L 12 SF 941/14 E

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 SF 941/14 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Vergütung des Antragstellers für das Gutachten vom 17. Dezember 2013 im Verfahren L 6 VJ 1266/13 wird auf 2.960,42 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

In dem beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg geführten Verfahren L 6 VJ 1266/13 war ein Impfschaden der Klägerin nach einer HPV-Impfung streitig. Mit gerichtlicher Verfügung vom 25. November 2013 wurde der Antragsteller zum gerichtlichen Sachverständigen nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes ernannt und um die Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage gebeten. Beigefügt waren neben den Gerichtsakten beider Instanzen auch die Verwaltungsakten des Beklagten. Am 17. Dezember 2013 hat der Antragsteller ein 32-seitiges klinisch-wissenschaftliches Kausalitätsgutachten erstattet. Hierfür hat er mit Rechnung vom 17. Dezember 2013 eine Vergütung in Höhe von 2.960,42 EUR verlangt. Abgerechnet hat der Antragsteller 24,5 Stunden zu je 100 EUR (Honorargruppe M3), Schreibgebühren, Kopien und Portokosten.

Die Kostenbeamtin hat mit Schreiben vom 16. Januar 2014 eine Vergütung von insgesamt 1.301,38 EUR errechnet. Sie hat ebenfalls die Honorargruppe M3 zugrundegelegt. Mit näheren Ausführungen zur Plausibilitätsprüfung hat sie jedoch nur einen Zeitaufwand von 10,5 Stunden anerkannt, wobei sie vor allem den Zeitaufwand für die Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen einschließlich Diktat von 19,25 auf 3,7 Stunden herabgesetzt hat.

Mit Schreiben vom 5. Februar 2014 hat der Antragsteller die richterliche Überprüfung und Festsetzung seiner Vergütung beantragt. Die angegebene Zeit habe er tatsächlich benötigt. Der Zeitaufwand sei auch wegen der Schwierigkeit des Gutachtens erforderlich gewesen; dazu macht der Antragsteller nähere Ausführungen.

Die Kostenbeamtin hat dem Antrag nicht abgeholfen und die Sache dem Kostensenat vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten Bezug genommen.

II.

Über den Antrag auf richterliche Festsetzung nach § 4 Absatz 1 Satz 1 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) entscheidet der Senat nach § 4 Absatz 7 Satz 1 JVEG durch den Berichterstatter; Gründe für eine Übertragung des Verfahrens auf den Senat liegen nicht vor.

Grundlage des hier zu beurteilenden Vergütungsanspruchs sind die §§ 8, 9 JVEG. Gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 i.V.m. § 9 Absatz 1 JVEG erhält der Sachverständige neben dem Ersatz von Fahrtkosten und Entschädigung für sonstigen Aufwand (§ 8 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 JVEG) für seine Leistung ein Honorar, das nach Stundensätzen zu bemessen ist. Die Höhe des Stundensatzes variiert je nach der Zugehörigkeit des Gutachtens zu einer bestimmten Honorargruppe (§ 9 Absatz 1 JVEG i.V.m. Anlage 1 zu § 9 Absatz 1). Das Honorar wird gemäß § 8 Absatz 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit gewährt.

Das Gutachten vom 17. Dezember 2013 ist nach der Honorargruppe M3 mit einem Stundensatz von 100 EUR zu vergüten. Davon gehen sowohl der Antragsteller wie auch die Kostenbeamtin zu Recht aus. Denn es handelt sich um ein entschädigungsrechtlichtliches Gutachten mit speziellen Fragestellungen und schwieriger und aufwändiger Beurteilung der Kausalzusammenhänge.

Im vorliegenden Fall steht der Zeitaufwand, d.h. die Anzahl der zu vergütenden Stunden, ganz im Vordergrund der kostenrechtlichen Prüfung; hier liegt der Grund der Kürzung der Kostenbeamtin. Handelt es sich, wie hier, um ein Zeithonorar nach § 9 Absatz 1 JVEG, hat der Sachverständige in der Kostenrechnung anzugeben, welcher Zeitaufwand für die Erbringung der Leistung notwendig war. Das JVEG sieht im Grundsatz keine Begrenzung der für eine Leistung benötigten Zeit vor. Eine Vergütung wird allerdings nur für die "erforderliche" und nicht für die tatsächlich benötigte Zeit gewährt, § 8 Absatz 2 Satz 1 JVEG. Die "erforderliche" Zeit ist nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen (siehe z.B. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Auflage 2014, § 8 Rn. 13 ff. mit zahlreichen Nachweisen). Erforderlich ist die Zeit, die bei sachgerechter Abwägung von erfahrenen Sachverständigen in durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt wird (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 – X ZR 206/98 – juris). Hierbei geht die Rechtsprechung vielfach von Erfahrungssätzen aus, die anhand einer Vielzahl von Gutachten ermittelt worden sind und die im Interesse einer Gleichbehandlung aller Sachverständigen notwendige objektive Beurteilung ermöglichen. Hieraus leitet sich auch die Kompetenz zur Überprüfung von Entschädigungsansprüchen ab, die mithin mit keinerlei Wertung hinsichtlich der Gutachten und ihrer Bearbeitung verbunden ist.

Grundsätzlich ist von der Richtigkeit der Angaben eines Sachverständigen zu seinem tatsächlichen Zeitaufwand auszugehen. Die Überprüfung zur Ermittlung der nach dem JVEG nur vergütungsfähigen erforderlichen Zeit erfolgt in der Regel mittels der vom Senat entwickelten Plausibilitätskriterien (grundlegend Beschluss des Senats vom 22. September 2004 – L 12 RJ 3686/04 KO-AMedR 2006, 118; sowie in Juris).

Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel an einem Vergütungsanspruch des Antragstellers in Höhe seiner Abrechnung vom 17. Dezember 2013. Insbesondere ergeben sich keine Zweifel auf Grund der vom Senat entwickelten Plausibilitätskriterien. Bei der Plausibilitätsprüfung wird nämlich anhand von Erfahrungswerten der Zeitaufwand ermittelt, der im Falle eines "Routinegutachtens" zu erwarten ist (z.B. Beschluss vom 5. April 2005 – L 12 SB 795/05 KO-A – juris). Das hier in Auftrag gegebene und vom Antragsteller erstattete Gutachten weicht von einem solchen Routinegutachten oder Standardgutachten in so hohem Maße ab, dass die Erfahrungswerte der Plausibilitätsprüfung keine Aussagekraft mehr haben können. Das gilt hier namentlich für die Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen, was stets die wesentliche gedankliche Leistung und das Kernstück eines Gutachtens ist, aber auch für die Durchsicht, die auf Grund der Schwierigkeit der zu beurteilenden Frage besonderer Sorgfalt bedurfte. Der Antragsteller hat in seinem Schreiben vom 5. Februar 2013 zur Begründung des dafür aufgewendeten sehr hohen Zeitaufwands ausgeführt, es handle sich um eine ganz besonders schwierige, ungewöhnliche Materie, die er erstmals schlüssig begutachtet habe. Es habe sich um ein impfbedingte komplizierte (poly- bzw. multisymptomatische) Migräne eines jungen Mädchens gehandelt, die sehr ungewöhnlich sei und daher bisher nicht erkannt bzw. fehlinterpretiert bis abgestritten worden sei. Außerdem sei diese Symptomatik im Gefolge einer spezifischen Impfung aufgetreten, die erst seit Ende 2006 zur Anwendung komme, weshalb es bislang noch keinen gesicherten und vollzähligen Katalog der pathologischen Nebenwirkungen gebe. Das ist zutreffend; die inhaltliche Betrachtung des Gutachtens bestätigt einen geradezu detektivischen Aufwand und Sorgfalt bei der Herausarbeitung und Auswertung der in den Akten enthaltenen medizinischen und sonstigen Einzelheiten sowie umfangreiche und komplizierte Überlegungen zur Einordnung der Krankheitserscheinungen und zur Kausalitätsbeurteilung. Das Gutachten passt aufgrund der sachlichen Besonderheiten des Falles von vornherein nicht in das übliche Gliederungsschema (Aktenstudium – wobei im Rahmen der Plausibilitätsprüfung nur die orientierende Aktendurchsicht gemeint ist –, Untersuchung, Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen, Durchsicht und Korrektur) und überschreitet Umfang und Schwierigkeit eines durchschnittlichen Gutachtens bei weitem. Für Gutachten dieser Qualität sind die Ergebnisse der Plausibilitätsprüfung nicht anzuwenden (so z.B. ausdrücklich für ein vergleichbar aufwändiges Gutachten bereits der Beschlüsse des Senats vom 7. Februar 2005 – L 12 U 253/05 KO-A – und vom 21. Mai 2014 – L 12 KO 2832/13 –). Vor diesem Hintergrund bestehen keine Bedenken, das Gutachten des Antragstellers unter Zugrundelegung des angegebenen Zeitaufwands zu vergüten.

Nachdem hinsichtlich Schreibgebühren, Kopien und Portokosten ohnehin kein Diskussionsbedarf besteht, ist die Vergütung insgesamt wie beantragt in Höhe von 2.960,42 EUR festzusetzen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 4 Absatz 8 JVEG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Absatz 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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