L 6 U 139/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 1808/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 139/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund einer von der Beklagten als Berufskrankheit (BK) Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anerkannten Schwerhörigkeit.

Der am 24.07.1949 in Kroatien geborene Kläger absolvierte von 1964 bis 1967 eine Lehre als Heizungsbauer und arbeitete danach bis in das Jahr 1970 auf dem elterlichen Bauernhof. Nach seiner Übersiedlung in das Bundesgebiet im Jahr 1970 arbeitete er in den Jahren 1970 und 1971 in einem Ziegelwerk, in den Jahren 1971 und 1972 in einem Zimmereigeschäft, in den Jahren 1972 bis 1974 in einem Fensterbetrieb sowie in den Jahren 1975 und 1976 in einer Möbelwerkstatt. Bei diesen Arbeiten war er durch Ziegelpressen, Kreissägen, Bohrmaschinen und Hobelmaschinen Lärm ausgesetzt. Lärm-Messprotokolle für Schallpegelbestimmungen liegen ab 1976 vor. Von 1976 bis 1981 war der Kläger in einer Schraubenfabrik beschäftigt. Sodann war der Kläger bei der Firma H. Verpackungen vom 02.03.1981 bis zum 30.01.1989 als Maschinenbediener eines Druckwerkes und danach bis zu seiner zum 01.08.2012 erfolgten Berentung als Maschinenbediener an einer Spannringschweißmaschine beschäftigt.

Am 30.11.1992 zeigte die Firma H. Verpackungen bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden auch als Beklagte bezeichnet) den Verdacht einer Berufskrankheit an. Seit zwei Jahren äußere der Kläger, er höre nicht mehr richtig. Es werde eine Lärmschwerhörigkeit als BK angenommen. Beigelegt wurde die ärztliche Anzeige über eine BK des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. K. vom 10.08.1992 mit der Diagnose einer mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit beidseits.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten holte bei dem Kläger und seinen früheren Arbeitgebern Angaben zu seinen Arbeitsplätzen ein. Nach der daraufhin eingeholten Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 23.07.1993 ergaben die Lärmmessungen für die Tätigkeit von 1976 bis 1981 einen Dauerschallpegel von 95 dB(A) mit Spitzen bis zu 104 dB(A). In dieser Zeit verwendete der Kläger Watte als Hörschutz. Für die Zeit von 1981 bis 1989 ergaben betriebsinterne Schallpegelmessungen näherungsweise, dass der Kläger in dieser Zeit einem Beurteilungspegel von 93 dB(A) ausgesetzt war. Eine integrierende Schallpegelmessung für die Tätigkeit ab 1989 ergab einen Beurteilungspegel von 90 dB(A) mit Spitzen von 98 dB(A). Seitens des TAD wurde mitgeteilt, seit Aufnahme seiner Tätigkeit bei der Firma H. Verpackungen sei der Kläger in der audiometrischen Überwachung und trage konsequent Gehörschutz. Beigelegt wurde das Audiogramm vom 22.07.1976. Bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) H. wurde ein Auszug des Vorerkrankungsverzeichnisses eingeholt. Ferner legte der Werkarzt Dr. K. Kopien von Höruntersuchungen vom 25.02.1981, 05.02.1982, 18.03.1983, 12.03.1984, 12.09.1985, 06.11.1986, 10.03.1988 und 09.04.1991 vor. Seitens der Firma Hörgeräte L. wurde die ohrenärztliche Verordnung einer Hörhilfe mit von Dr. K. am 09.06.1992 erhobenen Befunden vorgelegt.

Die Beklagte holte das hals-nasen-ohren-ärztliche Gutachten bei PD Dr. H. ein. Dieser gab in seinem Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 30.09.1993 einschließlich audiologischer Untersuchungen an, die an beiden Ohren nachweisbare Schwerhörigkeit sei als Folge seiner beruflichen Lärmexposition anzuerkennen. Die BK bestehe, ziehe man die Tonaudiogramme heran, seit März 1983. Sprachaudiometrisch sei sie durch die Untersuchungen am 30.09.1993 zweifelsfrei erwiesen. Die Erkrankungsfolge bestehe in einer Schallempfindungsschwerhörigkeit. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) liege noch nicht vor. Bei weiterer Lärmexposition bestehe die konkrete Gefahr einer Verschlimmerung der Schallempfindungsschwerhörigkeit, die zu einer MdE führen könne. Der Kläger müsse seine Ohren bei der Arbeit gegen Lärm abschirmen oder eine Tätigkeit außerhalb einer Lärmexposition aufnehmen.

Dr. H. vom Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg schlug in seinem gewerbeärztlichen Gutachten vom 09.11.1993 vor, eine BK gemäß Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV in nicht entschädigungspflichtigem Ausmaß anzuerkennen, die MdE liege unter 20 vom Hundert (v. H).

Mit Bescheid vom 27.01.1994 stellte die Beklagte eine BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV fest und anerkannte als Folge der BK eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Ein Anspruch auf Rente wegen der BK bestehe nicht.

Die Beklagte zog in der Folgezeit im Rahmen der Überwachung der anerkannten BK über den Arbeitgeber des Klägers die Ergebnisse der durch das Werkarztzentrum erfolgten Nachuntersuchungen vom 09.06.1992, 06.05.1993, 18.05.1994, 08.03.1995 und 09.12.1996 bei. Der von der Beklagten um Stellungnahme gebetene Prof. Dr. T. gab in seiner Stellungnahme vom 19.03.1998 an, das neue Audiogramm zeige keine wesentliche Änderung des Hörvermögens. Mit Schreiben vom 15.06.1998 wandte sich das Werkarztzentrum an die Beklagte und teilte mit, dass sich im Laufe der letzten Jahre eine langsame Verschlechterung des Befundes habe feststellen lassen, und legte das Audiogramm vom 28.05.1998 bei. Auf Nachfrage der Beklagten beim Werkarztzentrum wurde noch der Untersuchungsbogen vom 17.04.1997 vorgelegt und mitgeteilt, bei den Untersuchungen habe der Kläger angegeben, regelmäßig Gehörschutz zu tragen. Er sei nach wie vor in der Spannring-Schweißabteilung beschäftigt.

Sodann holte die Beklagte bei Prof. Dr. T. ein hals-nasen-ohren-ärztliches Gutachten ein. Bei der im Rahmen der ambulanten Untersuchung durchgeführten sprachaudiometrischen Untersuchung am 17.09.1998 wurde ein 50%iges Zahlenverständnis rechts bei 25 dB und links unterhalb 20 dB erzielt. Das Gesamtwortverstehen rechts betrug 205. Das Gesamtwortverstehen links betrug 210. Der geklagte Tinnitus wurde als ein 6-kHz-Ton geschildert, der beiderseits schwellennah verdeckbar war. Das Tonaudiogramm zeigte bereits einen Hörverlust im Tieftonbereich zwischen 30 und 40 dB im Bereich 0,125 kHz bis 1 kHz mit Betonung des Hochtonbereiches mit einem Hörverlust zwischen 70 und 80 dB im Bereich 2 bis 8 kHz. Unter Einschluss des beiderseitigen Hochton-Tinnitus, der wie die gesamte Hörverschlechterung dem Lärm am Arbeitsplatz angelastet werden könne, erachtete Prof. Dr. T. eine MdE-Einschätzung von 15 v. H. für angemessen. Da die Hörverschlechterung innerhalb der ca. 5 Jahre gegenüber der früheren Begutachtung trotz getragenen Gehörschutzes so erheblich sei, werde eine Weiterbeschäftigung des Klägers im Lärm für nicht vertretbar gehalten. Die gesamte Hörstörung, außer einer geringen Schallleitungskomponente werde auf den stattgehabten Lärm am Arbeitsplatz zurückgeführt.

Am 21.01.1999 führte der behandelnde HNO-Arzt Dr. K. im Rahmen einer ohrenärztlichen Verordnung einer Hörhilfe einen weiteren Hörtest durch. Am 24.02.1999 erfolgte nochmals ein Tonaudiogramm zur Anpassung durch den Hörgeräte-Akustiker.

Bei einem Betriebsbesuch am 03.02.1999, bei dem keine Umsetzungsmöglichkeit gesehen wurde, ergab eine spontan durchgeführte Messung am Arbeitsplatz einen Dauerlärmpegel von rund 86 dB(A), der Spitzenlärmpegel beim Ausblasen der Blechrohre betrug 99 dB(A). Als Sofortmaßnahme wurde vereinbart, dass der Kläger die Ausblasarbeiten nicht mehr verrichten muss sowie zukünftig Gehörschutzkapseln anstelle der bisher verwendeten Gehörschutzstöpsel verwendet.

Am 10.03.1999 erfolgte nochmals ein Tonaudiogramm durch den Hörgeräteakustiker. Aufgrund der Weiterverordnung und der bei der Hörgeräte-Anpassung wesentlich schlechteren audiometrischen Werte wurde Prof. Dr. T. um Stellungnahme gebeten, ob die bei der Anpassung erhobenen audiometrischen Befunde verwertbar seien und die Versorgung des Klägers mit Festbetrags-Hörgeräten ausreichend sei. Prof. Dr. T. gab in seiner Stellungnahme vom 19.04.1999 an, die erstellten audiometrischen Daten würden eine massive Zunahme des Hörverlustes ausweisen, die nicht auf Lärm bezogen werden könne. Es bestehe allerdings unter Würdigung der wechselnden Angaben bei Voraudiogrammen Zweifel an der Zuverlässigkeit.

Am 27.05.1999 erfolgte durch den TAD eine Betriebslärmanalyse beim Arbeitgeber des Klägers. Nach dem Lärm-Messprotokoll Nr. 1 zum Arbeitsbereich Halle 8a Messpunkt Spannring-Fertigung ergab das Messergebnis einen Lärmpegel von 91 dB(A). Am 26.07.1999 erfolgte eine weitere Lärmmessung am Arbeitsplatz. Diese ergab einen Mittelwert ohne Druckluftbelastung von 85,8 dB(A), der Mittelwert bei Luftbelastung betrug 86,8 dB(A). Daraufhin wurde Prof. Dr. T. zur ergänzenden Stellungnahme dazu aufgefordert, ob der Kläger unter konsequenter Anwendung von Gehörschutz an seinem Arbeitsplatz verbleiben könne. Prof. Dr. T. führte in seiner Stellungnahme vom 27.09.1999 aus, man sollte sich entschließen, eine Nachbegutachtung zu veranlassen. Belege diese eine Gehörkonstanz, sei seines Erachtens eine Weiterbeschäftigung bei wirklich konsequentem Benutzen von persönlichem Gehörschutz unter den eher grenzwertigen Dauerschallpegeln vertretbar.

Daraufhin wurde im Einvernehmen mit dem Kläger Prof. Dr. T. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Die sprachaudiometrische Untersuchung bei der ambulanten Untersuchung des Klägers durch Prof. Dr. T. am 15.11.1999 ergab ein 50%iges Zahlenverständnis rechts bei 23 dB und links bei 24 dB. Das Gesamtwortverstehen betrug rechts 230 und links 250. Das geklagte Ohrpfeifen wurde als ein an 6-kHz-Ton geschildert, der jeweils schwellennah verdeckbar war. Prof. Dr. T. schätzte die MdE weiterhin mit 15 v. H. ein, es sei keine weitere Hörverschlechterung gegenüber der Vorbegutachtung festzustellen.

Mit Bescheid vom 10.02.2000 lehnte die Beklagte erneut die Gewährung von Rente ab. Da die Folgen der Lärmschwerhörigkeit keine MdE rentenberechtigenden Grades bedingten, komme die Gewährung einer Rente weiterhin nicht in Betracht.

Mit Schreiben vom 20.06.2001 wandte sich das Werkarztzentrum an die Beklagte und legte unter anderem die Untersuchungsbögen vom 03.02.2000, 02.08.2000 und 12.03.2001 vor. Weiter wurde angegeben, der Kläger trage konsequent Gehörschutz, wobei Kapselgehörschützer wegen dem bestehenden Tinnitus sowie wegen hindernder Brillenbügel schlecht getragen werden könnten. Aufgrund der fortgeschrittenen Lärmschwerhörigkeit werde eine besondere optimierte Maßnahme zum Gehörschutz für erforderlich gehalten. Es wurde die Anpassung von Gehörschutzotoplastiken empfohlen.

Am 26.01.2006 erfolgt im Rahmen der ohrenärztlichen Verordnung einer Hörhilfe erneut eine Hörprüfung durch Dr. K ...

Am 29.11.2006 teilte der Kläger der Beklagten mit, er sei mit der Einschätzung seiner Schwerhörigkeit mit einer MdE um 15 v. H. gemäß dem Bescheid vom 10.02.2000 nicht einverstanden und bitte um Überprüfung der Angelegenheit. Daraufhin wurde bei der AOK Hohenlohekreis erneut ein Erkrankungsverzeichnis beigezogen und vom Werkarztzentrum wurden noch die Untersuchungsbögen vom 25.02.1981, 05.02.1982, 18.03.1983, 12.03.1984, 12.09.1985, 10.03.1988, 09.04.1991, 09.06.1992, 06.05.1993, 18.05.1994, 08.03.1995, 17.04.1997, 28.05.1998, 17.03.1999, 03.02.2000, 02.08.2000, 12.03.2001, 11.04.2002, 27.05.2003, 10.03.2005 und 20.09.2006 sowie ein Tonaudiogramm vom 26.01.2006 vorgelegt.

Die Beklagte holte bei Prof. Dr. L. ein hals-nasen-ohren-ärztliches Gutachten ein. Dieser führte in seinem Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 18.10.2007 aus, die Tonschwellenaudiometrie habe sich sehr schwierig gestaltet, die Angaben seien beidseits wechselnd gewesen. Der Kläger habe angegeben, dass ihn das Ohrgeräusch bei der Audiometrie behindere. Die Testung sei mehrfach erfolgt. Die Messung der akustisch induzierten Potentiale sei beidseits unzureichend reproduzierbar gewesen (rechts 55 %, links 25 %). Bei der Sprachaudiometrie lag der Hörverlust für Zahlen bei 60 dB beidseits. Das einfache Gesamtwortverstehen ergab bei 60 und 80 dB rechts und links 0 % Verständlichkeit und bei 100 dB rechts 60 % und links 100 % Verständlichkeit. Bereits 1982 sei ein Abfall der Tonschwelle beidseits registriert worden. Diese erst wannenförmig und seitengleich auf 40 dB in den Frequenzbereich zwischen 2 und 4 kHz liegende, für die Lärmschwerhörigkeit typische Grundform, habe sich in den folgenden Jahren nicht geändert mit einer fortschreitenden Verschlechterung mit bis 80 dB bei 4 kHz und stabilem Tieftonbereich im Jahre 1994. Die darauffolgenden Jahre zeigten eine zunehmende Verschlechterung mit nur noch absinkendem Tieftonbereich bei weiterhin erkennbarer Wannenform durch den stärker betroffenen Hochtonbereich. In den Jahren 2000 bis 2003 sei die Hörminderung am stärksten ausgeprägt mit einem Resthörvermögen im Tieftonbereich und ab 2 kHz nicht mehr wahrgenommener Tonschwelle. Sowohl die Dauer und die Intensität der Lärmexposition als auch die symmetrische Grundform der Audiogrammkurven mit betontem Abfall im Hochtonbereich und positivem Recruitment deuteten auf eine lärmbedingte Schwerhörigkeit hin. Die nach über 30 Jahren Lärmexposition zunehmende Hörverschlechterung entspreche dem von Feldmann beschriebenen Verlauf einer Lärmschwerhörigkeit, bei dem sich der Hörverlust in den hohen Frequenzen (3, 4 und 6 kHz) während der ersten 15 bis 18 Jahre sehr rasch entwickle und dann nur noch sehr langsam fortschreite, wobei in den tiefen Frequenzen (0,5, 1 und 2 kHz) der Hörverlust mehr stetig zunehme und im fortgeschrittenen Stadium (etwa nach 30 Jahren) sich eher beschleunige. Seitdem 2002 die hochwertigen Gehörschutzotoplastiken getragen würden, habe sich eine leichte Erholung des Hörvermögens im Hochtonbereich mit dem aktuellen Bild des schräg abfallenden Tonaudiogramms gezeigt. Seit der letzten Begutachtung sei es zu einer weiteren Verschlechterung gekommen, so dass gemäß der Berechnung aus den Schwerhörigkeitsstufen beider Ohren nach dem Königsteiner Merkblatt die MdE auf 70 v. H. angehoben werden müsse. An das vorhandene Ohrrauschen habe sich der Kläger gewöhnt und es werde von ihm nicht als besonders störend empfunden. Sein Hauptproblem stelle die an Taubheit grenzende Hörminderung dar. Das Tonaudiogramm zeige einen symmetrischen Schrägabfall von 60 dB im Tieftonbereich auf 110 dB im Hochtonbereich ohne Schallleitungskomponente bei spitzgipfliger Tympanometrie und beidseits positivem Recruitment. Es könnten keine Befunde dargestellt werden, die nicht auf die berufliche Einwirkung zurückzuführen seien.

In der daraufhin von der Beklagten bei Prof. Dr. T. eingeholten Stellungnahme vom 04.06.2008 führte dieser aus, die ausgeprägte Tieftonbeteiligung, die sich nicht, wie dies bei Feldmann für extrem lange und starke Lärmexposition ausgewiesen sei, als Schrägabfall oder Steilabfall zu hohen Frequenzen hin darstelle, sondern in einem bei 60 dB liegenden Horizontalverlauf bis 1 kHz und dann deutlicher Hochtonsenke bei Wiederanstieg zu hohen Frequenzen, sei nicht als lärmtypisch anzusehen. Feldmann habe darauf hingewiesen, dass bei einem flachen Kurvenverlauf schon sehr gewichtige Gründe vorliegen müssten, wenn man den Lärm als wesentliche Ursache für die Gesamtschwerhörigkeit ansehen wolle. Die plateauförmige Tieftonabsenkung lasse deshalb zunächst sehr wohl offen, dass hier zusätzlich zu der sicher vorhandenen Lärmschädigung noch ein lärmunabhängiges Geschehen im Spiele sei. Darauf würde auch hinweisen, dass eine Lärmschwerhörigkeit im Regelfall nicht das Ausmaß der Mittelgradigkeit, allenfalls Mittel- bis Hochgradigkeit überschreite und die Entstehung einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit eigentlich eine reine Lärmgenese ausschließe. Möglicherweise seien auch die Daten nicht zuverlässig. Ein Hinweis hierauf sei, dass bei der Stapediusreflexaudiometrie auf dem linken Ohr die Reflexschwelle und die ausgewiesene Tongehörschwelle zusammenfalle, was selbst bei einem extremen Recruitment nicht zu erwarten sei. Vielmehr müsse daraus gefolgert werden, dass bei 2 kHz links der Hörverlust deutlich geringer als die subjektiv angegebenen 100 dB sei. Da die Stapediusreflexschwelle objektiv gemessen werde, sei daraus ein belastbarer Beweis für die Angabenungenauigkeit zu ziehen.

Die Beklagte holte ein weiteres hals-nasen-ohren-ärztliches Gutachten bei Dr. Z. ein. Dieser gab in seinem Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 03.09.2008 unter anderem an, laut dem Tonaudiogramm bestehe die Hörschwelle beidseits bei 0,125 kHz bei 70 dB mit einem folgendem Abfall auf 80 dB bei 0,25 kHz, 85 dB bei 0,5 kHz, einem relativen Wiederanstieg auf 70 dB bei 1 kHz, mit einem Abfall folgend von 90 dB bei 2 kHz und 100 dB bei 3 und 4 kHz. Im Sprachaudiogramm habe der A1-Wert reproduzierbar beidseits mit 80 dB ermittelt werden können. Das Gesamtwortverstehen bei 60, 80 und 100 dB Verstärkung habe beidseits 40 betragen. Das Ohrgeräusch habe mit einem Frequenzklick, 2 bis 4 kHz, beidseits verdeckt werden können, damit liege diese Verdeckung über der objektiv angegebenen Hörschwelle, was gegen die Validität der subjektiv angegebenen Hörschwelle spreche. Die Stapediusreflexe bei 90-dB-Verstärkung seien links bei 1, 2 und 4 kHz auslösbar. Für 1 kHz könne ein Recruitment angenommen werden, für 2 bis 4 kHz sei dieses sehr ausgeprägt und würde mit der subjektiv angegebenen Hörschwelle zusammenfallen. Wie Prof. Dr. T. hingewiesen habe, sei dies ungewöhnlich. Aus diesem Grunde müsse angenommen werden, dass mindestens im Frequenzbereich 2 bis 4 kHz die Hörschwelle besser liege wie subjektiv angegeben. Aus der Hirnstammaudiometrie müsse angenommen werden, dass die Hörschwelle im gemessenen Frequenzbereich der BERA (Click: 2 bis 4 kHz) besser als 80 dB liege. Er schließe sich den Zweifeln von Prof. Dr. T. an. Bereits das Tonaudiogramm aus dem Jahr 1981 zeige rechts eine im Wesentlichen medio-cochleäre, lärmuntypische Hörschwellenkonfiguration, die sich in den folgenden Befunden mit signifikanter Progredienz zeige. Schlechtere Werte im Frequenzbereich 2 bis 3 kHz gegenüber dem Frequenzbereich 4 bis 6 kHz seien lärmuntypisch. Jetzt zeige sich diese medio-cochleäre Schwerhörigkeit nicht mehr, da jetzt (1993, 1998) sich auch die hohen Frequenzen verschlechtert hätten, quasi nach den mittleren Frequenzen. Dies sei ebenfalls lärmuntypisch. Gegenüber der Begutachtung von 1998 von Prof. Dr. T. zur Begutachtung von Prof. Dr. L. zeige sich eine hochsignifikante Verschlechterung in den tiefen Frequenzbereichen mit einer Schwelle von 60 bis 70 dB im Frequenzbereich 0,125 bis 1 kHz. Diese Hörschwellenkonfiguration sei lärmuntypisch. Eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit durch berufsbedingten Lärm gebe es eigentlich nicht. Das aktuell erhobene gutachterliche Tonaudiogramm zeige tiefere Werte im Tieftonbereich bei 0,125 kHz bis 0,5 kHz gegenüber 1 kHz. Dies sei ebenfalls lärmuntypisch. Eine hochsignifikante Progredienz wie sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit messtechnisch habe dargestellt werden können, sei sozialrechtlich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht im Wesentlichen lärmbedingt. Eine lärmbedingte Teilursache an dieser Progredienz könne nicht sicher ausgeschlossen werden, sei nicht abgrenzbar und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auch nicht wesentlich. Aus sozialrechtlichen Gründen werde somit keine Möglichkeit gesehen, eine berufsbedingte MdE-Verschlechterung darzustellen und in ihrem Ausmaß zu begründen. Da er aufgrund der Theorie der wesentlichen Bedingung von einer im wesentlichen lärmunabhängigen, z.B. endogenen Genese ausgehe, schlage er vor, die in den Vorgutachten schon dokumentierte berufsbedingte Teilursache an der Hörverminderung mit einer geschätzten MdE von 15 v. H. weiter beizubehalten.

Mit Bescheid vom 09.10.2008 wurde der Antrag auf Rente abgelehnt. Wie bisher liege wegen der Folgen der Berufskrankheit eine rentenberechtigende MdE nicht vor. Bei der am 03.09.2008 durch Dr. Z. durchgeführten Untersuchung habe zwar eine deutliche Zunahme der Schwerhörigkeit gegenüber den früheren Untersuchungen festgestellt werden können, allerdings habe der für eine Lärmschwerhörigkeit untypische Hörkurvenverlauf mit überproportional starken Hörverlusten in den tiefen und mittleren Frequenzbereichen beider Ohren sowie der zeitliche Verlauf der eingetretenen Hörverschlechterung dafür gesprochen, dass lärmunabhängige Faktoren für die Zunahme der Hörstörung verantwortlich zu machen seien. Dr. Z. habe deshalb in seinem Gutachten die eingetretene Verschlechterung des Hörvermögens auf außerberufliche Ursachen zurückgeführt und die aufgrund des lärmbedingten Anteils der Schwerhörigkeit bestehende MdE weiterhin mit 15 v. H. bewertet.

Hiergegen wurde seitens des Klägers mit Schreiben vom 28.10.2008 Widerspruch eingelegt, der mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2009 zurückgewiesen wurde.

Hiergegen hat der Kläger am 26.05.2009 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, Prof. Dr. L. sei zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund des Sprachaudiogramms eine MdE von 70 v. H. gerechtfertigt sei, da Konkurrenzbedingungen nicht vorlägen und damit die Hörschädigung in Gänze zu Lasten der Beklagten gehe. Dieser Ansicht schließe sich der Kläger an, auch wenn Dr. Z. dies ablehne, weil angeblich ein Lärmschaden eine derartige Hörschädigung nicht hervorrufen könne. Dabei falle auf, dass bei Dr. Z. im Ergebnis das Sprachaudiogramm noch schlechter ausgefallen sei als bei Prof. Dr. L ... Dr. Z. beziehe in seine Überlegungen nicht die längere Zeit der Lärmeinwirkung (gesichert seit 1976) mit Lärmspitze bis 104 dB(A) ein. Denn Hörverluste im tiefen und mittleren Frequenzbereich könnten ebenfalls lärmbedingt sein und erfolgten im zweiten und dritten Jahrzehnt der Lärmexposition.

Zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts hat das SG von Amts wegen Dr. R. mit der Erstattung eines hals-nasen-ohren-ärztlichen Gutachtens beauftragt. Dr. R. hat in seinem Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 29.09.2009 zu den Untersuchungsbefunden angegeben, die Stapediusreflexe würden rechts bei 0,5 und 1 kHz ausgelöst, links bei 0,5, 1 und 2 kHz. Angesichts der Hörschwelle mit einem Hörverlust von etwa 85 dB und einer Testlautstärke von 95 dB müsse das Vorliegen eines METZ-Recruitments angenommen werden. Otoakustische Emissionen könnten beiderseits für tiefe Frequenzen bis maximal 1 kHz registriert werden. Im tiefen Frequenzbereich erscheine daher eine Restfunktion von äußeren Haarzellen erhalten geblieben zu sein. Für eine Hörschwellen-Bestimmung seien die Messergebnisse der Untersuchung BERA nicht repräsentativ genug, jedoch sollte sie günstiger als bei 75 bis 80 dB Hörverlust zu erwarten sein. Die Hörschwellenkurve im Tonschwellenaudiogramm für Luftleitung beginne rechts mit einem Hörverlust von 65 dB bei 0,125 kHz und laufe schräg abwärts, wobei 85 dB bei 1 kHz und 110 dB bei 4 und 6 kHz erreicht würden. Links beginne die Hörschwellenkurve mit einem Hörverlust von 70 dB bei 0,125 kHz, zeige eine leichte Muldenbildung bei 0,5 kHz und erreiche 85 dB Hörverlust bei 1 kHz, 95 dB bei 4 kHz und 100 dB bei 6 kHz. 8 kHz würden beiderseits nicht mehr wahrgenommen. Die Leistungsfähigkeit des Knochenleitungshörens ende bei einem Pegel von 60 dB (1 bis 3 kHz), im Tief- und Hochtonbereich noch darunter. Fehlende Gehörseindrücke über Knochenleitung ließen den Schluss auf Hörverluste größer als 60 dB im Bereich 1 bis 3 kHz zu. Unter Zuhilfenahme der Tabelle von Röser (1980) bestehe beiderseits ein Hörverlust von 100 %, was als "Taubheit" bezeichnet werde. Nach dem Freiburger Sprachenverständnistest werde ein 50%iges Zahlenverständnis mit einem Hörverlust von 50 dB links und 55 dB rechts erreicht (A1-Werte). Der Einsilbertest zeige beiderseits bei 60 dB Sprachlautstärke keine Verständlichkeit, bei 80 dB 45 % und bei 100 dB 70 % Einsilber-Verständlichkeit. Es bestehe also ein Diskriminationsverlust von 30 %. Das Gesamtwortverstehen ermittle sich beiderseits auf 115. Gemäß der Tabelle von Bönnighaus und Röser (1973) bestehe danach ein prozentualer Hörverlust von 80 % rechts und 70 % links. Dies bedeute eine hochgradige Schwerhörigkeit links und eine hochgradige bis an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit rechts. Überschwellige Untersuchungsmethoden hätten wegen der starken Hörverluste nicht mehr eingesetzt werden können. Eine Tinnitus-Diagnostik sei nicht durchführbar gewesen, weil ein Tinnitus zur Zeit der Untersuchung nicht vorhanden gewesen sei. Es handle sich um eine Hörstörung, die sich allmählich entwickle und derzeit links als "hochgradig" und rechts als "hochgradig bis an Taubheit grenzend" bezeichnet werden müsse. Es handle sich wahrscheinlich um eine Fluktuationstendenz des Gehörs, wie sie sich z.B. im Tieftonbereich schon Anfang der 1980er Jahre dargestellt habe und - bei einer Lärmschwerhörigkeit unüblich - schon in frühen Stadien den Bereich um 2 kHz in den Schädigungsprozess miteinbezogen habe. Zu beobachten sei ein Wechsel zwischen höchsten pathologischen Hörverlustbefunden von 2006 bis 2007 und wieder hin zu "passablen" Ebenen sich darstellenden Hörschwellenkurven, ohne dass dabei der Verdacht auf Aggravation oder unzulängliche Messmethodik oder -apparatur zu äußern sei. Die sich immer wieder auf und ab ändernden Hörverlustbefunde mit Progredienztendenz könnten nicht in die Entwicklung einer Lärmschwerhörigkeit eingeordnet werden. Unter Berücksichtigung der Hörverlustentwicklung, der tatsächlich anzunehmenden Lärmemission, der in eine Lärmschwerhörigkeit nicht einzuordnenden Fluktuation des Hörvermögens, der erheblichen Schadensbetroffenheit der tiefen Frequenzbereiche und des am 29.09.2009 aufgenommenen tonaudiometrischen Befundes, der keinerlei Anzeichen mehr von einer früheren c5-Senke erkennen lasse und mit maximal zu erwartenden Hörverlustbildern typischer Lärmschadensentwicklungen keinerlei Ähnlichkeit mehr habe, komme er zu dem Schluss, dass eine auf Lärm beruhende Schwerhörigkeit nicht mehr erkennbar sei, so dass andere Ursachen endogener Art für das Geschehen verantwortlich seien. Die für eine Lärmschwerhörigkeit annähernd typischen Befunde vom 30.09.1993 und vom 17.09.1998, allenfalls noch der Befund vom 15.11.1999, könnten Anhaltspunkte dafür sein, dass neben der wahrscheinlich von Anbeginn der audiometrischen Aufzeichnungen 1976 an wirksam gewordenen endogenen Hörschadensentwicklung zusätzlich eine Schädigung durch Lärm angenommen werden könne. Da der Einbruch des Hörvermögens ab 03.02.2000 nicht als lärmbedingt angesehen werden könne, habe sich gegenüber der Beschreibung des Zustandes und dessen Bewertung in den beiden Gutachten von Prof. Dr. T., die die Grundlage zum Bescheid vom 10.02.2000 gebildet hätten, im Hinblick auf die BK Nr. 2301 (Lärmschwerhörigkeit) keine Veränderung ergeben. Allerdings habe ein chronischer Tinnitus, der lärmbedingt hätte sein können und als solcher auch in die Bewertung von Prof. Dr. T. Eingang gefunden habe, derzeit (29.09.2009) nicht bestätigt werden können. Die Verschlimmerung seit 2000 sei allein durch die endogenen Schadensprozesse begründet, die Lärmemissionen ab November 1999 hätten dazu keinen Beitrag leisten können. Die Bedingungen am Arbeitsplatz mit einem seit 1981 durchgehend angenommenen Dauerschallpegel von nur 90 dB(A) bei der vom Untersuchten engagiert bestätigten Tatsache, stets zuverlässig Hörschutz getragen zu haben, so dass der tatsächlich wirksam gewordene Lärmpegel am Ohr mit deutlich unterhalb 90 dB(A) angenommen werden müsse, sei nicht geeignet, Innenohrschäden zu verursachen, die sich ungewöhnlich stark von langjährig erforschten und durch Studien belegten maximalen Schwellenabwanderungen bei Lärmschäden abheben würden. Da ein als lärmbedingt eingestufter Tinnitus in aller Regel von Dauer sei und Bezug zu den geschädigten Haarzellbereichen habe, könne aus heutiger Sicht ein lärmbedingter Tinnitus nicht mehr bestätigt werden. Demzufolge sei die aus aktueller Beurteilung anzunehmende MdE für die seinerzeit festgestellte und jetzt aktenüberprüfte Lärmschwerhörigkeit mit ihren Folgen mit unter 15 v. H. zu bewerten. Nach dem Grundsatz der wesentlichen Bedingung könne das im Jahr 1999 bestandene gesamte Ausmaß der Hörstörung noch der beruflich bedingten Tätigkeit des Klägers zugeordnet werden. Die Änderung der Gesundheitsstörungen insgesamt, unabhängig von Einflüssen durch beruflich bedingten Lärm, ab 2000 ergebe jetzt eine MdE von 50 v. H. Änderungen von Gesundheitsstörungen mit Bezug auf die berufliche Tätigkeit des Klägers im Lärmbereich seien nicht festzustellen. Die Einschätzung von Dr. Z., die in den Vorgutachten von Prof. Dr. T. dokumentierte berufsbedingte Teilursache an der Gesamtverminderung mit einer geschätzten MdE von 15 v. H. beizubehalten, finde seine Zustimmung.

Der Kläger hat hierzu ausgeführt, der Geräuschpegel sei höher gewesen. Am 16.07.2009 sei an dem Arbeitsplatz ein Durchschnittslärm von 93 dB(A) gemessen worden und dies, obwohl die Firma Huber Verpackungen seit Jahren große finanzielle Anstrengungen unternommen habe, den Lärm zu reduzieren. Daher sei in früheren Jahren von höheren Werten auszugehen, die seine Tieftonproblematik erklärten.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.02.2010 hat Dr. R. ausgeführt, werde ein Lärmpegel von 93 dB(A) ab 2007 zugrunde gelegt, habe sich das Gehör den vorliegenden Audiogrammen zufolge gerade zu dem Zeitpunkt "verbessert", in dem sich der Lärmpegel verschlechtert hätte. Dies sei nicht nachvollziehbar und spiele sich nach wissenschaftlichen Erwägungen in Hörverlustbereichen ab, die für eine reine Lärmschwerhörigkeit als Ursache ohnehin nicht mehr in Frage kämen. Sollte der jüngst mitgeteilte Lärmpegel von 1989 an unterstellt werden müssen, sei dies eine Fortsetzung der schon ab 02.03.1981 angenommenen Pegelhöhe, ohne dass sich an der seit dieser Zeit zu beobachtenden Hörverlustentwicklung irgendetwas ändern ließe. Die seit spätestens 1996 vorübergehend und seit 03.02.2000 permanent zu beobachtenden erheblichen Hörverluste im Tieftonbereich seien weiterhin ohne Zusammenhang mit einer Lärmschwerhörigkeit zu sehen, auch wenn der persönliche Beurteilungspegel um 3 dB(A) höher veranschlagt werde, weil die Lärmschwerhörigkeit definitionsgemäß in diesem Frequenzbereich typischerweise keine wesentlichen Schäden hinterlasse. Die ab 03.02.2000 aufgezeichneten Befunde beruhten zum ganz überwiegenden Teil auf nicht lärmbedingten Schadensvorgängen.

Hierzu ist seitens des Klägers ausgeführt worden, die dargelegten Lärmbelastungen seien fehlerhaft. Das Gutachten von Dr. R. stehe darüber hinaus im Widerspruch zu Entscheidungen, die eine Schädigung des Tieftonbereichs des Gehörs annehmen würden, sofern auf längere Zeit eine Lärmexposition mit Lärmeinwirkung von über 90 dB(A) bestanden habe.

Mit Urteil vom 12.10.2011 ist die Klage abgewiesen worden. Eine für einen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente erforderliche MdE von mindestens 20 v. H. liege nicht vor. Zwar finde sich bei dem Kläger eine Schallempfindungsschwerhörigkeit, die links hochgradig und rechts hochgradig bis an Taubheit grenzend einzustufen sei. Bei der Bemessung der MdE sei jedoch zu beachten, dass die durch die versicherte Tätigkeit im Lärm verursachte Hörstörung von den Auswirkungen anderer Einflüsse abzugrenzen sei. Maßgeblich ursächlich für die bei dem Kläger vorliegende Hörstörung sei eine endogene Störung. Dr. R. habe nach sorgfältiger Auswertung der zahlreichen Audiogramme ausführlich dargelegt, weshalb hier von einer - zusätzlich zu der Lärmschwerhörigkeit - vorliegenden endogenen Störung im Innenohr auszugehen sei. Insbesondere ließen sich die durch die Audiogramme nachgewiesenen Fluktuationen nicht mit einer Lärmschwerhörigkeit in Einklang bringen. So fänden sich im Audiogramm vom 09.04.1991 Störungen im Tieftonbereich ab 0,5 kHz von 20 dB und mehr. Nicht nur, dass eine solche Hörstörung nicht mit der Entwicklung einer Lärmschwerhörigkeit in Einklang zu bringen sei, weil typisch für eine Lärmschädigung eine Betonung des Hörverlusts in den hohen Frequenzen sei, sondern diese Hörstörung im Tieftonbereich verschwindet zunächst völlig (Audiogramm vom 30.09.1993), sei aber bereits 1994, 1995 und insbesondere 1996 wieder ausgeprägt vorhanden und verbessere sich schließlich wieder. Das Audiogramm vom 30.09.1993 zeige nun auch eine lärmtypische Hochtonsenke im Bereich von 4 bis 6 kHz (sogenannte c5-Senke). Zurecht habe darauf die Beklagte das Vorliegen einer BK 2301 anerkannt. Jedoch habe insbesondere Dr. R. eine solche c5-Senke nicht mehr feststellen können. Fluktuationen seien dem Erkrankungsbild einer Lärmschwerhörigkeit fremd, da eine einmal erfolgte Haarzellschädigung nicht mehr reversibel sei. Gänzlich nicht im Einklang mit der Entwicklung einer Lärmschwerhörigkeit stehe auch der massive Einbruch des Hörvermögens, wenn man das Audiogramm vom 15.11.1999 einerseits und die Audiogramme vom 03.02.2002 und 02.08.2000 betrachte; letztere ließen in kurzer Zeit nur noch Hörreste erkennen. Es lägen somit gewichtige Gründe für die Existenz einer - zusätzlich zu der Lärmschwerhörigkeit bestehenden - Hörstörung vor, die lärmunabhängigen Ursprungs sei. In Anbetracht dieser Gründe gehe Prof. Dr. L. in seinem Gutachten zu Unrecht davon aus, dass die gesamte bei dem Kläger bestehende Hörstörung auf die Lärmexposition zurückzuführen sei, so dass auch der diesbezüglichen Einschätzung der MdE nicht gefolgt werden könne. Die berufsbedingte Teilursache an der Gesamt-Hörminderung liege vielmehr nicht über 15 v. H. Dr. R. bewerte die MdE nachvollziehbar mit unter 15 v. H., weil er einen Tinnitus nicht (mehr) habe feststellen können.

Gegen das am 13.12.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.01.2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, das SG habe nicht geprüft, ob die Ausführungen von Dr. R. dem derzeitigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprächen. Darüber hinaus verkenne das SG die Regelung des § 9 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Er sei seit 1976 im Lärmbereich tätig gewesen und sei dabei 31,5 Jahre von einem Lärmpegel von 93 bis 95 dB(A) betroffen gewesen. Bereits im zweiten und dritten Jahrzehnt sinke bei Lärmexposition das Tongehör bei 1 kHz und dann bei 0,5 kHz zunehmend ab. Hörverluste im tiefen und mittleren Frequenzbereich könnten ebenfalls lärmbedingt sein. Die Erklärung des Gutachters Dr. R., dass die Ursache der Hörstörung in einer nicht näher definierbaren endogenen Störung zu suchen sei, widerlege nicht den Anscheinsbeweis des § 9 Abs. 3 SGB VII. Die konkurrierende Ursache sei lediglich eine Vermutung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. Oktober 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsunfähigkeit um 70 vom Hundert, hilfsweise um 20 vom Hundert ab März 2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat die Beklagte auf den Vortrag in erster Instanz und die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen.

Der Senat hat ein hals-nasen-ohren-ärztliches Gutachten bei Prof. Dr. Z. eingeholt. Bei der ambulanten Untersuchung am 13.08.2012 hat sich bei der Reintonaudiometrie beidseits ein deckungsgleicher Verlauf der Knochen- und Luftleitungsschwelle gezeigt. Der Hörverlust hat auf der rechten Seite bei 0,125 und 0,25 kHz 30 dB, bei 0,5 kHz 25 dB, bei 1 kHz 30 dB, bei 1,5 kHz 60 dB, bei 2 kHz 65 dB, bei 3 und 4 kHz 70 dB, bei 6 kHz 80 dB sowie bei 8 kHz 85 dB betragen. Auf der linken Seite hat der Hörverlust bei 0,125 kHz 35 dB, bei 0,25 und 0,5 kHz 25 dB, bei 1 kHz 40 dB, bei 1,5 kHz 60 dB, bei 2 kHz 70 dB, bei 3 und 4 kHz 75 dB, bei 6 kHz 85 dB sowie bei 8 und 10 kHz 80 dB betragen. Bei der sprachaudiometrischen Untersuchung nach dem Freiburger Sprachtest mit mehrsilbigen Zahlwörtern hat, bezogen auf die 50%ige Verständlichkeit, der Hörverlust auf der rechten Seiten 27 dB und auf der linken Seite 28 dB betragen. Die Sprachverständlichkeit für Einsilber hat rechts bei 60 dB 40 %, bei 80 dB 70 % und bei 100 dB 80 % betragen. Auf der linken Seite hat diese bei 60 dB 30 %, bei 80 dB 65 % und bei 100 dB 80 % betragen. Der SISI-Test ist beidseits bei 20 % bei 4 kHz negativ (Recruitment negativ) gewesen. Für die Geräuschlautstärke ist beidseits 70 dB vorgewählt worden. Auf beiden Seiten hat die Mithörschwelle unter dem Niveau der benutzten Geräuschlautstärke gelegen und ist mit 15 dB unter dieser beim Bezugspunkt 4 kHz (rechts) und 2 kHz (links) (Recruitment negativ) verlieben. Im Frequenzbereich 1 bis 2 kHz hat die Unbehaglichkeitsschwelle beidseits bei 110 dB (normale UCL) gelegen. Bei der Békésy-Audiometrie hat kein Recruitment beobachtet werden können. Die Hörschwelle ist auf der rechten Seite zwischen 60 und 110 dB, zur linken Seite zwischen 70 und 105 dB angegeben worden. Zum Untersuchungszeitpunkt hat kein Tinnitus bestanden, so dass eine Frequenzbestimmung nicht möglich gewesen ist. Prof. Dr. Z. hat zu den Untersuchungsergebnissen ausgeführt, tonaudiometrisch bestehe beidseits eine Innenohrschwerhörigkeit mit Betonung der hohen Frequenzen mit abfallendem Kurvenverlauf bis zu einer maximalen Hörminderung bei rechts 8 kHz (85 dB) und links 6 kHz (85 dB) und einer Hörminderung im Tief-/Mitteltonbereich von ca. 30 dB beidseits. Gemäß der Tabelle von Röser (1980) bestehe tonaudiometrisch rechts ein Hörverlust von 35 % und links von 50 %. Nach der Sprachaudiometrie betrage das Gewicht des Gesamtwortverstehens nach Feldmann (1998) auf der rechten Seite 170 und auf der linken Seite 150. Bei Zugrundelegung eines A1-Wertes von rechts 27 dB und links 28 dB und eines Wertes für das gewichtete Gesamtwortverstehen rechts von 170 und links von 150 ergebe sich aus der Tabelle nach Bönnighaus und Röser (1973) ein Hörverlust beidseits von 40 %. Nach der Tabelle zu Ermittlungen des GdB-/MdE-Grades aus den Schwerhörigkeitsgraden beider Ohren bestehe beidseits eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit, die entsprechend dem prozentualen Hörverlust beidseits nach dem Sprachaudiogramm eine MdE von 20 v. H. zulasse. Eine berufsbedingte (lärmbedingte) Teilursache an der Hörverminderung könne nach den audiometrischen Ergebnissen der gutachterlichen Untersuchung am 13.08.2012 nicht ausgeschlossen werden. Für einen nicht lärmbedingten Anteil der Hörverminderung spreche nach den audiometrischen Untersuchungen am 13.08.2012 die Hörminderung im Tief-/Mitteltonbereich beidseits (ca. 30 dB) und der fehlende Recruitment-Nachweis. Zudem zeige bereits zu Beginn der berufsbedingt anerkannten Lärmexposition im Jahr 1976 das Tonaudiogramm vom 22.07.1976 eine beidseitige Hörminderung bis 1 kHz von 10 dB (rechts) bzw. 15 dB (links) im Tieftonbereich mit einer maximalen Hörminderung bei 3 kHz von 30 dB (Vorschaden), welche lärmunabhängig entstanden sei. Von einer lärmunabhängigen Teilursache (z.B. endogenen-degenerativen Störung) sei als wesentliche Ursache auszugehen. Die beidseitige Innenohrschwerhörigkeit sei nicht überwiegend (d.h. versicherungsrechtlich nicht allein) durch die berufliche Lärmeinwirkung hervorgerufen worden. Die Gesamt-MdE für die Hörminderung könne nach dem ton- und sprachaudiometrischen Untersuchungen am 13.08.2012 mit 20 v. H. bewertet werden, wobei der nicht lärmbedingte Faktor als die überwiegende Ursache hingestellt werden müsse. Abweichung bestehe zur Einschätzung von Prof. Dr. L. hinsichtlich der Beurteilung der Hörverluste im Tieftonbereich, die zum Bild einer Lärmschwerhörigkeit nicht passen könnten. Der von Prof. Dr. L. eingestuften Progredienz als im Wesentlichen lärmbedingt, da andere Ursachen nicht darzustellen seien, könne wegen des fehlenden Recruitments nicht gefolgt werden. In den Vorgutachten nicht berücksichtigt worden sei bisher, dass bereits zu Beginn der als berufsbedingt anerkannten Lärmexposition 1976 eine beidseitige Hörminderung, die als Vorschaden zu werten sei, vorgelegen habe.

Der Kläger hat hierzu ausgeführt, das Tonaudiogramm vom 22.07.1976 sei in dem Großraumbüro der Personalabteilung durch eine Sachbearbeiterin durchgeführt worden. Dies entspreche nicht den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Testung. Aufgrund der fragwürdigen unstimmigen Testung aus dem Jahr 1976 sei nicht von einem Vorschaden auszugehen. Zwar habe Prof. Dr. Z. kein Recruitment gefunden. Dennoch hätten alle bis 2009 beauftragten Gutachter ein positives Recruitment gefunden. Daher sei das Ergebnis von Prof. Dr. Z. in Frage zu stellen. Mit Prof. Dr. L. seien keine konkurrierenden Ursachen festgestellt worden und sei ein Vorschaden mehr als fraglich. Daher sei der lärmbedingte Innenohrschaden mit einer MdE von mindestens 20 v. H. zu entschädigen.

Die frühere Berichterstatterin hat am 29.11.2012 die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten ausführlich erörtert. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 09.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente ab März 2008 nach einer MdE um mindestens 20 v. H. Die Beklagte hat daher zu Recht die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt.

Obwohl vorliegend die BK unter Geltung der zum 31.12.1996 außer Kraft getretenen Reichsversicherungsordnung festgestellt worden ist, sind die Vorschriften des zum 01.01.1997 in Kraft getretenen SGB VII anzuwenden, da der Kläger die Gewährung von Verletztenrente geltend macht und die Vorschriften über Renten auch für Versicherungsfälle gelten, die vor dem Tag des Inkrafttretens des SGB VII eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten des SGB VII erstmals festzusetzen sind (§ 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII).

Rechtsgrundlage für die begehrte Verletztenrente ist daher § 56 SGB VII.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes (§ 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VII). Bei einer MdE wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VII).

Für die Beurteilung der Frage, ob wegen einer anerkannten BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV ein Anspruch auf Verletztenrente besteht, ist erforderlich, dass die berufliche Lärmexposition einen mit einer MdE um mindestens 20 v. H. zu bemessenden Hörschaden verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).

Dabei muss Art und Ausmaß der Hörschädigung als rechtserhebliche Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen. Für die haftungsbegründende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen die berufliche Verursachung spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Bei der Anwendung dieser Beweismaßstäbe ist zu beachten, dass für die tatsächlichen Grundlagen der Wertentscheidung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, soweit es sich nicht um den Kausalverlauf als solchen handelt, also insbesondere für Art und Ausmaß der schädigungsgeeigneten Einwirkung als wichtiges Kriterium für die Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität, der volle Nachweis zu erbringen ist (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - juris; zuletzt BSG, Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 11/12 R - juris).

Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob die Einwirkungen wesentlich waren. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jede/s andere alltäglich vorkommende Ereignis oder Einwirkung zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG, Urteil vom 09.05.2005 - B 2 U 1/05 R; BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R).

In Bezug auf die Beurteilung einer Lärmschwerhörigkeit bedeutet dies, dass bei einer nicht sicher möglichen Abgrenzung eines lärmunabhängigen Anteils der Schwerhörigkeit nach der Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung entschieden werden muss, ob die berufliche Lärmeinwirkung oder ein anderer Faktor die wesentliche Bedingung für die Entstehung der Schwerhörigkeit war (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 26.04.2001 - L 18 U 431/98 - juris). Nur diese Bedingung gilt dann versicherungsrechtlich als Ursache der gesamten medizinisch nicht näher abgrenzbaren Schwerhörigkeit (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 11.03.2003 - L 2 U 61/00 - juris).

Das Bemessen der durch eine Schwerhörigkeit verursachten MdE setzt ein genaues Beurteilen der Funktionseinbuße des Gehörs voraus, die als prozentualer Hörverlust angegeben wird. Mit den im "Königsteiner Merkblatt" bzw. jetzt in der "Königsteiner Empfehlung" erläuterten Richtlinien wird eine weitgehende Gleichheit in der Bemessung des lärmverursachten Hörverlustes und eine möglichst objektive Beurteilung angestrebt (Urteil des Senats vom 22.05.2014 - L 6 U 3003/13; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30.10.2013 - L 5 U 25/09 - juris). Deren Anwendung dient zugleich der Rechtssicherheit. Sie sind geeignet, die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis zu bilden. Ferner stützt sich der Senat hinsichtlich des Krankheitsbildes einer Lärmschwerhörigkeit auf das "Merkblatt zu der Berufskrankheit Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung: Lärmschwerhörigkeit" vom 01.07.2008 (Merkblatt zu Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV; siehe Mehrtens/Brandenburg, M 2301, S. 1 ff.).

Danach ist die Lärmschwerhörigkeit eine Schallempfindungsschwerhörigkeit vom Haarzelltyp, das heißt eine Innenohrschwerhörigkeit, und keine Schallleitungsstörung. Zunächst ist die Wahrnehmung der höheren, später erst die der mittleren und eventuell der tieferen Töne beeinträchtigt. Die chronische Schwerhörigkeit durch Lärm tritt immer doppelseitig auf, sie muss aber nicht streng symmetrisch ausgebildet sein. Schon die beginnende Gehörschädigung durch Lärm kann mittels Tonaudiogramm durch typischen pathognomonischen Hörverlust im Frequenzbereich um 4 kHz festgestellt werden. Dabei handelt es sich um die sogenannte c5-Senke. Auch später ist noch für längere Zeit ein Überwiegen der Hochtonstörung feststellbar. Aus der Hochtonsenke kann ein Hochtonabfall werden. Der Hauptsprachbereich zwischen 0,5 und 2 kHz wird erst spät beeinträchtigt. Ein Lautheitsausgleich (Recruitment), möglichst durch mehrere überschwellige Prüfmethoden bestätigt, spricht für eine Schädigung der Sinneszellen des Corti-Organs durch Lärm. Neben dem Recruitment ist vor allem die Form des Tonaudiogramms von Bedeutung. Nur der basocochleäre Typ spricht für Schwerhörigkeit durch Lärm, während mediocochleäre Typen für eine andere Lokalisation im Schneckenwindungssystem entweder im Sinne einer erblichen oder einer Hörnervenschwerhörigkeit sprechen. Pancochleäre Formen deuten eher auf eine lärmfremde Ursache hin (siehe Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2301, S. 1 ff.). In der "Empfehlung für die Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit (BK-Nr. 2301) - Königsteiner Empfehlung" (Königsteiner Empfehlung) wird ausgeführt, dass es für die Annahme einer Lärmschädigung spricht, wenn sich die Hörstörung während der Lärmexposition entwickelt hat, wenn es sich um eine reine Innenohrschwerhörigkeit (Hörstörung der Sinneszellen des Innenohres) mit Betonung des Hörverlustes in den hohen Frequenzen (c5-Senke) handelt und wenn das Ausmaß und die Entwicklung der Hörstörung im adäquaten Verhältnis zur Lärmeinwirkung stehen. Leichte Hörverluste im tiefen und mittleren Frequenzbereich sind erst nach jahre- beziehungsweise jahrzehntelanger und erheblicher Lärmbelastung als lärmbedingt denkbar. Bei einem nachgewiesenen negativen Recruitment ist die Verursachung durch Lärm unwahrscheinlich. Andererseits ist ein positives Recruitment kein Beweis dafür, dass Lärm die Ursache des Haarzellschadens ist (siehe Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2301, S. 8ff., 28f.). Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Berufslärm meist nur zu geringgradiger Schwerhörigkeit führt, die sich auf die hohen Frequenzen beschränkt. Eine mittelgradige Schwerhörigkeit durch berufliche Lärmeinwirkung stellt den seltenen Einzelfall dar. Hochgradige Innenohrschwerhörigkeit allein durch Lärmeinwirkung ist nahezu ausgeschlossen. Übereinstimmung besteht, dass Ertaubung durch chronische Lärmeinwirkung nicht entsteht (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 326). Schwerhörigkeit kann trotz jahrelanger erheblicher beruflicher Lärmbelastung auch andere Ursachen aufweisen. Gehörschädigend ist eine Lärmeinwirkung von mehr als 85 dB(A) als äquivalenter Dauerschallpegel bei einem 8-Stunden Tag über viele Arbeitsjahre (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 324; Feldmann, Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes, 6. Auflage, 2006 S. 210).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind vorliegend die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund der bereits anerkannten BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV nicht gegeben.

Zwar war der Kläger bis zu seiner Berentung zum 01.08.2012 an seiner Arbeitsstelle Lärmeinwirkungen von jedenfalls 90 dB(A) und damit einem Lärm ausgesetzt, der mit über 85 dB(A) geeignet ist, gehörschädigend zu wirken. Dahingestellt bleiben kann, ob er sogar Lärmeinwirkungen von 93 dB(A) ausgesetzt gewesen ist. Allerdings hat der Kläger nach seinen Angaben bei der Arbeit Gehörschutz getragen, seit 2002 sogar extra angepasste Otoplastiken, die das gehörschädigende Ausmaß der Lärmeinwirkung verringern sollten. Ein geeigneter Gehörschutz bewirkt, dass die Lärmbelastung das Innenohr nicht mehr oder nur abgeschwächt erreicht. Innenohrschädigungen können allerdings, z.B. bei nicht optimaler Anpassung des Gehörschutzes bzw. wenn dieser nicht richtig getragen wird, dennoch auftreten. Nach langjähriger gehörschädigender Einwirkung und Vereinbarkeit des audiometrischen Bildes und der Erkrankung kann daher allein aus dem Vorbringen, Gehörschutz ordnungsgemäß getragen zu haben, eine Lärmschwerhörigkeit nicht ohne Weiteres verneint werden (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 330).

Vorliegend steht aber nicht mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fest und ist es daher nicht nachgewiesen, dass der Kläger an einer mit einer MdE um mindestens 20 v. H. zu bemessenden Schwerhörigkeit leidet. Dies ergibt sich aufgrund der im Verlauf erheblich schwankenden sowohl sprachaudiometrischen als auch tonaudiometrischen Messungen. Bieten die Befunderhebungen keine hinreichend zuverlässige Grundlage für eine Überzeugungsbildung und fehlen andere verlässliche Faktoren für die Feststellung der Fortschreitung einer Gesundheitsstörung, geht nach allgemeinen Beweismaßstäben der fehlende Nachweis der anspruchsbegründenden Tatsachen zu Lasten des Klägers (vgl. Urteil des Senats vom 27.03.2014 - L 6 U 4464/13).

Da es für die Erwerbsfähigkeit weniger auf die Flüster-, sondern in hohem Maße auf die Umgangssprache ankommt, hat Vorrang der aus der Sprachaudiometrie gewonnene prozentuale Hörverlust. Dieser ist entscheidende Grundlage für das quantitative Bestimmen des Hörschadens. Danach richtet sich im Wesentlichen die Höhe der MdE. Das Tonaudiogramm wird für das Beurteilen an der Grenze zwischen Normalhörigkeit und geringgradiger Schwerhörigkeit zugezogen, wenn das Sprachaudiogramm normal ist, aber ein erheblicher Tongehörverlust in den hohen Frequenzen besteht, wobei der Stellenwert der Tonaudiometrie schwächer ist (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 344). Der prozentuale Hörverlust berechnet sich nach Nr. 4.3.1 der Königsteiner Empfehlung nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser 1973. Dabei wird aus dem Hörverlust für Zahlwörter und dem Gesamtwortverstehen der prozentuale Hörverlust ermittelt. Der Hörverlust für Zahlwörter (A1-Wert) wird auf der Achse des 50%igen Verständnisses in dB bestimmt. Bei dem Gesamtwortverstehen werden die Verständnisquoten für Einsilber bei den Schallpegeln von 60, 80 und 100 dB addiert. Bei dem gewichteten Gesamtwortverstehen nach Feldmann wird die Verständnisquote 3x bei 60 dB, 2x bei 80 dB und 1x bei 100 dB addiert und diese Summe durch 2 dividiert. Durch diese Gewichtung werden die für die sprachliche Kommunikation besonders wichtigen Schallpegel von 60 und 80 dB stärker berücksichtigt. Nach Nr. 4.3.1 c) der Königsteiner Empfehlung soll bei prozentualen Hörverlusten bis zu einem Wert von 40 % das gewichtete Gesamtwortverstehen angewendet werden. Ergibt sich danach ein Hörverlust von mehr als 40 %, so ist er noch einmal unter Verwendung des einfachen Gesamtwortverstehens zu bestimmen und dieser Wert der Bemessung der MdE zugrunde zu legen.

Unter Anwendung der Königsteiner Empfehlung folgt aus der sprachaudiometrischen Untersuchung nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser 1973 durch - Dr. H. am 30.09.1993 nach dem gewichteten Gesamtwortverstehen ein Hörverlust links von 0 % und rechts von 10 %., damit eine MdE um 0 v. H., - Prof. Dr. T. am 17.09.1998 nach dem gewichteten Gesamtwortverstehen ein Hörverlust links von 20 % und rechts von 40 %, damit eine MdE um 0 bis 10 v. H., - Prof. Dr. T. am 15.11.1999 nach dem gewichteten Gesamtwortverstehen ein Hörverlust links von 10 % und rechts von 20 %, somit ein mit einer MdE um 0 v. H. zu bewertendes verbessertes Hörvermögen, - Prof. Dr. L. am 18.10.2007 nach dem einfachen Gesamtwortverstehen ein Hörverlust links von 90 % und rechts von 95 %, somit eine mit einer MdE um 70 bis 80 v. H. zu bewertende massive Verschlechterung des Hörvermögens, - Dr. Z. am 03.09.2008 nach dem einfachen Gesamtwortverstehen ein Hörverlust von beidseits 100 %, damit ein mit einer MdE um 100 v. H. zu bewertendes weiter verschlechtertes Hörvermögen, - Dr. R. am 29.09.2009 nach dem einfachen Gesamtwortverstehen ein Hörverlust links von 70 % und rechts von 80 %, damit wieder ein mit einer MdE um 50 bis 60 v. H. zu bewertendes verbessertes Hörvermögen, sowie - Prof. Dr. Z. am 13.08.2012 nach dem gewichteten Gesamtwortverstehen ein Hörverlust beidseits von 40 %, damit ein mit einer MdE um 20 v. H. zu bewertendes sogar noch deutlich besseres Hörvermögen.

Auch die vielen tonaudiometrischen Untersuchungen (40 in den Jahren 1976 bis 2012), deren Zusammenfassung sich auch im Gutachten von Prof. Dr. Z. befindet, waren im Verlauf ebenfalls sehr wechselhaft, mit großen Schwankungen im Hoch-, Mittel- und Tieftonbereich. Deutliche Schwankungen zeigten sich dabei insbesondere auch zwischen den tonaudiometrischen Untersuchungen bei den Gutachtern (30.09.1993 Dr. H., 17.09.1998 Prof. Dr. T., 15.11.1999 Prof. Dr. T., 18.10.2007 Prof. Dr. L., 03.09.2008 Dr. Z., 29.09.2009 Dr. R. und 13.08.2012 Prof. Dr. Z.). Dabei weisen die Tonaudiogramme teilweise sogar innerhalb kurzer Zeiträume von wenigen Monaten deutliche Verschlechterungen, wie auch Verbesserungen im angegebenen Hörvermögen auf.

Exemplarisch zeigt sich dies an folgenden Werten aus Tonaudiogrammen:

Datum Hörverlust rechts in dB bei 0,25 kHz 0,5 kHz 1 kHz 2 kHz 3 kHz 4 kHz 6 kHz 8 kHz 09.06.1992 30 30 40 65 75 75 85 70 03.07.1992 50 55 60 60 80 80 80 30.09.1993 5 10 10 55 70 75 75 70 28.05.1998 55 40 75 90 95 90 17.09.1998 30 30 40 75 80 80 80 75 24.02.1999 80 80 80 95 110 115 15.11.1999 20 20 40 65 75 80 80 75 03.02.2000 70 65 90 )95 )95 90 19.03.2001 70 70 70 90 110 110 110 110 18.10.2007 60 65 70 100 105 110 105 105 03.09.2008 80 80 70 80 90 95 90 29.09.2009 70 80 80 95 100 110 110 13.08.2012 30 25 30 65 70 70 80 85

Datum Hörverlust links in dB bei 0,25 kHz 0,5 kHz 1 kHz 2 kHz 3 kHz 4 kHz 6 kHz 8 kHz 09.06.1992 40 40 40 70 75 80 80 75 03.07.1992 60 65 65 70 80 80 30.09.1993 5 10 5 55 55 55 50 40 28.05.1998 70 55 85 85 95 ) 95 80 17.09.1998 30 30 40 70 75 75 70 70 24.02.1999 75 75 75 80 80 90 90 90 15.11.1999 20 15 25 65 70 70 80 80 03.02.2000 95 85 95 )95 )95 90 19.03.2001 90 100 85 95 100 105 110 105 18.10.2007 60 65 75 100 105 105 100 95 03.09.2008 80 85 75 80 90 100 100 100 29.09.2009 85 90 85 90 90 95 100 13.08.2012 25 25 40 70 75 75 85 80

Hinzu kommt, dass teilweise die subjektiven Angaben durch objektive Befunde widerlegt werden. So hat Prof. Dr. T. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 04.06.2008 darauf hingewiesen, dass ein entscheidender Hinweis darauf, dass die audiometrischen Daten bei der Begutachtung durch Prof. Dr. L. nicht korrekt sind, durch die Stapediusreflexaudiometrie geliefert wird. Denn auf dem linken Ohr ist die Reflexschwelle und die ausgewiesene Tongehörschwelle zusammengefallen. Hieraus ist zu folgern, dass bei 2 kHz links der Hörverlust deutlich geringer ist, als die subjektiv angegebenen 100 dB. Da die Stapediusreflexschwelle objektiv gemessen wird, ist daraus ein belastbarer Beweis für Angabeungenauigkeit zu ziehen. Auch Dr. Z. hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass angenommen werden muss, dass zumindest im Frequenzbereich 2 bis 4 kHz die Hörschwelle besser liegt, wie subjektiv angegeben, da bei 2 bis 4 kHz das Recruitment mit der subjektiv angegebenen Hörschwelle zusammenfallen würde. Weiter weist er noch darauf hin, dass das Ohrgeräusch bei einer Schwelle von 80 dB verdeckbar gewesen ist und somit über der Hörschwelle gelegen hat, was naturgegeben nicht möglich ist. Gemäß der objektiven Audiometrie dürfte seinen Ausführungen nach die Schwelle im Bereich 2 bis 4 kHz besser als 80 dB, jedoch schlechter als 60 dB liegen. Dies entspräche den durch Prof. Dr. Z. am 13.08.2012 erhobenen Werten. Auch Dr. R. schließt sich in seinem Gutachten dieser Auffassung zur Hörschwelle an. Denn auch die bei seiner Untersuchung am 29.09.2009 vorliegende deutliche Diskrepanz von Ton- und Sprachaudiogramm spricht hierfür. Es ist nicht nachvollziehbar, wie jemand mit einer Hörschwelle von 85 bis 90 dB Hörverlust (links) bei einer Sprachlautstärke von 70 dB 50% der dargebotenen Zahlwörter verstehen soll. Daraus folgert er nachvollziehbar, dass die real angesiedelte Tonhörschwelle möglicherweise doch um 10 bis 15 dB günstiger anzunehmen ist. Dazu passt auch der Befund, dass bei 80 und 90 dB Testlautstärke bei der Untersuchung BERA (Hirnstammaudiometrie) verwertbare Antwortmuster erhalten wurden, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass auch bei Hörgesunden verwertbare Peaks erst bei überschwelligen Pegeln zu erwarten sind. Hierzu fügt sich auch das Ergebnis der Hörweitenprüfung ein, da Umgangsspracheverständlichkeit in einem Abstand von 1 m vor dem Ohr einem wirksamen Pegel am Ohr von 60 dB entspricht.

Mithin fehlt es am Nachweis einer mit einer MdE um 20 v. H. zu bemessenden Schwerhörigkeit.

Ungeachtet dessen spricht nicht mehr dafür als dagegen und ist es daher nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die von den jeweiligen Gutachtern jedenfalls seit März 2008 beschriebene Schwerhörigkeit berufslärmbedingt ist. So fehlt es nach obigen Ausführungen an einer konstanten einer in etwa gleichbleibenden Lärmexposition entsprechenden Verschlechterung der Hörfähigkeit und an einer lärmbedingten Erklärung für die zwischenzeitlich immer wieder gemessene Zunahme der Hörleistung, die bei einer chronischen Lärmschwerhörigkeit nicht zu erwarten ist, da es sich hierbei um eine irreversible cochleäre Schwerhörigkeit handelt (vgl. Probst, Grvers, Ivo, HNO-Heilkunde, 2. Auflage, 2004, S. 261). Jedenfalls bei fortbestehender Lärmexposition nimmt eine Lärmschwerhörigkeit vielmehr langsam zu, von einer Stagnation der Lärmschwerhörigkeit nach einer bestimmten Anzahl von Jahren, geschweige denn von einer Besserung, kann nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse nicht ausgegangen werden (vgl. Holstein, Hörprobleme bei Musikern, Diss. 2008, S. 25 ff, http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/6446/pdf/Doktorarbeit Julia Holstein.pdf; Urteil des Senats vom 27.03.2014 - L 6 U 4464/13). Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die durchgeführten tonaudiometrischen und sprachaudiometrischen Untersuchungen das tatsächliche Hörvermögen wieder gegeben und auch nicht nur Momentaufnahmen eines sehr flukturierenden Verlaufes dargestellt hätten, sondern anhaltende, länger als drei Monate andauernde Befunde darstellen würden und somit über Jahre sich das Hörvermögen des Klägers wesentlich verschlechtert hätte, würde dieser weitere (zeitweise) Hörverlust daher nicht mit Wahrscheinlichkeit auf der beruflichen Lärmexposition des Klägers beruhen. Denn ein solch rapider Wechsel im Hörvermögen wie sie die Untersuchungen beim Kläger wiedergeben, ist bei unveränderter Lärmexposition mit einer lärmbedingten Genese zur Überzeugung des Senats nicht vereinbar (so auch Urteil des Senats vom 27.03.2014 - L 6 U 4464/13).

Insbesondere Dr. R. hat in seinem Gutachten ausführlich und überzeugend ausgeführt, dass immer wieder auf und ab ändernde Hörverlustbefunde mit Progredienztendenz nicht in die Entwicklung einer Lärmschwerhörigkeit eingeordnet werden können und unter Berücksichtigung der Hörverlustentwicklung, der tatsächlich anzunehmenden Lärmimmissionen, der in eine Lärmschwerhörigkeit nicht einzuordnenden Fluktuation des Hörvermögens, der erheblichen Schadensbetroffenheit der tiefen Frequenzbereiche und des am 29.09.2009 aufgenommenen tonaudiometrischen Befundes, der keinerlei Anzeichen mehr von einer früheren c5-Senke erkennen lässt und mit maximal zu erwartenden Hörverlustbildern typischer Lärmschadensentwicklungen keinerlei Ähnlichkeit mehr hat, eine auf Lärm beruhende Schwerhörigkeit nicht mehr erkennbar ist. Daher sind zur Überzeugung des Senats für die Veränderungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit endogene Schädigungsprozesse verantwortlich. Zu Recht hat auch Prof. Dr. Z. in seinem Gutachten ausgeführt, dass von einer lärmunabhängigen Teilursache (z. B. endogenen-degenerativen Störung) als wesentliche Ursache ausgegangen werden muss. Neben der untypischen Fluktuation des Hörvermögens spricht besonders der untypische Kurvenverlauf mit insbesondere auffälligen Hörverlusten im Tieftonbereich gegen eine lärmbedingte Genese der Hörschädigung. So weist Prof. Dr. Z. für den Senat nachvollziehbar darauf hin, dass die Beurteilung der Hörverluste im Tieftonbereich (bei Prof. Dr. L. am 18.10.2007 bis 60 dB, bei Prof. Dr. Z. am 13.08.2012 bis ca. 30 dB) nicht zum Bild einer Lärmschwerhörigkeit passten. Zwar können Hörverluste auch im tiefen und mittleren Frequenzbereich nach jahre- bzw. jahrzehntelanger und erheblicher Lärmbelastung auftreten. Auch dann wird ein Hörverlust von 30 dB jedoch nur selten erreicht (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, 2010, S. 335 m. w. N.). Darauf hat auch bereits Prof. Dr. T. in seiner zu den Untersuchungsergebnissen im Gutachten von Prof. Dr. L. verfassten Stellungnahme vom 04.06.2008 hingewiesen. Er hat schlüssig ausgeführt, dass gegen einen lärmbedingten Anteil der Hörverminderung nach den audiometrischen Untersuchungen die Hörminderung im Tief- und Mitteltonbereich beidseits spricht. Denn die ausgeprägte Tieftonbeteiligung, die sich dazu hin nicht, wie dies bei Feldmann für extrem lange und starke Lärmexpositionen ausgewiesen ist, als Schrägabfall oder Steilabfall zu hohen Frequenzen hin darstellt, sondern in einem bei 60 dB liegenden Horizontalverlauf bis 1 kHz und dann deutlicher Hochtonsenke mit Wiederanstieg zu hohen Frequenzen hin zeigte, ist nicht als lärmtypisch anzusehen. Auf ein lärmunabhängiges Geschehen weist auch hin, dass eine Lärmschwerhörigkeit im Regelfall nicht das Ausmaß der Mittelgradigkeit erreicht, jedenfalls Mittel- bis Hochgradigkeit nicht überschreitet und die Entstehung einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit eigentlich eine reine Lärmgenese ausschließt. Auf die lärmuntypische Hörschwellenkonfiguration unter anderem im Hinblick auf die Verschlechterung in den tiefen Frequenzen, die fast an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit und die im von ihm erhobenen Tonaudiogramm sogar tieferen Werte im Tieftonbereich gegenüber 1 kHz weist auch Dr. Z. in seinem Gutachten hin. Gegen einen lärmbedingten Anteil der Hörverminderung spricht auch der fehlende Recruitment-Nachweis bei der Begutachtung durch Prof. Dr. Z ... Denn nach Nr. 4.2 der Königsteiner Empfehlungen ist bei einem nachgewiesenen negativen Recruitment die Verursachung der Hörstörung durch Lärm unwahrscheinlich, während ein positives Recruitment - wie teilweise von anderen Gutachtern festgestellt - kein Beweis dafür ist, dass Lärm die Ursache des Haarzellschadens ist.

Nach den von den Gutachtern Prof. Dr. Z., Dr. R., Dr. Z. sowie von Prof. Dr. T. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 04.06.2008 gemachten überzeugenden Ausführungen spricht nach Ansicht des Senats unter Würdigung der vielen Untersuchungsbefunde nicht mehr für als gegen eine Lärmbedingtheit einer mit einer MdE um mindestens 20 v. H. zu bemessenden Schwerhörigkeit. Der Senat vermochte sich daher nicht der Auffassung von Prof. Dr. L. anzuschließen, dass der Hörverlust mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch die langjährige Lärmbelastung am Arbeitsplatz verursacht worden sei, weil sich keine Befunde darstellen ließen, die nicht auf die berufliche Lärmeinwirkung zurück zu führen seien. Vielmehr sind die in ihrer Ausprägung sehr wechselhaften und für eine lärmbedingte Genese untypischen Kurvenverläufe, insbesondere mit einer Betroffenheit auch des Tieftonbereiches, Gründe, die nachdrücklich gegen eine lärmbedingte Verursachung sprechen. Damit hat sich Prof. Dr. L. in seinem Gutachten nicht ausreichend auseinander gesetzt.

Deshalb greift entgegen der Ansicht des Klägers auch die Regelung des § 9 Abs. 3 SGB VII nicht. Zwar wird danach, wenn Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der BKV genannten BK ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit erkranken und Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden können, vermutet, dass diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist. Vorliegend haben aber die oben genannten Gutachter überzeugend dargelegt, dass Anhaltspunkte für eine außerberufliche Verursachung der Schwerhörigkeit vorliegen.

Nachdem alledem hat der Kläger weiterhin keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente nach § 56 SGB VII. Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 09.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2009 zu Recht die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt. Die Berufung des Klägers gegen das seine Klage abweisende Urteil des SG war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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