L 13 R 905/13

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KN 154/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 905/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 144/14 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegte nachgewiesene Pflichtbeitragszeiten kommt eine Rentenberechnung auf der Grundlage einer Einstufung in Qualifikationsgruppen nach der Anlage 13 zum SGB VI nicht in Betracht.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 6. August 2013 wird zurückgewiesen.

II. Die Klage auf Aufnahme der Bezeichnung "Dipl.-Ing. TU" in den Rentenbescheid wird abgewiesen.

III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Zuordnung der vom Kläger im Zeitraum 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 2011 zurückgelegten Versicherungszeiten zur Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 zum SGB VI.

Der 1946 geborene Kläger, polnischer Staatsangehöriger ohne Anerkennung als Spätaussiedler, ist nach seinen eigenen Angaben am 4. Mai 1987 aus Polen in das Bundesgebiet zugezogen. Er hat in Polen von Dezember 1962 bis Juni 1964 eine Fachschulausbildung, von Oktober 1964 bis Juni 1968 den Wehrdienst in der polnischen Armee sowie von Februar 1976 bis Juni 1979 eine Hochschulausbildung mit Abschluss zum Diplomingenieur absolviert. Von September 1968 bis April 1987 war der Kläger in Polen als Elektriker, Funkmeister, Leiter der Elektroabteilung, Elektrospezialist, Elektromeister, erneut als Elektrospezialist, Hauptenergetiker und zuletzt als Elektrokonstrukteur beschäftigt. Nach seinem Zuzug in das Bundesgebiet hat er von April 1989 bis Dezember 2011 - mit geringfügigen Unterbrechungen - Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bzw. des Bezugs von Lohnersatzleistungen der Arbeitsverwaltung zurückgelegt.

Mit Bescheiden vom 28. April 1998, 22. Juli 2002 und 16. Februar 2006 stellte zunächst die LVA Schwaben und zuletzt die Beklagte den Versicherungsverlauf des Klägers gemäß § 149 Abs. 5 SGB VI fest. Die in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten des Klägers wurden dabei aufgrund des deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommens vom
9. Oktober 1975 (DPSVA 1975) anerkannt. Die Versicherungszeiten des Klägers aufgrund einer Beschäftigung wurden dabei zuletzt mit Bescheid vom 16. Februar 2006 vom
6. September 1968 bis 26. Juni 1979 der Qualifikationsgruppe 4 und ab 27. Juni 1979 bis 30. April 1987 der Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 zum SGB VI zugeordnet. Für die Versicherungszeiten des Klägers ab 5. April 1989 wurden die nach der Datenübermittlungsverordnung bzw. von der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Daten übernommen.

Auf seinen Antrag vom 6. Oktober 2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit angefochtenem Bescheid vom 11. Januar 2012 Regelaltersrente ab 1. Januar 2012 mit einem anfänglichen monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 1.105,85 Euro.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit dem Begehren, die Beitragszeiten vom
1. Januar 1992 bis 31. Dezember 2011 in die Qualifikationsgruppe 1 und in den Bereich der Tabelle 7 der Anlage 14 zum SGB VI (Elektrotechnik, Elektronik, Gerätebau) zuzuordnen. Er wies darauf hin, er habe am 26. Juni 1979 ein Hochschuldiplom erworben. Außerdem habe er am 17. Juli 1991 einen Arbeitsunfall erlitten, der zu einer Arbeitsunfähigkeit von 5,5 Monaten geführt habe. Nach dem Arbeitsunfall habe er seine bisher ausgeübte Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht fortführen können. Über seinen damals gestellten Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation habe die damals zuständige LVA Schwaben erst nach 3 Jahren negativ entschieden. Dies sei der Hauptgrund dafür, dass er später bei der Firma S. in B. einen niedrigeren Lohn erhalten habe. Der Ausfall an Verdienst und Entgeltpunkten bei der Rentenversicherung sei allein durch die LVA Schwaben verursacht worden.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2012 zurückgewiesen. Die im Bundesgebiet zurückgelegten Versicherungszeiten ab dem 1. Januar 1992 seien ausschließlich gemäß §§ 55 ff. SGB VI zu entschädigen. Den Anlagen 13 bzw. 14 zum SGB VI komme insoweit keine Bedeutung zu.

Hiergegen hat der Kläger unter dem Az. S 4 KN 154/12 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben, die Zuordnung der Beitragszeiten vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 2011 zur Qualifikationsgruppe 1 und sinngemäß die Berücksichtigung von Entgeltpunkten bei der Rentenberechnung auf der Grundlage von Durchschnittsverdiensten nach Anlage 14 zum SGB VI beantragt sowie zur Begründung den Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Er hat eine Bescheinigung der Schwäbisch Gmünder Ersatzkasse über eine Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 29. August 1991 bis 24. November 1991, Bescheide der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft vom 9. April 1992 über eine vorläufige Rente wegen der Folgen seines Arbeitsunfalles am 18. Juli 1991 vom 25. November 1991 bis
31. August 1992 bzw. vom 8. Juli 1993 über die Gewährung einer Rente ab 1. September 1992 bis 31. Juli 1993, einen Befundbericht des Orthopäden Dr. O. vom 14. Juni 1994 sowie ein orthopädisches Gutachten von Dr. L. vom 5. November 1993 für das Sozialgericht Augsburg in dem Rechtsstreit S 8 Vs 360/93 sowie Arbeitszeugnisse der Firma S. vom 31. Januar 2003 und 31. Mai 2011 vorgelegt.

Das SG hat einen Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 3. Dezember 2012 abgelehnt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg habe. Eine Einstufung der Zeit vom 1. November 1992 bis 31. Dezember 2011 in Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 zum SGB VI sei nicht möglich. Die hiergegen erhobene Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (Az. L 13 R 29/13 B PKH) wurde vom Senat mit Beschluss vom 18. April 2013 zurückgewiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 6. August 2013 hat das SG die Klage (Az. S 4 KN 174/12) abgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger unter Wiederholung seiner Ausführungen Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht unter dem Az. L 13 R 915/13 eingelegt und zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Dieser Antrag wurde mit Beschluss vom
29. November 2013 mangels Erfolgsaussicht der Berufung abgelehnt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 11. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. September 2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Beitragszeiten vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 2011 der Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 zum SGB VI zuzuordnen und dementsprechend höhere Regelaltersrente zu zahlen sowie den Titel Dipl.Ing. TU in seinen Rentenbescheid aufzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten L 13 R 915/13 und L 13 R 29/13 B PKH sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 11. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. September 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuordnung der Beitragszeiten vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 2011 zur Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 zum SGB VI. Die erstmals im Berufungsverfahren erhobene Klage auf Aufnahme des Titels "Dipl.Ing TU" in den Rentenbescheid war abzuweisen, da insoweit kein Anspruch des Klägers besteht.

Der Kläger hat im strittigen Zeitraum 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 2011 im Bundesgebiet Pflichtbeitragszeiten gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI zurückgelegt, da für ihn in diesen Zeiten nach Bundesrecht Pflichtbeiträge gezahlt worden sind. Gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI werden für Beitragszeiten Entgeltpunkte ermittelt, indem die Beitragsbemessungsgrundlage - in Gestalt des durch Pflichtbeiträge versicherten Individualentgelts - durch das Durchschnittsentgelt nach Anlage 1 zum SGB VI für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Die Beklagte hat diese Berechnung der Entgeltpunkte anhand der vom Arbeitgeber bzw. der Arbeitsverwaltung übermittelten Entgelte zutreffend durchgeführt. Fehler wurden weder konkret gerügt noch sind solche für den Senat erkennbar.

Die vom Kläger gewünschte Ermittlung der Entgeltpunkte durch Übernahme der Durchschnittsverdienste, die sich nach Einstufung der Beschäftigung in eine der in Anlage 13 genannten Qualifikationsgruppe und nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anlage 14 genannten Bereiche ergeben, scheidet aus, da diese Art der Ermittlung von Entgeltpunkten gemäß § 256 b Abs. 1 Satz 1 SGB VI nur für glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeiten nach dem 31. Dezember 1949 in Betracht kommt. Die Pflichtbeitragszeiten des Klägers im Zeitraum 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 2011 sind aber durch die Meldungen des Arbeitgebers bzw. der Arbeitsverwaltung nachgewiesen und nicht nur glaubhaft gemacht. Eine unmittelbare Anwendung des § 256 b Abs. 1 Satz 1 SGB VI scheidet damit aus.

Eine Anwendung von § 256 b Abs. 1 Satz 1 SGB VI kommt auch nicht über das DPSVA 1975 in Betracht. Von diesem Abkommen wird der Kläger zwar grundsätzlich erfasst, da er bis zum 31. Dezember 1990 nach Deutschland zugezogen ist und sich hier aufhält (vgl. Art. 27 Abs. 1, 2 Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über soziale Sicherheit vom 8. Dezember 1990 - DPSVA 1990).

Gemäß Art. 4 Abs. 1 DPSVA 1975 werden Renten der Rentenversicherung vom Versicherungsträger des Staates, in dessen Gebiet der Berechtigte wohnt, nach der für diesen Träger geltenden Vorschriften gewährt, hier also von der Beklagten nach deutschem Recht. Die Beklagte hat dabei gemäß Art. 4 Abs. 2 DPSVA 1975 bei Feststellung der Rente nach der für sie geltenden Vorschriften Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellte Zeiten im anderen Staat so zu berücksichtigen, als ob sie im Gebiet des ersten Staates - hier also der Bundesrepublik Deutschland - zurückgelegt worden wären. Die vom Versicherungsträger des anderen Vertragsstaates - hier Polen - festgestellten und mitgeteilten Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und ihnen gleichgestellten Zeiten sind also vom Versicherungsträger des Wohnlandes - hier die Beklagte - anzurechnen, wobei die Art der Anrechnung, Berücksichtigung sowie ihre Bewertung sich nach den Rechtsvorschriften des Wohnlandes richtet.

Gemäß Art. 2 Abs. 1 des Zustimmungsgesetzes zum DPSVA 1975 vom 12. März 1976 (BGBl II 393) in der Fassung durch Art. 20 Nr. 2 und 3 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) sind diese Zeiten bei Feststellungen einer Rente nach dem 30. Juni 1990 in unmittelbarer Anwendung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG), dessen Art. 1 das Fremdrentengesetz (FRG), bildet, zu berücksichtigen. Besteht ein Anspruch auf Zahlung einer Rente erstmals für einen Zeitraum nach dem 31. Dezember 1995, richtet sich die Bewertung der im anderen Staat zurückgelegten Versicherungszeiten nach § 22 Abs. 1 FRG (vgl. Art. 6 § 4 Abs. 3 Satz 1, 3 FANG). § 22 Abs. 1 FRG bestimmt, dass für Beitragszeiten (vgl. § 15 FRG) Entgeltpunkte in Anwendung von § 256 b Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz, S. 2 und 9 SGB VI und damit nach Einstufung der Beschäftigung in eine der in Anlage 13 zum SGB VI genannten Qualifikationsgruppen und nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anlage 14 zum
SGB VI genannten Bereiche ermittelt werden.

Die soeben dargestellte Bewertung bezieht sich aber ausschließlich auf die Beitragszeiten, die der Versicherte im "anderen Staat", hier also Polen, zurückgelegt hat. Für die Bewertung der Beitragszeiten, die der Versicherte im Gebiet des "ersten Staats" - hier also in der Bundesrepublik Deutschland - zurückgelegt hat, hat das DPSVA 1975, Art. 2 Abs. 1 des Zustimmungsgesetzes zum DPSVA und die damit verbundenen Verweisungen auf das FANG und das FRG keine Bedeutung.

Eine unmittelbare Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger nicht als Vertriebener usw. anerkannt ist und damit nicht unter den unmittelbaren Anwendungsbereich des FRG fällt (vgl. § 1 FRG). Darüber hinaus sind Beitragszeiten im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG nur solche im Sinne des § 15 FRG und damit nur bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegte Beitragszeiten.

Eine Ermittlung der Entgeltpunkte nach Einstufung der Beschäftigung in eine der in Anlage 13 zum SGB VI genannten Qualifikationsgruppen und nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anlage 14 genannten Bereiche kommt damit nicht in Betracht. Der Kläger kann auch nicht eine Rentenberechnung aufgrund der Einstufung in Qualifikationsgruppen deshalb beanspruchen, weil er nach seiner Einschätzung aufgrund seines im Juli 1991 erlittenen Arbeitsunfalls gezwungen war, geringer vergütete Tätigkeiten anzunehmen. Derartige Verluste sind nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen - von der gesetzlichen Unfallversicherung zu kompensieren. Auch der Hinweis des Klägers auf eine nach seiner Meinung zu Unrecht verweigerte Leistung zur medizinischen Rehabilitation der damals zuständigen LVA Schwaben ändert nichts an diesem Ergebnis. Insoweit weist der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

In Bezug auf das Begehren des Klägers, die Beklagte solle im Rentenbescheid seinen Titel als Diplom-Ingenieur aufnehmen, ist darauf hinzuweisen, dass Berufsbezeichnungen kein Teil des bürgerlichen Namens sind (Palandt, BGB, § 12 Rn. 7). Ein entsprechender Anspruch des Klägers besteht daher nicht, die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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