L 10 R 4903/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 1379/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4903/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 24.09.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Der am 1962 geborene Kläger absolvierte in der früheren S. von 1977 bis 1980 eine Ausbildung als Walzwerker, die in der Bundesrepublik als Ausbildung zum Verfahrensmechaniker anerkannt wurde (Bl. 10 VA). Zuletzt arbeitete er als Kraftfahrer und Kommissionierer, seit 10.01.2011 ist er arbeitsunfähig erkrankt und derzeit arbeitslos. Am 26.10.2011 beantragte er wegen massiver Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte zog den Reha-Entlassungsbericht der B. -Klinik Bad K. bei (stationärer Aufenthalt im September/Oktober 2011), in dem für den Kläger weiterhin leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden arbeitstäglich für zumutbar erachtet wurden (M 6 der VA). Außerdem veranlasste die Beklagte eine Begutachtung bei der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H. , die in Übereinstimmung mit dem Reha-Entlassungsbericht als Hauptdiagnosen eine abgelaufene äthyltoxische Pankreatitis mit gangränöser Cholezystitis und Cholezystektomie, eine Nekrosektomie des Pankreas (protrahierter Verlauf), eine Gonarthrose links nach Tibiakopffraktur 2008 bei bestehender Wegefähigkeit und weitgehend freier Beweglichkeit, eine Arthrose des oberen Sprunggelenks rechts nach Calcaneusfraktur 2008 bei einem residualen Hinken rechts und bestehender Wegefähigkeit, eine initiale Handgelenks- und Polyarthrose bei guter Beweglichkeit, eine dysthyme Stimmungslage (unter medikamentöser Therapie weitgehend kompensiert), einen Nikotinabusus sowie degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule bei vorbeschriebenem diskretem medianem Bandscheibenvorfall L 4/5 (derzeit beschwerdefrei) diagnostizierte (M 7 der VA, S. 13 des Gutachtens). Die Gutachterin hielt trotz dieser Gesundheitsstörungen noch leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, ohne zusätzliche Gefährdung durch Hitze, Kälte, Nässe, und ohne Zugang zu Suchtstoffen weiterhin mindestens sechsstündig für zumutbar. Die letzte Tätigkeit als Kraftfahrer und Kommissionierer sei allerdings nicht mehr leidensgerecht.

Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte die beantragte Rente mit Bescheid vom 27.12.2011 (Bl. 27 VA) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2012 (Bl. 30 VA) ab.

In seiner am 25.04.2012 beim Sozialgericht Ulm hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger darauf hingewiesen, dass bestehende Gesundheitsstörungen unzureichend bzw. gänzlich unberücksichtigt geblieben seien. Der Internist Dr. M. (Bl. 17 ff. SG-Akte) sowie die Orthopäden Dr. H. (Bl. 23 ff. SG-Akte) und Dr. O. (Bl. 65 f. SG-Akte) haben in ihren gegenüber dem Sozialgericht erteilten sachverständigen Zeugenauskünften weiterhin leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden arbeitstäglich für zumutbar erachtet. Demgegenüber hat die Fachärztin für Neurologie Dr. A. (Bl. 27 f. SG-Akte) die Erwerbsfähigkeit des Klägers auch als zeitlich eingeschränkt eingeschätzt, die Psychotherapeutin Dipl.-Psych. T. (Bl. 20 ff. SG-Akte) hat sich nicht vorstellen können, dass der Kläger sechs Stunden täglich berufstätig sein könne.

Vor diesem Hintergrund hat das Sozialgericht eine Begutachtung des Klägers durch die Neurologin und Psychiaterin Dr. A. veranlasst (Bl. 37 ff. SG-Akte). Die Sachverständige hat im Rahmen ihrer Untersuchung am 30.11.2012 eine Dysthymie mit Somatisierung sowie eine leichte Polyneuropathie diagnostiziert (Bl. 45 SG-Akte). Dennoch sei der Kläger nach ihrer Einschätzung noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zu verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit besonderer Anforderung an die nervliche Belastbarkeit sowie Nachtarbeit, ferner Tätigkeiten mit besonderer Anforderung an den Gleichgewichtssinn und Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten (Bl. 47 SG-Akte).

Das Sozialgericht Ulm hat die Klage mit Urteil vom 24.09.2013 abgewiesen und sich hierbei insbesondere auf die Gutachten der Dr. A. und Dr. H. sowie die sachverständigen Zeugenauskünfte der Orthopäden Dr. H. und Dr. O. und des Internisten Dr. M. gestützt.

Der Kläger hat gegen das ihm am 30.10.2013 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Ulm am 15.11.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er hat darauf verwiesen, dass auch der Hausarzt Dr. Krach sein Rentenbegehren unterstütze, sein Leistungsvermögen gemäß der Einschätzung des Internisten und Gastroenterologen Dr. M. eingeschränkt und der Rechtsstreit nicht ausermittelt sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 24.09.2013 und den Bescheid vom 27.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.10.2011 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat weitere sachverständige Zeugenauskünfte bei der Psychotherapeutin Dipl.-Psych. T. , dem Internisten Dr. M. und der Fachärztin für Neurologie Dr. A. eingeholt. Während die Dipl.-Psych. T. diesmal keine Aussagen zur aktuellen Erwerbsfähigkeit des Klägers gemacht hat (Bl. 25 ff. LSG-Akte), ist Dr. A. auf Grund einer schweren Depression mit optischen Halluzinationen von einer unter dreistündigen Leistungsfähigkeit des Klägers ausgegangen (Bl. 31 ff. LSG-Akte). Der Internist Dr. M. hat erneut leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden für zumutbar erachtet (Bl. 28 ff. LSG-Akte).

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das Sozialgericht Ulm hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils vom 24.09.2013 zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente dargelegt (§§ 43, 240 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI) und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil er zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch mindestens sechsstündig ausüben kann, über die erforderliche Wegefähigkeit verfügt und - schon in Anbetracht seines Geburtsdatums - auch keinen besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat sieht deshalb insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Auch der Senat ist - wie bereits vorher das Sozialgericht Ulm und die Beklagte - nicht davon überzeugt, dass der Kläger voll oder teilweise erwerbsgemindert ist. Denn dem Kläger sind weiterhin leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, ohne zusätzliche Gefährdung durch Hitze, Kälte und Nässe sowie ohne Zugang zu Suchtstoffen mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zuzumuten. Insbesondere aus nervenärztlicher Sicht zu vermeiden sind Tätigkeiten mit besonderer Anforderung an die nervliche Belastbarkeit sowie Nachtarbeit, ferner Tätigkeiten mit besonderer Anforderung an den Gleichgewichtssinn und Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten.

Die sich auf die Leistungsfähigkeit des Klägers auswirkenden Funktionsbeeinträchtigungen liegen auf orthopädischem, internistischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet.

Auf orthopädischem Fachgebiet leidet der Kläger - entsprechend der Feststellungen der behandelnden Orthopäden Dr. H. und Dr. O. sowie der Gutachterin Dr. H. - an funktionellen Einschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule, beider Schulter- und Kniegelenke, des rechten Fußes sowie der Hand- und Fingergelenke. Diese Beeinträchtigungen sind jedoch nicht schwerergradig und führen nach Überzeugung des Senats nicht zu einer rentenrechtlich relevanten Erwerbsminderung des Klägers. Auch hierfür stützt sich der Senat auf die sachverständigen Zeugenauskünfte der behandelnden Orthopäden Dr. H. und Dr. O. sowie der Gutachterin Dr. H ... Den vorliegenden orthopädischen Beeinträchtigungen wird durch eine Zumutbarkeit lediglich noch leichter Tätigkeiten Rechnung getragen, die zudem überwiegend im Sitzen auszuführen sind. Tätigkeiten mit besonderer Anforderung an den Gleichgewichtssinn und Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten sind nicht mehr möglich und daher zu vermeiden. Soweit die behandelnden Ärzte auf eine eingeschränkte Wegefähigkeit des Klägers hingewiesen haben, hat Dr. O. - mit Blick auf die zwischen 2009 und 2013 gleichgebliebenen Beeinträchtigungen im Bereich der rechten Sprunggelenke (Bl. 65 SG-Akte) - auf die Abhilfe bzw. Linderung durch die Möglichkeit einer speziellen Schuhzurichtung verwiesen (Bl. 66 SG-Akte). Rentenrechtliche Relevanz hat die vorliegende Einschränkung des klägerischen Gehvermögens nach Überzeugung des Senats zudem auch deshalb nicht, da der Kläger bei Dr. H. angegeben hat, mehrmals täglich eine Wegstrecke von über 500 Metern zurückzulegen sowie einen PKW-Führerschein und PKW zu besitzen (M 7 der VA, S. 14 des Gutachtens). Dies deckt sich mit den Angaben des Klägers gegenüber der Sachverständigen Dr. Altrichter, wonach er eine Stunde spazieren gehen könne (Bl. 39 SG-Akte), wenn auch - so die Behauptung des Klägers in der Berufungsbegründung - mit Pausen. Soweit der Kläger vorgetragen hat, es sei mittlerweile so, dass er derartige Spaziergänge nicht mehr mache und sein Auto auch nicht mehr nutzen könne (Bl. 19 f. LSG-Akte), hat sich eine darin zum Ausdruck gebrachte Verschlechterung seines Gesundheitszustandes in der jüngsten orthopädischen sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. O. nicht bestätigt (Bl. 65 SG-Akte). Auf weitergehende orthopädische Behandlungen hat der Kläger in der Berufungsbegründung nicht hingewiesen.

Auch die Funktionsbeeinträchtigungen auf internistischem Fachgebiet begründen keine Erwerbsminderung. Davon ist der Senat in Auswertung der sachverständigen Zeugenauskünfte des behandelnden Internisten Dr. M. überzeugt. Zwar ist der Kläger insbesondere in Folge der exokrinen Pankreasinsuffizienz wegen möglicher häufiger und durchfallartiger Stuhlentleerungen beeinträchtigt (Bl. 17 SG-Akte), allerdings sind damit in Übereinstimmung mit Dr. M. (Bl. 17 f. SG-Akte) lediglich qualitative und nicht quantitative Leistungseinschränkungen verbunden (Bl. 17 SG-Akte, Bl. 28 LSG-Akte). Weitere Ermittlungen auf internistischem Fachgebiet sind angesichts dessen - entgegen dem klägerischen Vortrag (Bl. 18 LSG-Akte) - nicht angezeigt.

Schließlich ist nach Überzeugung des Senats und mit Blick auf die Ausführungen und Einschätzungen der Sachverständigen Dr. A. auch auf nervenärztlichem Fachgebiet - zeitlich betrachtet - keine Erwerbsminderung eingetreten. Danach besteht beim Kläger eine Dysthymie mit Somatisierung (Bl. 45 SG-Akte). Auf die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts und die dortige Auseinandersetzung mit den - von der Leistungseinschätzung der Sachverständigen - abweichenden sachverständigen Zeugenauskünften der behandelnden Dr. A. und der Dipl.-Psych. T. wird verwiesen.

Soweit der Senat darüber hinaus weitere sachverständige Zeugenauskünfte bei der Psychotherapeutin T. sowie der Fachärztin für Neurologie Dr. A. eingeholt hat, können diese Auskünfte keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Vergleich zur Begutachtung durch Dr. A. belegen. Denn die sachverständigen Zeugen haben ihre Behandlung kurz vor (Dr. Arnold, Bl. 31 LSG-Akte) bzw. kurz nach (Dipl.-Psych. T. , Bl. 25 LSG-Akte) der Begutachtung durch Dr. A. beendet. Darauf weist zu Recht OMR Fischer in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme für die Beklagte hin (Bl. 38 LSG-Akte). Vor diesem Hintergrund ist weder der Nachweis für ein schwer ausgeprägtes depressives Beschwerdebild noch für eine relevante Angststörung geführt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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