L 4 P 2852/14 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 P 1251/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 2852/14 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 4. Juni 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Pflegegeld nach der Pflegestufe III.

Die am 1930 geborene Klägerin ist bei der Beklagten aufgrund eines Pflegeversicherungsvertrags, dem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung, Bedingungsteil für die private Pflegepflichtversicherung (MB/PPV) zugrunde liegen, in der Tarifstufe PVB mit einem Tarifsatz von 30 vom Hundert (v.H.) privat pflegeversichert. Die restlichen 70 v.H. werden durch Beihilfeansprüche abgedeckt.

Auf ihren Antrag vom 4. April 2011 zahlte ihr die Beklagte zunächst für die Zeit vom 1. April 2011 bis 31. März 2012 befristet Pflegegeld nach der Pflegestufe II (Schreiben der Beklagten vom 10. Juni 2011). Grundlage war das MEDICPROOF-Gutachten des Dr. K. vom 11. Mai 2011, der den Bedarf in der Grundpflege auf 210 Minuten schätzte. Als wesentliche pflegebegründende Diagnosen wurden ein Zustand nach Apoplex (ED 4. Februar 2011) mit spastischer Hemiparese links, Schluckstörungen, Depression und globale Inkontinenz (Windeln) sowie als Zusatzdiagnosen Hypertonie und Zöliakie angegeben. Gestützt auf das von Dr. K. erstattete Wiederholungsgutachten vom 24. Februar 2012, in dem er den Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege auf 174 Minuten schätzte, hob die Beklagte die Befristung mit Schreiben vom 12. März 2012 auf.

Einen am 12. November 2012 gestellten Erhöhungsantrag begründete die Klägerin insbesondere mit einer neu aufgetretenen Schlafapnoe. Die Beklagte holte hierauf bei der MEDICPROOF-GmbH das Gutachten des Dr. L. ein. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 3. Dezember 2012 zu der Beurteilung, dass ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 179 Minuten bestehe (Körperpflege 93 Minuten; Ernährung 12 Minuten; Mobilität 74 Minuten). Mit Schreiben vom 11. Januar 2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass keine Änderung in der Pflegestufe eingetreten sei. Es werde weiterhin Pflegegeld nach der Pflegestufe II nach Tarifstufe PVB in Höhe von 30 v.H. der Leistungen gewährt. Hiergegen trug die Klägerin vor, dass im Hinblick auf die Vielzahl und die Schwere ihrer gesundheitlichen Schwierigkeiten keine andere Möglichkeit bestehe, als eine Pflege an 24 Stunden pro Tag zu organisieren. Wenn man sich an das Gutachten der Beklagten halten würde, würde man weitere Gesundheitsschäden oder gar ihren Tod billigend in Kauf nehmen. Die Beklagte teilte der Klägerin hierauf mit, dass sie, ebenso wie die Klägerin, an die Entscheidung des von ihr beauftragten Arztes gebunden sei. Eine nochmalige Prüfung sei nur dann möglich, wenn die Feststellungen des Sachverständigen von der tatsächlichen Sachlage offensichtlich und wesentlich abwichen. Der gutachterseitig ermittelte Hilfebedarf müsse unter Berücksichtigung der festgestellten Beeinträchtigungen als schlüssig erachtet werden. Ein Widerspruch im Bereich der privaten Pflegeversicherung sei nicht vorgesehen.

Hierauf erhob die Klägerin am 5. April 2013 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG; S 3 P 976/13). Über die Klage hat das SG bisher nicht entschieden. Es hat unter dem 4. Juni 2014 einen Gutachtensauftrag an Frau R. D. erteilt. Am 10. April 2013 beantragte die Klägerin außerdem beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung (S 3 P 1012/13 ER). Sie beantragte, sie ab Rechtshängigkeit in die Pflegestufe III einzustufen und die Beklagte zu verpflichten, ihr die entsprechenden vertraglichen Leistungen zu erbringen. Diesen Antrag, dem die Beklagte unter Verweis darauf entgegentrat, dass es sich um ein Schiedsgutachten im Sinne des § 84 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) handele, die Feststellungen der Sachverständigen daher grundsätzlich verbindlich seien, das Gutachten vom 3. Dezember 2012 von den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Begutachtung nicht offenbar und erheblich im Sinne der Rechtsprechung abweiche und auch ein Anordnungsgrund in Abrede gestellt werde, lehnte das SG mit Beschluss vom 3. Mai 2013 ab. Das von der Beklagten veranlasste Gutachten von Dr. L. vom 3. Dezember 2012 sei nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durchzuführenden summarischen Prüfung nicht offenbar unrichtig und daher verbindlich. Anhaltspunkte für eine wesentliche Unrichtigkeit des Gutachtens seien nicht ersichtlich. Das Gutachten halte sich im Rahmen des von Gesetzes wegen eingeräumten Einschätzungsspielraums. Im Übrigen fehle es an einem Anordnungsgrund. Es seien keine Gründe ersichtlich, die es der Klägerin unzumutbar machten, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Insbesondere sei von der Klägerin nicht glaubhaft gemacht worden, weshalb die von ihr erforderlich erachtete (ganztägige) Pflege nicht - bis zur Entscheidung in der Hauptsache - finanziell bewältigt werden könne. Allein die längere Verfahrensdauer von Klageverfahren gegenüber Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes rechtfertige nicht für sich allein die Vorwegnahme der Entscheidung der Hauptsache in einem Eilverfahren. Nachdem das SG im Hauptsacheverfahren S 3 P 976/13 die Veranlassung einer erneuten Begutachtung durch die Beklagte angeregt hatte, holte die Beklagte bei der MEDICPROOF-GmbH das Zweitgutachten des Dr. Adam vom 7. November 2013 ein. Dieser gelangte zu der Beurteilung, dass das im Gutachten vom 3. Dezember 2012 ermittelte Ergebnis zu bestätigen sei, auch wenn sich die Pflegezeiten anders darstellten. Er schätzte den Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege auf 196 Minuten täglich (Körperpflege 81 Minuten; Ernährung 12 Minuten; Mobilität 103 Minuten). Seit Februar 2011 bestehe Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe II.

Am 28. Januar 2014 stellte die Klägerin einen weiteren Höherstufungsantrag, den sie mit als Folge der Inkontinenz an den Oberschenkeln und im Bereich der Gesäßfalte wunden Hautstellen begründete, die eine regelmäßige abendliche Teilwäsche des Unterkörpers, wofür eine Zeit von täglich zwölf bis 15 Minuten benötigt werde, erforderlich machten. Die Beklagte holte wiederum ein Gutachten der MEDICPROOF-GmbH ein, das Pflegefachkraft B. am 8. März 2014 erstattete. Die Gutachterin schätzte den Hilfebedarf der Klägerin, die mit einer 24-Stunden-Pflegekraft in einer Wohnung lebt, im Bereich der Grundpflege auf 222 Minuten (Körperpflege 111 Minuten; Ernährung 28 Minuten; Mobilität 83 Minuten).

Am 19. Mai 2014 beantragte die Klägerin beim SG erneut den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Antrag, ihr ab Rechtshängigkeit Leistungen nach Einstufung in Pflegestufe III zu erbringen. Ein Anordnungsanspruch sei gegeben. Eine Überprüfung der drei von der Beklagten eingeholten MEDICPROOF-Gutachten ergebe, dass tatsächlich im Rahmen der Grundpflege ein täglicher Zeitaufwand von über 240 Minuten bestehe. Im Rahmen des Gutachtens vom 8. März 2014 hätten sich offensichtliche Fehler eingeschlichen, weshalb im Rahmen dieses Gutachtens ein Zeitbedarf von lediglich 222 Minuten statt über 240 Minuten festgesetzt worden sei. Unterstelle man, dass die Maximalzeiten, die in den drei Gutachten bereits festgestellt worden seien, ihre Richtigkeit hätten, ergebe sich ein Zeitaufwand im Bereich der Grundpflege von 282 Minuten. Hätte Pflegefachkraft B. in ihrem Gutachten vom 8. März 2014 im Bereich Mobilität die Werte des Gutachtens vom 15. November 2013 übernommen, hätte sie einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 242 Minuten festgestellt. Sie habe jedoch den Zeitbedarf im Bereich der Mobilität von zuvor 103 Minuten auf 83 Minuten und im Bereich Gehen von 64 Minuten auf 32 Minuten gekürzt. Dies sei falsch. Im Rahmen dieses Gutachtens seien auch notwendige Pflegetätigkeiten unberücksichtigt geblieben. Die Anzahl der Mahlzeiten sei zu gering eingeschätzt worden, die Mundreinigung nach den Mahlzeiten fehle teilweise, das Händewaschen nach dem Toilettengang fehle gänzlich und auch die Anzahl der Toilettengänge sei zu niedrig festgesetzt worden. Es bestehe auch ein Anordnungsgrund, da sie auf 24 Stunden Pflege angewiesen sei. Ihre beiden Kinder seien ganztags berufstätig. Sie übernähmen trotzdem ihre Pflege. Im Hinblick auf die nachts notwendige Pflege müsse jedoch eine fremde Pflegekraft beschäftigt werden. Um eine Pflegekraft beschäftigen zu können, müsse ein Bruttolohn von monatlich mindestens EUR 1.900,00 bis EUR 2.000,00 aufgebracht werden. Diesen Betrag könne sie nicht aufbringen. Es verbleibe ihr von ihren Renten nach Abzug ihrer Kosten nur ein Betrag in Höhe von EUR 247,01. Diesen Betrag benötige sie für ihren eigenen Lebensunterhalt, Kosten einer Akupunkturbehandlung, Kleidung etc. Ihre Kinder, die grundsätzlich zum Barunterhalt nicht verpflichtet seien, da sie bereits tagtäglich ihre Pflege übernähmen, bezahlten monatlich insgesamt EUR 1.200,00 für eine Pflegekraft. Weitere Zahlungen seien ihnen finanziell nicht möglich. Wenn sie in ihrem häuslichen Bereich verbleiben wolle, sei sie auf ein Pflegegeld nach der Pflegestufe III in Höhe von EUR 700,00 angewiesen. Zusätzlich zu den Unterhaltszahlungen ihrer Kinder ergäbe dies einen Betrag von EUR 1.900,00. Die Klägerin legte einen Bericht der Krankengymnastin Br. vom 31. März 2014, wonach sie bei der Fortbewegung Fortschritte gemacht hat, und eine eidesstattliche Versicherung ihrer Tochter vom 14. Mai 2014 zu ihrer Pflege und zu ihrem Einkommen und Vermögen vor.

Die Beklagte trat dem Antrag entgegen. Sie verwies noch einmal darauf, dass es sich um Schiedsgutachten im Sinne des § 84 VVG handele und wies ergänzend darauf hin, dass das Gutachten vom 8. März 2014 nicht offenbar erheblich von den tatsächlichen Umständen zum Zeitpunkt der Begutachtung abweiche. Es sei für die Parteien verbindlich. Eine Unrichtigkeit des Gutachtens könne nicht daraus abgeleitet werden, dass in den verschiedenen Gutachten unterschiedliche Zeitansätze festgestellt worden seien. Verfehlt sei es auch, Maximalwerte aus den verschiedenen Gutachten herauszulösen, um daraus einen neuen Zeitwert zu errechnen. Ein Anordnungsgrund sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht ersichtlich. Auch bei einer Pflege im häuslichen Bereich bestehe nicht lediglich die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Pflegegeld, es sei beispielsweise bei der Inanspruchnahme eines Pflegedienstes bereits in der Pflegestufe II eine Leistung von EUR 1.100,00 im Monat möglich.

Das SG lehnte mit Beschluss vom 4. Juni 2014 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erneut ab. Der Beschluss des SG vom 3. Mai 2013 im Verfahren S 3 P 1012/13 ER sei in Rechtskraft erwachsen. Seither habe sich die Sach- und Rechtslage nicht wesentlich geändert. Das Anliegen der Klägerin, das sie im Hauptsacheverfahren S 3 P 976/13 verfolge, sei weiterhin auf Gewährung von Leistungen nach Pflegestufe III gerichtet. Durch die von der Beklagten zwischenzeitlich eingeholten weiteren Gutachten vom 7. November 2013 und 8. März 2014 habe sich die Sach- und Rechtslage nicht verändert. Die nach dem Antrag der Klägerin auf Höherstufung vom 15. November 2012 von der Beklagten eingeholten drei MEDICPROOF-Gutachten hätten sämtlich zum Inhalt, dass ein Hilfebedarf bei der Grundpflege in einem zeitlichen Umfang von unter 240 Minuten pro Tag erforderlich sei. Die Klägerin halte demgegenüber an ihrer Auffassung fest, die einzelnen Hilfebedarfe seien nicht zutreffend ermittelt und es sei von einem Hilfebedarf in der Grundpflege von über 240 Minuten auszugehen. Damit wiederhole der Antrag nur den früheren Antrag. Ein solcher Antrag sei unzulässig. Die Klärung der streitgegenständlichen Fragen bleibe dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Dagegen hat die Klägerin am 3. Juli 2014 beim SG Beschwerde eingelegt. Der erneute Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zulässig. Seit der früheren Entscheidung des SG vom 3. Mai 2013 sei eine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten. Eine Änderung der Sach- und Rechtslage sei gegeben, wenn in der Zwischenzeit ein neues Pflegegutachten vorliege (vgl. Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. April 2012 - L 2 P 16/12 ER -, in juris). In ihrem Fall seien seit dem Beschluss des SG vom 3. Mai 2013 gleich zwei weitere Gutachten ergangen. Das Abwarten weiterer Sachverständigengutachten sei nur dann gerechtfertigt, wenn das Gericht nicht selbst schon in der Lage sei, vorliegend die Gutachten tatrichterlich zu würdigen und eine entsprechende Entscheidung zu treffen. Dies sei hier der Fall. Das Gutachten vom 8. März 2014 sei wegen der Kürzung im Bereich Gehen, durch Berücksichtigung von lediglich fünf statt acht Toilettengängen tagsüber, durch Nichtberücksichtigung des Händewaschens nach dem Toilettengang und durch Berücksichtigung von lediglich zwei Mundreinigungen statt der Mundreinigung nach jeder Mahlzeit fehlerhaft. Übernehme man die Grundlagen der vorliegenden MEDICPROOF-Gutachten und orientiere diese am allgemein Üblichen, so lasse sich feststellen, dass zu einem täglichen Zeitbedarf im Bereich der Grundpflege nicht 18 Minuten fehlten, sondern dass tatsächlich ein Zeitaufwand von 240 Minuten auf jeden Fall deutlich überschritten werde. Es liege auch ein Anordnungsgrund vor. Sie habe weder Vermögen noch Einkommen, um eine vollschichtige zusätzliche Pflegekraft zu bezahlen. Sie benötige ein Pflegegeld in Höhe von monatlich EUR 700,00, um eine vollschichtig arbeitende Pflegekraft einstellen zu können. Aber auch bei Einstellung einer solchen Pflegekraft müssten Pflegeleistungen weiterhin täglich auch von den Kindern erbracht werden. Ihre Kinder seien rechtlich nicht verpflichtet, zusätzlich zu der täglich übernommenen Pflege auch eine Art Barunterhalt zu bezahlen. Nichts desto trotz seien sie bereit, sie finanziell zu unterstützen. Die Kosten für eine Pflegekraft für die Nacht seien aber nur tragbar, wenn sie Pflegegeld nach der Pflegestufe III erhalte. Ein Ende des erstinstanzlichen Hauptverfahrens sei noch nicht in Sicht. Mit Verfügung vom 4. Juni 2014 sei ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben worden.

Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),

den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 4. Juni 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr ab 5. April 2013 vorläufig Pflegegeld nach der Pflegestufe III zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Es bestehe weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund. Die Feststellungen der Sachverständigen seien grundsätzlich verbindlich. Sie seien nur dann nicht verbindlich, wenn sie offensichtlich von der wirklichen Sachlage erheblich abwichen. Dies sei hier nicht der Fall. Durch das Gutachten vom 8. März 2014 sehe sie sich bestätigt. Es könne nicht nachvollzogen werden, weshalb die Klägerin auf ihrem Standpunkt beharre, ein von ihr, der Beklagten, zur Verfügung zu stellendes Pflegegeld müsse so bemessen sein, dass eine vollschichtig arbeitende Pflegekraft angestellt werden könne. Bei Inanspruchnahme eines Pflegedienstes bereits in der Pflegestufe II seien Leistungen von EUR 1.100,00 möglich. Anzumerken sei in diesem Zusammenhang auch, dass die Klägerin den für den Bezug von Pflegegeld erforderlichen Beratungseinsatz im vergangenen Jahr nicht abgerufen habe und damit eine Kürzung des Pflegegeldes in Kauf genommen habe.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akten des SG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes S 3 P 1012/13 ER und S 3 P 1251/14 ER sowie die von der Beklagten vorgelegte Leistungsakte Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen. Die Klägerin begehrt Leistungen seit 5. April 2013 und damit für mehr als ein Jahr.

Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das SG hat es zu Recht abgelehnt, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Klägerin vorläufig Pflegegeld nach der Pflegestufe III zu gewähren.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder ein rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, sodass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 2. Mai 2005 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Regelmäßig ist eine summarische Prüfung, bezogen auf den gegenwärtigen Verfahrensstand vorzunehmen.

1. Soweit die Klägerin Pflegegeld nach der Pflegestufe III für die Zeit vom 5. April 2013 bis 18. Mai 2014 begehrt, fehlt es an einem Anordnungsgrund, weil es sich ausschließlich um Leistungen für einen Zeitraum vor dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung, den sie am 19. Mai 2014 beim SG stellte, handelt. Die Regelungsanordnung dient zur Abwendung wesentlicher Nachteile mit dem Ziel, dem Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller - noch bestehender - Notlagen notwendig sind. Einen Ausgleich für Rechtsbeeinträchtigungen in der Vergangenheit herbeizuführen ist deshalb grundsätzlich nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes; eine Ausnahme ist bei einer begehrten Regelungsanordnung nur dann zu machen, wenn die Notlage noch bis in die Gegenwart fortwirkt und den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht (vgl. z.B. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. März 2007 - L 7 AS 1214/07 ER-B -, in juris). Anhaltspunkte für das Vorliegen der genannten Ausnahme sind nicht ersichtlich. Die Klägerin war bis zum Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz in der Lage, mit Hilfe ihrer Kinder und ihrer Einkünfte ihren Lebensunterhalt und auch ihren Pflegebedarf sicherzustellen.

2. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung geht der Senat im Übrigen davon aus, dass auch kein Anordnungsanspruch besteht, weil die Gutachten der Beklagten verbindlich sind und die Klägerin nach diesen derzeit (noch) keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Pflegegeld nach der Pflegestufe III hat.

Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VVG in der seit 01. Januar 2008 geltenden Fassung sind Versicherer und Versicherungsnehmer an die Feststellungen des ärztlichen Sachverständigen zu den Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder zur Höhe des Schadens grundsätzlich gebunden, wenn dies - wie hier durch § 6 Abs. 2 MB/PPV 2013 - vertraglich vereinbart worden ist. Dies hat das BSG zur Vorgängervorschrift § 64 VVG und § 6 Abs. 2 MB/PPV 1996 bereits am 22. August 2001 (BSG, Urteil vom 22. August 2001 - B 3 P 21/00 R -, in juris) entschieden und mit Urteil vom 22. Juli 2004 (BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 - R, in juris) bestätigt. Dem schließt sich der Senat an. Danach sind die Feststellungen des Sachverständigen nur dann nicht verbindlich, "wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen", wobei auf den Sachstand und die Erkenntnismittel zum Zeitpunkt der Begutachtung abzustellen ist. Daraus ergibt sich dann auch eine Einschränkung des Umfangs der gerichtlichen Kontrolle. Für eine gerichtliche Sachverhaltsaufklärung zur Frage des Umfangs des Pflegebedarfs, z.B. durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, besteht nur dann Veranlassung, wenn und soweit ein nach den Bestimmungen der MB/PPV 2013 eingeholtes Gutachten offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht (§ 84 Abs. 1 Satz 1 und 2 VVG) oder ein Sachverständiger die erforderlichen Feststellungen ausnahmsweise nicht treffen kann oder will oder sie verzögert (§ 84 Abs. 1 Satz 3 VVG). Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass Wertermittlungen und Schätzungen schon ihrer Natur nach mit Unklarheiten behaftet sind und die Möglichkeit eines gewissen Spielraums eröffnen. Deshalb wäre das Sachverständigengutachten von nur geringem Wert, wenn sein Ergebnis wegen jeder Unrichtigkeit in einem Einzelpunkt angegriffen werden könnte. Mit diesem Verfahren wird bezweckt, dass die Schadensregulierung möglichst rasch mit sachverständiger Hilfe erledigt und gerade kein Streit vor den staatlichen Gerichten um die oftmals komplizierte Schadensfeststellung ausgetragen wird. Dem dient auch das in § 84 Abs. 1 Satz 1 VVG genannte Erfordernis der "offenbaren" Diskrepanz sowie das Kriterium der "Erheblichkeit". Mit diesen Anforderungen soll die Anfechtungsmöglichkeit auf die wenigen Fälle "ganz offensichtlichen Unrechts" beschränkt, soll Abhilfe nur bei "offensichtlichen Fehlentscheidungen" ermöglicht werden (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 a.a.O. m.w.N. unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). In prozessualer Hinsicht bewirkt die Vereinbarung eines Sachverständigenverfahrens insbesondere, dass das Gericht die durch den Sachverständigen getroffenen Feststellungen grundsätzlich zu übernehmen hat und im Umfang dieser Feststellungen dem Gericht prinzipiell Beweiserhebung und Beweiswürdigung entzogen sind.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil im Sozialgerichtsprozess ansonsten das Amtsermittlungsprinzip gilt. Denn der Umfang der Amtsermittlung richtet sich nach den materiell-rechtlichen Vorgaben. Dies ist hier § 84 VVG, dem sich die Beteiligten vertraglich unterworfen haben. Sowohl der Versicherer als auch der Versicherungsnehmer können im Prozess eine Überprüfung des Gutachtensergebnisses nur auf der Grundlage des § 84 VVG verlangen (BSG, Urteil vom 22. August 2001, a.a.O. zu § 64 VVG). Damit liegt auch kein Verstoß gegen rechtliches Gehör vor, denn auch rechtliches Gehör wird nur im Rahmen dessen gewährt, was prozessual zugrunde zu legen ist. Die Beteiligten haben durch den Abschluss des privaten Pflegeversicherungsvertrags die Anwendung zivilrechtlicher Grundsätze vereinbart.

Unter Berücksichtigung dessen sind die von der Beklagten veranlassten genannten MEDICPROOF-Gutachten der Dres. L. (vom 3. Dezember 2012) und Adam (vom 7. November 2013) und der Pflegefachkraft B. (vom 8. März 2014) verbindlich. Alle drei Gutachten sind nicht offenbar unrichtig. Sämtliche Gutachten gehen zunächst von identischen pflegebegründenden Diagnosen aus. Als die Pflegesituation wesentlich bestimmende Diagnose wird eine Hemiparese links beschrieben; zudem liegen bei der Klägerin insbesondere eine Dysarthrie, Schlafapnoe, Herzinsuffizienz und teilweise Harninkontinenz, die mit Windeln versorgt ist, vor. Sämtliche Gutachter sind zu dem übereinstimmenden Ergebnis gekommen, dass aufgrund dieser Gesundheitsstörungen ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität erforderlich ist. Die Einwendungen der Klägerin gegen diese Gutachten vermögen eine offenkundige Unrichtigkeit nicht zu begründen. Gegen das Gutachten von Frau B. wendet die Klägerin ein, dass wie in der Vergangenheit ein höherer Zeitbedarf im Bereich der Mobilität, insbesondere beim Gehen, zu berücksichtigen sei. Hierbei übersieht sie jedoch den von ihr vorgelegten Bericht der Krankengymnastin Br. vom 31. März 2014, wonach sie bei der Fortbewegung Fortschritte macht. Mit Blick darauf ergeben sich dem Senat keine Anhaltspunkte für eine insoweit offenkundige Fehlerhaftigkeit. Außerdem macht die Klägerin geltend, dass die Anzahl der Mahlzeiten und Toilettengänge zu gering eingeschätzt worden sei und die Mundreinigung nach den Mahlzeiten teilweise und das Händewaschen nach dem Toilettengang gänzlich fehle. Im Gutachten von Frau B. wurden jedoch tatsächlich nicht vier, sondern acht Mahlzeiten zugrunde gelegt. Eine Prothesenreinigung morgens und abends dürfte ausreichend sein. Händewaschen hat Frau B. zwölfmal in 24 Stunden und die Anzahl der Toilettengänge mit achtmal täglich und viermal nachts berücksichtigt. Die Bewertung von Frau B., die insoweit auch nicht wesentlich von den Begutachtungen durch Dres. L. und Adam abweicht, ist für den Senat gut nachvollziehbar und steht einer offenkundigen Unrichtigkeit der gutachterlichen Ergebnisse deutlich entgegen. Zu beurteilen ist stets das objektive Ausmaß des Pflegebedarfs, der sich zwar an den individuellen Bedürfnissen der zu pflegenden Person zu richten hat, dies jedoch nur, soweit diese sachlich begründet sind. Zudem verlangt der Gleichbehandlungsgrundsatz eine gewisse Standardisierung des Pflegebedarfs, die am Maßstab des allgemein Üblichen auszurichten ist (vgl. zum Ganzen näher Udsching, SGB XI, 3. Aufl., § 15 Rn. 4 m.w.n.). Dem sind die drei Gutachter nachgekommen. Sie weichen daher eben nicht im Sinne der Rechtsprechung des BSG von der tatsächlichen Sachlage offenkundig ab, sondern haben unter Berücksichtigung des Vorgetragenen und des Bedarfs, wie er sich ihnen aus gutachterlicher Sicht tatsächlich darstellt, eine eigene Bedarfseinschätzung getroffen, die sich im Übrigen - ausgehend von dem tatsächlich zugrunde zu legenden - Bedarf im Rahmen der Zeitorientierungswerte der Begutachtungs-Richtlinien halten. Insgesamt verfangen die Einwände der Klägerin daher nicht; sie vermögen eine wesentliche Unrichtigkeit aller drei MEDICPROOF-Gutachten nicht zu begründen. Vielmehr bewegen sich alle Gutachten noch im Rahmen der ihnen von Gesetzes wegen eingeräumten Einschätzungsspielräume.

Darüber hinaus vermag der Senat auch für die Zeit ab 19. Mai 2014 einen Anordnungsgrund nicht als glaubhaft gemacht anzusehen, dass nämlich der Klägerin wesentliche Nachteile drohen, wenn es bei dem von der Beklagten derzeit gezahlten Pflegegeld nach der Pflegestufe II verbleibt. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang zwar vorgebracht, dass sie sich mit ihren eigenen Einkünften eine 24-Stunden-Pflegekraft nicht leisten könne. Tatsächlich wird die Klägerin jedoch schon längere Zeit von einer 24-Stunden-Pflegekraft und ihren Kindern gepflegt. Dass die 24-Stunden-Pflegekraft gekündigt wurde bzw. die Kündigung ansteht und deshalb ihre Pflege nicht mehr gesichert wäre, ist ebenso wenig vorgetragen, wie dass ihre Kinder aufgrund ihrer mittlerweile aufgetretenen gesundheitlichen Probleme für sie keine Pflegeleistungen mehr erbringen könnten. Ein Abwarten des Klageverfahrens ist deshalb für die Klägerin, deren Pflege gesichert ist, nicht unzumutbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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