Auch bedarf es keiner Erörterung, ob und unter welchen Voraussetzungen nicht zugelassene Arzneimittel im Einzelfall zum Leistungsumfang der GKV gehören (vgl hierzu BSG 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170).
Das Dickungsmittel ist auch kein arzneimittelähnliches Medizinprodukt iS des § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V. Die Qualifizierung als Medizinprodukt scheitert bereits daran, dass die im Produkt enthaltenen Stoffe nicht wie in § 3 Nr 1 Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz (MPG) idF der Bekanntmachung vom 07.08.2002, BGBl I S. 3146, zuletzt geändert durch Art 4 Abs 62 Gesetz vom 07.08.2013, BGBl I S. 3154) vorgeschrieben vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktionen zum Zwecke a) der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten, b) der Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen, c) der Untersuchung, der Ersetzung oder der Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs oder d) der Empfängnisregelung zu dienen bestimmt sind. Im Übrigen ist das Produkt nicht in der Anlage V zum Abschnitt J der auf der Grundlage von § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V erlassenen Arzneimittel-Richtlinie - Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte – enthalten und daher in der GKV nicht verordnungsfähig.
Das Dickungs- oder Andickungsmittel ist – wie vom Hersteller bezeichnet – ein Nahrungsmittel. Es könnte somit allenfalls als Bestandteil einer bilanzierten Diät zur enteralen Ernährung unter den Voraussetzungen des § 31 Abs 5 SGB V zum Leistungsumfang der GKV gehören. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat gemäß § 31 Abs 5 Satz 2 SGB V in den §§ 18 ff AM-RL die Voraussetzungen festgelegt, unter denen bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung vom Vertragsarzt verordnet werden können. Danach ist das Dickungsmittel Thick & Easy nicht verordnungsfähig. Als Elementardiät oder Sondennahrung ist das Produkt nicht geeignet, weil es nicht allein ernähren kann (§ 19 Abs 3 und 4 AM-RL), sondern nur die Konsistenz anderer Nahrungsmittel, die der Ernährung dienen, verändert. Dies ergibt sich aus den Angaben des Herstellers gegenüber dem Senat. Der Kläger wird auch nicht enteral ernährt. Er kann sich - mit Unterstützung seiner ihn betreuenden Eltern – oral ernähren; so dass jedenfalls derzeit eine enterale Ernährung nicht notwendig ist. Eine enterale Ernährung ist nicht verordnet worden und wäre auch nicht verordnungsfähig. Enterale Ernährung ist bei fehlender oder eingeschränkter Fähigkeit zur ausreichenden normalen Ernährung verordnungsfähig, wenn eine Modifizierung der normalen Ernährung oder sonstige ärztliche, pflegerische oder ernährungstherapeutische Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation nicht ausreichen (§ 21 Abs 1 Satz 1 der AM-RL). Die nach § 31 Abs 5 SGB V gesetzlich nur eingeschränkte Öffnung des Leistungskatalogs der GKV für Nahrungsmittel beruht auf sachgerechten Gründen, ohne dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG zu widersprechen (BSG 08.11.2011, B 1 KR 20/10 R, BSGE 109, 218).
Das Dickungsmittel ist weder Heil- noch Hilfsmittel; hierzu kann auf die Ausführungen im Urteil des BSG vom 05.07.2005 (B 1 KR 12/03 mwN, juris) verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Versorgung des Klägers mit dem Andickungsmittel Thick & Easy streitig.
Der am 29.04.1993 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Der Kläger leidet an einer spastischen Tetraparese, einer neuromuskulären Skoliose sowie einer Speisröhrenmissbildung. Aufgrund der Behinderungen besteht eine massive Kau- und Schluckstörung.
Mit Datum vom 04.10.2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung vom 23.09.2011 die Versorgung mit dem Mittel Thick & Easy.
Die Beklagte veranlasste daraufhin die Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Dr. B. teilte in seinem Gutachten vom 06.10.2011 mit, dass nach den bisherigen Unterlagen und ohne nähere klinische Angaben zum Verlauf eine medizinische Notwendigkeit zum Andicken der Nahrung nicht erkannt werden könne. Darüber hinaus handele es sich bei dem begehrten Produkt um ein Lebensmittel. Es sei daher von der Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkasse ausgeschlossen. Die Ernährung - auch bei medizinisch sinnvollen speziellen Lebensmittelprodukten - sei Teil der Lebens- und Daseinsfürsorge. Neben handelsfertigen Andickungsmitteln gebe es im Übrigen die Möglichkeit der Andickung durch Stärkeprodukte wie zB Mondamin.
Mit Bescheid vom 13.10.2011 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für das Andickungspulver ab. Bei dem Instant-Andickungspulver handele es sich um ein Lebensmittel. Es sei weder apotheken- noch verschreibungspflichtig, sondern frei verkäuflich. Im Übrigen ließen die vorhandenen Unterlagen die medizinische Notwendigkeit zum Andicken der Nahrung nicht erkennen.
Hiergegen legte der Kläger am 15.11.2011 Widerspruch ein. Darüber hinaus wurde ein Attest des behandelnden Hausarztes zur Notwendigkeit der Versorgung des Klägers mit dem Andickungspulver Thick & Easy vorgelegt.
Die Beklagte legte daraufhin die Unterlagen erneut dem MDK zur sozialmedizinischen Begutachtung vor. Dr. A. kam in seinem Gutachten vom 01.12.2011 zu dem Ergebnis, dass es sich bei Thick & Easy um ein Nahrungsergänzungsmittel im leistungsrechtlichen Sinne handele. Dieses sei von der Versorgung ausgeschlossen. Darüber hinaus könne der Kläger auf stärkehaltige Lebensmittel wie Mondamin, Maizena oder das Produkt Dr. Oetker Gustin Fix Speisenanbinder ohne Kochen verwiesen werden. Auch wenn die Notwendigkeit einer Flüssigkeitsandickung zur Erleichterung des Schluckprozesses medizinisch unbestritten sei, dadurch ggfs die Notwendigkeit einer PEG-Anlage entfalle sowie die industriell gefertigten Dickungsmittel geschmacksneutral und vom Patienten ggfs besser toleriert würden, komme aus formaljuristischer Sicht eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht in Betracht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2012 lehnte die Beklagte daraufhin den Widerspruch des Klägers ab. Bei dem Präparat Thick & Easy handele es sich weder um ein apothekenpflichtiges Arzneimittel, ein Medizinprodukt, eine Aminosäuremischung, ein Eiweißhydrolysat, eine Elementardiät noch um Sondennahrung, die als gesetzlich zugelassene Ausnahme in medizinisch notwendigen Fällen verordnungsfähig wäre. Es müsse daher leistungsrechtlich als Nahrungsergänzungsmittel bewertet werden. Da Nahrungsergänzungsmittel von der Versorgung ausgeschlossen seien, bestehe keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies gelte auch bei seltenen und schwerwiegenden Erkrankungen. Hier stellt der Gesetzgeber die Einnahme von nicht apothekenpflichtigen Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmitteln bislang bewusst in die persönliche Verantwortung des Erkrankten.
Hiergegen richtet sich die am 03.02.2012 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, dass es aufgrund der Kau- und Schluckstörungen zu Problemen bei der oralen Aufnahme von Flüssigkeit gekommen sei. Es sei zum Verschlucken bis hin zur Aspiration mit Erstickungsanfällen gekommen. Mit dem Andickungsmittel Thick & Easy könne eine kontrollierte Aufnahme von verdickter Flüssigkeit erreicht und eine Ernährung über eine Sonde vermieden werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten handele es sich um eine verordnungsfähige therapeutische Behandlungsmaßnahme. Zudem sei die Beklagte auch aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots gem § 12 SGB V zur Zahlung verpflichtet, da eine Sondenoperation und -ernährung um ein Vielfaches teurer sei. Außerdem sei der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit durch eine enterale Ernährung wesentlich schwerwiegender. Hinsichtlich handelsüblicher Dickungsmittel sei zu beachten, dass diese entweder nicht geschmacksneutral, sondern gesüßt seien, eine Andickung nicht mit allen Flüssigkeiten möglich, das Einrühren eher aufwändig und die Stabilität der erreichten Konsistenz unklar sei.
Das Gericht hat den behandelnden Hausarzt des Klägers schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dr. R. hat dabei mitgeteilt, dass das Mittel Thick & Easy geeignet sei, eine Verschlimmerung der Krankheit zu verhüten. Hierdurch würde eine völlige Schluckunfähigkeit und damit eine PEG-Sondenernährung verhindert. Die von der Beklagten genannten Alternativen seien nicht als Dauerlösung geeignet, da diese Produkte nicht geschmacksneutral seien und in Verbindung mit Speichel ihre Konsistenz verändern würden. Im Übrigen beinhalte das Produkt Thick & Easy keine unnötigen Zusatzstoffe mit ungewisser Auswirkung bei Dauergabe.
Mit Urteil vom 21.09.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Andickungsmittel Thick & Easy nicht um eine Arznei, sondern vielmehr um ein Lebensmittel handele. Als Lebensmittel sei es jedoch von der Versorgung sowohl nach dem SGB V als auch nach der Arzneimittelrichtlinie (AM-RL) ausgeschlossen. Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 26.09.2012 zugestellt.
Hiergegen richtet sich die am 24.10.2012 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingereichte Berufung. Zur Begründung wird vorgetragen, dass es sich bei dem Produkt Thick & Easy sowohl um ein Funktionsarzneimittel als auch um ein Präsentationsarzneimittel handele. Im Übrigen sei es zumindest apothekenpflichtig, wenn auch nicht verschreibungspflichtig. Welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel bzw Wirkstoffe zu Lasten der Beklagten verordnungsfähig seien, ergebe sich aus der Anlage 1 zur Arzneimittelrichtlinie und aus dem Verfassungsrecht. Bei der jeweiligen Auslegung sei auch die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention) zu beachten. Da der Gemeinsame Bundesausschuss bislang seiner Aktualisierungspflicht hinsichtlich der Arzneimittel für eine Dysphagie aufgrund einer Speiseröhrenanomalie nicht nachgekommen sei, verstoße er als Körperschaft öffentlichen Rechts gegen dessen Bindung an den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Aus dem Verfassungsrecht und der UN-Behindertenrechtskonvention ergebe sich daher eine Verordnungsfähigkeit. Selbst wenn es sich bei Thick & Easy um ein Lebensmittel handeln würde, bestünde der Anspruch des Klägers auf Versorgung mit Thick & Easy gemäß § 21 Abs 1 Satz 1 der Arzneimittelrichtlinie, da es sich um enterale Ernährungen handele. Im Übrigen sei die Gabe von anderen Produkten aufgrund der völlig anderen Eigenschaften von reiner Maisstärke zu der in Thick & Easy enthaltenen modifizierten Maisstärke nicht vergleichbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.09.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger mit dem begehrten Produkt zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Senat hat die Fresenius Kabi Deutschland GmbH als Hersteller des begehrten Produkts befragt. Diese hat in ihrem Schreiben vom 23.12.2013 mitgeteilt, dass es sich bei Thick & Easy nicht um ein Arzneimittel handele. Es unterliege den Vorschriften für Lebensmittel. Thick & Easy sei ein geschmacksneutrales Instant-Andickungspulver, das Speisen und Getränke eine homogene und glatte Konsistenz verleihe. Dies verhelfe Dysphagie-Patienten zu einem sicheren Essen und Trinken. Im Gegensatz zu Trink- und Sondennahrung könne es nicht allein ernähren, sondern verändere "nur" die Konsistenz anderer Nahrungsmittel, die der Ernährung dienten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG), hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs 1 SGG) und statthafte (§ 143 SGG) Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 13.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.01.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Erstattung der für den Kauf des Dickungsmittels Thick & Easy entstandenen Kosten noch einen Anspruch auf Versorgung für die Zukunft.
Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs 3 Alternative 2 SGB V). Der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistungen zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung, vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 mwN). So haben Versicherte nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung auch die Versorgung der Versicherten mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs 1 Satz 3 Nr 3 SGB V). Bei dem Dickungsmittel handelt es sich jedoch weder um ein Arzneimittel noch um ein Heilmittel. Es gehört auch nicht zu den Nahrungsmitteln, die ausnahmsweise als Teil der enteralen Ernährung von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sind. Darüber hinaus kann das Dickungsmittel auch nicht als Hilfsmittel angesehen werden.
Das Instant-Dickungsmittel ist kein von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung mit umfasstes Arzneimittel im Sinne des § 31 Abs 1 Satz 1 SGB V.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist notwendige, nicht hinreichende Bedingung für die Qualität als GKV-Arzneimittel (§ 31 Abs 1 Satz 1 SGB V), dass Arzneimitteleigenschaft iS des Arzneimittelgesetzes (Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG), neugefasst durch Bekanntmachung vom 12.12.2005, BGBl I 3394, zuletzt geändert durch Art 2a Gesetz vom 27.03.2014, BGBl I 261) besteht (BSG 03.07.2012, B 1 KR 23/11 R, juris – Gepan instill, BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 15 mwN - Lorenzos Öl). Nach § 2 Abs 1 Arzneimittelgesetz (AMG) sind Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaft zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind (Nr 1.) oder die in oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um entweder die physiologische Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wieder herzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu stellen (Nr 2.). Dieser weite Arzneimittelbegriff erfährt eine Eingrenzung in § 2 Abs 3 Nr 1 AMG, wonach Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) keine Arzneimittel sind. § 2 Abs 2 LFGB verweist auf den Lebensmittelbegriff des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr 178/2002(vom 28.01.2002, ABl EU L 31, 1, geändert durch VO vom 22.07.2003 ABl EU L 245, 4; sog Basis VO). Danach sind Lebensmittel alle Stoffe der Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder teilweise unverarbeitetem Zustand vom Menschen aufgenommen werden. Nicht zu den Lebensmitteln gehören Arzneimittel im Sinne der Richtlinien der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGRL) 65/65 (ABl EWG 1965 P 22, 369) und 92/73 (ABl EWG 1992 L 297, 8) des Rates. Diese Richtlinien wurden zwar mittlerweile durch Art. 128 Abs 1 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates EGRL 2001/83 (vom 06.11.2001, ABl EG L 311, 67) ausdrücklich aufgehoben. Nach Art. 128 Abs 2 EGRL 2001/83 gelten aber Bezugnahmen auf die aufgehobene Richtlinie als Bezugnahme auf die vorliegende Richtlinie (BSG 16.12.2008, B 1 KN 3/07 KrR). Artikel 2 Abs 2 EWGRL 2001/83 sichert dabei den Anwendungsvorrang des Arzneimittelrechts. Artikel 1 EGRL 2001/83 unterscheidet zwischen den sog Präsentationsarzneimitteln (Arzneimittel nach Bezeichnung) und den Funktionsarzneimitteln (Arzneimittel nach Funktionen); diese Unterscheidung liegt auch den Definitionen in § 2 Abs 1 AMG zugrunde (vgl BSG 16.12.2008 aaO). Durch die Neufassung des AMG hat sich in Bezug auf die Definition des Arzneimittelbegriffs keine Änderung ergeben, da die Bestimmung des § 2 AMG aF, die den nationalen Arzneimittelbegriff regelte, richtlinienkonform im Sinne des neu gefassten europarechtlichen Arzneimittelbegriffs auszulegen war (BGH 26.06.2008, I ZR 112/05, juris – HMB-Kapseln; vgl auch BSG 28.02.2008, B 1 KR 16/07 R, BSGE 100, 103 – Lorenzos Öl).
Nach Art 1 Nr 2 Buchst a) der Richtlinie 2001/83/EG, § 2 Abs 1 Nr 1 AMG sind Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind (sog Präsentationsarzneimittel). Ein Produkt erfüllt diese Voraussetzungen, wenn es entweder ausdrücklich als ein solches Mittel bezeichnet wird oder aber sonst bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass es in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse (EuGH 15.11.2007 C-319/05, Celex-Nr. 62005CJ0319 = juris). Zwar wird das Produkt Thick & Easy vom Hersteller selbst als Nahrungsmittel (Bestandteil einer enteralen Ernährung) bezeichnet, und ein verständiger Durchschnittsverbraucher wird im Allgemeinen nicht annehmen, dass ein als Nahrungsmittel angebotenes Produkt tatsächlich ein Arzneimittel sei. Trotz der Bezeichnung können aber andere Umstände hinzutreten, die ein Produkt gleichwohl als Arzneimittel erscheinen lassen, namentlich die Art der Bewerbung oder die preisende Nennung von (vermeintlich) arzneilich wirksamen Bestandteilen (BVerwG 26.05.2009, 3 C 5/09, NVwZ 2009, 1038). Solche Umstände sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Der Umstand, dass das Präparat in Apotheken verkauft wird, rechtfertigt nicht die Annahme, ein Verbraucher werde das Produkt nur deshalb als Arzneimittel betrachten. Neben Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten darf ein Apotheker auch apothekenübliche Waren iSv § 1a Abs 10 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) idF der Bekanntmachung vom 26.09.1995, BGBl. I S. 1195, zuletzt geändert durch Art 1a der Verordnung vom 19.02.2013, BGBl I S 312) anbieten (vgl hierzu BVerwG 19.09.2013, 3 C 15.12, BVerwGE 148, 28). Es ist offenkundig und bedarf deshalb keines weiteren Beweises, dass in nahezu jeder Apotheke auch Produkte angeboten werden, die keine Arzneimittel sind (vgl auch VGH Baden-Württemberg 23.02.2010, 13 S 2696/09, juris). Weder der Vertriebsweg noch die Art des Vertriebs sowie die Verpackung lassen eine Zuordnung des Dickungsmittels als Arzneimittel erkennen.
Das Produkt ist auch kein sog Funktionsarzneimittel iS des § 2 Abs 1 Nr 2 AMG. Anders als der Begriff des Arzneimittels nach der Bezeichnung (Präsentationsarzneimittel), dessen weite Auslegung die Verbraucher vor Erzeugnissen schützen soll, die nicht die Wirksamkeit besitzen, welche sie erwarten dürfen, soll der Begriff des Arzneimittels nach der Funktion diejenigen Erzeugnisse erfassen, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt wurden und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu bessern oder zu beeinflussen (EuGH aaO). Die Voraussetzungen eines sog Funktionsarzneimittels iS des § 2 Abs 1 Nr 2 AMG sind nicht erfüllt, weil die bestimmungsgemäße Hauptwirkung des Präparats weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus, sondern auf physikalischem Weg erreicht wird (vgl BGH 10.12.2009, I ZR 189/07, juris Golly Telly). Es handelt sich auch nicht um ein Produkt, das durch seine auf physikalischem Gebiet liegende primäre Wirkung eine auf pharmakologischem Gebiet liegende weitere Wirkung auslöst und diese weitere Wirkung die bestimmungsgemäße Hauptwirkung darstellt (vgl hierzu BGH 24.11.2010, I ZR 204/09, PharmR 2011, 299 = juris). Das Dickungsmittel Thick & Easy dient nicht primär der Krankenbehandlung im Sinne des § 2 Abs 1 AMG, sondern es steht umgekehrt der Gesichtspunkt im Vordergrund, dass den Betroffenen keine besondere Nahrung zur Verfügung gestellt werden muss, indem ihm die für jeden Menschen erforderliche Ernährung ermöglicht wird, zu der auch die Flüssigkeitsaufnahme gehört (BSG 05.07.2005, B 1 KR 12/03 R, juris). Da das Produkt kein Arzneimittel ist, kommen die vom BSG entwickelten Grundsätze für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV (vgl hierzu ua BSG 08.11.2011, B 1 KR 19/10 R, BSGE 109, 211) von vornherein nicht in Betracht. Auch bedarf es keiner Erörterung, ob und unter welchen Voraussetzungen nicht zugelassene Arzneimittel im Einzelfall zum Leistungsumfang der GKV gehören (vgl hierzu BSG 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170).
Das Dickungsmittel ist auch kein arzneimittelähnliches Medizinprodukt iS des § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V. Die Qualifizierung als Medizinprodukt scheitert bereits daran, dass die im Produkt enthaltenen Stoffe nicht wie in § 3 Nr 1 Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz (MPG) idF der Bekanntmachung vom 07.08.2002, BGBl I S. 3146, zuletzt geändert durch Art 4 Abs 62 Gesetz vom 07.08.2013, BGBl I S. 3154) vorgeschrieben vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktionen zum Zwecke a) der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten, b) der Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen, c) der Untersuchung, der Ersetzung oder der Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs oder d) der Empfängnisregelung zu dienen bestimmt sind. Im Übrigen ist das Produkt nicht in der Anlage V zum Abschnitt J der auf der Grundlage von § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V erlassenen Arzneimittel-Richtlinie - Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte – enthalten und daher in der GKV nicht verordnungsfähig.
Das Dickungs- oder Andickungsmittel ist – wie vom Hersteller bezeichnet – ein Nahrungsmittel. Es könnte somit allenfalls als Bestandteil einer bilanzierten Diät zur enteralen Ernährung unter den Voraussetzungen des § 31 Abs 5 SGB V zum Leistungsumfang der GKV gehören. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat gemäß § 31 Abs 5 Satz 2 SGB V in den §§ 18 ff AM-RL die Voraussetzungen festgelegt, unter denen bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung vom Vertragsarzt verordnet werden können. Danach ist das Dickungsmittel Thick & Easy nicht verordnungsfähig. Als Elementardiät oder Sondennahrung ist das Produkt nicht geeignet, weil es nicht allein ernähren kann (§ 19 Abs 3 und 4 AM-RL), sondern nur die Konsistenz anderer Nahrungsmittel, die der Ernährung dienen, verändert. Dies ergibt sich aus den Angaben des Herstellers gegenüber dem Senat. Der Kläger wird auch nicht enteral ernährt. Er kann sich - mit Unterstützung seiner ihn betreuenden Eltern – oral ernähren; so dass jedenfalls derzeit eine enterale Ernährung nicht notwendig ist. Eine enterale Ernährung ist nicht verordnet worden und wäre auch nicht verordnungsfähig. Enterale Ernährung ist bei fehlender oder eingeschränkter Fähigkeit zur ausreichenden normalen Ernährung verordnungsfähig, wenn eine Modifizierung der normalen Ernährung oder sonstige ärztliche, pflegerische oder ernährungstherapeutische Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation nicht ausreichen (§ 21 Abs 1 Satz 1 der AM-RL). Die nach § 31 Abs 5 SGB V gesetzlich nur eingeschränkte Öffnung des Leistungskatalogs der GKV für Nahrungsmittel beruht auf sachgerechten Gründen, ohne dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG zu widersprechen (BSG 08.11.2011, B 1 KR 20/10 R, BSGE 109, 218).
Das Dickungsmittel ist weder Heil- noch Hilfsmittel; hierzu kann auf die Ausführungen im Urteil des BSG vom 05.07.2005 (B 1 KR 12/03 mwN, juris) verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
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