L 11 AS 452/14 B PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 14 AS 810/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 452/14 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Im Widerspruchsbescheid muss erkennbar sein, ob der Adressat des Widerspruchsbescheides Widerspruchsführer oder lediglich dessen Bevollmächtigter ist.
Die Beschwerden der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.04.2014 werden zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Bewilligung von Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab 01.06.2013 an den Kläger zu 2) im Rahmen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft mit der Klägerin zu 1) und deren Kinder.
Die Klägerin zu 2) und ihre beiden bzw. eines ihrer beiden Kinder beziehen Alg
II. Gegen den Änderungsbescheid vom 12.08.2013 für die Zeit ab 01.04.2013 bzw. ab 01.07.2013 - gerichtet an die Klägerin und ihre beiden Kinder - hat sie Widerspruch erhoben, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden ist. Am 24.03.2013 zog der Kläger zu 2) - er ist rumänischer Staatsanghöriger - zur Klägerin zu 1). Es bestand die Absicht zur Heirat und der Kläger zu 2) wollte Arbeit in Deutschland suchen. Nach Ablehnung der Erbringung von Alg II gegenüber dem Kläger zu 2) für die ersten drei Monate beantragte dieser unter Bevollmächtigung der Klägerin zu 1) ab 01.06.2013 erneut Alg II im Rahmen der mit der Klägerin zu 1) bestehenden Bedarfsgemeinschaft. Mit an den Kläger zu 2) adressierten Bescheid vom 27.06.2013 lehnte dies der Beklagte ab, der Kläger zu 2) halte sich nur zum Zwecke der Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland auf. Gegen den Ablehnungsbescheid vom 27.06.2013 legte der Kläger zu 2) - vertreten durch die Klägerin zu 1) ("wegen meines Partners") Widerspruch ein. Er halte sich nicht nur zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland auf. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.07.2013 zurück. Der Widerspruch war an die Klägerin zu 1) adressiert. Er ergehe auf den Widerspruch der Klägerin zu 1) hin gegen den Bescheid vom 27.06.2013. Ein Anspruch des Lebensgefährten (des Klägers zu 2)) der Widerspruchsführerin (der Klägerin zu 1)) auf Alg II bestehe nicht. Im Rahmen des Widerspruchsbescheides wurde die Klägerin zu 1) als Widerspruchsführerin, der Kläger zu 2) als Herr C., Partner der Widerspruchsführerin aber auch als Widerspruchsführer bezeichnet.
Gegen den Bescheid vom 27.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2013 hat die Bevollmächtigte die Klägerin zu 1) Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben und die Verurteilung des Beklagten zu Leistungen an die "Klägerin" beantragt. Zudem hat die Bevollmächtigte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt. Die Klägerin sei in ihren Rechten verletzt. Der "Zeuge" C. (Kläger zu 2)) besuche einen Sprachkurs und beabsichtige die Eheschließung mit der Klägerin zu 1). Auf Nachfrage des Gerichts wegen der alleinigen Klageerhebung durch die Klägerin zu 1) und Hinweis auf eine zwischenzeitlich eventuell abgelaufene Klagefrist für den Kläger zu 2) erklärte die Bevollmächtigte der Klägerin zu 1), Adressat des Widerspruchsbescheides sei die Klägerin zu 1) gewesen, eine Verbescheidung des Widerspruches des Klägers zu 2) sei noch nicht erfolgt, so dass eine Klagefrist nicht versäumt sein könne; hilfsweise werde Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt. Der Kläger zu 2) trete dem Rechtsstreit bei und begehre ebenfalls die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Der Beklagte teilte mit, der Widerspruchsbescheid sei nicht an beide Kläger adressiert gewesen, da der Kläger zu 2) Antrag auf Leistung im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin zu 1) gestellt habe. Da der Kläger zu 2) zur Bedarfsgemeinschaft gehöre, sei die Klägerin zu 1) insofern beschwert, dass sie und ihre beiden Kinder nur 3/4 der Unterkunfts- und Heizungskosten erhielten.
Das SG hat mit Beschluss vom 22.04.2014 den Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Eine hinreichende Erfolgsaussicht bestehe nicht. Die Klage der Klägerin zu 1) sei zwar zulässig, aber nicht begründet, denn ein Anspruch auf höhere Leistungen bestehe nicht. Die Klage des Klägers zu 2) hingegen sei wegen Verfristung unzulässig. Der Widerspruchsbescheid vom 24.07.2013 sei mit Zugang an die Klägerin zu 1) auch dem Kläger zu 2) zugegangen. Er sei mit Bekanntgabe an die Klägerin zu 1) auch dem Kläger zu 2) zugegangen. Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand komme nicht in Betracht, da § 38 I SGB II nicht auf das Klageverfahren Anwendung finde. Die Frist sei daher schuldhaft versäumt.
Dagegen haben die Kläger Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben. Hinsichtlich der Klägerin zu 1) habe das SG die Hauptsache vorweg genommen und sich nicht auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten beschränkt. Die Klage des Klä- gers zu 2) sei nicht verfristet, denn es könne nicht zu seinen Lasten gehen, dass der Widerspruchsbescheid ihn gegenüber nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden sei. Im Übrigen habe der Kläger zu 2) die Klägerin zu 1) auch von Anfang an mit der Erhebung der Klage beauftragt gehabt.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ( §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG - ) ist zulässig, aber nicht begründet. Im Ergebnis zutreffend hat das SG die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Die Klägerin zu 1) hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, denn ihr kann aufgrund des streitgegeständlichen Bescheides vom 27.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2013 keine höhere Leistung gewährt werden. Die Klage des Klägers zu 2) auf höhere Leistungen an die Klägerin zu 1) ist unzulässig.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R (Rn.26) - SozR 3-1500 § 62 Nr.19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH- Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. § 73a Rn.7). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im PKH- Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als "schwierig" erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 (Rn. 29) - BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - NJW 2008, 1060ff).

Vorliegend hat die Bevollmächtigte der Klägerin zu 1) ausdrücklich die Aufhebung des Bescheides vom 27.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2013 und die Verurteilung des Beklagten zu Leistungen an die Klägerin zu1) begehrt. Diesen Klageantrag hat sie bis heute nicht umgestellt.

Über Leistungen an die Klägerin zu 1) hat jedoch der Bescheid vom 27.06.2013 eindeutig nicht entschieden. Dieser Bescheid regelt allein einen Anspruch des Klägers zu 2). Hinsichtlich der ab 01.04.2013 bzw. ab 01.07.2013 an die Klägerin zu 1) zu erbringenden Leistungen hat sie gegen den vorläufig bewilligenden Bescheid vom 31.05.2013 keinen Rechtsbehelf eingelegt. Gegen den/die Bescheid(e) vom 12.08.2013 hat sie jedoch Widerspruch erhoben. Hierüber ist nach Aktenlage noch nicht entschieden. Diese Bescheide sind jedoch nicht Gegenstand der ausdrücklich gegen den Bescheid vom 27.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24.07.2013 erhobenen Klage.

Allerdings ist an die Klägerin zu 1) der Widerspruchsbescheid vom 24.07.2013 bekannt gegeben worden. In diesem Widerspruchsbescheid ist sie als Widerspruchsführerin bezeichnet worden. Tatsächlich war die Klägerin zu 1) im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 27.06.2013 lediglich als gewillkürte Bevollmächtigte des Klägers zu 2) aufgetreten, eine schriftliche Vollmacht hat vorgelegen. Sie hat auch ausdrücklich wegen des "Partners" Widerspruch gegen Bescheid vom 27.06.2013 erhoben. Damit aber ist sie nicht gemäß § 38 SGB II, sondern als Vertreterin des Klägers zu 2) aufgetreten, so dass allein dieser, vertreten durch seine Bevollmächtigte, die Klägerin zu 1) - Widerspruch erhoben hat. Ein eigenes Widerspruchsverfahren der Klägerin zu 1) liegt nicht vor, zumal ihre Ansprüche durch den Bescheid vom 27.06.2013 nicht geregelt werden. Damit aber hätte an sie als Widerspruchsführerin kein Widerspruchsbescheid ergehen dürfen, sondern allenfalls an sie als Bevollmächtigte des Klägers zu 2). Somit ist der an sie bekannt gegebene und sie als Widerspruchsführerin bezeichnende Widerspruchsbescheid vom 24.07.2013 zu Unrecht ergangen, er ist aufzuheben. Allerdings hat die Klägerin zu 1) nicht lediglich die Aufhebung des an sie gerichteten Widerspruchsbescheides vom 24.07.2013 mit ihrer Klage begehrt, sondern zudem und im Wesentlichen die Aufhebung des Bescheides vom 27.06.2013 und die Erbringung der Leistungen an sich selbst. Mit diesem Begehren hat ihre Klage keinerlei Erfolgsaussichten. Würde die von einer rechtskundigen Bevollmächtigten vertretene Klägerin zu 1) ihre Klage den obigen Ausführungen entsprechend anpassen und lediglich die Aufhebung des an sie gerichteten Widerspruchsbescheides vom 24.07.2013 begehren, kann ggf. nach erneuter Stellung eines Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gegenüber dem SG eine erneute Entscheidung durch dieses hierüber herbeigeführt werden. Zurzeit besteht jedoch durch das bislang geltend gemachte Klagebegehren durch die Klägerin zu 1) keine hinreichende Erfolgsaussicht.

Hinsichtlich des Klägers zu 2) fehlt die hinreichende Erfolgsaussicht unter Berücksichtigung des derzeit geltend gemachten Klagebegehrens ebenfalls. Unabhängig von der Frage der Verfristung seiner Klage kann der Kläger zu 2) keine Leistungen an die Klägerin zu 1) aufgrund der Anfechtung des streitgegenständlichen Bescheides vom 27.06.2013 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24.07.2013 begehren, denn den Anspruch der Klägerin zu 1) regelt dieser Bescheid nicht. Der Kläger zu 2) hätte allenfalls Untätigkeitsklage erheben können, wenn und weil davon auszugehen ist, dass nach seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.06.2013, den er allein eingelegt hat, an ihn noch kein Widerspruchsbescheid ergangen ist, wovon auch der Kläger zu 2) selbst ausgeht. Der Widerspruchsbescheid vom 24.07.2013 ist nur an die Klägerin zu 1) bekannt gegeben worden. Sie wird als Widerspruchsführerin bezeichnet, obwohl Widerspruchsführer allein der Kläger zu 2) ist, die Klägerin zu 1) ist lediglich dessen Bevollmächtigte. Diese Untätigkeitsklage wäre ggf. auch erfolgreich, so dass nach Umstellung des Klageantrages ggf. auch ein erneuter Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe an das SG erfolgreich sein könnte. Die Umstellung des Klageantrages ist jedoch bislang nicht durch die Bevollmächtigte des Klägers zu 2) erfolgt und kann aufgrund der klaren und eindeutigen Antragsstellung durch diese auch nicht unterstellt werden.

Nach alledem waren die Beschwerden der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) zurückzuweisen.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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