Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 4 U 145/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 109/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. März 2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die erstinstanzliche Verurteilung zur Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die Klägerin war bei der Firma C. Baugrundinstitut, C-Stadt, als Laborleiterin im Umweltchemischen Prüflabor D-Stadt beschäftigt - einem Bodentechnischen Labor als Zweigstelle der Firma. Am 4. Februar 2005 kam es nach der Unfallanzeige der Beschäftigungsfirma vom 25. Februar 2005 wegen Ausfalls der Abzüge beim Säureaufschlusskochen mit Königswasser zum Freiwerden von Nitrosegasen sowie Salpeter- und Salzsäuredämpfen mit der Folge einer Atemwegsschädigung bei der Klägerin. Der Chirurg und Durchgangsarzt E., Berlin, erstattete den Durchgangsarztbericht vom 14. Februar 2005, in dem er bei der Klägerin eine Bronchitis mit Reizhusten und eine chemische Schleimhautverletzung diagnostizierte. Auf Veranlassung ihrer beratenden Arbeitsmedizinerin Dr. F. (Stellungnahme vom 23. Mai 2005) befragte die Beklagte die Klägerin zu weiteren Details des Vorfalls im Labor sowie der erfolgten unfallnahen ärztlichen Behandlung. Wegen der Fragen der Beklagten vom 25. Mai 2005 sowie der hierzu von der Klägerin erteilten Antworten vom 1. Juni 2005 wird auf Blätter 52, 58 bis 60 der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Die Beklagte zog die Berichte der Hausärzte Dres. G. und H. vom März 2005 sowie vom 11. April 2005 bei, den Bericht des HNO-Arztes Dr. J. vom 10. März 2005, den Bericht der Lungenärztin K. vom 1. April 2005 sowie Berichte des Pneumologen Prof. L. vom 4. Mai, 28. Juli und 25. Oktober 2005. Der Internist Dr. M. erstattete den Bericht vom 20. Juli 2005, und der Bericht des Nordsee-Reha-Klinikums I, St. Peter-Ording über ein Heilverfahren der Klägerin vom 20. September bis 18. Oktober 2005, gelangte zur Verwaltungsakte. Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin von der Siemensbetriebskrankenkasse in Paderborn bei und ließ das arbeitsmedizinische Gutachten von Frau Prof. N., Medizinische Hochschule Hannover, vom 11. Januar 2006 erstatten. In dem Gutachten wird ein Zustand nach folgenloser inhalativer Exposition gegenüber Königswasser bei der Klägerin festgestellt. Sie zeige unspezifische Allgemeinsymptome mit Belastungsdyspnoe und körperlicher Erschöpfung. Ein Zusammenhang mit dem Laborunfall sei nicht wahrscheinlich, da die Klägerin nur kurze Zeit inhalativ gegenüber Dämpfen von Königswasser exponiert gewesen sei, wobei es sich um eine Mischung von Salpetersäure und Salzsäure handele. Diese könnten chemische Entzündungen der Atemwege verursachen, wobei es sich um Reizgase mit hoher Wasserlöslichkeit handele, die die Konjunktiven und die Schleimhäute des Rachens und der Speiseröhre verätzen würden. Bei inhalativer Belastung gelangten diese jedoch nicht über die Speiseröhre hinaus, und es komme zu keinen Verletzungen der tiefen Atemwege, so dass die von der Klägerin beklagten Schmerzen der Bronchien keine typischen Beschwerden, ausgelöst durch Reizgase mit hoher Wasserlöslichkeit, darstellten. Die Beschwerdesymptomatik der Klägerin habe erst drei Tage nach dem Unfall mit Heiserkeit und Bronchitis begonnen, wobei die Latenz gegen einen Zusammenhang mit dem Unfallereignis spreche. Schleimhautrötungen könnten Symptome einer Schleimhautreizung durch Reizgase sein, es könnte sich aber auch um Anzeichen für einen normalen Infekt der Luftwege gehandelt haben. Beschwerden an Konjunktiven und den Schleimhäuten des Rachens und der Speiseröhre, die Zielorgane wasserlöslicher Reizgase seien, seien von der Klägerin nicht angegeben worden. Der HNO-Arzt J. habe einen regelrechten Larynx-Befund berichtet. Auch die bei der Klägerin diagnostizierte unspezifische bronchiale Hyperreagibilität (UBH) stelle keine direkte Folge der Exposition gegenüber Königswasser dar und sei am ehesten auf rezidivierende Bronchitiden und Nasennebenhöhlenentzündungen bzw. allergische Reaktionen gegenüber Pollen zurückzuführen, die in den Krankenkassenauszügen dokumentiert seien. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Februar 2006 die Anerkennung des Ereignisses vom 4. Februar 2005 als Arbeitsunfall ab, da das im Verwaltungsverfahren erstattete Gutachten ergeben habe, dass bei der Klägerin keine Folgen des Laborereignisses bestünden, sie vielmehr an einer körpereigenen Bronchitis und UBH leide. Die Beklagte zahlte der Klägerin letztmals Verletztengeld für den 10. Februar 2006.
Mit Widerspruch vom 14. Februar 2006 legte die Klägerin zwei weitere Berichte des Prof. L. vom 7. Februar und 11. April 2006 vor, der die Ergebnisse des Gutachtens der Prof. N. anzweifelte. Nach nochmaliger Anhörung der beratenden Arbeitsmedizinerin Dr. F., die mit Stellungnahme vom 7. Februar 2006 den Gutachten von Frau Prof. N. zustimmte und die UBH der Klägerin nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf das Laborereignis zurückführte, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2006 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 19. Juli 2006 vor dem Sozialgericht Kassel (Sozialgericht) Klage eingelegt, mit der Sie das Gutachten von Frau Prof. N. ablehnte und die Auffassung vertrat, sie habe keine über gelegentliche bronchitische Infekte hinausgehende chronische Atemwegserkrankung gehabt, gestützt auf das Attest des Hausarztes Dr. G. vom 20. Juni 2007.
Das Sozialgericht hat einen weiteren Bericht des Hausarztes Dr. G. vom 16. April 2007 eingeholt, dem Fremdbefunde beigefügt waren, sowie den Bericht des Internisten Dr. M. vom 16. Oktober 2006, dem ein Bericht der Pneumologen O. und P. vom 15. März 2005 beigefügt war. Die Radiologin Dr. Q. fertigte den Bericht vom 14. Februar 2005. Sodann ließ das Sozialgericht von Amts wegen das internistisch-pneumologische Gutachten des Dr. R. vom 2. September 2007 erstatten. Dr. R. diagnostizierte bei der Klägerin eine deutliche UBH bei Allergien auf Baumpollen, Gräser, Katzen-Epithelien und Hausstaubmilben mit oraler Nahrungsmittelallergie auf Kernobst. Entgegen Prof. N. hielt er das Unfallereignis im Labor für geeignet, eine bronchiale verspätete Symptomatik auch der tiefen Atemwege zu verursachen, da die Klägerin nicht nur wasserlöslichen Gasen wie Salpeter- und Salzsäure sondern auch Chlorgasen und Nitrosegasen exponiert gewesen sei, die im Labor freigeworden seien. Letztere gälten als fettlöslich und seien in der Lage, Latenzsymptome der unteren Atemwege bzw. eine Allgemeinsymptomatik zu verursachen. Chronische oder akute inhalative Traumata könnten eine UBH verursachen. Für die UBH fänden sich zwei mögliche Ursachen: 1. das Inhalationstrauma vom 4. Februar 2006 und 2. eine allergische Atemwegserkrankung, die zuvor klinisch inapparent gewesen sei bis auf eine Nahrungsmittelintoleranz, die sich seit dem Frühjahr 2007 als intermittierendes Asthma bronchiale manifestiere. Das Unfallereignis habe im Vergleich zu anderen denkbaren Ursachen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als wesentliche Ursache gleichwertig oder annähernd gleichwertig mitgewirkt. Da vor dem Unfallereignis keine Symptomatik einer UBH bestanden habe, sei neben dem Asthma bronchiale das Unfallereignis wesentliche Teilursache. Die Exposition im Labor sei vermutlich sehr gering gewesen, da die Klägerin zunächst ihre Arbeit habe beschwerdefrei fortsetzten können und auch in der Nähe befindliche Mitarbeiter nicht geschädigt worden seien. Die Tage nach dem Unfall von der Klägerin angegebene Symptomatik passe auch zu einem grippalen Infekt. Die These eines grippalen Infektes würde jedoch nur die unmittelbare Symptomatik in den dem Unfall folgenden 10 bis 14 Tagen erklären, nicht aber die seit dem anhaltende bronchiale UBH.
Die Beklagte hat im Klageverfahren die Auffassung vertreten, das Gutachten von Frau Prof. N. sei überzeugend. Unter Hinweis auf das Vorerkrankungsverzeichnis seien Vorschäden der Atemwege bei der Klägerin nachgewiesen. Sie hat Frau Prof. N. zum Gutachten des Dr. R. gehört, die mit Stellungnahmen vom 25. Oktober 2007 und 29. Januar 2008 ausgeführt hat, bei der Klägerin hätten laut Vorerkrankungsverzeichnis Atemwegserkrankungen und eine Pollenallergie vorbestanden. In Übereinstimmung mit Dr. R. sei davon auszugehen, dass die Klägerin am 4. Februar 2005 für ein bis zwei Minuten gegenüber Salpetersäure, Salzsäure, Chlorgasen und Nitrosegasen in unbekannter Höhe exponiert gewesen sei. Bei all diesen Stoffen handele es sich um stark reizende Substanzen. Königswasser enthalte mit Salpetersäure und Salzsäure gut wasserlösliche Reizgase, die äußerlich bzw. im oberen Respirationstrakt wirken würden. Dementsprechende Diagnosen seien bei der Klägerin nicht gestellt. Chlor- bzw. Nitrosegase würden wegen der geringen Wasserlöslichkeit auch in die tieferen Atemwege vordringen (Bronchien, Bronchiolen, Alveolen). Die Beschwerdedauer widerspreche einer wesentlichen Mitursächlichkeit der Intoxikation. Insgesamt erscheine es zwar möglich, dass die bei der Klägerin vorliegende UBH durch die Reizgasexposition mit hervorgerufen bzw. getriggert worden sei, wobei das Beschwerdebild nach dem Unfall mit isolierter Betroffenheit der Bronchien und angesichts des langen Verlaufs nicht typisch für eine durch Reizgas hervorgerufene Symptomatik sondern eher mit der vom Hausarzt diagnostizierten infektbedingten Erkrankung der Klägerin vereinbar sei. Als wesentliche Ursache der UBH an den Bronchien komme der Unfall mit niedriger Schadstoffexposition nicht in Betracht.
Das Sozialgericht hat die ergänzenden Stellungnahmen des Dr. R. vom 30. Dezember 2007 und vom März 2008 eingeholt. Dr. R. hat darin betont, dass bei der Klägerin eine allergische Erkrankung nicht vorbestanden habe und auch keine gehäuften Atemwegsinfekte. Eine Symptomatik der oberen Atemwege sei beginnend mit dem Inhalationstrauma zu beobachten, ebenso eine kontinuierliche Atemwegssymptomatik im Sinne einer UBH. Das Inhalationstrauma bewerte er als wesentliche Teilursache der bei der Klägerin fortdauernd bestehenden UBH, wobei eine symptomatische UBH eine MdE von 20 v.H. hervorrufe, wie im Gutachten bereits dargelegt.
Mit Urteil vom 24. März 2009 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, bei der Klägerin eine UBH als Folge des Arbeitsunfalls vom 4. Februar 2005 festzustellen und der Klägerin Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer MdE von 20 v.H. seit Einstellung der Verletztengeldzahlung – ab 11. Februar 2006 – zu gewähren. Das Unfallgeschehen vom 4. Februar 2005 sei zwischen den Beteiligten im Wesentlichen unstreitig, ebenso das Bestehen einer UBH als Atemwegserkrankung der Klägerin. Der berufliche Zusammenhang sei entgegen Prof. N. mit dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. R. zu bejahen, da die Inhalation der im Labor frei gewordenen Schadstoffe mit Wahrscheinlichkeit wesentlich mitursächlich zur Entstehung der UBH beigetragen habe. Bei der Klägerin habe als Vorschaden eine allergische Disposition bestanden. Eine manifeste chronische Atemwegserkrankung sei nicht erwiesen, sodass neben der Inhalation keine für die UBH allein wesentliche Ursache festgestellt werden könne. Die MdE betrage 20 v.H., wie Dr. R. in Übereinstimmung mit den üblichen Bewertungskriterien für eine UBH mäßigen Schweregrades und bei bisher unverändertem Fortbestehen begründet habe.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 6. Mai 2009 zugestellte Urteil am 20. Mai 2009 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt mit der Begründung, das Sozialgericht habe seine Entscheidung auf ein nicht überzeugendes Gutachten des Dr. R. gestützt, das einen nicht hinreichend geklärten Sachverhalt zugrunde gelegt habe und hinsichtlich der Vorerkrankungen der Klägerin auf Vermutungen basiere. Aus dem Vorerkrankungsverzeichnis ergäben sich gravierende Krankheitsbefunde der Klägerin wegen Bronchitiden, Nasen-Nebenhöhlen-Entzündungen und einer Rhinokonjunktivitis. Zudem belege der Heilverfahrensentlassungsbericht eine Nahrungsmittelintoleranz. Nach dem Unfallereignis sei ab 2007 eine Birkenpollenallergie bei der Klägerin aufgetreten. Unfallnah habe sie über grippeähnliche Symptome berichtet und keine Beschwerden geäußert, die für eine Reizgaseinwirkung typisch seien. Die Klägerin sei im Februar 2005 vielmehr an einer normalen Bronchitis erkrankt gewesen. Verätzungen seien von Dr. J. nicht festgestellt worden, vielmehr nur eine leichtgerötete Schleimhaut wie auch bei Erkältungen üblich. Die Klägerin habe selbst angegeben mit etwa zwei Bronchitiserkrankungen im Jahr schon vor dem Arbeitsunfall belastet gewesen zu sein. Die von Dres. E., S. teilweise mitgeteilten gravierenden Diagnosen seien danach nicht nachvollziehbar. Weder eine Kehlkopfentzündung noch eine Lungenverätzung hätten unfallnah bestanden. Die Reizgaseinwirkung sei nur gering gewesen, was sich daraus ergebe, dass die übrigen im Labor Beschäftigten nicht geschädigt worden seien. Dr. T., der zuständige Aufsichtsbeamte der BG Chemie, halte eine Verätzung der Atemwege bei einem kurzzeitigen Aufenthalt von wenigen Minuten unter den beschriebenen Bedingungen für gänzlich ausgeschlossen. Denn aufgrund der Schilderung der Klägerin habe ein intensiver Kontakt mit Nitrosegasen und Chlorgasen nicht bestanden. Auch bei einem defekten Abzug werde nur ein geringer Teil der Nitrosegase freigesetzt. Da diese schwerer als Luft seien, könnten sie sich in Mund- bzw. Nasenhöhe wenn überhaupt nur in ganz geringer Konzentration befinden. Die Inhalation habe nur etwa ein bis zwei Minuten gedauert. Auch ein intensiver Kontakt mit Chlorgas könne nicht stattgefunden haben, da ansonsten die Augen der Klägerin wegen der Tränenflüssigkeit erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden wären. Im Ergebnis habe danach das Sozialgericht eine unfallbedingte wesentliche Verschlimmerung einer vorbestehenden allergischen Atemwegserkrankung der Klägerin auf Dauer bei nur kurzfristiger und geringer Schadstoffexposition im Labor nicht überzeugend begründen können.
Die Klägerin hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und die Einwirkung der Königswasserdämpfe für eine wesentliche Mitursache der Entstehung ihrer UBH. Eine relevante Vorerkrankung habe bei ihr nicht bestanden. Sie sei vor dem Arbeitsunfall nur einmal längere Zeit wegen einer Bronchitis arbeitsunfähig gewesen. Typische grippeähnliche Symptome im Anschluss an den Arbeitsunfall seien – auch durch den Sachverständigen Dr. R. – nicht bestätigt worden. Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2012 hat die Klägerin eine Skizze des Labors mit den Räumen 1 bis 3 vorgelegt, wobei in Raum 1 im rechten Bereich der Schwermetallaufschluss installiert gewesen sei, der die schädlichen Gase freigesetzt habe. Raum 1 sei mittig durch einen Labortisch mit Regalaufbauten unterteilt worden bis zu einer Höhe von etwa zwei Metern, sodass sich letztendlich die schädlichen Gase in dem Zwischenraum zwischen dem Schwermetallaufschluss und dem Labortisch konzentriert hätten und nicht ungehindert die Laborräume 2 und 3 hätten erreichen können, wo die übrigen Mitarbeiter tätig gewesen seien. Sie habe dann die Fenster geöffnet, um die Gaskonzentration zu verringern, und habe die Mitarbeiter in den hinteren Räumlichkeiten alarmiert, die sodann Raum 1 nur hätten durchlaufen müssen in Kenntnis des Gefahrenpotenzials und in dem Bemühen nicht zu atmen.
Der Senat hat zur Aufklärung der vor dem Arbeitsunfall bestehenden und ihrer im Anschluss danach aufgetretenen Erkrankungen weitere Berichte eingeholt: Bericht des Lungenfacharztes Dr. U. vom 13. Februar 2007, Bericht des Internisten Dr. M. vom 14. April 2010 mit Fremdbefunden, Bericht der Internisten und Allgemeinmedizinern Dres. V. und W. vom 21. April 2010, Bericht der Allgemeinmediziner Dres. X., Y., Z. und S., die Behandlungsunterlagen des Allgemeinmediziners Dr. AA., die kompletten Behandlungsunterlagen des Hausarztes Dr. G. mit diversen Fremdbefunden meist lungenfachärztlicher Herkunft sowie den Kurbericht der Nordsee-Klinik Borkum vom 27. November 2012.
Zudem wurde die Akte des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Göttingen beigezogen, in der sich das Schreiben des Amtes an die Beschäftigungsfirma vom 21. April 2005 befindet, in dem der streitige Vorfall wie folgt erwähnt ist: Laboratorin müssten jederzeit wirksame technische Lüftungseinrichtungen aufweisen, wobei im Störfall eine optische und akustische Alarmierung erfolgen müsse. Aufgrund der fehlenden Signaleinrichtungen sei es am 4. Februar 2005 zum Arbeitsunfall gekommen, bei dem die Klägerin Atemwegsverätzungen davongetragen habe. Dieser Arbeitsunfall sei Veranlassung für die Betriebsteilbesichtigung vom 5. April 2005 gewesen. Einer von drei Abzügen im Labor sei ausgefallen und habe zum Austritt von Nitrosegasen in den Arbeitsraum geführt. Beim Herausschicken der Mitarbeiter habe die Laborleiterin BB. die Nitrosegase eingeatmet, was zur Verätzung von Kehlkopf bzw. Lunge geführt habe. Diese habe seit dem Arbeitsunfall deutliche Nachwirkungen dahingehend festgestellt, dass eine deutlich erhöhte Empfindlichkeit schon gegenüber alltäglichen Geruchseinwirkungen vorliege. Man habe ihr empfohlen eine Anzeige bei der Berufsgenossenschaft zu stellen. Das Labor der Firma C. Baugrundinstitut werde nach Angaben der zuständigen Aufsichtsperson der BG Chemie Dr. T. seit gut zehn Jahren unverändert betrieben. Die jetzige Laborleiterin CC. habe Dr. T. von dem damaligen Ereignis berichtet. Ihre Angaben stimmten weitestgehend mit denjenigen der Klägerin überein.
Der Senat hat die ergänzende Stellungnahme des Dr. R. vom 13. August 2011 eingeholt, in der dieser am Ergebnis seines Gutachtens festgehalten und ausgeführt hat, zweifellos bestehe bei der Klägerin seit dem Unfall eine UBH nach den Feststellungen von Dr. K. und Prof. L. Eine allergische Atemwegserkrankung sei vor dem Unfallereignis nie dokumentiert worden, die sporadischen Atemwegsinfekte in den Wintermonaten sprächen eher gegen eine allergische Genese, da letztere ja zu saisonalen Beschwerden während der Pollensaison geführt hätte. Ein grippaler Infekt komme als Ursache der UBH nicht in Betracht, da bei einem grippalen Infekt Symptome der oberen Atemwege wie Husten, Schnupfen, Kopf- und Halsschmerzen in der Regel im Vordergrund stünden. Die Laborparameter vom 21. Februar 2005 zeigten alle Entzündungsparameter im Normbereich (CRP, BSG, Leukozyten). Zudem hat der Senat von Amts wegen das weitere lungenfachärztliche Gutachten des Prof. DD. vom 23. August 2013 erstatten lassen, dem er vorgegeben hatte, den zwischen den Beteiligten unstreitigen Hergang des schädigenden Ereignisses vom 4. Februar 2005 zu Grunde zu legen. Prof. DD. hat bei der Klägerin eine chronische obstruktive Atemwegserkrankung mit bronchialer Hyperreagibilität diagnostiziert. Daneben bestehe eine bisher ohne asthmatische Reaktionen einhergehende Allergie gegen Blütenstäube (Pollen) sowie gegen einige typische pollenassoziierte Nahrungsmittel. Vor dem Unfallereignis hätten lediglich Symptome eines oralen Allergiesyndroms infolge einer Nahrungsmittelallergie vorgelegen, während Beschwerden seitens der unteren Atemwege im Sinne eines Asthma bronchiale nicht bestanden hätten. Das von Frau Prof. N. unterstellte saisonale Asthma bronchiale sei weder aktenkundig noch anamnestisch bis zum heutigen Tage aufgetreten. Vielmehr sei es bisher ausschließlich zu den Zeichen einer allergischen Rhinopathie (sogenannter Pollenschnupfen) gekommen. Die obstruktive Atemwegserkrankung mit persistierender UBH sei aus überwiegenden medizinischen Gründen durch das Unfallereignis vom 4. Februar 2005 im Sinne der Entstehung verursacht und werde infolgedessen auch dauerhaft aufrechterhalten. Die MdE betrage auf Dauer 20 v.H.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 9. Januar 2014 ausgeführt, in dem Gutachten des Prof. DD. werde von einem nicht zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Beim Laborraum 1 habe es sich nicht um den Aufenthaltsbereich der Klägerin gehandelt. Diese sei vielmehr in diesen Raum erst auf einem routinemäßigen Rundgang als aufsichtsführende Person gelangt, während andere Labormitarbeiter sich in den Laborräumen aufgehalten hätten. Dr. T. – zuständiger Chemischer und Technischer Aufsichtsbeamter der BG Chemie – könne als sachverständiger Zeuge bestätigen, dass der Arbeitsplatzgrenzwert gleichzeitig die Erträglichkeitsgrenze darstelle und dass sich niemand freiwillig Nitrosegasen in nennenswerter Konzentration aussetze. Unter Hinweis auf eine Unterschrift der Fachärztin für Arbeits- und Allgemeinmedizin Dr. EE. unter vorgenanntem Schriftsatz hat die Beklagte auch die medizinischen Grundlagen des Gutachtens in Frage gestellt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. März 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Technische Aufsichtsperson der C., den Chemiker Herrn Dr. T., als sachverständigen Zeugen zu hören, weil dieser bestätigen werde, dass ein Einatmen der Gase in nennenswertem Umfang durch die Reizwirkung praktisch unmöglich ist und bei einem kurzzeitigen Aufenthalt von wenigen Minuten unter den gegebenen Bedingungen eine Verletzung der Atemwege ausgeschlossen ist.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen sowie die Akte des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts Göttingen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene, zulässige (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz SGG) Berufung der Beklagten, mit der sie sich gegen die erstinstanzliche Verurteilung zur Zahlung einer Rente nach einer MdE von 20 v.H. ab 11. Februar 2006 unter Anerkennung des Ereignisses vom 4. Februar 2005 als Arbeitsunfall mit der Folge einer UBH wendet, ist nicht begründet. Denn das Sozialgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin am 4. Februar 2005 infolge der Freisetzung von Gasen und Dämpfen nach dem Ausfall eines Abzuges beim Säureaufschlusskochen im Labor der Firma C. einen Arbeitsunfall (§ 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch SGB VII) erlitten hat mit der Folge einer UBH, die auf Dauer mit einer MdE von 20 v.H. zu bewerten und ab 11. Februar 2006 - nach Auslaufen der Zahlung von Verletztengeld - durch Gewährung einer dieser MdE entsprechenden Rente von der Beklagten zu entschädigen ist.
Nach § 56 Abs. 1 SGB VII haben diejenigen Versicherten Anspruch auf eine Rente, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche über den Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Dabei richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Die Anerkennung von Gesundheitserstschäden sowie späterer Erkrankungen als weiterer Folgen des Arbeitsunfalls erfordert zunächst die Feststellung der zur Anerkennung gestellten Gesundheitsstörungen und in einem 2. Schritt deren ursächliche Verknüpfung mit der versicherten Einwirkung. Beweismaßstab für die Feststellung der Gesundheitsstörungen, die als Unfallfolgen im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität geltend gemacht werden, ist der Vollbeweis, während für den kausalen Zusammenhang des Erstschadens mit der aus der versicherten Tätigkeit herrührenden Belastung sowie den mittelbaren Unfallzusammenhang der Folgeleiden die hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt. Um den Vollbeweis zu führen, muss eine Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang dieser Erkrankung mit der anerkannten BK grundsätzlich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R). Die für den Kausalzusammenhang sprechenden Umstände müssen die gegenteiligen dabei deutlich überwiegen (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, § 8 SGB VII Anm. 10.1 m.w.N.). Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112).
Zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts geht der Senat wie bereits das Sozialgericht im Urteil vom 24. März 2009 nach Beiziehung der Akte des staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Göttingen und nach nochmaliger Anhörung der Klägerin im Senatstermin vom 28. Januar 2014 davon aus, dass der Laborunfall sich so ereignet hat, wie die Klägerin ihn bei Beantwortung des umfangreichen Fragekataloges der Beklagten vom 25. Mai 2005 erstmals am 1. Juni 2005 und seitdem wiederholt unverändert geschildert hat und wie ihn nach Rücksprache mit der Klägerin ihre Nachfolgerin als Laborleiterin, CC., dem Gewerbeaufsichtsamt Göttingen bestätigt hatte, was sich aus dem Schreiben des Amtes vom 21. April 2005 an die Beschäftigungsfirma der Klägerin ergibt. Der Senat hatte diesen Sachverhalt vor Einschaltung des Prof. DD. als Sachverständigen mit den Beteiligten als zweifelsfrei erwiesen außer Streit gestellt und hatte Prof. DD. beauftragt, die medizinischen Streit- und Zusammenhangsfragen auf dieser Basis zu beantworten. Danach ist von folgendem Geschehensablauf auszugehen:
Die Klägerin war als Laborleiterin bei der Firma C., C-Stadt, in deren Bodentechnischem Labor in XY-Stadt beschäftigt, das nach den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 21. Juni 2012 überreichten Skizzen aus 3 Räumen bestand. Raum 1, in dem der Schwermetallaufschluss installiert war, war mittig nochmals durch einen etwa 2 m hohen Labortisch mit Regalaufbau unterteilt. Dort kam es am 4. Februar 2005 nach der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 25. Februar 2005 und den Feststellungen des staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Göttingen in dessen Schreiben vom 21. April 2005 an die Firma C. beim Säureaufschlusskochen mit Königswasser im Rahmen der Schwermetallbestimmung einer Bodenprobe zum Austritt von Nitrogasen sowie Salpeter- und Salzsäuredämpfen, wobei einer von 3 Abzügen, unter dem der Aufschluss stattfand, ausfiel. Dieser Störfall wurde infolge Fehlens eines vorgeschriebenen optischen und akustischen Alarmierungssystems nicht sofort bemerkt. Die Klägerin, die sich zuvor nicht im Labor aufgehalten hatte, bemerkte bei einem routinemäßigen Rundgang im Labor den Geruch der Gase/Dämpfe, öffnete alle Fenster, schickte die in den hinteren Räumen des Labors arbeitenden Kolleginnen und Kollegen aus dem Labor und verhängte ein Zutrittsverbot. Dabei war sie ca. ein bis zwei Minuten den Gasen/Dämpfen ausgesetzt und atmete diese ein.
Ebenso wie vorstehender Unfallverlauf ist die von der Klägerin als Unfallfolge geltend gemachte Atemwegserkrankung in Gestalt einer UBH ohne Zweifel diagnostisch gesichert, worin die behandelnden Lungenärzte (Dr. K., Prof. L., Dr. FF., Nordsee-Reha-Klinikum I, Sankt Peter Ording), die gerichtlichen Sachverständigen lungenfachärztlicher Richtung Dr. R. im Gutachten vom 2. September 2007 und Prof. DD. im Gutachten vom 23. August 2013 sowie auch die die Beklagte beratenden Arbeitsmedizinerrinnen Prof. N. in Stellungnahmen vom 11. Januar 2006 und 25. Juni 2007 sowie Dr. F. in der Stellungnahme vom 7. Februar 2006 übereinstimmen.
Mit Prof. DD. und Dr. R. sprechen deutlich überwiegende medizinische Gründe dafür, dass die UBH der Klägerin wesentlich ursächlich auf das Einatmen der ätzenden Gase oder Dämpfe am 4. Februar 2005 zurückzuführen ist.
Entgegen der Annahme von Frau Prof. N. in deren arbeitsmedizinischem Gutachten vom 11. Januar 2006 und ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 25. Oktober 2007 ist bei der Klägerin über gelegentliche Atemwegsinfekten mit Bronchitiden hinaus eine allergische Atemwegserkrankung als vor dem Arbeitsunfall bestehende Erkrankung nicht durch fachmedizinische Befunde belegt, wie die gerichtlichen Sachverständigen Prof. DD. und Dr. R. übereinstimmend und in Abweichung von Prof. N. nach Auswertung aller Vorbefunde festgestellt haben. Entgegen Prof. N. ist ein saisonales Asthma bronchiale als Vorerkrankung nicht im Vollbeweis gesichert, allenfalls - so Prof. DD. und auch Dr. R. - ist von einer bronchialen Überempfindlichkeit auszugehen, ohne dass Hinweise auf eine Erkrankung der unteren Atemwege bestanden. Die Klägerin hatte Prof. DD. folgend eine allergische Veranlagung im Sinne einer Atopie, die allerdings als Vorleiden des Arbeitsunfalles vom 4. Februar 2005 noch nicht in Erscheinung getreten war. In diesem Zustand und ohne dass bei ihr zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalles eine akute Infekterkrankung bestanden hätte, kam es zu Schadstoffeinwirkungen auf die Atemwege der Klägerin am 4. Februar 2005, und es manifestierte sich eine bronchiale Reizsymptomatik, die sich in der Folgezeit verstärkte und bis heute trotz medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen und einer bronchoprotektiven Therapie inhalativer Art andauert, wobei erstmalig am 31. März 2005 vom Lungenarzt Dr. K. eine zunächst vermutete UBH durch inhalative Methacholin-Provokation nachgewiesen werden konnte.
Die im Labor einwirkenden Irritantien verursachten die mit einer UBH verbundene Atemwegserkrankung der Klägerin. Dr. R. hat dargelegt, dass die Klägerin nicht nur wasserlöslichen Gasen wie Salpeter- und Salzsäure - wovon Prof. N. im Gutachten vom 11. Januar 2006 zunächst allein ausgegangen war - sondern zusätzlich auch fettlöslichen Chlor- und Nitrosegasen gegenüber exponiert war. Diese sind geeignet - so Dr. R. - nach einer gewissen Latenzzeit zu Symptomen auch der unteren Atemwege zu führen, die über Reizsymptome der oberen Atemwege infolge der Salpeter- und Salzsäuredämpfe hinausgehen. Prof. DD. hat Dr. R. im Ergebnis zustimmend dargelegt, dass die auf die Klägerin einwirkenden Substanzen als typische, atemwegsirritierende Stoffe und als Ursachen eines chronisch-irritativen Asthma bronchiale bekannt sind. Nitrosegase gehören danach neben Chlor und Salpetersäure zu den häufigen Ursachen akuter Erkrankungen der Atemwege und Lungen, wobei sich je nach Dauer und Konzentration der Exposition unterschiedliche Krankheitsbilder ergeben können, ohne dass eine sichere Dosis-Wirkungs-Beziehung bekannt ist. Insbesondere muss sich nach Prof. DD. infolge einer Niedrigdosis-Einwirkung, die bei der Klägerin anzunehmen ist, das klassische Lungenödem nach Nitrogasen nicht entwickeln. Mit Prof. DD. ist bei Würdigung der aktenkundigen und von der Klägerin geschilderten Einwirkungsart und -dauer davon auszugehen, dass nur eine begrenzte, aber zum Auftreten des typischen stechenden Geruchs ausreichende Menge an chemischen Reizgasen ausgetreten war. Bei der Klägerin kam es danach in typischer Weise unmittelbar zum Husten, mit einer Latenz von 24 Stunden zum vermehrten Husten, zu Veränderungen der Stimme und Fieber sowie am 4. Tag zu Husten, Atemnot und Schmerzen im Kehlkopfbereich, was Prof. DD. der detaillierten Schilderung der Klägerin vom 1. Juni 2005 entnommen hat. Diese Reaktionen entsprechen Prof. DD. zufolge nachvollziehbar einer Antwort der oberen und mittleren Atemwege auf die Einwirkung des chemischen Reizgasgemisches und waren insbesondere mit der von Chlorgas ausgehenden Wirkung vereinbar. Das Vollbild einer Intoxikation mit Nitrogasen mit Entwicklung eines Lungenödems wurde infolge der nur begrenzt und eher kurzfristigen Schadstoffexposition nicht erreicht, auch wenn sich bei der Klägerin wenige Tage nach dem Ereignis eine restriktive Ventilationsstörung herausbildete, die Prof. DD. dem Bericht der Radiologin Dr. Q. vom 15. Februar 2005 mit Anlagen entnimmt, die auf eine vorübergehende Beeinträchtigung der Lungendehnbarkeit hinweist. Der Krankheitsverlauf bei der Klägerin mit zögerndem Einsetzen der bronchialen und der Allgemeinsymptomatik nach dem Freiwerden der Atemreizstoffe ist mit einem so genannten RADS (reactive airways dysfunktion syndrome) vereinbart, einer Untergruppe der chemisch-irritativen obstruktiven Atemwegserkrankung vom Typ des Asthma bronchiale, das Prof. L. bereits 2006 bei der Klägerin diagnostiziert hatte. Die RADS-Anerkennungskriterien werden von der Klägerin Prof. DD. folgend insgesamt erfüllt, wobei die Klägerin keinen hohen Schadstoffdosen ausgesetzt gewesen ist. Das Erfordernis der "hohen Konzentration" wird - so Prof. DD. - in der neueren Literatur infrage gestellt und eine Auslösung oder Verschlimmerung einer obstruktiven Atemwegserkrankung bzw. einer UBH auch als Folge einer niedrigen oder mäßigen Konzentration bejaht. Die ursächlichen Konzentrationen sind Prof. DD. zufolge häufig niedriger als die zulässige maximale Arbeitsplatzkonzentration, die in keiner Weise eine absolute Sicherheit vor einer krankmachenden Wirkung bei wirklich allen Exponierten versprechen. Zusätzlich zu berücksichtigen ist zudem ein Kombinationseffekte verschiedener potenziell ursächlicher Stoffe. Eine empfindliche Untergruppe von Patienten - hauptsächlich Atopiker wie die Klägerin - die an einer UBH leiden, wird auch bei relativ niedrigen Konzentrationen von irritierenden Gasen, Rauchen oder Erosionen affektiert, wobei diese Störung als low-dose irritant asthma (lower-dose RADS) bezeichnet wird. Danach ist mit Prof. DD. davon auszugehen, dass bei der Klägerin als Atopikerin die Reizgase auf ein präexistent latent bestehendes hyperreagibles Bronchialsystem eingewirkt und zu einer ersten klinischen Manifestation von Beschwerden geführt haben. Mit Prof. DD. ist das Unfallereignis mit Freiwerden der chemischen Reizgase zur Überzeugung des Senats die rechtlich-wesentliche Bedingung gewesen im Sinne eines klinischen Manifestwerdens des vorbestehenden subklinischen Zustandes, und die UBH beruht danach weitaus überwiegend auf dem schädigenden Ereignis, das nicht als bloße Gelegenheitsursache abgetan werden kann, so dass sich der Senat Prof. DD. folgend der abweichenden Auffassung der Prof. N. ausdrücklich nicht anzuschließen vermag. Über Prof. N. hinausgehend, die in ihrer zweiten Äußerung vom 25. Oktober 2007 den ursächlichen Zusammenhang der UBH der Klägerin mit der Exposition atemwegsirritierender Substanzen im Labor der Firma C. am 4. Februar 2005 immerhin für möglich angesehen hatte, sprechen neben den konkreten Umständen der Exposition am Arbeitsplatz die gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin zum Unfallzeitpunkt sowie die im Anschluss erfolgte Beschwerde- und Krankheitsentwicklung deutlich für den streitigen beruflichen Zusammenhang ihrer UBH und machen diesen wahrscheinlich.
Prof. DD. hat - im Ergebnis Dr. R. bestätigend - zur Überzeugung des Senats im Gutachten vom 23. August 2013 dargelegt, dass die chronisch obstruktive Atemwegserkrankung der Klägerin mit symptomatischer bronchialer Hyperreagibilät bisher weitgehend therapieresistent gewesen ist, sich prognostisch als Dauerzustand darstellt und die durch den Arbeitsunfall bedingte Schadstoffexposition wesentlich mitursächlich auch für Fortbestand und Gesamtumfang der UBH ist. Dadurch sind für die Klägerin, die im Anschluss zur Logopäden umgeschult hat, zahlreiche Berufs- und Arbeitsfelder des normalen Erwerbslebens verschlossen, soweit diese mit Einwirkung chemisch-irritativer oder toxischer Reize verbunden sind. Die aus der obstruktiven Atemwegserkrankung mit UBH resultierende MdE beträgt 20 v.H., wobei der erkennende Senat sich der übereinstimmenden Schätzung beider Sachverständiger anschließt, welche die die Beklagte beratenden Arbeitsmedizinerinnen nicht in Frage gestellt haben und die auch den Bewertungskriterien des Reichenhaller Merkblattes entsprechen (dazu Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 1072) und die im Wege der Gleichbehandlung aller Versicherten auch auf die Klägerin zur Anwendung zu bringen sind. Der damit tatbestandlich erfüllte Verletztenrentenanspruch steht der Klägerin entsprechend der Regelung des § 72 Abs. 1 Ziffer 1 SGB VII seit dem Ende der durch den Arbeitsunfall bedingten Arbeitsunfähigkeit und dem Auslaufen der Verletztengeldzahlung zu - also ab dem 11. Februar 2006.
Der Senat konnte die von Seiten der Beklagten im Schriftsatz vom 9. Januar 2014 geäußerten Bedenken überwinden und ist auch deren hilfsweise gestelltem Antrag im Senatstermin vom 28. Januar 2014 nicht gefolgt.
Entgegen dem Einwand der Beklagten hat Prof. DD. seinem Gutachten vom 23. August 2013 keinen fehlerhaften Sachverhalt unterlegt. Er ist vielmehr - wie ihm in der Beweisanordnung vom 12. Februar 2013 aufgetragen - davon ausgegangen, dass die Klägerin atemwegsbelastenden Substanzen nicht über einen längeren Zeitraum exponiert war, sondern dass sie alsbald nach Betreten des Labors nach Wahrnehmung des beizenden Geruches dieses alsbald verlassen hat, nachdem sie die Fenster geöffnet, die in den hinteren Laborräumen arbeitenden Kolleginnen und Kollegen gewarnt und zum Verlassen der Laboren veranlasst hatte. Eine stärkere Betroffenheit der Klägerin als die übrigen Laborbeschäftigten hat Prof. DD. nicht wegen eines längeren Aufenthalt der Klägerin im Laborraum 1 angenommen sondern wegen der von der Klägerin im Schriftsatz vom 21. Juni 2012 durch beigefügte Skizze dokumentierten besonderen Verhältnisse im Laborraum 1, der durch einen nahezu deckenhohen Labortisch mit Regalen nochmals unterteilt war mit der Folge, dass die überwiegend schwerer als Luft einzuschätzenden Nitrogase sich im Zwischenraum zwischen dem defekten Abzug und der Trennwand in erhöhter Konzentration sammelten und von der Klägerin, die dort das Labor betreten hatte, in stärkerem Umfange inhaliert wurden als von den in den Laborräumen 2 und 3 beschäftigten übrigen Personen. Neben der zeitlich und quantitativ eher geringen Exposition kommt die bei der Klägerin infolge der atopischen Veranlagung erhöhte Empfindlichkeit gegenüber atemwegsbelastenden Substanzen hinzu, die bei ihr die "Auslöseschwelle" nochmals reduziert hat, was Prof. DD. sodann unter dem RADS-Aspekt umfänglich medizinisch diskutiert hat.
Der TAB der C., der Chemiker Dr. T., war nicht als sachverständiger Zeuge zu hören. Denn eine Quantifizierung der von der Klägerin eingeatmeten Gase ist im Nachhinein nicht mehr möglich, worauf Prof. DD. zutreffend hingewiesen hat. Dr. T. kann den Umstand fehlender Messergebnisse nicht mehr im Nachhinein korrigieren. Dass es zu einem Einatmen der Gase durch die Klägerin gekommen ist, konnten die gerichtlichen Sachverständigen wie auch der erkennende Senat den glaubhaften und von Anbeginn konsistenten Angaben der Klägerin entnehmen, die sich ein bis zwei Minuten im Labor aufgehalten hatte. Dabei kam es nicht darauf an, einen laut Hilfsantrag der Beklagten "nennenswertem Umfang" der Exposition festzustellen, sondern einen im Rahmen der medizinischen Zusammenhangsbeurteilung relevantes, das heißt als wesentlich (mit)ursächlichen Kausalbeitrag ausreichendes Ausmaß der Belastung. Dabei handelt es sich um eine allein vom medizinischen Sachverständigen - und nicht vom Chemiker - zu beantwortende Frage, wobei eine im Rahmen von Arbeitsunfällen bedeutsame Mindestgrenze der Exposition zur Verursachung weniger gravierender Schäden der Atemwege weder allgemein existiert und schon gar nicht für vorbelastete Personen wie die eine Atopieneigung aufweisende Klägerin, was Prof. DD. klar herausgearbeitet und zur Begründung seines Ergebnisses herangezogen hat. Danach war ohne weitere Ermittlungen der erstinstanzlichen Entscheidung im Ergebnis zu folgen und die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die erstinstanzliche Verurteilung zur Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die Klägerin war bei der Firma C. Baugrundinstitut, C-Stadt, als Laborleiterin im Umweltchemischen Prüflabor D-Stadt beschäftigt - einem Bodentechnischen Labor als Zweigstelle der Firma. Am 4. Februar 2005 kam es nach der Unfallanzeige der Beschäftigungsfirma vom 25. Februar 2005 wegen Ausfalls der Abzüge beim Säureaufschlusskochen mit Königswasser zum Freiwerden von Nitrosegasen sowie Salpeter- und Salzsäuredämpfen mit der Folge einer Atemwegsschädigung bei der Klägerin. Der Chirurg und Durchgangsarzt E., Berlin, erstattete den Durchgangsarztbericht vom 14. Februar 2005, in dem er bei der Klägerin eine Bronchitis mit Reizhusten und eine chemische Schleimhautverletzung diagnostizierte. Auf Veranlassung ihrer beratenden Arbeitsmedizinerin Dr. F. (Stellungnahme vom 23. Mai 2005) befragte die Beklagte die Klägerin zu weiteren Details des Vorfalls im Labor sowie der erfolgten unfallnahen ärztlichen Behandlung. Wegen der Fragen der Beklagten vom 25. Mai 2005 sowie der hierzu von der Klägerin erteilten Antworten vom 1. Juni 2005 wird auf Blätter 52, 58 bis 60 der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Die Beklagte zog die Berichte der Hausärzte Dres. G. und H. vom März 2005 sowie vom 11. April 2005 bei, den Bericht des HNO-Arztes Dr. J. vom 10. März 2005, den Bericht der Lungenärztin K. vom 1. April 2005 sowie Berichte des Pneumologen Prof. L. vom 4. Mai, 28. Juli und 25. Oktober 2005. Der Internist Dr. M. erstattete den Bericht vom 20. Juli 2005, und der Bericht des Nordsee-Reha-Klinikums I, St. Peter-Ording über ein Heilverfahren der Klägerin vom 20. September bis 18. Oktober 2005, gelangte zur Verwaltungsakte. Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin von der Siemensbetriebskrankenkasse in Paderborn bei und ließ das arbeitsmedizinische Gutachten von Frau Prof. N., Medizinische Hochschule Hannover, vom 11. Januar 2006 erstatten. In dem Gutachten wird ein Zustand nach folgenloser inhalativer Exposition gegenüber Königswasser bei der Klägerin festgestellt. Sie zeige unspezifische Allgemeinsymptome mit Belastungsdyspnoe und körperlicher Erschöpfung. Ein Zusammenhang mit dem Laborunfall sei nicht wahrscheinlich, da die Klägerin nur kurze Zeit inhalativ gegenüber Dämpfen von Königswasser exponiert gewesen sei, wobei es sich um eine Mischung von Salpetersäure und Salzsäure handele. Diese könnten chemische Entzündungen der Atemwege verursachen, wobei es sich um Reizgase mit hoher Wasserlöslichkeit handele, die die Konjunktiven und die Schleimhäute des Rachens und der Speiseröhre verätzen würden. Bei inhalativer Belastung gelangten diese jedoch nicht über die Speiseröhre hinaus, und es komme zu keinen Verletzungen der tiefen Atemwege, so dass die von der Klägerin beklagten Schmerzen der Bronchien keine typischen Beschwerden, ausgelöst durch Reizgase mit hoher Wasserlöslichkeit, darstellten. Die Beschwerdesymptomatik der Klägerin habe erst drei Tage nach dem Unfall mit Heiserkeit und Bronchitis begonnen, wobei die Latenz gegen einen Zusammenhang mit dem Unfallereignis spreche. Schleimhautrötungen könnten Symptome einer Schleimhautreizung durch Reizgase sein, es könnte sich aber auch um Anzeichen für einen normalen Infekt der Luftwege gehandelt haben. Beschwerden an Konjunktiven und den Schleimhäuten des Rachens und der Speiseröhre, die Zielorgane wasserlöslicher Reizgase seien, seien von der Klägerin nicht angegeben worden. Der HNO-Arzt J. habe einen regelrechten Larynx-Befund berichtet. Auch die bei der Klägerin diagnostizierte unspezifische bronchiale Hyperreagibilität (UBH) stelle keine direkte Folge der Exposition gegenüber Königswasser dar und sei am ehesten auf rezidivierende Bronchitiden und Nasennebenhöhlenentzündungen bzw. allergische Reaktionen gegenüber Pollen zurückzuführen, die in den Krankenkassenauszügen dokumentiert seien. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Februar 2006 die Anerkennung des Ereignisses vom 4. Februar 2005 als Arbeitsunfall ab, da das im Verwaltungsverfahren erstattete Gutachten ergeben habe, dass bei der Klägerin keine Folgen des Laborereignisses bestünden, sie vielmehr an einer körpereigenen Bronchitis und UBH leide. Die Beklagte zahlte der Klägerin letztmals Verletztengeld für den 10. Februar 2006.
Mit Widerspruch vom 14. Februar 2006 legte die Klägerin zwei weitere Berichte des Prof. L. vom 7. Februar und 11. April 2006 vor, der die Ergebnisse des Gutachtens der Prof. N. anzweifelte. Nach nochmaliger Anhörung der beratenden Arbeitsmedizinerin Dr. F., die mit Stellungnahme vom 7. Februar 2006 den Gutachten von Frau Prof. N. zustimmte und die UBH der Klägerin nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf das Laborereignis zurückführte, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2006 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 19. Juli 2006 vor dem Sozialgericht Kassel (Sozialgericht) Klage eingelegt, mit der Sie das Gutachten von Frau Prof. N. ablehnte und die Auffassung vertrat, sie habe keine über gelegentliche bronchitische Infekte hinausgehende chronische Atemwegserkrankung gehabt, gestützt auf das Attest des Hausarztes Dr. G. vom 20. Juni 2007.
Das Sozialgericht hat einen weiteren Bericht des Hausarztes Dr. G. vom 16. April 2007 eingeholt, dem Fremdbefunde beigefügt waren, sowie den Bericht des Internisten Dr. M. vom 16. Oktober 2006, dem ein Bericht der Pneumologen O. und P. vom 15. März 2005 beigefügt war. Die Radiologin Dr. Q. fertigte den Bericht vom 14. Februar 2005. Sodann ließ das Sozialgericht von Amts wegen das internistisch-pneumologische Gutachten des Dr. R. vom 2. September 2007 erstatten. Dr. R. diagnostizierte bei der Klägerin eine deutliche UBH bei Allergien auf Baumpollen, Gräser, Katzen-Epithelien und Hausstaubmilben mit oraler Nahrungsmittelallergie auf Kernobst. Entgegen Prof. N. hielt er das Unfallereignis im Labor für geeignet, eine bronchiale verspätete Symptomatik auch der tiefen Atemwege zu verursachen, da die Klägerin nicht nur wasserlöslichen Gasen wie Salpeter- und Salzsäure sondern auch Chlorgasen und Nitrosegasen exponiert gewesen sei, die im Labor freigeworden seien. Letztere gälten als fettlöslich und seien in der Lage, Latenzsymptome der unteren Atemwege bzw. eine Allgemeinsymptomatik zu verursachen. Chronische oder akute inhalative Traumata könnten eine UBH verursachen. Für die UBH fänden sich zwei mögliche Ursachen: 1. das Inhalationstrauma vom 4. Februar 2006 und 2. eine allergische Atemwegserkrankung, die zuvor klinisch inapparent gewesen sei bis auf eine Nahrungsmittelintoleranz, die sich seit dem Frühjahr 2007 als intermittierendes Asthma bronchiale manifestiere. Das Unfallereignis habe im Vergleich zu anderen denkbaren Ursachen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als wesentliche Ursache gleichwertig oder annähernd gleichwertig mitgewirkt. Da vor dem Unfallereignis keine Symptomatik einer UBH bestanden habe, sei neben dem Asthma bronchiale das Unfallereignis wesentliche Teilursache. Die Exposition im Labor sei vermutlich sehr gering gewesen, da die Klägerin zunächst ihre Arbeit habe beschwerdefrei fortsetzten können und auch in der Nähe befindliche Mitarbeiter nicht geschädigt worden seien. Die Tage nach dem Unfall von der Klägerin angegebene Symptomatik passe auch zu einem grippalen Infekt. Die These eines grippalen Infektes würde jedoch nur die unmittelbare Symptomatik in den dem Unfall folgenden 10 bis 14 Tagen erklären, nicht aber die seit dem anhaltende bronchiale UBH.
Die Beklagte hat im Klageverfahren die Auffassung vertreten, das Gutachten von Frau Prof. N. sei überzeugend. Unter Hinweis auf das Vorerkrankungsverzeichnis seien Vorschäden der Atemwege bei der Klägerin nachgewiesen. Sie hat Frau Prof. N. zum Gutachten des Dr. R. gehört, die mit Stellungnahmen vom 25. Oktober 2007 und 29. Januar 2008 ausgeführt hat, bei der Klägerin hätten laut Vorerkrankungsverzeichnis Atemwegserkrankungen und eine Pollenallergie vorbestanden. In Übereinstimmung mit Dr. R. sei davon auszugehen, dass die Klägerin am 4. Februar 2005 für ein bis zwei Minuten gegenüber Salpetersäure, Salzsäure, Chlorgasen und Nitrosegasen in unbekannter Höhe exponiert gewesen sei. Bei all diesen Stoffen handele es sich um stark reizende Substanzen. Königswasser enthalte mit Salpetersäure und Salzsäure gut wasserlösliche Reizgase, die äußerlich bzw. im oberen Respirationstrakt wirken würden. Dementsprechende Diagnosen seien bei der Klägerin nicht gestellt. Chlor- bzw. Nitrosegase würden wegen der geringen Wasserlöslichkeit auch in die tieferen Atemwege vordringen (Bronchien, Bronchiolen, Alveolen). Die Beschwerdedauer widerspreche einer wesentlichen Mitursächlichkeit der Intoxikation. Insgesamt erscheine es zwar möglich, dass die bei der Klägerin vorliegende UBH durch die Reizgasexposition mit hervorgerufen bzw. getriggert worden sei, wobei das Beschwerdebild nach dem Unfall mit isolierter Betroffenheit der Bronchien und angesichts des langen Verlaufs nicht typisch für eine durch Reizgas hervorgerufene Symptomatik sondern eher mit der vom Hausarzt diagnostizierten infektbedingten Erkrankung der Klägerin vereinbar sei. Als wesentliche Ursache der UBH an den Bronchien komme der Unfall mit niedriger Schadstoffexposition nicht in Betracht.
Das Sozialgericht hat die ergänzenden Stellungnahmen des Dr. R. vom 30. Dezember 2007 und vom März 2008 eingeholt. Dr. R. hat darin betont, dass bei der Klägerin eine allergische Erkrankung nicht vorbestanden habe und auch keine gehäuften Atemwegsinfekte. Eine Symptomatik der oberen Atemwege sei beginnend mit dem Inhalationstrauma zu beobachten, ebenso eine kontinuierliche Atemwegssymptomatik im Sinne einer UBH. Das Inhalationstrauma bewerte er als wesentliche Teilursache der bei der Klägerin fortdauernd bestehenden UBH, wobei eine symptomatische UBH eine MdE von 20 v.H. hervorrufe, wie im Gutachten bereits dargelegt.
Mit Urteil vom 24. März 2009 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, bei der Klägerin eine UBH als Folge des Arbeitsunfalls vom 4. Februar 2005 festzustellen und der Klägerin Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer MdE von 20 v.H. seit Einstellung der Verletztengeldzahlung – ab 11. Februar 2006 – zu gewähren. Das Unfallgeschehen vom 4. Februar 2005 sei zwischen den Beteiligten im Wesentlichen unstreitig, ebenso das Bestehen einer UBH als Atemwegserkrankung der Klägerin. Der berufliche Zusammenhang sei entgegen Prof. N. mit dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. R. zu bejahen, da die Inhalation der im Labor frei gewordenen Schadstoffe mit Wahrscheinlichkeit wesentlich mitursächlich zur Entstehung der UBH beigetragen habe. Bei der Klägerin habe als Vorschaden eine allergische Disposition bestanden. Eine manifeste chronische Atemwegserkrankung sei nicht erwiesen, sodass neben der Inhalation keine für die UBH allein wesentliche Ursache festgestellt werden könne. Die MdE betrage 20 v.H., wie Dr. R. in Übereinstimmung mit den üblichen Bewertungskriterien für eine UBH mäßigen Schweregrades und bei bisher unverändertem Fortbestehen begründet habe.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 6. Mai 2009 zugestellte Urteil am 20. Mai 2009 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt mit der Begründung, das Sozialgericht habe seine Entscheidung auf ein nicht überzeugendes Gutachten des Dr. R. gestützt, das einen nicht hinreichend geklärten Sachverhalt zugrunde gelegt habe und hinsichtlich der Vorerkrankungen der Klägerin auf Vermutungen basiere. Aus dem Vorerkrankungsverzeichnis ergäben sich gravierende Krankheitsbefunde der Klägerin wegen Bronchitiden, Nasen-Nebenhöhlen-Entzündungen und einer Rhinokonjunktivitis. Zudem belege der Heilverfahrensentlassungsbericht eine Nahrungsmittelintoleranz. Nach dem Unfallereignis sei ab 2007 eine Birkenpollenallergie bei der Klägerin aufgetreten. Unfallnah habe sie über grippeähnliche Symptome berichtet und keine Beschwerden geäußert, die für eine Reizgaseinwirkung typisch seien. Die Klägerin sei im Februar 2005 vielmehr an einer normalen Bronchitis erkrankt gewesen. Verätzungen seien von Dr. J. nicht festgestellt worden, vielmehr nur eine leichtgerötete Schleimhaut wie auch bei Erkältungen üblich. Die Klägerin habe selbst angegeben mit etwa zwei Bronchitiserkrankungen im Jahr schon vor dem Arbeitsunfall belastet gewesen zu sein. Die von Dres. E., S. teilweise mitgeteilten gravierenden Diagnosen seien danach nicht nachvollziehbar. Weder eine Kehlkopfentzündung noch eine Lungenverätzung hätten unfallnah bestanden. Die Reizgaseinwirkung sei nur gering gewesen, was sich daraus ergebe, dass die übrigen im Labor Beschäftigten nicht geschädigt worden seien. Dr. T., der zuständige Aufsichtsbeamte der BG Chemie, halte eine Verätzung der Atemwege bei einem kurzzeitigen Aufenthalt von wenigen Minuten unter den beschriebenen Bedingungen für gänzlich ausgeschlossen. Denn aufgrund der Schilderung der Klägerin habe ein intensiver Kontakt mit Nitrosegasen und Chlorgasen nicht bestanden. Auch bei einem defekten Abzug werde nur ein geringer Teil der Nitrosegase freigesetzt. Da diese schwerer als Luft seien, könnten sie sich in Mund- bzw. Nasenhöhe wenn überhaupt nur in ganz geringer Konzentration befinden. Die Inhalation habe nur etwa ein bis zwei Minuten gedauert. Auch ein intensiver Kontakt mit Chlorgas könne nicht stattgefunden haben, da ansonsten die Augen der Klägerin wegen der Tränenflüssigkeit erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden wären. Im Ergebnis habe danach das Sozialgericht eine unfallbedingte wesentliche Verschlimmerung einer vorbestehenden allergischen Atemwegserkrankung der Klägerin auf Dauer bei nur kurzfristiger und geringer Schadstoffexposition im Labor nicht überzeugend begründen können.
Die Klägerin hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und die Einwirkung der Königswasserdämpfe für eine wesentliche Mitursache der Entstehung ihrer UBH. Eine relevante Vorerkrankung habe bei ihr nicht bestanden. Sie sei vor dem Arbeitsunfall nur einmal längere Zeit wegen einer Bronchitis arbeitsunfähig gewesen. Typische grippeähnliche Symptome im Anschluss an den Arbeitsunfall seien – auch durch den Sachverständigen Dr. R. – nicht bestätigt worden. Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2012 hat die Klägerin eine Skizze des Labors mit den Räumen 1 bis 3 vorgelegt, wobei in Raum 1 im rechten Bereich der Schwermetallaufschluss installiert gewesen sei, der die schädlichen Gase freigesetzt habe. Raum 1 sei mittig durch einen Labortisch mit Regalaufbauten unterteilt worden bis zu einer Höhe von etwa zwei Metern, sodass sich letztendlich die schädlichen Gase in dem Zwischenraum zwischen dem Schwermetallaufschluss und dem Labortisch konzentriert hätten und nicht ungehindert die Laborräume 2 und 3 hätten erreichen können, wo die übrigen Mitarbeiter tätig gewesen seien. Sie habe dann die Fenster geöffnet, um die Gaskonzentration zu verringern, und habe die Mitarbeiter in den hinteren Räumlichkeiten alarmiert, die sodann Raum 1 nur hätten durchlaufen müssen in Kenntnis des Gefahrenpotenzials und in dem Bemühen nicht zu atmen.
Der Senat hat zur Aufklärung der vor dem Arbeitsunfall bestehenden und ihrer im Anschluss danach aufgetretenen Erkrankungen weitere Berichte eingeholt: Bericht des Lungenfacharztes Dr. U. vom 13. Februar 2007, Bericht des Internisten Dr. M. vom 14. April 2010 mit Fremdbefunden, Bericht der Internisten und Allgemeinmedizinern Dres. V. und W. vom 21. April 2010, Bericht der Allgemeinmediziner Dres. X., Y., Z. und S., die Behandlungsunterlagen des Allgemeinmediziners Dr. AA., die kompletten Behandlungsunterlagen des Hausarztes Dr. G. mit diversen Fremdbefunden meist lungenfachärztlicher Herkunft sowie den Kurbericht der Nordsee-Klinik Borkum vom 27. November 2012.
Zudem wurde die Akte des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Göttingen beigezogen, in der sich das Schreiben des Amtes an die Beschäftigungsfirma vom 21. April 2005 befindet, in dem der streitige Vorfall wie folgt erwähnt ist: Laboratorin müssten jederzeit wirksame technische Lüftungseinrichtungen aufweisen, wobei im Störfall eine optische und akustische Alarmierung erfolgen müsse. Aufgrund der fehlenden Signaleinrichtungen sei es am 4. Februar 2005 zum Arbeitsunfall gekommen, bei dem die Klägerin Atemwegsverätzungen davongetragen habe. Dieser Arbeitsunfall sei Veranlassung für die Betriebsteilbesichtigung vom 5. April 2005 gewesen. Einer von drei Abzügen im Labor sei ausgefallen und habe zum Austritt von Nitrosegasen in den Arbeitsraum geführt. Beim Herausschicken der Mitarbeiter habe die Laborleiterin BB. die Nitrosegase eingeatmet, was zur Verätzung von Kehlkopf bzw. Lunge geführt habe. Diese habe seit dem Arbeitsunfall deutliche Nachwirkungen dahingehend festgestellt, dass eine deutlich erhöhte Empfindlichkeit schon gegenüber alltäglichen Geruchseinwirkungen vorliege. Man habe ihr empfohlen eine Anzeige bei der Berufsgenossenschaft zu stellen. Das Labor der Firma C. Baugrundinstitut werde nach Angaben der zuständigen Aufsichtsperson der BG Chemie Dr. T. seit gut zehn Jahren unverändert betrieben. Die jetzige Laborleiterin CC. habe Dr. T. von dem damaligen Ereignis berichtet. Ihre Angaben stimmten weitestgehend mit denjenigen der Klägerin überein.
Der Senat hat die ergänzende Stellungnahme des Dr. R. vom 13. August 2011 eingeholt, in der dieser am Ergebnis seines Gutachtens festgehalten und ausgeführt hat, zweifellos bestehe bei der Klägerin seit dem Unfall eine UBH nach den Feststellungen von Dr. K. und Prof. L. Eine allergische Atemwegserkrankung sei vor dem Unfallereignis nie dokumentiert worden, die sporadischen Atemwegsinfekte in den Wintermonaten sprächen eher gegen eine allergische Genese, da letztere ja zu saisonalen Beschwerden während der Pollensaison geführt hätte. Ein grippaler Infekt komme als Ursache der UBH nicht in Betracht, da bei einem grippalen Infekt Symptome der oberen Atemwege wie Husten, Schnupfen, Kopf- und Halsschmerzen in der Regel im Vordergrund stünden. Die Laborparameter vom 21. Februar 2005 zeigten alle Entzündungsparameter im Normbereich (CRP, BSG, Leukozyten). Zudem hat der Senat von Amts wegen das weitere lungenfachärztliche Gutachten des Prof. DD. vom 23. August 2013 erstatten lassen, dem er vorgegeben hatte, den zwischen den Beteiligten unstreitigen Hergang des schädigenden Ereignisses vom 4. Februar 2005 zu Grunde zu legen. Prof. DD. hat bei der Klägerin eine chronische obstruktive Atemwegserkrankung mit bronchialer Hyperreagibilität diagnostiziert. Daneben bestehe eine bisher ohne asthmatische Reaktionen einhergehende Allergie gegen Blütenstäube (Pollen) sowie gegen einige typische pollenassoziierte Nahrungsmittel. Vor dem Unfallereignis hätten lediglich Symptome eines oralen Allergiesyndroms infolge einer Nahrungsmittelallergie vorgelegen, während Beschwerden seitens der unteren Atemwege im Sinne eines Asthma bronchiale nicht bestanden hätten. Das von Frau Prof. N. unterstellte saisonale Asthma bronchiale sei weder aktenkundig noch anamnestisch bis zum heutigen Tage aufgetreten. Vielmehr sei es bisher ausschließlich zu den Zeichen einer allergischen Rhinopathie (sogenannter Pollenschnupfen) gekommen. Die obstruktive Atemwegserkrankung mit persistierender UBH sei aus überwiegenden medizinischen Gründen durch das Unfallereignis vom 4. Februar 2005 im Sinne der Entstehung verursacht und werde infolgedessen auch dauerhaft aufrechterhalten. Die MdE betrage auf Dauer 20 v.H.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 9. Januar 2014 ausgeführt, in dem Gutachten des Prof. DD. werde von einem nicht zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Beim Laborraum 1 habe es sich nicht um den Aufenthaltsbereich der Klägerin gehandelt. Diese sei vielmehr in diesen Raum erst auf einem routinemäßigen Rundgang als aufsichtsführende Person gelangt, während andere Labormitarbeiter sich in den Laborräumen aufgehalten hätten. Dr. T. – zuständiger Chemischer und Technischer Aufsichtsbeamter der BG Chemie – könne als sachverständiger Zeuge bestätigen, dass der Arbeitsplatzgrenzwert gleichzeitig die Erträglichkeitsgrenze darstelle und dass sich niemand freiwillig Nitrosegasen in nennenswerter Konzentration aussetze. Unter Hinweis auf eine Unterschrift der Fachärztin für Arbeits- und Allgemeinmedizin Dr. EE. unter vorgenanntem Schriftsatz hat die Beklagte auch die medizinischen Grundlagen des Gutachtens in Frage gestellt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. März 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Technische Aufsichtsperson der C., den Chemiker Herrn Dr. T., als sachverständigen Zeugen zu hören, weil dieser bestätigen werde, dass ein Einatmen der Gase in nennenswertem Umfang durch die Reizwirkung praktisch unmöglich ist und bei einem kurzzeitigen Aufenthalt von wenigen Minuten unter den gegebenen Bedingungen eine Verletzung der Atemwege ausgeschlossen ist.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen sowie die Akte des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts Göttingen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene, zulässige (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz SGG) Berufung der Beklagten, mit der sie sich gegen die erstinstanzliche Verurteilung zur Zahlung einer Rente nach einer MdE von 20 v.H. ab 11. Februar 2006 unter Anerkennung des Ereignisses vom 4. Februar 2005 als Arbeitsunfall mit der Folge einer UBH wendet, ist nicht begründet. Denn das Sozialgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin am 4. Februar 2005 infolge der Freisetzung von Gasen und Dämpfen nach dem Ausfall eines Abzuges beim Säureaufschlusskochen im Labor der Firma C. einen Arbeitsunfall (§ 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch SGB VII) erlitten hat mit der Folge einer UBH, die auf Dauer mit einer MdE von 20 v.H. zu bewerten und ab 11. Februar 2006 - nach Auslaufen der Zahlung von Verletztengeld - durch Gewährung einer dieser MdE entsprechenden Rente von der Beklagten zu entschädigen ist.
Nach § 56 Abs. 1 SGB VII haben diejenigen Versicherten Anspruch auf eine Rente, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche über den Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Dabei richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Die Anerkennung von Gesundheitserstschäden sowie späterer Erkrankungen als weiterer Folgen des Arbeitsunfalls erfordert zunächst die Feststellung der zur Anerkennung gestellten Gesundheitsstörungen und in einem 2. Schritt deren ursächliche Verknüpfung mit der versicherten Einwirkung. Beweismaßstab für die Feststellung der Gesundheitsstörungen, die als Unfallfolgen im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität geltend gemacht werden, ist der Vollbeweis, während für den kausalen Zusammenhang des Erstschadens mit der aus der versicherten Tätigkeit herrührenden Belastung sowie den mittelbaren Unfallzusammenhang der Folgeleiden die hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt. Um den Vollbeweis zu führen, muss eine Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang dieser Erkrankung mit der anerkannten BK grundsätzlich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R). Die für den Kausalzusammenhang sprechenden Umstände müssen die gegenteiligen dabei deutlich überwiegen (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, § 8 SGB VII Anm. 10.1 m.w.N.). Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112).
Zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts geht der Senat wie bereits das Sozialgericht im Urteil vom 24. März 2009 nach Beiziehung der Akte des staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Göttingen und nach nochmaliger Anhörung der Klägerin im Senatstermin vom 28. Januar 2014 davon aus, dass der Laborunfall sich so ereignet hat, wie die Klägerin ihn bei Beantwortung des umfangreichen Fragekataloges der Beklagten vom 25. Mai 2005 erstmals am 1. Juni 2005 und seitdem wiederholt unverändert geschildert hat und wie ihn nach Rücksprache mit der Klägerin ihre Nachfolgerin als Laborleiterin, CC., dem Gewerbeaufsichtsamt Göttingen bestätigt hatte, was sich aus dem Schreiben des Amtes vom 21. April 2005 an die Beschäftigungsfirma der Klägerin ergibt. Der Senat hatte diesen Sachverhalt vor Einschaltung des Prof. DD. als Sachverständigen mit den Beteiligten als zweifelsfrei erwiesen außer Streit gestellt und hatte Prof. DD. beauftragt, die medizinischen Streit- und Zusammenhangsfragen auf dieser Basis zu beantworten. Danach ist von folgendem Geschehensablauf auszugehen:
Die Klägerin war als Laborleiterin bei der Firma C., C-Stadt, in deren Bodentechnischem Labor in XY-Stadt beschäftigt, das nach den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 21. Juni 2012 überreichten Skizzen aus 3 Räumen bestand. Raum 1, in dem der Schwermetallaufschluss installiert war, war mittig nochmals durch einen etwa 2 m hohen Labortisch mit Regalaufbau unterteilt. Dort kam es am 4. Februar 2005 nach der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 25. Februar 2005 und den Feststellungen des staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Göttingen in dessen Schreiben vom 21. April 2005 an die Firma C. beim Säureaufschlusskochen mit Königswasser im Rahmen der Schwermetallbestimmung einer Bodenprobe zum Austritt von Nitrogasen sowie Salpeter- und Salzsäuredämpfen, wobei einer von 3 Abzügen, unter dem der Aufschluss stattfand, ausfiel. Dieser Störfall wurde infolge Fehlens eines vorgeschriebenen optischen und akustischen Alarmierungssystems nicht sofort bemerkt. Die Klägerin, die sich zuvor nicht im Labor aufgehalten hatte, bemerkte bei einem routinemäßigen Rundgang im Labor den Geruch der Gase/Dämpfe, öffnete alle Fenster, schickte die in den hinteren Räumen des Labors arbeitenden Kolleginnen und Kollegen aus dem Labor und verhängte ein Zutrittsverbot. Dabei war sie ca. ein bis zwei Minuten den Gasen/Dämpfen ausgesetzt und atmete diese ein.
Ebenso wie vorstehender Unfallverlauf ist die von der Klägerin als Unfallfolge geltend gemachte Atemwegserkrankung in Gestalt einer UBH ohne Zweifel diagnostisch gesichert, worin die behandelnden Lungenärzte (Dr. K., Prof. L., Dr. FF., Nordsee-Reha-Klinikum I, Sankt Peter Ording), die gerichtlichen Sachverständigen lungenfachärztlicher Richtung Dr. R. im Gutachten vom 2. September 2007 und Prof. DD. im Gutachten vom 23. August 2013 sowie auch die die Beklagte beratenden Arbeitsmedizinerrinnen Prof. N. in Stellungnahmen vom 11. Januar 2006 und 25. Juni 2007 sowie Dr. F. in der Stellungnahme vom 7. Februar 2006 übereinstimmen.
Mit Prof. DD. und Dr. R. sprechen deutlich überwiegende medizinische Gründe dafür, dass die UBH der Klägerin wesentlich ursächlich auf das Einatmen der ätzenden Gase oder Dämpfe am 4. Februar 2005 zurückzuführen ist.
Entgegen der Annahme von Frau Prof. N. in deren arbeitsmedizinischem Gutachten vom 11. Januar 2006 und ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 25. Oktober 2007 ist bei der Klägerin über gelegentliche Atemwegsinfekten mit Bronchitiden hinaus eine allergische Atemwegserkrankung als vor dem Arbeitsunfall bestehende Erkrankung nicht durch fachmedizinische Befunde belegt, wie die gerichtlichen Sachverständigen Prof. DD. und Dr. R. übereinstimmend und in Abweichung von Prof. N. nach Auswertung aller Vorbefunde festgestellt haben. Entgegen Prof. N. ist ein saisonales Asthma bronchiale als Vorerkrankung nicht im Vollbeweis gesichert, allenfalls - so Prof. DD. und auch Dr. R. - ist von einer bronchialen Überempfindlichkeit auszugehen, ohne dass Hinweise auf eine Erkrankung der unteren Atemwege bestanden. Die Klägerin hatte Prof. DD. folgend eine allergische Veranlagung im Sinne einer Atopie, die allerdings als Vorleiden des Arbeitsunfalles vom 4. Februar 2005 noch nicht in Erscheinung getreten war. In diesem Zustand und ohne dass bei ihr zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalles eine akute Infekterkrankung bestanden hätte, kam es zu Schadstoffeinwirkungen auf die Atemwege der Klägerin am 4. Februar 2005, und es manifestierte sich eine bronchiale Reizsymptomatik, die sich in der Folgezeit verstärkte und bis heute trotz medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen und einer bronchoprotektiven Therapie inhalativer Art andauert, wobei erstmalig am 31. März 2005 vom Lungenarzt Dr. K. eine zunächst vermutete UBH durch inhalative Methacholin-Provokation nachgewiesen werden konnte.
Die im Labor einwirkenden Irritantien verursachten die mit einer UBH verbundene Atemwegserkrankung der Klägerin. Dr. R. hat dargelegt, dass die Klägerin nicht nur wasserlöslichen Gasen wie Salpeter- und Salzsäure - wovon Prof. N. im Gutachten vom 11. Januar 2006 zunächst allein ausgegangen war - sondern zusätzlich auch fettlöslichen Chlor- und Nitrosegasen gegenüber exponiert war. Diese sind geeignet - so Dr. R. - nach einer gewissen Latenzzeit zu Symptomen auch der unteren Atemwege zu führen, die über Reizsymptome der oberen Atemwege infolge der Salpeter- und Salzsäuredämpfe hinausgehen. Prof. DD. hat Dr. R. im Ergebnis zustimmend dargelegt, dass die auf die Klägerin einwirkenden Substanzen als typische, atemwegsirritierende Stoffe und als Ursachen eines chronisch-irritativen Asthma bronchiale bekannt sind. Nitrosegase gehören danach neben Chlor und Salpetersäure zu den häufigen Ursachen akuter Erkrankungen der Atemwege und Lungen, wobei sich je nach Dauer und Konzentration der Exposition unterschiedliche Krankheitsbilder ergeben können, ohne dass eine sichere Dosis-Wirkungs-Beziehung bekannt ist. Insbesondere muss sich nach Prof. DD. infolge einer Niedrigdosis-Einwirkung, die bei der Klägerin anzunehmen ist, das klassische Lungenödem nach Nitrogasen nicht entwickeln. Mit Prof. DD. ist bei Würdigung der aktenkundigen und von der Klägerin geschilderten Einwirkungsart und -dauer davon auszugehen, dass nur eine begrenzte, aber zum Auftreten des typischen stechenden Geruchs ausreichende Menge an chemischen Reizgasen ausgetreten war. Bei der Klägerin kam es danach in typischer Weise unmittelbar zum Husten, mit einer Latenz von 24 Stunden zum vermehrten Husten, zu Veränderungen der Stimme und Fieber sowie am 4. Tag zu Husten, Atemnot und Schmerzen im Kehlkopfbereich, was Prof. DD. der detaillierten Schilderung der Klägerin vom 1. Juni 2005 entnommen hat. Diese Reaktionen entsprechen Prof. DD. zufolge nachvollziehbar einer Antwort der oberen und mittleren Atemwege auf die Einwirkung des chemischen Reizgasgemisches und waren insbesondere mit der von Chlorgas ausgehenden Wirkung vereinbar. Das Vollbild einer Intoxikation mit Nitrogasen mit Entwicklung eines Lungenödems wurde infolge der nur begrenzt und eher kurzfristigen Schadstoffexposition nicht erreicht, auch wenn sich bei der Klägerin wenige Tage nach dem Ereignis eine restriktive Ventilationsstörung herausbildete, die Prof. DD. dem Bericht der Radiologin Dr. Q. vom 15. Februar 2005 mit Anlagen entnimmt, die auf eine vorübergehende Beeinträchtigung der Lungendehnbarkeit hinweist. Der Krankheitsverlauf bei der Klägerin mit zögerndem Einsetzen der bronchialen und der Allgemeinsymptomatik nach dem Freiwerden der Atemreizstoffe ist mit einem so genannten RADS (reactive airways dysfunktion syndrome) vereinbart, einer Untergruppe der chemisch-irritativen obstruktiven Atemwegserkrankung vom Typ des Asthma bronchiale, das Prof. L. bereits 2006 bei der Klägerin diagnostiziert hatte. Die RADS-Anerkennungskriterien werden von der Klägerin Prof. DD. folgend insgesamt erfüllt, wobei die Klägerin keinen hohen Schadstoffdosen ausgesetzt gewesen ist. Das Erfordernis der "hohen Konzentration" wird - so Prof. DD. - in der neueren Literatur infrage gestellt und eine Auslösung oder Verschlimmerung einer obstruktiven Atemwegserkrankung bzw. einer UBH auch als Folge einer niedrigen oder mäßigen Konzentration bejaht. Die ursächlichen Konzentrationen sind Prof. DD. zufolge häufig niedriger als die zulässige maximale Arbeitsplatzkonzentration, die in keiner Weise eine absolute Sicherheit vor einer krankmachenden Wirkung bei wirklich allen Exponierten versprechen. Zusätzlich zu berücksichtigen ist zudem ein Kombinationseffekte verschiedener potenziell ursächlicher Stoffe. Eine empfindliche Untergruppe von Patienten - hauptsächlich Atopiker wie die Klägerin - die an einer UBH leiden, wird auch bei relativ niedrigen Konzentrationen von irritierenden Gasen, Rauchen oder Erosionen affektiert, wobei diese Störung als low-dose irritant asthma (lower-dose RADS) bezeichnet wird. Danach ist mit Prof. DD. davon auszugehen, dass bei der Klägerin als Atopikerin die Reizgase auf ein präexistent latent bestehendes hyperreagibles Bronchialsystem eingewirkt und zu einer ersten klinischen Manifestation von Beschwerden geführt haben. Mit Prof. DD. ist das Unfallereignis mit Freiwerden der chemischen Reizgase zur Überzeugung des Senats die rechtlich-wesentliche Bedingung gewesen im Sinne eines klinischen Manifestwerdens des vorbestehenden subklinischen Zustandes, und die UBH beruht danach weitaus überwiegend auf dem schädigenden Ereignis, das nicht als bloße Gelegenheitsursache abgetan werden kann, so dass sich der Senat Prof. DD. folgend der abweichenden Auffassung der Prof. N. ausdrücklich nicht anzuschließen vermag. Über Prof. N. hinausgehend, die in ihrer zweiten Äußerung vom 25. Oktober 2007 den ursächlichen Zusammenhang der UBH der Klägerin mit der Exposition atemwegsirritierender Substanzen im Labor der Firma C. am 4. Februar 2005 immerhin für möglich angesehen hatte, sprechen neben den konkreten Umständen der Exposition am Arbeitsplatz die gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin zum Unfallzeitpunkt sowie die im Anschluss erfolgte Beschwerde- und Krankheitsentwicklung deutlich für den streitigen beruflichen Zusammenhang ihrer UBH und machen diesen wahrscheinlich.
Prof. DD. hat - im Ergebnis Dr. R. bestätigend - zur Überzeugung des Senats im Gutachten vom 23. August 2013 dargelegt, dass die chronisch obstruktive Atemwegserkrankung der Klägerin mit symptomatischer bronchialer Hyperreagibilät bisher weitgehend therapieresistent gewesen ist, sich prognostisch als Dauerzustand darstellt und die durch den Arbeitsunfall bedingte Schadstoffexposition wesentlich mitursächlich auch für Fortbestand und Gesamtumfang der UBH ist. Dadurch sind für die Klägerin, die im Anschluss zur Logopäden umgeschult hat, zahlreiche Berufs- und Arbeitsfelder des normalen Erwerbslebens verschlossen, soweit diese mit Einwirkung chemisch-irritativer oder toxischer Reize verbunden sind. Die aus der obstruktiven Atemwegserkrankung mit UBH resultierende MdE beträgt 20 v.H., wobei der erkennende Senat sich der übereinstimmenden Schätzung beider Sachverständiger anschließt, welche die die Beklagte beratenden Arbeitsmedizinerinnen nicht in Frage gestellt haben und die auch den Bewertungskriterien des Reichenhaller Merkblattes entsprechen (dazu Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 1072) und die im Wege der Gleichbehandlung aller Versicherten auch auf die Klägerin zur Anwendung zu bringen sind. Der damit tatbestandlich erfüllte Verletztenrentenanspruch steht der Klägerin entsprechend der Regelung des § 72 Abs. 1 Ziffer 1 SGB VII seit dem Ende der durch den Arbeitsunfall bedingten Arbeitsunfähigkeit und dem Auslaufen der Verletztengeldzahlung zu - also ab dem 11. Februar 2006.
Der Senat konnte die von Seiten der Beklagten im Schriftsatz vom 9. Januar 2014 geäußerten Bedenken überwinden und ist auch deren hilfsweise gestelltem Antrag im Senatstermin vom 28. Januar 2014 nicht gefolgt.
Entgegen dem Einwand der Beklagten hat Prof. DD. seinem Gutachten vom 23. August 2013 keinen fehlerhaften Sachverhalt unterlegt. Er ist vielmehr - wie ihm in der Beweisanordnung vom 12. Februar 2013 aufgetragen - davon ausgegangen, dass die Klägerin atemwegsbelastenden Substanzen nicht über einen längeren Zeitraum exponiert war, sondern dass sie alsbald nach Betreten des Labors nach Wahrnehmung des beizenden Geruches dieses alsbald verlassen hat, nachdem sie die Fenster geöffnet, die in den hinteren Laborräumen arbeitenden Kolleginnen und Kollegen gewarnt und zum Verlassen der Laboren veranlasst hatte. Eine stärkere Betroffenheit der Klägerin als die übrigen Laborbeschäftigten hat Prof. DD. nicht wegen eines längeren Aufenthalt der Klägerin im Laborraum 1 angenommen sondern wegen der von der Klägerin im Schriftsatz vom 21. Juni 2012 durch beigefügte Skizze dokumentierten besonderen Verhältnisse im Laborraum 1, der durch einen nahezu deckenhohen Labortisch mit Regalen nochmals unterteilt war mit der Folge, dass die überwiegend schwerer als Luft einzuschätzenden Nitrogase sich im Zwischenraum zwischen dem defekten Abzug und der Trennwand in erhöhter Konzentration sammelten und von der Klägerin, die dort das Labor betreten hatte, in stärkerem Umfange inhaliert wurden als von den in den Laborräumen 2 und 3 beschäftigten übrigen Personen. Neben der zeitlich und quantitativ eher geringen Exposition kommt die bei der Klägerin infolge der atopischen Veranlagung erhöhte Empfindlichkeit gegenüber atemwegsbelastenden Substanzen hinzu, die bei ihr die "Auslöseschwelle" nochmals reduziert hat, was Prof. DD. sodann unter dem RADS-Aspekt umfänglich medizinisch diskutiert hat.
Der TAB der C., der Chemiker Dr. T., war nicht als sachverständiger Zeuge zu hören. Denn eine Quantifizierung der von der Klägerin eingeatmeten Gase ist im Nachhinein nicht mehr möglich, worauf Prof. DD. zutreffend hingewiesen hat. Dr. T. kann den Umstand fehlender Messergebnisse nicht mehr im Nachhinein korrigieren. Dass es zu einem Einatmen der Gase durch die Klägerin gekommen ist, konnten die gerichtlichen Sachverständigen wie auch der erkennende Senat den glaubhaften und von Anbeginn konsistenten Angaben der Klägerin entnehmen, die sich ein bis zwei Minuten im Labor aufgehalten hatte. Dabei kam es nicht darauf an, einen laut Hilfsantrag der Beklagten "nennenswertem Umfang" der Exposition festzustellen, sondern einen im Rahmen der medizinischen Zusammenhangsbeurteilung relevantes, das heißt als wesentlich (mit)ursächlichen Kausalbeitrag ausreichendes Ausmaß der Belastung. Dabei handelt es sich um eine allein vom medizinischen Sachverständigen - und nicht vom Chemiker - zu beantwortende Frage, wobei eine im Rahmen von Arbeitsunfällen bedeutsame Mindestgrenze der Exposition zur Verursachung weniger gravierender Schäden der Atemwege weder allgemein existiert und schon gar nicht für vorbelastete Personen wie die eine Atopieneigung aufweisende Klägerin, was Prof. DD. klar herausgearbeitet und zur Begründung seines Ergebnisses herangezogen hat. Danach war ohne weitere Ermittlungen der erstinstanzlichen Entscheidung im Ergebnis zu folgen und die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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