L 11 R 2672/14 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1154/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2672/14 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 04.06.2014 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 4.431,83 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.03.2014 über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2012.

Die Antragstellerin ist ein Betrieb in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), deren Geschäftsgegenstand die Herstellung und der Verkauf von Parkett sowie anderen Bodenbelägen ist. Die Ehefrau des Geschäftsführers der Antragstellerin, C. V. (V), war bis 31.12.2013 hauptberuflich bei der Firma Ingenieurbüro F. angestellt. Vom 01.01.2009 bis 31.01.2011 war V darüber hinaus als Bürohilfskraft geringfügig bei der Antragstellerin beschäftigt. Ab dem 15.01.2009 meldete sie ein Gewerbe "Büroservice" an. Vom 01.02.2011 bis 31.12.2012 erbrachte V ihre Leistungen für die Antragstellerin im Rahmen ihres Unternehmens "C. O. M. C. V." für eine Pauschale in Höhe von monatlich 1.500,- EUR. Hierüber erstellte V der Antragstellerin monatliche Rechnungen. Am 20.10.2012 schlossen die Antragstellerin und V einen Arbeitsvertrag mit Arbeitsbeginn am 01.01.2013. Für die Zeit ab dem 01.01.2013 wurden von der Antragstellerin wieder Sozialversicherungsbeiträge für V aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses abgeführt.

Die Beklagte führte bei der Antragstellerin für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 eine Betriebsprüfung nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) durch. Auf einem Fragebogen der Beklagten gab V an, ihre selbständige Tätigkeit habe Büroorganisation, Büroservice und Mitarbeiterschulungen beinhaltet. Die vorherige geringfügige Beschäftigung sei als Hilfskraft ausgeübt worden. Im Rahmen der selbständigen Tätigkeit habe sie die Bürostrukturen neu entwickelt und im Unternehmen eingeführt. Seit Januar 2013 sei sie als Büroleiterin versicherungspflichtig angestellt und ua mit der Ausbildung der Auszubildenden betraut. Die Selbständigkeit habe sie Ende 2012 beendet, da es ihr nicht gelungen sei, einen ausreichenden Kundenstamm aufzubauen. Werbung habe sie über Telefonakquise betrieben.

Mit Schreiben vom 21.08.2013 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zur beabsichtigen Nachforderung von Beiträgen und Umlagen an, da V durchgängig abhängig beschäftigt gewesen sei. Die Antragstellerin trug am 14.10.2013 umfangreich zu nach ihrer Ansicht selbständigen Tätigkeit von V vor. V sei weder weisungsgebunden noch in die Betriebsstruktur des Unternehmens eingegliedert gewesen. Auch sonst würden sämtliche Kriterien für eine selbständige Tätigkeit sprechen.

Mit Bescheid vom 29.10.2013 gab die Antragsgegnerin der Antragstellerin für den Prüfzeitraum 01.01.2009 bis 31.12.2012 auf, Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen iHv 17.727,33 EUR (inkl Säumniszuschläge iHv 2.828,50 EUR) nachzuzahlen. Zur Begründung führte sie hinsichtlich der V betreffenden Nachforderung aus, nach der Gesamtwürdigung aller tätigkeitsrelevanten Tatsachen handle sich bei der Tätigkeit in der Zeit vom 01.02.2011 bis 31.12.2012 um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, für das Beitragspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestanden habe. Darüber hinaus seien Nachzahlungen bzw Auszahlungen aus dem Arbeitszeitkonto nicht bei der Berechnung der Umlage berücksichtigt worden.

Hiergegen legte die Antragstellerin am 14.11.2013 Widerspruch ein und wiederholte zur Begründung ihren bisherigen Vortrag. Ergänzend führte sie aus, V sei noch für die Firma B R. GmbH tätig gewesen. Für die Antragstellerin habe sie wöchentlich 5 - 10 Stunden gearbeitet. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2014 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch unter Auseinandersetzung mit dem Vortrag der Antragstellerin zurück.

Am 03.04.2014 erhob die Antragstellerin Klage zum Sozialgericht Ulm (Az S 4 R 1078/14).

Am 09.04.2014 hat die Antragstellerin darüber hinaus die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Vollziehung des angefochtenen Beitragsbescheides beantragt. Zur Begründung wiederholt die Antragstellerin ihren bisherigen Vortrag. Ergänzend führt sie aus, aufgrund der umfassenden Beschreibung der Tätigkeitsmerkmale sei von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen. Mit Beschluss vom 04.06.2014 hat das SG den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, im Rahmen des § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei unter Gegenüberstellung der Interessen der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung und im öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit eine Abwägungsentscheidung zu treffen. Ausschlaggebend seien dabei die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Es bestünden keine Zweifel, dass die Antragsgegnerin zu Recht Beiträge für die Beschäftigung der V für den Prüfzeitraum erhebe. Rechtsgrundlage sei § 28p SGB IV, wonach die Rentenversicherungsträger bei dem Arbeitgeber prüften, ob diese ihre Meldepflichten und sonstigen Pflichten nach dem SGB IV erfüllten und Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht unter Beitragshöhe erließen. Die von der Antragstellerin beschäftigte Person sei abhängig beschäftigt und damit versicherungspflichtig. Die Tätigkeit von V stelle sich als Erbringung bestimmter Leistungen in einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation dar, als sogenannte dienende Teilhabe an einem fremden Arbeitsprozess. Es liege insoweit eine Eingliederung in den Betrieb vor. Gleichzeitig habe V kein unternehmerisches Risiko getragen, was ebenfalls für eine abhängige Beschäftigung spreche. Da daneben auch keine eigene Betriebsstätte, kein eigenständiges Auftreten am Markt, das Fehlen wesentlicher Betriebsmittel für eine selbständige Tätigkeit spreche, sei von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Der Beschluss ist dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am 12.06.2014 mittel Empfangsbekenntnis zugestellt worden.

Am 24.06.2014 hat die Antragstellerin Beschwerde gegen den Beschluss des SG eingelegt. Sie verweist darauf insoweit auf den bisherigen Vortrag, wonach sämtliche Kriterien die für eine selbständige Tätigkeit sprächen, vorlägen.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 04.06.2014 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Beklagten vom 29.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.03.2014 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist nach § 172 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, insbesondere nicht nach § 172 Abs 3 Nr 1 SGG ausgeschlossen, da angesichts des Beschwerdewerts auch in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre. Die Beschwerde ist zudem form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG).

Nach § 86a Abs 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt jedoch gemäß § 86a Abs 2 Nr 1 SGG bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Zu den Entscheidungen, die unter § 86a Abs 2 Nr 1 SGG fallen, gehören auch Bescheide des Rentenversicherungsträgers, die - wie hier - auf der Grundlage von § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) nach einer Prüfung beim Arbeitgeber ergehen (Beschlüsse des Senats vom 19.07.2012, L 11 R 1789/12 ER-B, 11.05.2010, L 11 KR 1125/10 ER-B, mwN und vom 29.07.2010, L 11 R 2595/10 ER-B, alle veröffentlicht in juris).

Die Frage, ob die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage aufgrund von § 86b Abs 1 Nr 2 SGG anzuordnen ist, ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber auch im Einzelfall zugunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten, gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsachverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (st Rspr des Senats; vgl Beschlüsse vom 06.05.2010, L 11 R 1806/10 ER-B, und 11.05.2010, L 11 KR 1125/10 ER-B, veröffentlicht in juris). Dabei sind auch stets die Maßstäbe des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen. Demgemäß hat eine Aussetzung der Vollziehung zu erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei Beitragsstreitigkeiten ernstliche Zweifel in Sinne des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG nur dann vorliegen, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (vgl auch Beschluss des Senats vom 28.06.2010, L 11 R 1903/10 ER-B, nv). Andernfalls wäre in Beitragsangelegenheiten angesichts der vielfach in vorläufigen Rechtsschutzverfahren noch ungeklärten Verhältnisse eine Aussetzung der Vollziehung häufig durchsetzbar, was die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger beeinträchtigen könnte (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.07.2004, L 5 B 2/04 KR ER mwN, juris). Insoweit müssen erhebliche Gründe für ein Obsiegen in der Hauptsache sprechen, damit die in § 86a Abs 2 Nr 1 SGG vorgenommene gesetzliche Risikoverteilung geändert werden kann (Beschluss des Senats vom 19.07.2012, L 11 R 1789/12 ER-B, juris). Die Wirkung der gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs tritt rückwirkend ab Erlass des mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheides ein und endet in den Fällen, in denen Klage erhoben wird, erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der Hauptsacheentscheidung (Beschlüsse des Senats vom 03.08.2012, L 11 KR 2566/12 ER-B, juris; 11.05.2010, L 11 KR 1125/10 ER-B, juris; LSG Baden-Württemberg 20.03.2006, L 8 AS 369/06 ER-B, juris).

Nach dem gegenwärtigen Stand ist es für den Senat nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 29.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.03.2014 Erfolg haben wird.

Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides ist § 28p Abs 1 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV erfüllen. Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs 2 SGB IV sowie § 93 iVm § 89 Abs 5 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht. Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung gelten nach § 253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und § 174 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach §§ 1 Abs 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) auch für die Arbeitsförderung.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung sowie in der Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung [SGB V], § 20 Abs 1 S 2 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung [SGB XI], § 1 S 1 Nr 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch -Gesetzliche Rentenversicherung [SGB VI], § 24 Abs 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung [SGB III]). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 17 mwN).

Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (st Rspr des BSG seit mindestens 2008, vgl auch hierzu BSG 29.98.2012, aaO).

Nach im Eilverfahren gebotener, aber auch ausreichender summarischer Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes, soweit dieser im vorliegenden Verfahren zur Überprüfung steht. Zwischen V und der Antragstellerin bestand auch im streitgegenständlichen Zeitraum ein abhängiges, sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis.

Dabei kann unterstellt werden, dass die Klägerin und die V kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründen wollten. Dem Willen der Vertragsparteien kommt jedoch nur eine Indizwirkung zu, dessen Bedeutung zurücktritt, wenn die tatsächlichen Umstände der Durchführung des Vertragsverhältnisses dem widersprechen. Zudem hatte V ein Gewerbe angemeldet und ihre Vergütung der Antragstellerin unter Ansatz von Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt. Diese Gesichtspunkte sind jedoch für die Abgrenzung zwischen abhängiger und selbständiger Tätigkeit ohne Bedeutung. Die Bewertung einer Tätigkeit als abhängige Beschäftigung bzw selbständige Tätigkeit kann ebenso wenig wie das Bestehen oder Nichtbestehen von Sozialversicherungspflicht vertraglich vereinbart werden. Die Anmeldung eines Gewerbes und die Vergütung in Form von Rechnungen setzen eine selbständige Tätigkeit voraus, begründen aber für sich allein keine solche (Senatsbeschluss vom 19.07.2012, L 11 KR 1789/12, juris. Maßgeblich ist vielmehr das Gesamtbild, das sich nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt. Danach überwiegen nach derzeitiger Sachlage die Indizien für eine abhängige Beschäftigung eindeutig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist ein gewichtiges Indiz für eine abhängige Beschäftigung der Umstand, dass der Vertragsgegenstand – vorliegend bestanden keine schriftlichen, sondern nur mündliche Abreden – derart unbestimmt ist, dass er erst durch weitere Vorgaben oder eine Eingliederung in den Betrieb konkretisiert wird (Senatsurteile vom 14.02.2012, L 11 KR 3007/11, NZS 2012, 667; 14.10.2013, L 11 R 4625/12). Dies ist vorliegend der Fall. Die konkreten Arbeitsinhalte waren nicht durch einen schriftlichen Vertrag selber geregelt, sondern die geschuldete Leistung ist derart unbestimmt gewesen, dass sie erst später im Einzelfall durch Weisungen des Auftraggebers konkretisiert wurden, so dass eine Weisungsabhängigkeit vorliegt, die regelmäßig ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründet (Senatsurteil aaO, mwN). Dem steht nicht entgegen, dass das Weisungsrecht insbesondere bei Diensten höherer Art auch eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert" sein kann, wenn der Beschäftigte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG 18.12.2001, B 12 KR 8/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 19).

Im Übrigen hat die Antragsgegnerin zutreffend darauf hingewiesen, dass V die Tätigkeit der Büroorganisation im Namen des Unternehmens ausgeführt hat und bei ihrer Tätigkeit auch regelmäßig auf die Betriebsorganisation angewiesen war. So erbrachte sie Dienstleistungen, die für weitere Betriebsabläufe notwendig war, weshalb sie Teil der Betriebsstruktur war. Dies zeigt sich besonders bei der Erstellung von Angeboten sowie Logistikplänen. Diesbezüglich sind zwingende Rücksprachen erforderlich.

Zutreffend hat das SG im Übrigen auf das fehlende unternehmerische Risiko der V hingewiesen. Selbständig Erwerbstätige unterscheiden sich von den Beschäftigten insbesondere dadurch, dass sie ein unternehmerisches Risiko tragen, indem sie eigenes Kapital mit der Gefahr des Verlustes einsetzen und der Erfolg des Einsatzes ihres Kapitals oder sonstiger sächlicher oder persönlicher Mittel ungewiss ist (BSG 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13). In betriebsmittelarmen Bereichen kommt es vor allem auf das Risiko des Auftragnehmers an, die Arbeitsleistung zu erbringen, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten (vgl Senatsurteil vom 18.05.2010, L 11 R 4137/09). Die Tätigkeit der V stellt eine solche betriebsmittelarme Tätigkeit dar, bei der regelmäßig nur geringe Betriebsmittel und kein Kapital eingesetzt werden. Der Einsatz von beispielsweise Laptop, Büroausstattung oder PKW zur Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistung stellt keinen Einsatz von Kapital im Sinne eines unternehmerischen Risikos dar. Die Gefahr, dass V ihre Arbeitsleistung erbringt, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten, bestand zu keinem Zeitpunkt, weil ihr eine feste monatliche Gehaltszahlung zustand. Der Umstand, dass die Antragstellerin den monatlich gezahlten Betrag als "Pauschale" bezeichnet, steht der Wertung dieser Zahlung als Gehalt nicht entgegen. So führt die Antragstellerin ua aus, für sie sei entscheidend gewesen, "dass für die gesamte Tätigkeit von Frau Volk ein monatlicher Fixbetrag vereinbart wurde, ". Eine feste monatliche Vergütung ist jedoch die typische Entlohnung in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis.

Einwände gegen die Berechnungsgrundlage der Antragsgegnerin sowie der konkreten Höhe der Nachforderung sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des von der Antragsgegnerin zu Grunde gelegten monatlichen Entgelts. Soweit die Antragsgegnerin im streitgegenständlichen Bescheid bei der Nachforderung im Übrigen die Nachzahlung bzw Auszahlungen aus Arbeitszeitkonten zur Berechnung der Umlagen herangezogen hat, wurde dies vom Antragsteller ebenfalls nicht beanstandet. Darüber hinaus sind auch diesbezüglich keine Fehler ersichtlich.

Danach fällt die Interessenabwägung vorliegend zu Gunsten der Antragsgegnerin aus. Dies gilt auch hinsichtlich der geltend gemachten Säumniszuschläge. Hinsichtlich dieser wird das SG im Hauptsacheverfahren freilich zu prüfen haben, ob der Arbeitgeber unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte und sich dies nicht nur auf den Sachverhalt "Nachzahlung/Arbeitszeitkonten", sondern auch auf den Sachverhalt "Beschäftigung/Versicherungspflicht" bezog. Der Gesetzgeber hat in den Fällen des § 86 a Absatz 2 Nr. 1 SGG durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage das öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug höher eingeschätzt als das Interesse des Betroffenen an der Nichtzahlung von Beiträgen, um die Finanzierungsgrundlage und damit die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger sicherzustellen. Diese gesetzliche Risikoverteilung würde unterlaufen, wenn bereits bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens die Vollziehung ohne Weiteres ausgesetzt würde.

Die Vollziehung des Beitragsbescheides über eine Forderung von 17.727,33 EUR bedeutet für die Antragstellerin auch keine unbillige Härte. Zur Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs vertritt der Senat in mittlerweile st. Rspr die Auffassung, dass allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für die Antragsteller verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen nicht zu einer solchen Härte führen , da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind (Senatsbeschlüsse vom 16.08.2013, L 11 R 3031/13 ER und vom 04.09.2013, L 11 R 2315/13 ER-B; vgl LSG Nordrhein-Westfalen 10.01.2012, L 8 R 774/11 ER-B, juris). Aus demselben Grund begründet auch die Höhe einer Beitragsforderung allein keine unbillige Härte. Darüber hinausgehende, nicht oder nur schwer wiedergutzumachende Nachteile durch eine Zahlung müssen vom Antragsteller substantiiert dargelegt werden. Diese müssen darüber hinaus auch noch das Interesse an der aktuellen Einziehung der Forderung überwiegen. Das Interesse an einer zeitnahen Durchsetzbarkeit der Beitragsforderung kann oft gerade dann hoch sein, wenn der Antragsteller behauptet, dass Zahlungsunfähigkeit drohe. Gerade in einer solchen Situation sind die Versicherungsträger gehalten, die Beiträge rasch einzutreiben, um die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung sicherzustellen (vgl Senatsbeschluss vom 04.09.2013, L 11 R 2315/13 ER-B). Bei Beitragsnachforderungen auf Grund von Betriebsprüfungen nach § 28p SGB IV ist zudem zu beachten, dass nachgeforderte Beiträge nicht allein das Rechtsverhältnis zwischen Beitragsschuldner/Arbeitgeber und Behörde/Träger der gesetzlichen Rentenversicherung betreffen. Denn anders als nachgeforderte Steuern wirken sich Gesamtsozialversicherungsbeiträge gem. § 28d SGB IV direkt auf die Sozialrechtsverhältnisse der betroffenen Beschäftigten aus. Ihnen erwachsen insbesondere Rentenanwartschaften grundsätzlich nur aus gezahlten Beiträgen (§ 55 Abs 1 Satz 1 SGB VI; vgl. den Erwerb von Entgeltpunkten für Beitragszeiten gem. § 70 ff SGB VI). Ebenso richten sich die typischen arbeitnehmerbezogenen Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld gem. § 149 SGB III und das Krankengeld gem. 47 SGB V nach dem erzielten Entgelt. Die sozialrechtliche Betriebsprüfung sichert also nicht nur die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und deren Funktionsfähigkeit, sondern sie schützt die sozialrechtlichen Anwartschaften und Ansprüche der Beschäftigten. Dies gilt umso mehr, als diese Anwartschaften und Ansprüche auch aus den Beitragsanteilen der Arbeitnehmer entstehen (ungeachtet der Einschränkungen im Entgeltabzugsverfahren gem § 28g SGB IV). Der Eilrechtsschutz erfordert deshalb, dass auch die Interessen der - aus Gründen der Eilbedürftigkeit im Verfahren nach § 86b SGG (noch) nicht beigeladenen - Beschäftigten Berücksichtigung finden. Diese sind als Drittbetroffene zu behandeln (vgl Meyer-Ladewig,Keller, Leitherer, SGG, 12. Auflage 2012, § 86b Rdnr 12i). Es sind also die Interessen der Arbeitgeber als Beitragsschuldner (§ 28e SGB IV), die Interessen der Versichertengemeinschaft und die Interessen der Beschäftigten in die Beurteilung der unbilligen, nicht durch öffentliche Interessen gebotenen Härte einzubringen (vgl Bayerisches LSG 30.07.2012, L 5 R 267/12 B ER, juris).

Da entsprechende schwer wiedergutzumachende Nachteile durch den Antragsteller nicht vorgetragen wurden, war die aufschiebende Wirkung auch nicht aus Gründen der unbilligen Härte anzuordnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG.

Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren erfolgt nach § 197a SGG iVm §§ 47 Abs 2 Satz 1, 52 Abs 3, 53 Abs 2 Nr 4 Gerichtskostengesetz (GKG). Es entspricht der Senatspraxis, im einstweiligen Rechtsschutz einen geringeren Streitwert anzunehmen als im Hauptsacheverfahren. In Beitragsstreitigkeiten der vorliegenden Art bemisst der Senat inzwischen den Streitwert nach einem Viertel des Hauptsachestreitwerts (vgl Beschluss vom 16.08.2013, L 11 R 3031/13 ER), dies sind hier ein Viertel von 17.727,33 EUR, also 4.431,83 EUR.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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