Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 6 KR 1887/09
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 353/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 22. November 2010 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger ab dem 17. November 2008 Anspruch auf Krankengeld gegenüber der Beklagten hat.
Der 1972 geborene Kläger war bei der D. T. AG als Callcenter-Agent tätig. Die Arbeitgeberin kündigte dem Kläger; im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs vom 3. April 2008 vor dem Arbeitsgericht Erfurt vereinbarten der Kläger und die Arbeitgeberin, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Oktober 2008 sein Ende finden werde. Der Kläger beantragte am 21. April 2008 bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland Rente wegen Erwerbsminderung wegen der bei ihm vorliegenden Alkoholerkrankung. Sie bewilligte ihm eine stationäre Entwöhnungsbehandlung, welche in der Zeit vom 14. Januar 2009 bis 31. März 2009 durchgeführt wurde.
Der Kläger stellte sich am 27. Oktober 2008 bei Dipl.-Med. S. vor. Diese bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bis zum 16. November 2008, einem Sonntag, mit der Diagnose: nicht näher bezeichneter Diabetes Mellitus, mit nicht näher bezeichneten Komplikationen, nicht als entgleist bezeichnet (E14.80 nach ICD10). Der Kläger stellte sich am 17. November 2008 bei Dipl.-Med. M. vor, da Dipl.-Med. S. selbst erkrankt war. Dipl.-Med. M. bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bis zum 21. November 2008 mit der Diagnose: akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet (J06.9). Am 24. November 2008 stellte sich der Kläger nunmehr wiederum bei Dipl.-Med. S. vor, welche Arbeitsunfähigkeit mit den Diagnosen Tachykardie, nicht näher bezeichnet (R00.0) sowie nicht näher bezeichneter Diabetes Mellitus, mit nicht näher bezeichneten Komplikationen, nicht als entgleist bezeichnet (E14.80), bescheinigte. Es erfolgten durch die Dipl.-Med. S. noch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis zum 14. Dezember 2008.
Mit Bescheid vom 19. Januar 2009 lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 17. November 2008 bis 21. November 2008 sowie vom 24. November 2008 bis 14. Dezember 2008 ab. Die zum Krankengeldbezug berechtigende Mitgliedschaft aus Beschäftigung habe zum 16. November 2008 geendet. Der hiergegen eingelegte Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30. April 2009).
Während des Klageverfahrens hat der Kläger geltend gemacht, dass es sich beim 16. November 2008 um einen Sonntag gehandelt habe, weswegen er sich erst am 17. November 2008 wieder in die Praxis der Dipl.-Med. S. begeben habe. Da diese selbst erkrankt war, musste er sich an die Vertretung Dipl.-Med. M. wenden, welche am 17. November 2008 fälschlicherweise eine Erstbescheinigung wegen Arbeitsunfähigkeit mit einer neuen Diagnose ausstellte. Das wahre Krankheitsbild des Klägers habe Dipl.-Med. M. zum damaligen Zeitpunkt nicht gekannt. Es liege somit ein Ausnahmefall vor, in dem die unterbliebene ärztliche Feststellung Arbeitsunfähigkeit ausnahmsweise rückwirkend nachgeholt werden könne. Das Sozialgericht hat bei Dipl.-Med. S. einen Befundbericht eingeholt, in welchem diese auf die Frage, ob die Alkoholerkrankung des Klägers so weit kompensiert war, dass er ab dem 17. November 2008 wieder arbeitsfähig war, angab: "eher nein!".
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. November 2010 abgewiesen. Die zum Krankengeldbezug berechtigende Mitgliedschaft aus Beschäftigung habe lediglich bis zum 16. November 2008 fortbestanden. Ab dem 17. November 2008 wäre der Kläger als Rentenantragsteller zwar bei der Beklagten krankenversichert gewesen, da er aber zum Zeitpunkt der in Betracht kommenden Anspruchsentstehung kein Regelentgelt aus einer neben dem Rentenbezug ausgeübten Erwerbstätigkeit erzielt habe, bestehe ein Anspruch auf Krankengeld nicht. Das Sozialgericht hat sich hierbei der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) angeschlossen (vgl. Urteil vom 26. Juni 2007 - Az.: B 1 KR 8/07 R; nach juris).
Im Berufungsverfahren verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er ist der Ansicht, dass durchgängig Arbeitsunfähigkeit aufgrund der bei ihm vorliegenden Alkoholerkrankung bestanden habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 22. November 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheids vom 19. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 30. April 2009 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 17. November 2008 bis 21. November 2008 sowie vom 24. November 2008 bis 14. Dezember 2008 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Entscheidung des Sozialgerichts nicht zu beanstanden sei.
Der Senat hat bei Dipl.-Med. S. sowie Dipl.-Med. M. Stellungnahmen eingeholt. Dipl.-Med. S. hat darüber hinaus auf Befragung durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 20. Januar 2014 mitgeteilt, dass der Kläger sicher fortlaufend erkrankt gewesen sei, die letzte Vorstellung aber am 27. Oktober 2008 erfolgt sei und der Kläger sich nicht um eine Folgebescheinigung gekümmert hätte. Eine Praxisvertretung sei immer angegeben, der Kläger hätte diese aufsuchen müssen. Im Nachgang könne zur Frage der Arbeitsunfähigkeit keine Aussage getroffen werden. Der Kläger hatte zwar keinen gut eingestellten Blutzucker, aber von einer akuten Gefährdung könne nicht ausgegangen werden. Ansonsten sei der Kläger vor sechs Jahren nicht so schwer erkrankt gewesen, dass er eine Praxis nicht hätte aufsuchen können, im Extremfall hätte ein Hausbesuch bestellt werden müssen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der geheimen Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund des ausdrücklich erklärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Kläger ab dem 17. November 2008 keinen Anspruch auf Krankengeld hat.
Nach § 44 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Die hier allein in Betracht kommende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2001 - Az.: B 1 KR 30/00 R, nach juris Rn. 13). Gibt er nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die zuletzt innegehabte Arbeitsstelle auf, ändert sich der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist; der Versicherte darf dann auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krankengelds eng zu ziehen ist (vgl. BSG, a.a.O.).
Der Senat kann offen lassen, ob der Kläger ab dem 17. November 2008 arbeitsunfähig war und auf welcher Diagnose dies beruhte. Ein Anspruch auf Krankengeld kommt bereits deswegen nicht in Betracht, weil es an der rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit fehlt. Diese erfolgte erst zu einem Zeitpunkt, als der Kläger nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert war.
Nach § 46 Abs. 1 SGB V entsteht der Anspruch auf Krankengeld bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an (Nr. 1) und im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (Nr. 2). Für die Zeit ab dem 17. November 2008 kommt nur § 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V in Betracht. Mit dem Erfordernis vorgeschalteter ärztlich festzustellender Arbeitsunfähigkeit sollen beim Krankengeld Missbrauch und praktische Schwierigkeiten vermieden werden, zu denen die nachträgliche Behauptung der Arbeitsunfähigkeit und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten (vgl. zur Vorgängervorschrift BSG, Urteil vom 18. März 1966 - Az.: 3 RK 58/62, nach juris Rn. 16.) Die Regelung soll die Krankenkasse davon freistellen, die Voraussetzungen im Nachhinein aufklären zu müssen, und ihr so die Möglichkeit erhalten, die Arbeitsunfähigkeit zeitnah durch den MDK überprüfen zu lassen, um Leistungsmissbräuchen entgegenzutreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2005 - Az.: B 1 KR 30/04, nach juris Rn. 17).
Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit erfolgte erst am 17. November 2008 durch Dipl.-Med. M ... Der Kläger war jedoch nur bis zum 16. November 2008 nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Bis zu diesem Tag war die Arbeitsunfähigkeit durch Dipl.-Med. S. festgestellt, Krankengeld wurde durch die Beklagte entsprechend geleistet. Mit Ablauf des 16. November 2008 endete der Anspruch auf Krankengeld und damit auch die nach § 192 Abs. 1 Nr. 1 SGB V aufrecht erhaltene Mitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Bei der Feststellung der neuerlichen Arbeitsunfähigkeit am 17. November 2008 bestand lediglich eine Versicherung nach § 189 SGB V i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V, die jedoch nicht zum Bezug von Krankengeld berechtigt, da der Kläger zum Zeitpunkt der in Betracht kommenden Anspruchsentstehung kein Regelentgelt aus einer ausgeübten Erwerbstätigkeit erzielt hat (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 - Az.: B 1 KR 8/07 R; nach juris).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich bei dem 16. November 2008 um einen Sonntag gehandelt hat. Es kommt hierbei § 26 Abs. 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zur Anwendung, welcher bestimmt: Hat eine Behörde Leistungen nur für einen bestimmten Zeitraum zu erbringen, endet dieser Zeitraum auch dann mit dem Ablauf seines letzten Tages, wenn dieser auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt. Die Beklagte erbrachte Krankengeld bis zum 16. November 2008, mit Ablauf dieses Tages endete der Anspruch auf Krankengeld und damit auch die zum weiteren Bezug von Krankengeld berechtigende Versicherung.
Trotz der grundsätzlich strikten Anwendung des § 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V hat das BSG in engen Grenzen Ausnahmen anerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2005 - Az.: B 1 KR 30/04, nach juris Rn. 18 ff.). Hat der Versicherte (1.) alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, wurde er (2.) daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (z.B. durch die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Vertragsarztes und des MDK), und macht er (3.) seine Rechte bei der Kasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend, kann er sich auf den Mangel auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen (vgl. BSG, a.a.O.).
Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Der Kläger hat nicht alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren. Ausgangspunkt der Verteilung von Obliegenheiten und Risiken zwischen dem Versicherten und dem Versicherungsträger ist, dass der kraft des Mitgliedschaftsverhältnisses hierzu berechtigte Versicherte einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt aufzusuchen und seine Beschwerden zu schildern hat, um die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen (vgl. BSG, a.a.O.). Dies hat der Kläger nicht rechtzeitig, also spätestens am 16. November 2008, getan, obwohl es ihm möglich und zumutbar war. Nach Angaben der Dipl.-Med. S. war der Kläger vor sechs Jahren nicht so schwer erkrankt, dass er eine Praxis nicht hätte aufsuchen können. Im Extremfall hätte ein Hausbesuch bestellt werden müssen, was auch noch im Rahmen der notärztlichen Versorgung am Sonntag möglich gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger ab dem 17. November 2008 Anspruch auf Krankengeld gegenüber der Beklagten hat.
Der 1972 geborene Kläger war bei der D. T. AG als Callcenter-Agent tätig. Die Arbeitgeberin kündigte dem Kläger; im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs vom 3. April 2008 vor dem Arbeitsgericht Erfurt vereinbarten der Kläger und die Arbeitgeberin, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Oktober 2008 sein Ende finden werde. Der Kläger beantragte am 21. April 2008 bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland Rente wegen Erwerbsminderung wegen der bei ihm vorliegenden Alkoholerkrankung. Sie bewilligte ihm eine stationäre Entwöhnungsbehandlung, welche in der Zeit vom 14. Januar 2009 bis 31. März 2009 durchgeführt wurde.
Der Kläger stellte sich am 27. Oktober 2008 bei Dipl.-Med. S. vor. Diese bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bis zum 16. November 2008, einem Sonntag, mit der Diagnose: nicht näher bezeichneter Diabetes Mellitus, mit nicht näher bezeichneten Komplikationen, nicht als entgleist bezeichnet (E14.80 nach ICD10). Der Kläger stellte sich am 17. November 2008 bei Dipl.-Med. M. vor, da Dipl.-Med. S. selbst erkrankt war. Dipl.-Med. M. bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bis zum 21. November 2008 mit der Diagnose: akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet (J06.9). Am 24. November 2008 stellte sich der Kläger nunmehr wiederum bei Dipl.-Med. S. vor, welche Arbeitsunfähigkeit mit den Diagnosen Tachykardie, nicht näher bezeichnet (R00.0) sowie nicht näher bezeichneter Diabetes Mellitus, mit nicht näher bezeichneten Komplikationen, nicht als entgleist bezeichnet (E14.80), bescheinigte. Es erfolgten durch die Dipl.-Med. S. noch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis zum 14. Dezember 2008.
Mit Bescheid vom 19. Januar 2009 lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 17. November 2008 bis 21. November 2008 sowie vom 24. November 2008 bis 14. Dezember 2008 ab. Die zum Krankengeldbezug berechtigende Mitgliedschaft aus Beschäftigung habe zum 16. November 2008 geendet. Der hiergegen eingelegte Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30. April 2009).
Während des Klageverfahrens hat der Kläger geltend gemacht, dass es sich beim 16. November 2008 um einen Sonntag gehandelt habe, weswegen er sich erst am 17. November 2008 wieder in die Praxis der Dipl.-Med. S. begeben habe. Da diese selbst erkrankt war, musste er sich an die Vertretung Dipl.-Med. M. wenden, welche am 17. November 2008 fälschlicherweise eine Erstbescheinigung wegen Arbeitsunfähigkeit mit einer neuen Diagnose ausstellte. Das wahre Krankheitsbild des Klägers habe Dipl.-Med. M. zum damaligen Zeitpunkt nicht gekannt. Es liege somit ein Ausnahmefall vor, in dem die unterbliebene ärztliche Feststellung Arbeitsunfähigkeit ausnahmsweise rückwirkend nachgeholt werden könne. Das Sozialgericht hat bei Dipl.-Med. S. einen Befundbericht eingeholt, in welchem diese auf die Frage, ob die Alkoholerkrankung des Klägers so weit kompensiert war, dass er ab dem 17. November 2008 wieder arbeitsfähig war, angab: "eher nein!".
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. November 2010 abgewiesen. Die zum Krankengeldbezug berechtigende Mitgliedschaft aus Beschäftigung habe lediglich bis zum 16. November 2008 fortbestanden. Ab dem 17. November 2008 wäre der Kläger als Rentenantragsteller zwar bei der Beklagten krankenversichert gewesen, da er aber zum Zeitpunkt der in Betracht kommenden Anspruchsentstehung kein Regelentgelt aus einer neben dem Rentenbezug ausgeübten Erwerbstätigkeit erzielt habe, bestehe ein Anspruch auf Krankengeld nicht. Das Sozialgericht hat sich hierbei der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) angeschlossen (vgl. Urteil vom 26. Juni 2007 - Az.: B 1 KR 8/07 R; nach juris).
Im Berufungsverfahren verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er ist der Ansicht, dass durchgängig Arbeitsunfähigkeit aufgrund der bei ihm vorliegenden Alkoholerkrankung bestanden habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 22. November 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheids vom 19. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 30. April 2009 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 17. November 2008 bis 21. November 2008 sowie vom 24. November 2008 bis 14. Dezember 2008 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Entscheidung des Sozialgerichts nicht zu beanstanden sei.
Der Senat hat bei Dipl.-Med. S. sowie Dipl.-Med. M. Stellungnahmen eingeholt. Dipl.-Med. S. hat darüber hinaus auf Befragung durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 20. Januar 2014 mitgeteilt, dass der Kläger sicher fortlaufend erkrankt gewesen sei, die letzte Vorstellung aber am 27. Oktober 2008 erfolgt sei und der Kläger sich nicht um eine Folgebescheinigung gekümmert hätte. Eine Praxisvertretung sei immer angegeben, der Kläger hätte diese aufsuchen müssen. Im Nachgang könne zur Frage der Arbeitsunfähigkeit keine Aussage getroffen werden. Der Kläger hatte zwar keinen gut eingestellten Blutzucker, aber von einer akuten Gefährdung könne nicht ausgegangen werden. Ansonsten sei der Kläger vor sechs Jahren nicht so schwer erkrankt gewesen, dass er eine Praxis nicht hätte aufsuchen können, im Extremfall hätte ein Hausbesuch bestellt werden müssen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der geheimen Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund des ausdrücklich erklärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Kläger ab dem 17. November 2008 keinen Anspruch auf Krankengeld hat.
Nach § 44 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Die hier allein in Betracht kommende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2001 - Az.: B 1 KR 30/00 R, nach juris Rn. 13). Gibt er nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die zuletzt innegehabte Arbeitsstelle auf, ändert sich der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist; der Versicherte darf dann auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krankengelds eng zu ziehen ist (vgl. BSG, a.a.O.).
Der Senat kann offen lassen, ob der Kläger ab dem 17. November 2008 arbeitsunfähig war und auf welcher Diagnose dies beruhte. Ein Anspruch auf Krankengeld kommt bereits deswegen nicht in Betracht, weil es an der rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit fehlt. Diese erfolgte erst zu einem Zeitpunkt, als der Kläger nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert war.
Nach § 46 Abs. 1 SGB V entsteht der Anspruch auf Krankengeld bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an (Nr. 1) und im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (Nr. 2). Für die Zeit ab dem 17. November 2008 kommt nur § 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V in Betracht. Mit dem Erfordernis vorgeschalteter ärztlich festzustellender Arbeitsunfähigkeit sollen beim Krankengeld Missbrauch und praktische Schwierigkeiten vermieden werden, zu denen die nachträgliche Behauptung der Arbeitsunfähigkeit und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten (vgl. zur Vorgängervorschrift BSG, Urteil vom 18. März 1966 - Az.: 3 RK 58/62, nach juris Rn. 16.) Die Regelung soll die Krankenkasse davon freistellen, die Voraussetzungen im Nachhinein aufklären zu müssen, und ihr so die Möglichkeit erhalten, die Arbeitsunfähigkeit zeitnah durch den MDK überprüfen zu lassen, um Leistungsmissbräuchen entgegenzutreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2005 - Az.: B 1 KR 30/04, nach juris Rn. 17).
Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit erfolgte erst am 17. November 2008 durch Dipl.-Med. M ... Der Kläger war jedoch nur bis zum 16. November 2008 nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Bis zu diesem Tag war die Arbeitsunfähigkeit durch Dipl.-Med. S. festgestellt, Krankengeld wurde durch die Beklagte entsprechend geleistet. Mit Ablauf des 16. November 2008 endete der Anspruch auf Krankengeld und damit auch die nach § 192 Abs. 1 Nr. 1 SGB V aufrecht erhaltene Mitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Bei der Feststellung der neuerlichen Arbeitsunfähigkeit am 17. November 2008 bestand lediglich eine Versicherung nach § 189 SGB V i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V, die jedoch nicht zum Bezug von Krankengeld berechtigt, da der Kläger zum Zeitpunkt der in Betracht kommenden Anspruchsentstehung kein Regelentgelt aus einer ausgeübten Erwerbstätigkeit erzielt hat (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 - Az.: B 1 KR 8/07 R; nach juris).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich bei dem 16. November 2008 um einen Sonntag gehandelt hat. Es kommt hierbei § 26 Abs. 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zur Anwendung, welcher bestimmt: Hat eine Behörde Leistungen nur für einen bestimmten Zeitraum zu erbringen, endet dieser Zeitraum auch dann mit dem Ablauf seines letzten Tages, wenn dieser auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt. Die Beklagte erbrachte Krankengeld bis zum 16. November 2008, mit Ablauf dieses Tages endete der Anspruch auf Krankengeld und damit auch die zum weiteren Bezug von Krankengeld berechtigende Versicherung.
Trotz der grundsätzlich strikten Anwendung des § 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V hat das BSG in engen Grenzen Ausnahmen anerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2005 - Az.: B 1 KR 30/04, nach juris Rn. 18 ff.). Hat der Versicherte (1.) alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, wurde er (2.) daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (z.B. durch die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Vertragsarztes und des MDK), und macht er (3.) seine Rechte bei der Kasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend, kann er sich auf den Mangel auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen (vgl. BSG, a.a.O.).
Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Der Kläger hat nicht alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren. Ausgangspunkt der Verteilung von Obliegenheiten und Risiken zwischen dem Versicherten und dem Versicherungsträger ist, dass der kraft des Mitgliedschaftsverhältnisses hierzu berechtigte Versicherte einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt aufzusuchen und seine Beschwerden zu schildern hat, um die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen (vgl. BSG, a.a.O.). Dies hat der Kläger nicht rechtzeitig, also spätestens am 16. November 2008, getan, obwohl es ihm möglich und zumutbar war. Nach Angaben der Dipl.-Med. S. war der Kläger vor sechs Jahren nicht so schwer erkrankt, dass er eine Praxis nicht hätte aufsuchen können. Im Extremfall hätte ein Hausbesuch bestellt werden müssen, was auch noch im Rahmen der notärztlichen Versorgung am Sonntag möglich gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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