S 4 SO 1672/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 1672/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für die Erstattungspflicht nach § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII sind Zwischenaufenthalte im Ausland nicht relevant.
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die von ihr für den Zeitraum vom 06.11.2012 bis 31.03.2013 erbrachten Leistungen für Herrn G. in Höhe von 8.926,19 EUR zu erstatten. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Die Berufung wird zugelassen. 4. Der Streitwert wird endgültig auf 8.926,19 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Kosten für die sozialhilferechtliche Unterbringung des Herrn G. gemäß den §§ 67 ff. SGB XII im Streit.

Die Beklagte übernahm bezüglich G. mit Vereinbarung vom 13.03.2012 gegenüber dem ... Verein für e.V. die Kostentragung für betreutes Wohnen für ehemals nicht Sesshafte. Datum der Ersteinweisung war der 24.02.2012. Diese Zusicherung der Kostentragung wurde mit Schreiben vom 07.05.2012 bis zum 03.11.2012 ausgedehnt. Untergebracht war G. in einer Wohnung des Vereins in der J-str. 11 in F.

G. teilte seinem Sozialarbeiter Gl. mit, dass er Ende September 2012 bis Anfang Ok-tober 2012 einen Freund in Holland besuchen wolle. Am 01.11.2012 erhielt Gl. einen Anruf von G., dass er in Holland gewesen und nach Frankreich weitergereist sei. Dort habe er gesundheitliche Probleme mit seinen Beinen bekommen und sei deshalb noch nicht zurückgekehrt. Er wolle aber in den nächsten Tagen zurück nach F. kommen.

G. meldete sich dann jedoch entgegen seiner Ankündigung nicht bei Gl.; dieser teilte der Beklagten mit, dass G. seine Wohnung komplett eingerichtet und in ordentlichem und sauberem Zustand hinterlassen habe, so dass die Wohnung sofort weiter vermietet werden könne. Es sei unbekannt, ob G. seine persönlichen Sachen aus der Wohnung geholt habe.

G. sprach stattdessen am 06.11.2012 bei der Klägerin vor und beantragte die Ge-währung von Leistungen nach §§ 67 ff. SGB XII im stationären Bereich des Wohnheims in B. In seinem Antrag gab er an, in Frankreich in einer Einrichtung der Wohnungslosenhilfe gewohnt zu haben. Die Klägerin gewährte G. die begehrten Leistungen, welche sich für den Zeitraum vom 06.11.2012 bis 31.03.2013 auf Kosten in Höhe von 8.926,19 EUR summierten.

G. wurde von einer Mitarbeiterin des Wohnheims in B. nach den Gründen für seinen Ortswechsel befragt. Gemäß Aktennotiz der Mitarbeiterin C. habe er angegeben, es in der Wohnung in der J-str. in F. nicht mehr ausgehalten zu haben. Es handele sich hier um ein achtstöckiges Hochhaus, in welchem zwischen 70 und 100 Menschen lebten, welche überwiegend krank seien. Mehrmals in der Woche fahre der Krankenwagen vor, es würden Dinge aus dem Fenster geworfen und dergleichen. Außerdem habe er sich einsam gefühlt. Sein Ziel sei Frankreich gewesen, von dort sei er jedoch wieder weggezogen, da er sich benachteiligt gefühlt habe. In Frankreich sei er vom 01.10.2012 bis zum 05.11.2012 gewesen. In B. sei er deshalb, da er hier in der Nähe seines Sohnes (17 Jahre) sein wolle, welcher sich in O. in einer Pflegefamilie befinde. Er habe allerdings keine genaue Adresse, und der letzte Kontakt sei vor 16 Jahren gewesen.

Mit Schreiben vom 13.12.2012 versandte die Klägerin die Antragsunterlagen betreffend die Leistungen an G. an die Beklagte gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII zur weiteren Bearbeitung, da G. vor seiner Aufnahme im Wohnheim in B. seinen gewöhnlichen Aufenthalt in F. gehabt habe. Die Beklagte holte durch ihren Mitarbeiter K. weitere Erkundigungen durch ein Telefonat mit G. am 20.12.2012 ein. Gemäß einer E-Mail des Mitarbeiters K. habe G. die Auskunft gegeben, dass er sich Ende September nach Frankreich begeben und dies als Umzug gegenüber seinem Rentenversicherungsträger angezeigt habe. Die Rente sei dann auch nach Frankreich überwiesen worden. Er habe über einen befreundeten Sozialarbeiter auf einem Hof in der Nähe von Marseilles eine Arbeit als Erntehelfer bei der Lavendelernte erhalten, wo ihm auch eine Wohnung gestellt worden sei. Bei seiner Rückkehr aus Frankreich habe er sich dann in B. gemeldet, damit er wieder unter Leute komme. Er habe festgestellt, dass das Alleinewohnen nichts für ihn sei. Die Wohnung in F. habe er zum 01.10.2012 schriftlich gekündigt und über einen Freund die Schlüssel an den Vermieter, die Wohnheim GmbH, abgegeben. Nach F. habe er nicht zurückkehren wollen.

Im Hinblick auf dieses Telefonat antwortete die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 07.01.2013, dass wegen der fehlenden Rückkehrabsicht des G. bei seinem Wegzug der gewöhnliche Aufenthalt in F. aufgegeben worden sei und ein gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland begonnen habe. G. habe sich aufgrund europäischer Freizügigkeitsregelungen legal ohne Aufenthaltsbefristung in Frankreich aufgehalten, weswegen dort der gewöhnliche Aufenthalt i.S. von § 30 SGB I zu sehen sei. Eine eigene Zuständigkeit werde abgelehnt.

Daraufhin kontaktiert die Klägerin ihrerseits G. und bat diesen um nähere Auskünfte. Dieser teilte über die Sozialarbeiterin F. der Klägerin Folgendes mit:

"Sehr geehrter Herr H., hiermit gebe ich Folgendes an. Ich habe meine Wohnung in der J-str. in F. am 27.09. oder 28.09.2012 verlassen. Ein Freund, dessen Namen ich nicht nennen möchte, hat mich mit dem Auto mit nach Straßburg genommen. Während dieser Autofahrt habe ich die Kündigung der Wohnung zum 01.10.2012 geschrieben und ihm, zusammen mit dem Wohnungsschüssel, mitgegeben. Von Straßburg bin ich mit dem Nachtzug nach Marseilles gefahren. Dort befand ich mich für drei bis vier Tage in einer Notübernachtung, welche tagsüber abgeschlossen ist. Ein dort arbeitender Sozialarbeiter hat mich in eine Einrichtung in der Nähe von Rogues vermittelt. Leider weiß ich nicht mehr wie diese Einrichtung genau heißt. Dort konnte ich schlafen, essen und arbeiten. Am 04.11.2012 habe ich diese Einrichtung verlassen. Ich trampte nach Lyon und fuhr von dort mit dem Zug nach Straßburg und dann nach A ... In A. machte ich eine Nacht "Platte" und fuhr dann mit dem Zug nach B ... Am 06. 11.2012 wurde ich dort aufgenommen."

Mit Bescheid vom 20.02.2013 bewilligte die Klägerin G. ab dem 06.11.2012 Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gemäß § 67 SGB XII im stationären Bereich des Übernachtungsheims in B.

Mit weiterem Schreiben vom 20.02.2013 widersprach die Klägerin der Rechtsauffas-sung der Beklagten. G. habe Ende September 2012 F. verlassen, im maßgeblichen Zwei-Monats-Zeitraum nach § 98 Abs. 2 SGB XII jedoch weder in Frankreich noch in Deutschland einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Ein Aufenthalt in Frankreich könne nicht für die Zuständigkeitsregelung in Deutschland maßgebend sein. Somit habe G. im maßgeblichen Zwei-Monats-Zeitraum seinen gewöhnlichen Aufenthalt in F. gehabt, weswegen die dortige Zuständigkeit anzunehmen sei und ein Kostenerstattungsanspruch nach § 106 SGB XII geltend gemacht werde.

Mit Schreiben vom 18.03.2013 lehnte die Beklagte erneut ihre Zuständigkeit ab.

Deswegen hat die Klägerin am 06.05.2013 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Nach § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB XII habe der nach § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII zuständige Träger der Sozialhilfe dem nach § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII vorläufig leistenden Träger die Kosten zu erstatten. Unstreitig sei, dass G. mindestens bis zum 27.09.2012 seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei der Beklagten gehabt habe. Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I habe jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhalte, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweile. Ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt sei nicht erforderlich. Der Hilfesuchende müsse sich an einem Ort "bis auf Weiteres" i.S. eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhalten und an diesem Ort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen haben. Diese Voraussetzung sei vorliegend gegeben, zumal G. seinerzeit eine eigene Wohnung in der J-str. in F. gehabt habe. Nachdem G. bereits am 06.11.2012 wieder nach Deutschland zurückgekehrt sei, stehe fest, dass er sich innerhalb des Zeitraums von zwei Monaten gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII nach B. be-geben habe und die Beklagte zur Kostenerstattung verpflichtet sei. Die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob in Frankreich ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet worden sei, sei rechtlich unerheblich. Denn nach § 98 Abs. 2 SGB XII komme es ausschließlich darauf an, ob der Betroffene in der rechtserheblichen Zeit einen rechtlich relevanten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt habe (mit Hinweis auf Raabe in Fichtner/Wenzel SGB XII § 98 Randnr. 11). Ein gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland sei für die Zuständigkeit in Deutschland nicht maßgebend. Hierauf habe der überörtliche Träger der Sozialhilfe ausdrücklich hingewiesen. Für den Fall, dass diese Rechtsauffassung nicht geteilt werde, komme eine eigene Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in Betracht, die entsprechend angeregt wurde.

Die Klage war ursprünglich als Leistungsklage hinsichtlich bereits angefallener Kosten und als Feststellungsklage bezüglich der noch entstehenden Kosten erhoben worden. Die Beteiligten haben hierzu in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend zu Protokoll gegeben, dass im vorliegenden Verfahren im Sinne eines Musterverfahrens lediglich der ursprüngliche Klageantrag Ziff. 1 betreffend den Zeitraum 06.11.2012 bis 31.03.2013 in Höhe von 8.926,19 EUR verfolgt werden soll und die Beklagte sich, soweit Anträge der Klägerin bis zum Datum der Klageeinreichung (08.05.2013) noch nicht verjährt, verwirkt oder verspätet gestellt worden sind, ab diesem Datum hierauf nicht mehr berufen wird.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr die von ihr für den Zeitraum vom 06.11.2012 bis zum 31.03.2013 erbrachten Leistungen für Herrn G. in Höhe von 8.926,19 EUR zu erstatten und die Berufung zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und gegebenenfalls ebenfalls die Berufung zuzulassen.

Der gewöhnliche Aufenthalt von G. sei zuletzt im französischen Ausland gewesen, da die Wohnung in F. bereits zum 01.10.2012 gekündigt und der Schlüssel zurückgegeben worden sei. Ein Rückkehrwille habe nicht bestanden. Zwar sei einzuräumen, dass im Laufe der letzten zwei Monate vor Aufnahme in die Einrichtung in B. ein gewöhnlicher Aufenthalt in F. noch zeitweise existierte, doch habe es sich bei diesem keinesfalls um den letzten gewöhnlichen Aufenthalt vor der Aufnahme gehandelt. Die Vorschrift des § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII gehe somit ins Leere, da ein erheblicher gewöhnlicher Aufenthalt unmittelbar vor der Einrichtungsaufnahme nicht feststellbar sei, da dieser sich im Ausland befunden habe. Folgerichtig sei subsidiär auf § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, mithin auf den tatsächlichen Aufenthalt abzustellen, welcher im Bereich der Klägerin liege (mit Hinweis auf Schellhorn, SGB XII, § 98 Randnr. 44). Dieser wortlautgetreuen Auslegung stehe auch nicht der Sinn und Zweck der Vorschrift im Hinblick auf den Schutz der Einrichtungsorte entgegen. Vielmehr sorge hier § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB XII nach dem Willen des Gesetzgebers bereits für diesen notwendigen Schutz, in dem die Vorschrift eine Erstattungspflicht des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe anordne.

Mit Beschluss vom 20.09.2013 ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe zum Verfahren beigeladen worden.

Nach Akteneinsichtnahme vertritt der Beigeladene die Auffassung, dass G. wohl in Frankreich herumgezogen sei. Die Frage, ob hier ein gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland begründet worden sei, habe im Rahmen des § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII jedoch keine rechtliche Relevanz, da Geltungsbereich des SGB XII die Bundesrepublik Deutschland sei, § 30 Abs. 1 SGB I. Aus dem Wortlaut des § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII ergebe sich, dass lediglich der gewöhnliche Aufenthalt im Bereich eines örtlichen Trä-gers der Sozialhilfe wesentlich sei.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Akten des SG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat unstreitig Leistungen in der geltend gemachten Höhe nach den §§ 67 ff. SGB XII erbracht, für die sie auch abschließend nach der allgemeineren Regelung des § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII die Kosten zu tragen hätte, sofern nicht ein anderer vorrangig zuständiger Leistungsträger vorhanden ist. Eine solche vorrangige Spezialregelung findet sich in § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII, wonach für die stationäre Leistung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig ist, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. In diesem Fall sieht § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB XII vor, dass der nach § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII zuständige Träger der Sozialhilfe dem nach § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII vorläufig leistenden Träger die aufgewendeten Kosten zu erstatten hat.

"Stationäre Leistungen" im Sinne von § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII liegen hier vor, weil es sich bei der Aufnahme in das Wohnheim in B. um eine ganztägige Betreuung im Sinne dieser Vorschrift handelt. G. wurde im stationären Bereich der Einrichtung auf-genommen, welcher über die Schlafmöglichkeit hinaus eine ganztägige Unterstützung und Betreuung ermöglicht (vgl. Bl. 10 ff., Bl. 43 der Verwaltungsakte der Klägerin). Die Voraussetzungen einer vollstationären Betreuung im Sinne von § 13 SGB XII liegen vor und werden G. aktuell auch gewährt (vgl. hierzu Hohm in Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl. 2010, § 98 SGB XII Rn. 30 ff., 43).

Zwischen den Beteiligten ist weiterhin unstreitig, dass G. innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII vor seiner Antragstellung in B. einen gewöhnlichen Aufenthalt in F. im Zuständigkeitsbereich der Beklagten hatte; denn der letzte Aufenthalt in F. erfüllte ohne Zweifel die Voraussetzungen für einen gewöhnlichen Aufenthalt nach § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I, da der Aufenthalt von Dauer war und erkennen ließ, dass G. sich dort nicht nur vorübergehend aufhielt. Die Zwei-Monats-Frist ist gewahrt, weil G. F. frühestens - die Angaben hierzu schwanken geringfügig - am 27.09.2012 verlassen und bereits am 06.11.2012 seinen Antrag bei der Klägerin gestellt hat.

Die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte sind daher dem Grunde nach erfüllt. Insbesondere ist auch die Sonderregelung des § 14 SGB IX nicht einschlägig, da es sich vorliegend nicht um Teilhabeleistungen im Sinne der §§ 4 ff. SGB IX handelt. Auch insoweit dürfte indes § 14 SGB IX, seine Anwendbarkeit unterstellt, vorliegend kein anderes Ergebnis rechtfertigen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.07.2012 - L 2 SO 2400/10).

Der gegen die Klageforderung gerichtete Vortrag der Beklagten, dass G. seinen ge-wöhnlichen Aufenthalt in F. mit dem Verlassen seiner Wohnung aufgegeben habe und einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich begründet habe, steht der Klageforderung nicht entgegen, weil es hierauf nach den oben genannten Vorschriften nicht ankommt. Abgesehen hiervon hält die Kammer es auch für erwiesen, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt in Frankreich nicht vorlag, so dass auch ausgehend von der Rechtsansicht der Beklagten die Klage Erfolg haben musste.

Liegen - wie vorliegend - die Voraussetzungen einer stationären Leistung in einer Einrichtung vor, bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit danach, wo der Leistungs-empfänger zum Zeitpunkt der Aufnahme oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat. Der Ort des tatsächlichen Aufenthalts, also der Ort der Einrichtung, ist grundsätzlich ohne Bedeutung, was die Einrichtungsorte vor einer übergebührlichen Inanspruchnahme schützt. Abzustellen ist auf den gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Aufnahme, oder – für den Fall dass eine solcher nicht besteht – auf den letzten innerhalb der letzten zwei Monate bestehenden gewöhnlichen Aufenthalt. Zweck dieser Regelung ist die unmittelbare Entlastung der Träger am Einrichtungsort (Söhngen in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 98 SGB XII Rn. 21, 34). Die so geregelte Sonderzuständigkeit soll Leistungsträger, die ein gutes und breites Angebot zur Versorgung hilfebedürftiger Menschen vorhalten, vor ungerechtfertigten Kosten schützen (Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 98 Rn. 19 mit Hinweis auf Josef/Wenzel, NDV 2007,87). Andererseits ist auch zu beachten, dass dem Grunde nach in § 98 Abs. 1 SGB XII für das Außenverhältnis weiterhin vorrangig an das Aufenthaltsprinzip angeknüpft wird, damit der Hilfesuchende schnelle und effektive Hilfe in einer gegenwärtigen Notlage erhält und nicht durch den Hinweis auf andere Zuständigkeiten vertröstet werden kann (Söhngen a.a.O. Rn. 20).

Ausgehend von diesen Regelungszwecken kann einer Leistungspflicht nach § 98 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB XII nicht ein Aufenthalt im Ausland und die hieraus ggf. folgende Zuständigkeit eines Trägers im Ausland entgegengehalten werden. Der vorliegende Regelungskomplex soll einen gerechten und angemessenen Leistungsausgleich zwischen möglichen Kostenträgern im Inland schaffen, weswegen Leistungsträger im Ausland außer Acht zu bleiben haben. Das SGB XII verpflichtet gemäß den §§ 12 ff. SGB I keine Träger im Ausland, und überhaupt gilt das Sozialgesetzbuch grundsätzlich - Ausnahmen sind hier nicht einschlägig - nur für Sozialrechtsverhältnisse im Inland, § 30 Abs. 1 SGB I.

Demnach kommt es nicht darauf an, ob G. zu einem bestimmten Zeitpunkt die Absicht hatte, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in F. bei seinem Aufbruch von dort ab dem 27.09.2012 zu beenden, und ob er in der Folge einen gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich begründet hat. Die ansonsten naheliegende Möglichkeit, G. als Zeugen zu den genauen Umständen seiner Ortsveränderungen von September bis November 2012 zu befragen, war daher nicht näher in Betracht zu ziehen. Lediglich zur Ergänzung sei dennoch darauf hingewiesen, dass sich aus den schriftlichen und mündlichen Einlassungen des G., wie sie in den Verwaltungsakten der beiden Beteiligten dokumentiert sind, keine überzeugenden Anhaltspunkte für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in Frankreich oder eine dementsprechende Absicht des G. entnehmen lassen. Der G. hatte in Frankreich offenbar kein festes Ziel vor Augen, da er zunächst nach Holland und dann erst nach Frankreich fuhr. Auch in Frankreich hielt er sich an zwei verschiedenen Orten auf. Die einzige von ihm verrichtete Tätigkeit war die - schon der Natur der Sache nach - befristete Tätigkeit als Helfer bei der Lavendelernte. Den Einlassungen des G. nach wollte dieser am ehesten den als trist empfundenen Wohnverhältnissen in F. entfliehen, ohne dass es hierfür eines bestimmten Ziels bedurfte. Von Sprachkenntnissen des G., welche ihm einen Aufenthalt dort möglicherweise erleichtert hätten, ist nichts bekannt. Freunde oder Bekannte vor Ort hat G. jedenfalls nicht angegeben. Der Umstand, dass er der Rentenversicherung seinen Umzug gemeldet hat, könnte alleine darin seine Erklärung finden, dass es dem G. um den unterbrechungslosen Weiterbezug seiner geringen Rente ging. Bei einer Gesamtbetrachtung der mindestens vier Ortsveränderungen des G. von September bis November 2012 liegt es fern, dass in diesen knapp sechs Wochen ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne von § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I begründet worden ist.

Eher anzunehmen als ein gewöhnlicher Aufenthalt in Frankreich im Sinne von § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB I ist demgegenüber, dass der G. seinen alten gewöhnlichen Aufenthalt in F. ab dem 27.09.2012 beendet hatte, weil er seine Wohnung dort zum 01.10.2012 gekündigt hatte. Allein dies befreit die Beklagte jedoch nach dem klaren Wortlaut von § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII nicht aus ihrer Kostentragungsverpflichtung gegenüber der Klägerin.

Selbst wenn jedoch ein gewöhnlicher Aufenthalt in Frankreich begründet worden wäre, hätte dies im Rahmen des hier erhobenen Anspruchs außer Betracht zu bleiben, da es bei einer Prüfung der Zuständigkeit nach § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII nicht auf einen ausländischen gewöhnlichen Aufenthalt ankommen kann. Bereits oben wurde aufgezeigt, dass die Vorschriften der § 98 Abs. 1 Satz 1 und § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII für eine solche Konstellation nicht ausgelegt sind. Anderenfalls ergäben sich schwierige Ermittlungs- und Auslegungsprobleme, da regelmäßig Sachverhalte im Ausland dahingehend zu beurteilen wären, wer im Inland der letztlich zuständige Kostenträger ist. Eine solche Komplikation ist nach den oben genannten Zielsetzungen der einschlägigen Vorschriften ersichtlich vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt und auch unter Berücksichtigung des Gesamtkomplexes der oben genannten Regelungen nicht sinnvoll.

Schließlich überzeugt auch nicht die Argumentation, die Vorschrift des § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII gehe ins Leere, wenn ein erheblicher gewöhnlicher Aufenthalt unmittelbar vor der Einrichtungsaufnahme nicht feststellbar sei, weil dieser sich im Ausland befunden habe, so dass folgerichtig subsidiär auf § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, mithin auf den tatsächlichen Aufenthalt abzustellen sei, welcher im Bereich der Klägerin liege. Denn auch in dieser Konstellation ergibt sich dem Wortlaut nach bei Einhaltung der Zwei-Monats-Frist ein letzter gewöhnlicher Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Die Vorschrift greift somit nicht ins Leere, sondern täte dies nur, wenn man der Argumentationslinie der Beklagten folgen wollte, was jedoch auch aus diesem Grund nicht veranlasst erscheint. Der Schutzzweck der Vorschrift des § 98 Abs. 2 SGB XII greift entgegen der Auffassung der Beklagten gleichermaßen, wenn innerhalb der Zwei-Monats-Frist der Vorschrift Ortsveränderungen im Inland oder im Ausland stattfanden; denn hierfür macht es aus Sicht des schutzbedürftigen Trägers keinen Unterschied, wo der Hilfebedürftige sich vor der letzten Antragstellung befand.

Soweit die Beklagte sich durch diesen Vortrag allgemein auf eine Unterbrechung des Sozialrechtsverhältnisses durch den Auslandsaufenthalt berufen will, ist auf die Son-derregelung in § 24 SGB XII und die hierzu ergangene Rechtsprechung (etwa BVerwGE 51, 145) zu verweisen. Die hiernach mögliche Unterbrechung der Leis-tungszuständigkeit des inländischen Sozialhilfeträgers gilt jedoch ausschließlich für den auslandsbezogenen Bedarf und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht ein-schlägig (vgl. Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand VIII/13, § 98 Rn. 29), zumal es sich bei der Regelung in § 98 Abs. 2 SGB XII um die als Spezialnorm vorrangige Regelung handeln dürfte.

Sofern die Beklagte schließlich die Auffassung vertreten sollte, dass für Übertritte aus dem Ausland eine für sie unzumutbare Belastung vorliegt, ist zunächst auf die sach-gerecht erscheinende Begrenzung ihrer Inanspruchnahme durch den Zwei-Monats-Zeitraum in § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII hinzuweisen. Außerdem ist durch die Son-derregelung in § 108 SGB XII - die indes nicht für im Inland geborene Personen wie G. gilt, Abs. 1 Satz 3 der Vorschrift - gewährleistet, dass ein Zuzug aus dem Ausland nicht zur unzumutbaren Belastung einzelner Sozialleistungsträger führt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 161 Abs.1, 154 Abs. 1 VwGO.

Die Berufung wurde aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Die grundsätzliche Bedeutung beruht auf der im Gesetz nicht eindeutig geregelten Frage, ob ein gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland Auswirkungen auf die Erstattungsregelungen in § 98 Abs. 2 SGB XII hat.

Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Er bemisst sich für die Leistungsklage auf den bezifferten Betrag von 8.926,19 EUR.
Rechtskraft
Aus
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