L 8 SB 3321/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 5449/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3321/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.

Der 1952 geborene Kläger stellte erstmals am 01.03.2007 einen Antrag nach dem Schwerbehindertenrecht.

Mit dem Einverständnis des Klägers holte das Landratsamt B. (LRA) den Befundschein des Dr. Fö. , F. vom 31.05.2007 ein, dem weitere Facharztberichte beigefügt waren. Diese wurden mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 14.06.2007 ausgewertet.

Mit Bescheid vom 25.06.2007 lehnte das LRA den Antrag auf Feststellung des GdB ab, da die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen "Bluthochdruck mit Rückwirkung auf das Herz, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung" keinen GdB von wenigstens 20 bedingen würden. Die geltend gemachten Gesundheitsstörungen "Fettstoffwechselstörung, Gallenleiden, Speicheldrüsenleiden, Herzrhythmusstörungen" würden keine Funktionsbeeinträchtigung bzw. keinen Einzel-GdB von wenigstens 10 bedingen. Eine Feststellung nach § 69 SGB IX könne deshalb nicht getroffen werden.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte, Befundberichte vom Orthopäden Dr. Schr. und bezüglich der Herzerkrankung vom Kardiologen Dr. T. einzuholen. Dem kam das LRA nach und holte den Befundschein des Orthopäden Dr. Schr. vom 23.07.2007 ein sowie die Unterlagen des Dr. T ... Die versorgungsärztliche Auswertung vom 18.10.2007 (Dr. Schi. ) ergab, dass "Bluthochdruck, vergrößerter linker Ventrikel" mit einem Einzel-GdB von 20 und "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderung der Wirbelsäule" mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten seien. Anschließend holte das LRA den Entlassungsbericht des S. J. Krankenhauses, F. über die stationäre Behandlung des Klägers vom 21.08. bis 23.08.2007 ein, der mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.12.2007 ausgewertet wurde. Danach wurde empfohlen, die koronare Herzkrankheit in den Tenor mitaufzunehmen; eine Änderung des Teil-GdB von 20 hierfür einschließlich des Bluthochdruckes mit Rückwirkung auf das Herz ergebe sich nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2008 wurde dem Widerspruch insoweit stattgegeben, als der GdB nunmehr mit 20 ab 01.03.2007 festgestellt wurde; im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Am 26.03.2010 stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag beim LRA.

Das LRA holte den Befundschein des Neurologen Dr. W. vom 19.05.2010 sowie den des Hausarztes Dr. Fö. vom 20.05.2010 ein, dem Arztberichte des Kardiologen Dr. T. , des Neurologen Dr. W. , der Neurologischen Abteilung des Universitätsklinikums F. sowie der Augenärztin Dr. Scho. beigefügt waren.

Diese Arztberichte wurden mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15.06.2010 (Dr. Fl. ) ausgewertet. Der Gesamt-GdB wurde nunmehr wegen einer wesentlichen Änderung im Sinne einer Verschlimmerung mit 30 bewertet.

Mit Bescheid vom 18.06.2010 stellte das LRA den GdB mit 30 seit 26.03.2010 fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Prüfung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass folgende Funktionsbeeinträchtigungen vorlägen: "Bluthochdruck mit Rückwirkung auf das Herz, koronare Herzkrankheit" (Teil-GdB 20), "Hirndurchblutungsstörungen, arterielle Verschlusskrankheit, Schwindel" (Teil-GdB 20), "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule" (Teil-GdB 10). Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse sei eingetreten. Der Gesamt-GdB betrage nunmehr 30 ab 26.03.2010. Die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen "Sehminderung, Refluxkrankheit der Speiseröhre, chronische Magenschleimhautentzündung" würden keine Funktionsbeeinträchtigung bedingen bzw. keinen Einzel-GdB von wenigstens 10 hervorrufen und stellten deshalb keine Behinderung im Sinne des SGB IX dar. Die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen "reaktive Depression, Leberschaden" hätten nicht nachgewiesen werden können.

Dagegen legte der Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch ein mit dem Antrag, den GdB in Höhe von wenigstens 50 festzustellen.

Nach erneuter versorgungsärztlicher Überprüfung vom 30.07.2010 wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2010 zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger am 25.10.2010 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) und verfolgte sein Begehren weiter. Zur Begründung wurde ausgeführt, er leide unter erheblichen Schmerzen und unter erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen. Diese gesundheitlichen Einschränkungen hätten sich in den letzten Monaten erheblich verschlimmert.

Das SG hörte schriftlich den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. (Aussage vom 18.01.2011), den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Fö. (Aussage vom 21.01.2011), Prof. Dr. H. von der Neurologischen Abteilung des Universitätsklinikums F. (Aussage vom 31.01.2011) und den Kardiologen Dr. T. (Aussage vom 19.03.2011) als sachverständige Zeugen. Anschließend holte das SG von Amts wegen das internistisch-kardiologische Gutachten des Privatdozenten Dr. Fa. vom Universitätsklinikum F. vom 14.08.2011 ein. Darin gelangte dieser zu dem Ergebnis, sowohl die Koronarerkrankung als auch die arterielle Hypertonie seien ohne funktionelle Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Klägers und daher mit einem GdB von weniger als 10 zu beurteilen. Insgesamt lägen auf internistisch-kardiologischem Fachgebiet beim Kläger keine Behinderungen vor.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.07.2012 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung ist ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei nicht rechtswidrig, denn der Kläger habe keinen Anspruch auf einen höheren GdB als 30. Auf internistisch-kardiologischem Fachgebiet bestünden beim Kläger keine Funktionsbeeinträchtigungen, welche einen Einzel-GdB von mindestens 10 rechtfertigen würden. Dies ergebe sich aus dem von Amts wegen erstellten Gutachten von Privatdozent Dr. Fa ... Auf orthopädischem Fachgebiet liege beim Kläger ein Wirbelsäulenschaden mit geringen funktionellen Auswirkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule vor. Hierfür sei ein Einzel-GdB von 10 angemessen. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung auf orthopädischem Fachgebiet sei von Amts wegen nicht veranlasst, da der Kläger derzeit nicht in orthopädischer Behandlung stehe. Die Hirndurchblutungsstörungen, arterielle Verschlusskrankheit, Schwindel seien vom Beklagten zutreffend mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet worden. Anspruch auf Feststellung eines höheren Gesamt-GdB von 30 stehe dem Kläger nicht zu.

Gegen den - dem Bevollmächtigten des Klägers am 19.07.2012 zugestellten - Gerichtsbescheid hat der Bevollmächtigte des Klägers am 02.08.2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, die kardiologischen Erkrankungen des Klägers seien zu niedrig bewertet worden und auch die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei zu niedrig bewertet worden. Dr. T. habe ausgeführt, dass durch die Gefäßkrämpfe Schmerzen verursacht würden. Auch die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers seien von Dr. T. bestätigt worden. Ermittlungen in dieser Richtung seien bislang ausgeblieben.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16. Juli 2010 aufzuheben sowie den Bescheid vom 18. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm einen GdB von zumindest 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat zunächst den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Fö. als sachverständigen Zeugen gehört (Auskunft vom 15.07.2013) und anschließend auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das psychiatrisch-schmerzpsychologische Gutachten des Prof. Dr. B. vom 23.01.2014 eingeholt. Zu den derzeit behandelnden Ärzten gab der Kläger gegenüber Prof. Dr. B. an, zum Kardiologen Dr. T. gehe er mindestens einmal jährlich und zusätzlich bei Herzbeschwerden. Neurologisch werde er betreut entweder durch das Neurozentrum in F. oder durch Dr. W ... Zum Hausarzt Dr. Fö. gehe er mindestens einmal im Monat. Eine Psychotherapie finde nicht statt. Prof. Dr. B. gelangte zu dem Ergebnis, auf seinem Fachgebiet lägen zwei psychiatrisch relevante Erkrankungen vor: Anhaltende depressive Störung mittelschweren Ausmaßes und generalisierte Angststörung. Eine Funktionsbeeinträchtigung erkenne er bezüglich der depressiven Symptomatik: Antriebseinbuße, Durchhaltevermögen, Spontanimpulsbildung, Daueraufmerksamkeit, psychophysische Belastbarkeit. Speziellen ärztlichen Behandlungsbedarf erkenne er nicht bezüglich der Schmerzproblematik. Sinnvoll wäre eine psychiatrische Behandlung zur Behandlung der Depression und Antriebsblockade. Der Betroffene befinde sich jedoch nicht in einer derartigen Behandlung. Den Teil-GdB auf seinem Fachgebiet schätze er unter der Annahme, dass eine Hirndurchblutungsstörung vorliege, die anderorts bereits festgestellt worden sei, die mit einer hirnorganisch affektiv bedingten Störung anzunehmen sei. Daher sehe er auf seinem Fachgebiet einen Teil-GdB von 20 v.H. Unter Berücksichtigung der weiteren Teil-GdB-Werte von 20 für Bluthochdruck mit Wirkung auf das Herz und koronare Herzkrankheit sowie einen Teil-GdB-Wert von 10 für Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerativer Veränderung der Wirbelsäule sehe er den Gesamt-GdB nicht additiv bei 50, da es doch Überlappungen gebe mit einem Teil-GdB der Hirndurchblutungsstörung und dem Teil-GdB der hirnorganisch affektiven Störungen.

Hierzu legte der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 07.04.2014 vor. Darin ist ausgeführt, der jetzt im Gutachten vorgeschlagene Teil-GdB-Wert von 20 für eine hirnorganisch affektiv bedingte Störung lasse sich nicht nachvollziehen. Eine Überprüfung aller vorhandenen Befunde zeige keinen Hinweis auf eine psychische Erkrankung auf. Es würden auch in den Befunden keine Klagen geäußert, die auf eine Depression hinweisen würden. Psychische Auffälligkeiten würden in allen vorliegenden Befunden nicht angegeben, abgesehen von dem ab und zu geklagten Schwindel. Die in dem Gutachten geäußerte Vermutung, dass die psychische Erkrankung des Antragstellers nur nicht diagnostiziert worden sei, weil er bisher nicht psychiatrisch untersucht worden sei, sei nicht schlüssig. Der Antragsteller habe offensichtlich keinen Leidensdruck. Er habe nicht über psychische Probleme geklagt und es werde auch keine Behandlung durchgeführt. Insgesamt ergebe sich somit nach Auswertung des Gutachtens des Prof. Dr. B. keine weitere feststellungsfähige Behinderung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet. Unter Berücksichtigung der Funktionsbeeinträchtigungen Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit (Teil-GdB 20), Hirndurchblutungsstörungen, arterielle Verschlusskrankheit, Schwindel (Teil-GdB 20) sowie Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB 10) bleibe es bei dem Gesamt-GdB von 30 ab 26.03.2010.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Akten des SG Freiburg und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 18.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für den Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 -9 RVs 15/96-, BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 m.w.N.). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, a.a.O., RdNr 30).

Hiervon ausgehend ist im Vergleich zu dem im Widerspruchsbescheid vom 18.06.2010 mit einem GdB von 20 berücksichtigten Behinderungszustand des Klägers eine wesentliche Änderungen insofern eingetreten, als sich einerseits die Funktionsbeeinträchtigungen "Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit" verbessert haben und andererseits neue Funktionsbeeinträchtigungen auf psychischem Gebiet hinzugetreten sind. Insgesamt steht dem Kläger ein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30 aber nicht zu.

Hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigungen auf internistisch-kardiologischem Fachgebiet folgt der Senat dem gerichtlichen Sachverständigengutachten des Privatdozenten Dr. Fa. vom 14.08.2011. Dieser ist aufgrund seiner Untersuchung des Klägers vom 25. und 28.07.2011 zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Kläger überhaupt keine Leistungseinbuße auf internistisch-kardiologischem Fachgebiet vorliegt. Danach konnte bei der Begutachtung eine gute Herzkammerfunktion festgestellt werden. Es lag kein Ischämienachweis bis 125 Watt vor (Stressechokardiographie) und die Spiroergometrie hat keine relevante Einschränkung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit ergeben. Es lag zwar eine arterielle Hypertonie vor, die aber medikamentös gut eingestellt ist. Die beim Kläger 2007 koronarangiographisch diagnostizierte Neigung zu symptomatischen Koronarspasmen sind mit einem lang wirksamen Nitropräparat erfolgreich behandelt worden, sodass seit 2009 vom Kläger keine Angina-Pectoris-Beschwerden mehr berichtet worden sind. Auch bei der gutachtlichen Untersuchung durch Privatdozent Dr. Fa. hat der Kläger derartige Beschwerden nicht angegeben und diese konnten bei der Untersuchung auch nicht provoziert werden, wie dies der Gutachter in seinem Gutachten beschreibt. Die langjährige arterielle Hypertonie zeigte sich sowohl bei den Untersuchungen in der kardiologischen Praxis Dr. T. als auch bei der gutachtlichen Untersuchung durch Privatdozent Dr. Fa. unter der verordneten Medikation als gut eingestellt. Die vorbeschriebene leichtgradige Hypertrophie des linken Herzmuskels war bei der Untersuchung nicht nachweisbar. Damit liegt eine hypertensive Herzerkrankung nicht mehr vor. Des Weiteren hat Privatdozent Dr. Fa. darauf hingewiesen, dass auch das von ihm festgestellte normwertige proBNP (Marker der kardialen Belastungsreaktion) gegen das Vorliegen einer chronischen Druckbelastung des Herzens spricht ebenso wie die auch von ihm festgestellte gute kardiale Pumpfunktion über Jahre hinweg. Andere internistisch kardiologische Funktionsstörungen mit Auswirkung auf den GdB liegen beim Kläger nicht vor. Die objektivierte Belastbarkeit liegt bei 100 bis 125 Watt, woraus sich eine GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigung ebenfalls nicht entnehmen lässt. Der Senat gelangt daher mit den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Privatdozent Dr. Fa. zu dem Ergebnis, dass der GdB auf internistisch-kardiologischem Fachgebiet auf unter 10 anzusetzen ist. Damit liegt auf internistisch-kardiologischem Fachgebiet keine Behinderung vor.

Auf neurologischem Fachgebiet sind beim Kläger "Hirndurchblutungsstörungen, arterielle Verschlusskrankheit, Schwindel" mit einem Teil-GdB von 20 anerkannt. Nachweise für eine Veränderung liegen nicht vor. Des Weiteren ist auf orthopädischem Fachgebiet eine Behinderung mit einem Teil-GdB von 10 zu berücksichtigen. Es handelt sich hierbei um "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule".

Auf psychiatrischem Fachgebiet hat der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. B. gemäß seinem Gutachten vom 23.01.-2014 eine Depression (affektive Störung) festgestellt. Die Funktionsbeeinträchtigung liege danach bezüglich dieser depressiven Symptomatik in Antriebseinbuße, Durchhaltevermögen, Spontanimpulsbildung, Daueraufmerksamkeit, psychophysische Belastbarkeit. Prof. Dr. B. hat den Teil-GdB hierfür mit 20 bewertet. Ob beim Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet tatsächlich eine Funktionsbeeinträchtigung vorliegt, erscheint dem Senat fraglich. Dies allein schon deshalb, weil sich der Kläger nicht in fachärztlicher Behandlung befindet, was auf einen geringen Leidensdruck hinweist. Auch die den Kläger auf anderen Facharztgebieten behandelnden Ärzte haben in ihren sachverständigen Zeugenaussagen nicht auf eine psychische Auffälligkeit beim Kläger hingewiesen. Der Hausarzt des Klägers Dr. Fö. hat in seinen Schreiben vom 21.01.2011 (an das SG) bzw. vom 15.07.2013 (an den Senat) nicht von psychischen Beschwerden berichtet. Ob für eine geringe bis mittelschwere Depression ein Einzel-GdB von 20 - wie von Prof. Dr. B. befürwortet - anzunehmen ist, kann der Senat aber dahingestellt sein lassen, da selbst bei Zugrundelegung dieses Teil-GdB-Wertes von 20 für Beschwerden auf psychiatrischem Fachgebiet sich ein höherer Gesamt-GdB von 30 nicht ergeben würde.

Ausgehend von einem Teil-GdB von 20 für "Hirndurchblutungsstörungen, arterielle Verschlusskrankheit, Schwindel" und einem Teil-GdB von 10 für "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule" und einem Teil-GdB von unter 10 für Beschwerden auf internistisch-kardiologischem Fachgebiet sowie einem - unterstelltem - Teil-GdB von 20 für die Depression ist der Gesamt-GdB mit 30 zu bilden. Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als den von dem Beklagten schon festgestellten GdB von 30 steht dem Kläger nicht zu.

Die Berufung des Klägers war deswegen zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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