L 18 AS 272/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 28 AS 2415/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 272/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Dezember 2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Bewilligung einer höheren Kostenerstattung für Pendelfahrten zu seinen Einsatzorten im Zeitraum vom 1. Februar 2013 bis 31. Mai 2013 aus dem Vermittlungsbudget des Beklagten zusteht.

Der Kläger stand zusammen mit seiner Bedarfsgemeinschaft im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Zum 1. Februar 2013 nahm der Kläger eine abhängige Vollzeitbeschäftigung bei M B (B Service) in B auf (Anstellungsvertrag vom 25. Januar 2013). Für diese Tätigkeit beantragte der Kläger am 28. Januar 2013 ua die Übernahme der Fahrtkosten für die hierdurch entstehenden Pendelfahrten. Hierbei gab er an, dass die mit einem Auto zu fahrenden Kilometer zur Arbeitsstelle 74 Kilometer (km) betragen und er an fünf Tagen in der Arbeitswoche arbeiten würde.

Mit Bescheid vom 31. Januar 2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger neben einem als Zuschuss bewilligten KfZ im Wert von 2000,- EUR für den Zeitraum vom 1. Februar 2013 bis 31. Juli 2013 aus dem Vermittlungsbudget gemäß § 16 SGB II iVm § 44 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) die Übernahme von Fahrtkosten iHv monatlich 260,- EUR für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis 31. Juli 2013 (insgesamt 1.560,- EUR). Hierbei handele es sich um den maximalen Förderungsbetrag. Seit Anfang April 2013 war der Kläger krankgeschrieben. Seit dem 16. Mai 2013 bestand ein Krankengeldanspruch. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete durch Kündigung des Arbeitgebers, welche in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vor dem Arbeitsgericht Berlin (- 25 Ca 5364/13 -) bestätigt wurde, zum 31. Mai 2013.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 2013 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück, nachdem er mit Bescheid vom 9. Juli 2013 den Bewilligungsbescheid vom 31. Januar 2013 mWv 1. Juni 2013 wegen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aufgehoben hatte. Zur Begründung führte er aus, dass die dem Kläger bewilligten Leistungen der maximalen Förderhöhe gemäß den ermessenslenkenden Richtlinien des Beklagten entspreche. Hiernach könnten 0,20 EUR je gefahrenen Kilometer bewilligt werden, jedoch nur maximal ein Betrag von 260,- EUR im Monat.

Das Sozialgericht (SG) Frankfurt (Oder) hat die auf die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung weiterer Leistungen für Fahrtkosten iHv 302,40 EUR monatlich für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis 31. Mai 2013 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11. Dezember 2013). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme höherer Zuschussleistungen als monatlich 260,- EUR zu seinen Fahrtkosten im streitigen Zeitraum. Als Anspruchsgrundlage komme nur § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II iVm § 44 SGB III in Betracht, wo die Möglichkeit zur Förderung von Empfängern von Leistungen nach dem SGB II zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung geregelt sei; die Regelung sei ab dem 1. April 2012 an die Stelle der Vorgängerregelungen zu den Mobilitätshilfen getreten. Gemäß § 44 SGB III, der gemäß der Rechtsgrundverweisung des § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auch für den Kläger als Empfänger von Leistungen nach dem SGB II entsprechend zur Anwendung komme, könnten Arbeitslose aus dem Vermittlungsbudget des Beklagten bei der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gefördert werden, wenn dies für die berufliche Eingliederung notwendig sei. Die Förderung umfasse hierbei gemäß § 44 Abs. 1 Satz 3 SGB III die Übernahme der angemessenen Kosten, soweit der Arbeitgeber nicht gleichartige Leistungen erbringe oder erbringen werde. Gemäß § 44 Abs. 3 Satz 1 SGB III entscheide der Beklagte über den Umfang der zu erbringenden Leistungen aus dem Vermittlungsbudget. Gemäß § 44 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB III könne er dabei Pauschalen festlegen. Die Förderung von Leistungen aus dem Vermittlungsbudget dürfe gemäß § 44 Abs. 3 Satz 2 SGB III die anderen Leistungen aus diesem Buch weder aufstocken noch ersetzen oder umgehen.

Aus den vorgenannten Regelungen ergebe sich, dass es sich um eine Ermessensleistung des Beklagten handele, wobei sich das Ermessen sowohl auf das "Ob" der Gewährung einer Förderung eines Arbeitslosen wie auch auf das "Wie" der Förderung des Arbeitslosen erstrecke. Eine wie vorliegend erfolgte Teilförderung des Arbeitsuchenden komme im Rahmen des Auswahlermessens bezüglich des "Wie" der Förderung insbesondere dann in Betracht, wenn der Beklagte die Leistung - hier die Erstattung von Fahrtkosten für Pendelfahrten - in zulässiger Weise gemäß § 44 Abs. 3 Satz 1 SGB III durch die Stellung eines Höchstbetrages von 260,- EUR monatlich bei der sonstigen Gewährung von 0,20 EUR je gefahrenem km pauschaliert habe. Sowohl die Pauschalierung der Übernahme der Fahrtkosten auf 0,20 EUR je km als auch eine ermessenslenkende Obergrenze von 260,- EUR und eine Maximallaufzeit von sechs Monaten für die Begrenzung der Fahrtkostenübernahme für Pendelfahrten im Zuständigkeitsbereich des Beklagten seien im Ermessenswege nicht zu beanstanden. Eine pauschale Höchstbetragsgrenze für die Übernahme einer bestimmten Art von Kosten - hier Fahrtkosten - sei zulässig, wenn hierdurch dem Zweck des Gesetzes genügt werde, dh in Anlehnung an § 44 Abs. 3 Satz 1 SGB III sichergestellt sei, dass Vermittlungshemmnisse abgebaut und die Aufnahme oder Fortführung eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses ermöglich würden. Zweck der Gewährung einer Leistung des Beklagten aus dem Vermittlungsbudget sei die Vermittlung von Leistungsempfängern nach dem SGB II in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, dh in Beschäftigungsverhältnisse mit einem monatlichen Verdienst von mindestens 450,01 EUR, der im Regelfall - und nur darauf könne es bei einer pauschalen Regelung ankommen - im Folgemonat gezahlt werde. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Erstattung von 0,20 EUR je gefahrenem km, dh des doppelten Betrags der im SGB II-Bereich anerkannten Werbungskosten nach § 3 Abs. 7 Satz 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-VO) und § 6 Abs. 1 Nr. 3 b AlgII-VO, sehr großzügig bemessen sei und im Regelfall klar über den tatsächlichen Verbrauchskosten für die zu fahrenden km liege. Lege man einen durchschnittlichen Wert von 19 Arbeitstagen im Monat sowie in Anlehnung an die SGB II-Regelungen zu der Anerkennung von Fahrtkosten als Werbungskosten 0,10 EUR je gefahrenem bzw 0,20 EUR je Entfernungskilometer zu Grunde, so stelle der Beklagte mit dem monatlichen Maximalbetrag der Förderung durch die Übernahme der Fahrtkosten vor Beginn der Tätigkeit von 260,- EUR eine Freistellung des Leistungsempfängers/ Arbeitnehmers für Fahrtkosten für einen Arbeitsweg von zwei mal 68,42 km (Hin- und Rückstrecke) arbeitstäglich zur Verfügung. Dieses für sich gesehen könne im Regelfall noch nicht völlig kostendeckend sein, da nach den lokalen Begebenheiten des Zuständigkeitsbereiches des Beklagten ein Tagespendeln oftmals wie auch in diesem Fall vom Randbereich der Zuständigkeit des Beklagten nach Berlin stattfinde. Der Kläger habe nach eigenen Angaben arbeitstäglich einen Weg von 74 km bis zu seiner Arbeitsstätte zurückzulegen gehabt. Auf die Fahrten zu anderen Einsatzorten komme es nicht an, da Fahrten vom Arbeitsplatz zu ständig wechselnden Einsatzorten grundsätzlich nicht durch den Beklagten, sondern in entsprechender Anwendung der Norm des § 670 Bürgerliches Gesetzbuch vom Arbeitgeber zu erstatten seien (Bezugnahme auf Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 3. Januar 2008 - L 3 AL 6/07 - juris). Weiter sei bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Übernahmeobergrenze für die Pendelfahrten zu berücksichtigen, dass die (wenigen) durch den Maximalbetrag der Förderung aus dem Vermittlungsbudget für Fahrten vom strukturschwachen Randbereich des Landkreises Märkisch-Oderland in die Stadt Berlin verbleibenden Kosten für Pkw-Fahrten bei Alg II-Empfängern nicht völlig unberücksichtigt blieben. Diese könnten nämlich gemäß § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB II iVm § 6 Abs. 1 Nr. 3 Alg II-VO berücksichtigt werden, was dazu führe, dass sich diese Leistungen durch die aus dem Lohn zu deckenden Fahrtkosten nicht verringern und somit grundsätzlich auch kein Vermittlungshindernis darstellten. Dass der Leistungsempfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem zweiten Monat seiner sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit, in dem er im Regelfall spätestens sein erstes Entgelt erhalte, einen geringen Teil seiner tatsächlichen Fahrtkosten aus seinem Entgelt begleichen müsse, entspreche den Lebensumständen der übrigen arbeitenden Bevölkerung und spreche nicht gegen eine nur teilweise Übernahme der tatsächlich durch die Fahrtkosten entstehenden Kosten und eine Deckelung dieser Übernahme durch die Bestimmung einer Höchstgrenze.

Die ermessenslenkende Obergrenze des Beklagten für die Übernahme von Fahrtkosten im Rahmen der Förderung aus dem Vermittlungsbudget stelle damit eine zulässige Pauschalierung iSv § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II iVm § 44 Abs. 3 Satz 1 SGB III dar.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter; auf den Schriftsatz vom 28. Januar 2014 wird Bezug genommen. Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Dezember 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 31. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2013 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 1. Februar 2013 bis 31. Mai 2013 monatlich weitere 302,40 EUR für Fahrtkosten zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Gerichtsakte und Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich erhobene und statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf Gewährung von weiteren Leistungen für Pendelfahrten von und zur Arbeitsstelle in der Zeit vom 1. Februar 2013 bis 31. Mai 2013 iHv monatlich 302,40 EUR weiter verfolgt, ist nicht begründet.

Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der hier anwendbaren und seit 1. April 2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 (BGBl I S 2854) erbringt die Agentur für Arbeit Leistungen nach § 35 SGB III. Sie kann ferner ua (§ 16 Abs. 1 Satz 2 Nr 2) Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach dem Zweiten Abschnitt des SGB II erbringen. Übt ein Leistungsträger - wie hier der Beklagte - sein in § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II eingeräumtes Ermessen dergestalt aus, dass er eine der dort benannten Leistungen erbringt, ist er nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II hinsichtlich der Voraussetzungen und Rechtsfolgen jedoch grundsätzlich an die Regelungen des SGB III gebunden. Ein Ermessen im Hinblick auf die Leistungshöhe steht dem Leistungsträger mithin nur dann zu, wenn auch das SGB III ein solches vorsieht (vgl BSG, Urteil vom 6. April 2011 - B 4 AS 117/10 R = SozR 4-4200 § 16 Nr 6 mwN). Dies ist hier der Fall. Denn Leistungen aus dem Vermittlungsbudget nach § 44 SGB III in der ab 1. April 2012 geltenden Fassung (zuvor inhaltsgleich in § 45 SGB III) stehen hinsichtlich des "Ob" und des "Wie" im Ermessen des Trägers (vgl § 44 Abs. 3 SGB III). Dabei können - wie vorliegend - auch Pauschalen festgelegt werden (§ 44 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB III).

Der Beklagte hat entsprechend seiner ermessenslenkenden Weisungen das ihm nach § 16 Abs 1 Satz 2 SGB II eingeräumte Ermessen dahingehend ausgeübt, dass er dem Kläger eine Fahrtkostenbeihilfepauschale iHv 260,- EUR monatlich für den streitigen Zeitraum bewilligt hat. Ermessensfehler sind insoweit nicht ersichtlich.

Der Senat nimmt insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffende und ausführliche Begründung des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils, die auch durch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren nicht entkräftet werden, Bezug und sieht von weiteren Ausführungen ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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