Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 29 AS 1014/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 AS 520/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 8. Februar 2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte zur Überprüfung bestandskräftiger Bescheide über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) seit dem 1. Januar 2006 verpflichtet ist.
Die 1956 geborene Klägerin bezieht von dem Beklagten in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann, der insoweit die Vertretung übernommen hat, seit dem 1. Januar 2005 durchgehend Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 22. Februar 2006 wurde die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. August 2005 wegen einer Änderung des Gesamtbedarfs teilweise aufgehoben und Erstattung zuviel gezahlter Leistungen in Höhe von 543,18 EUR verlangt. Dem dagegen erhobenen Widerspruch half der Beklagte mit Bescheid vom 3. Januar 2008 ab.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2010 beantragte die anwaltlich vertretene Klägerin, "die Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide über Grundsicherung nach dem SGB II seit dem 01. 01. 2006 inklusive aller Aufhebungs- und Erstattungsbescheide".
Mit Schreiben vom 13. Dezember 2010 bat der Beklagte um Auflistung der bestandskräftigen Bescheide und Angabe des Sachgrundes zum Überprüfungsbegehren. Auf diese Anfrage teilte die Klägerin am 20. Dezember 2010 (Eingangsdatum) Folgendes mit: "Es sollen sämtliche Bescheide auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden"
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2010 lehnte der Beklagte der Klägerin gegenüber eine Sachprüfung der Bescheide mangels schlüssigen Überprüfungsantrages ab und berief sich auf die Bindungswirkung der Bescheide. Durch die Klägerin sei nichts vorgetragen worden, was für die Unrichtigkeit der Entscheidungen sprechen würde. Ein schlüssiger Vortrag stelle jedoch die Minimalanforderung an die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens dar. Ein solcher Antrag ohne Darlegung etwaiger Anknüpfungspunkte sei als rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme anzusehen.
Den dagegen am 22. Dezember 2010 ohne Begründung erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2011 aus den Gründen der ablehnenden Entscheidung als unbegründet zurück. Ergänzend trug er vor, die Klägerin habe auch nach Aufforderung seitens des Beklagten nichts vorgebracht, was für die Unrichtigkeit der Entscheidungen des Beklagten sprechen könne. Eine Überprüfung nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) sei zudem eine Einzelfallentscheidung. Folglich könne und müsse sich der Antrag auf einen konkreten Bescheid beziehen.
Am 4. April 2011 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Cottbus Klage erhoben. Rechtsansichten müsse sie im Verfahren des § 44 SGB X nicht mitteilen. Der Beklagte unterliege vielmehr dem Amtsermittlungsgrundsatz. Der Beklagte dürfe einen Überprüfungsantrag nur dann ohne Sachprüfung ablehnen, wenn dieser wiederholt gestellt worden sei. Dem Beklagten sei bekannt, dass er bis Mitte 2010 aufgrund rechtswidriger Weisungen die Warmwasserpauschale anhand der Grundfläche der Wohnung und darüber hinaus zu hoch ermittelt habe. Daher müsse er darauf nicht hinweisen.
Das Sozialgericht hat dem Vorbringen der Klägerin den sinngemäßen Antrag entnommen,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2011 zu verpflichten, sämtliche bestandskräftigen Bescheide abzuändern und der Klägerin höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der angefochtene Überprüfungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides sei nicht zu beanstanden. Die Vorschrift des § 44 SGB X umfasse eine Korrekturmöglichkeit im Einzelfall. Ein pauschaler Antrag auf Überprüfung sämtlicher Bescheide für einen bestimmten Zeitraum entspreche daher nicht dem Sinn und Zweck eines solchen Überprüfungsverfahrens. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) müsse der Beklagte nur dann in die Sachprüfung einsteigen, wenn Gründe vorgetragen werden, die ihrer Art nach geeignet seien, die Verwaltungsentscheidung in Frage zu stellen. Die Klägerin habe trotz Aufforderung keinerlei Bescheide benannt, die überprüft werden sollen, oder Gründe für eine Überprüfung genannt. Die seitens der Klägerin geforderte Amtsermittlung trete frühestens ein, wenn die mögliche Rechtswidrigkeit einer konkreten Verwaltungsentscheidung, die zu bezeichnen sei, im Raume stehe. Mit Anhörungsmitteilung vom 5. August 2011 hat der Vorsitzende Richter der 29. Kammer des Sozialgerichts darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, über die Klage im Wege des Gerichtsbescheides zu entscheiden, und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen gegeben.
Mit dem Gerichtsbescheid vom 8. Februar 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Bei der in § 44 SGB X vorgesehenen Korrekturmöglichkeit handele es sich schon dem Wortlaut nach ("Einzelfall") um eine Einzelfallprüfung der Behörde. Diese setze voraus, dass der Antragsteller den Bescheid, welcher zur Überprüfung gestellt werde, konkret benenne und das jeweilige Überprüfungsbegehren mitteile. Anderenfalls wäre der Beklagte gar nicht in der Lage, einen konkreten Regelungstenor zu erlassen und damit eine rechtliche Willensbildung hinsichtlich der zu überprüfenden Bescheide nach außen hin wirksam werden zu lassen. Dies sei nicht erfolgt. Der Beklagte habe dagegen keine Prüfungen "ins Blaue" hinein vorzunehmen, sondern ausschließlich dann, wenn sich konkrete Sachverhalte ergeben würden, aus denen die Rechtswidrigkeit des erlassenen, bestandskräftigen Bescheides folge. Im Falle fehlenden Vortrags könne sich der Beklagte daher zu Recht auf die Bindungswirkung berufen.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 16. Februar 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 28. Februar 2012 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Das Sozialgericht habe nicht per Gerichtsbescheid entscheiden dürfen. Jedenfalls sei unter Hinweis auf Rechtsprechung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Urteil vom 9. November 2009, L 12 R 793/09) nicht ordnungsgemäß auf die Möglichkeit der Entscheidung durch Gerichtsbescheid hingewiesen worden. Das gerichtliche Schreiben vom 5. August 2011 trage nicht die Unterschrift des Vorsitzenden Richters der 29. Kammer des Sozialgerichts, sodass unklar sei, ob der Wille zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid von dem Vorsitzenden Richter gebildet worden sei. Im Übrigen seien an einen Überprüfungsantrag keine Minimalanforderungen zu stellen. Es habe keiner weiteren Darlegungen bedurft, aus welchen Gründen die angegriffenen Bescheide rechtswidrig seien, zumal der Überprüfungsantrag auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung gestützt worden sei. Unter Bezugnahme auf den Beschluss des BSG gemeint ist der Beschluss des BSG vom 14. März 2012, B 4 AS 239/11 B) sei völlig unklar, welche konkreten Mitwirkungspflichten den Betroffenen wohl treffen könnten und ob die Verletzung von Mitwirkungspflichten tatsächlich dazu führen, dass sich der Beklagte auf die Bindungswirkung der Bescheide berufen dürfe. Die Verletzung von Mitwirkungspflichten sei jedenfalls dann unschädlich, wenn der Beklagte die entscheidungserheblichen Tatsachen auch ohne Mitwirkung des Betroffenen ermitteln könne. Jene entscheidungserheblichen Tatsachen seien aber unstreitig, da vielmehr eine fehlerhafte Rechtsanwendung gerügt werde.
Der Senat entnimmt dem schriftlichen Vorbringen der Klägerin den sinngemäßen Antrag,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 8. Februar 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr unter Abänderung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide höhere Leistungen nach dem SGB II seit dem 1. Januar 2006 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Fraglich sei bereits, ob eine wirksame Berufung vorliege. Denn der Berufungsschriftsatz sei lediglich mit der Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" ohne erkennbaren Namenszug unterzeichnet. Im Übrigen sei eine pauschale Beantragung, sämtliche seit dem 1. Januar 2006 ergangenen Bescheide zu überprüfen, nicht zulässig. Dies widerspreche der in § 44 SGB X vorgesehenen Einzelfallprüfung. Im Verwaltungsverfahren träfen sowohl die Behörde als auch den Antragsteller nach dem Ersten Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und dem SGB X bestimmte Pflichten. Der Bürger habe im Verwaltungsverfahren mitzuwirken.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte des Beklagten (4 Bände) verwiesen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG) und damit zulässig. Dem Schriftformerfordernis (vgl. § 151 SGG) ist hinreichend Genüge getan. Die Berufungsschrift erfordert eine eigenhändige Unterschrift, um den Aussteller unzweifelhaft identifizieren zu können (s.a. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 151 Rn. 3a, 4ff.). Mit dem Begriff der Unterzeichnung verbindet der Sprachgebrauch ein Gebilde aus Buchstaben, einen Schriftzug (BSG, Urteil vom 30. Juni 1970, 7/2 RU 35/68 in SozR Nr. 12 zu § 151 SGG). Der Schriftzug des Rechtsanwalts Lange unter der Berufungsschrift vom 18. Februar 2012 ist als seine Namensunterschrift anzusehen. Die Lesbarkeit des Schriftzuges selbst ist nicht erforderlich (Leitherer, a.a.O., § 151 Rn. 4b). Die Mängel dürfen jedoch nicht so weit gehen, dass der "Schriftzug" nicht mehr als solcher angesprochen werden kann, weil seine Entstehung aus der ursprünglichen Schrift in Buchstaben nicht einmal andeutungsweise zu erkennen ist. Es muss ein Mindestmaß an Ähnlichkeit mit dieser Schrift in dem Sinn erhalten geblieben sein, dass ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann, der Unterzeichnende also erkennbar bleibt (BSG, Urteil vom 30. Juni 1970, a.a.O.). Das hier zu beurteilende Schriftbild unter der Berufungsschrift vom 18. Februar 2012 erfüllt gerade noch diese an eine Unterschrift zu stellenden Mindestanforderungen. Der Schriftzug lässt, wenn auch sehr undeutlich, noch zumindest den Anfangsbuchstaben als Unterschriftszeichen erkennen. Hinzu kommt, dass der Kopf der Berufungsschrift vorgedruckt den Namen des Verfassers der Berufungsschrift mit Thomas Lange Rechtsanwalt enthält, sodass aus dem Schriftzug unter der Berufungsschrift der Namenszug des Prozessbevollmächtigten der Klägerin herauszulesen ist. Die Berufung der Klägerin ist danach formgerecht eingelegt.
Die Berufung ist insbesondere auch ohne weitere Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthaft, weil wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit sind. Die Klägerin begehrt mit ihrer kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage, ausgehend von ihrem Antrag im Dezember 2010, eine Überprüfung von Bescheiden über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende seit Januar 2006. Der Antrag betrifft mithin wiederkehrende Leistungen in diesem Zeitraum, er umfasst mehr als ein Jahr.
Die Berufung ist indessen unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 8. Februar 2012 abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Überprüfung und Rücknahme von bestandskräftig gewordenen Bescheiden des Beklagten seit Januar 2006. Der Bescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Das Sozialgericht durfte im Wege des Gerichtsbescheides über die Klage der Klägerin entscheiden. Die nach § 105 SGG vor Erlass des Gerichtsbescheides erforderliche Anhörung der Beteiligten ist ohne Verfahrensfehler, der unabhängig von inhaltlichen Fehlern die Aufhebung des sozialgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung an das Sozialgericht rechtfertigen würde (§ 159 SGG), erfolgt. Die durch richterliche Verfügung vom 29. Juli 2011 angeordnete "Anhörungsmitteilung" ist von dem zuständigen Richter mit vollem Namenszug unterzeichnet, zudem konkret, fallbezogen und mit dem Hinweis zur Stellungnahmegelegenheit erfolgt. Dass die beglaubigte Abschrift vom 5. August 2011 lediglich die Unterschrift der Justizbeschäftigten trägt, ist unschädlich. Der Zugang ist nicht strittig. Zu der von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zitierten Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. November 2010, L 12 R 793/09, unter Hinweis auf Urteil des BSG vom 1. Juli 2010, B 13 R 58/09 R (zum Erfordernis der Unterschrift unter eine richterliche "Betreibensaufforderung"), zitiert nach juris, wird darauf hingewiesen, dass die Anhörungsmitteilung nicht zwingend gemäß § 63 Abs. 1 SGG (als beglaubigte Abschrift) zuzustellen ist. Gleichwohl ist dies aus Rechtssicherheitsgründen ratsam und vorliegend auch erfolgt (vgl. Leitherer, a.a.O., § 105 Rn. 12). Insoweit unterscheidet sich die Anhörungsmiteilung von der Betreibensaufforderung nach § 102 Abs. 2 SGG, die von dem Richter mit vollem Namenszug zu unterschreiben und zwingend zuzustellen ist. Der 14. Senat des LSG Berlin-Brandenburg, L 14 AS 1663/11, zitiert nach juris, stellt in seinem Urteil vom 29. November 2011 bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Anhörungsmitteilung - wenngleich nur beiläufig - in Übereinstimmung mit dem erkennenden Senat darauf ab, dass die entsprechende Verfügung von dem Kammervorsitzenden mit vollem Namenszug unterschrieben ist.
Rechtsgrundlage für den Überprüfungsantrag ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung in Verbindung mit § 44 SGB X. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Klägerin hat weder im Verwaltungs- noch im Widerspruchsverfahren dargelegt, aus welchen Gründen "sämtliche Bescheide" rechtswidrig sein sollen. Sie hat weder neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen noch neue Beweismittel genannt. Der Beklagte hat sich daher zu Recht auf die Bindungswirkung der zur Überprüfung gestellten Bescheide berufen und es abgelehnt, die Rechtmäßigkeit der Bescheide zu prüfen.
Nach der Rechtsprechung des 9. Senats des BSG (Urteil vom 3. Februar 1988, 9/9a RV 18/86 in BSGE 63,33; s.a. juris) und des 4.Senats des BSG (Urteil vom 3. April 2001, B 4 RA 22/00 R in BSGE 88,75; s.a. juris), dem auch der erkennende Senat zuneigt, verlangt § 44 SGB X, dass vor einer erneuten Sachprüfung zwei Prüfungsabschnitte durchlaufen werden. Auf der ersten Stufe hat die Behörde zu entscheiden, ob sie trotz der Bestandskraft der früheren Verwaltungsakte überhaupt in eine sachliche Prüfung der Voraussetzungen einer Rücknahme eintreten darf oder dies sogar muss. Bei nachträglicher Änderung der Sach- oder Rechtslage, beim Vorliegen neuer günstiger Beweismittel oder bei Wiederaufnahmegründen muss die Behörde die Aufhebbarkeit des früheren Verwaltungsaktes in der Sache prüfen und bescheiden. Ergibt sich im Rahmen eines Antrags auf Zugunstenbescheid allerdings nichts, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung berufen. Denn sie soll nicht durch aussichtslose Anträge, die beliebig oft wiederholt werden können, wieder zu einer neuen Sachprüfung gezwungen werden. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen. Nur wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht beachtete Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, ist ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. September 2011, L 29 AS 728/11 sowie Beschlüsse vom 12. Juni 2012, L 20 AS 947/12 B, vom 14. Juni 2012, L 18 AS 1341/12 B [alle zitiert nach juris] und vom 31. August 2012, L 28 AS 2254/12 [nicht veröffentlicht]; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Februar 2010, L 10 B 9/09 VG; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteile vom 7.Oktober 1999, L 5 U 11/99 und 12. Juli 2007, L 2 VS 55/06; LSG Hamburg, Urteil vom 9. Februar 2010, L 3 U 50/08, alle zitiert nach juris; Merten in Hauck/Noftz, SGB X Lfg. 2/11, K § 44 Rn. 37 ff.).
In einer Entscheidung des 2. Senats des BSG (Urteil vom 11. November 2003, B 2 U 32/02 R, zitiert nach juris) hat dieser ausgeführt, das SGB X folge, anders als das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht, bei Ansprüchen auf Sozialleistungen dem Grundsatz, dass der materiellen Gerechtigkeit auch für die Vergangenheit Vorrang vor der Rechtssicherheit gebühre. Es könne daher keine dem § 51 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) vergleichbare Regelung herangezogen werden, die es der Behörde erlaube, ein Wiederaufgreifen des abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens unter Berufung auf die Bindungswirkung früherer Bescheide abzulehnen, wenn sich die Sach- und Rechtslage nicht geändert habe und der Antragsteller keine neuen Beweismittel vorlegen könne. Nach § 44 Abs. 1 SGB X sei der Leistungsträger vielmehr verpflichtet, auch bei wiederholten Anträgen über die Rücknahme der entgegenstehenden Verwaltungsakte und die Gewährung der beanspruchten Sozialleistung zu entscheiden. In einer weiteren Entscheidung hat der 2. Senat des BSG (Urteil vom 5. September 2006, B 2 U 4/05 R, zitiert nach juris) sodann entschieden, das oben dargestellte gestufte Prüfverfahren gelte nur bezogen auf die Frage, ob der ursprüngliche Verwaltungsakt wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel aufzuheben ist. Bezogen auf die Frage der falschen Rechtsanwendung soll eine umfassende Prüfung unabhängig vom Vorbringen des Antragstellers vorzunehmen sein. Der 2. Senat weist zur Begründung darauf hin, dass das Ziel des § 44 SGB X darin bestehe, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit einseitig zugunsten Letzterer aufzulösen (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, a. a. O., Rn. 12).
Zwar ist der Rechtsprechung des 2. Senats zuzugeben, dass der Gesetzgeber ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im SGB X nicht normiert hat und sich daher jedenfalls eine Gesetzesanalogie zu § 51 VwVfG verbietet. § 44 SGB X ist aber als eine auf die Besonderheiten des Sozialrechts zugeschnittene Wiederaufnahmevorschrift zu begreifen, welche das Eintreten in eine erneute umfassende Sachprüfung gewissen Anforderungen unterwirft. Der gegenüber dem Ausgangsverfahren strengere Prüfungsmaßstab rechtfertigt sich aus dem mit der materiellen Gerechtigkeit konkurrierenden Prinzip der Rechtssicherheit, das ebenfalls Verfassungsrang genießt. Das "Dreistufenmodell" des 9. Senats des BSG ist geeignet, sowohl der materiellen Gerechtigkeit bzw. der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns als auch der Rechtssicherheit und dem dahinterstehenden Gedanken des Rechtsfriedens Genüge zu leisten. Im Übrigen verweist auch der 2. Senat des BSG im Hinblick auf die zweite Alternative des § 44 SGB X (" oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist ") auf die Rechtsauffassung des 9. Senats des BSG (Urteile vom 28. Januar 1981, 9 RV 29/80 in BSGE 51, 139-142 und vom 3. Februar 1988, 9/9a RV 18/86 in BSGE 63, 33) und hat in seiner genannten Entscheidung vom 5. September 2006 einschränkend darauf abgestellt, dass die Behörde "entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten" in eine erneute Prüfung eintreten und diese bescheiden müsse (Rn. 12, 13). Dem Beklagten ist auch nach dieser Maßgabe eine Prüfung "entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten" überhaupt nicht möglich gewesen, da die Klägerin gerade nichts vorgetragen hat, mithin weder eine falsche Rechtsanwendung noch die Zugrundelegung eines unzutreffenden Sachverhalts gerügt hat. Die Klägerin hat nicht einmal vorgetragen, welche Verfügungssätze (Regelleistung/Kosten der Unterkunft und Heizung) sie konkret angreift, bzw. nichts dargelegt, was aus ihrer Sicht für die Rechtswidrigkeit der früheren Entscheidungen des Beklagten sprechen könnte. Soweit sie nach entsprechender Aufforderung durch den Beklagten angibt, "sämtliche Bescheide" sollten auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden, hat sie nicht die Überprüfung der Verfügungssätze "des Bescheides" oder jedenfalls einer ohne Weiteres bestimmbaren Zahl von Verfügungssätzen von Verwaltungsakten zur Überprüfung des Beklagten gestellt. Ohne konkretes Überprüfungsbegehren ist nicht erkennbar, welcher Verwaltungsakt im Einzelnen zur Überprüfung gestellt wird und "im Einzelfall" im Sinne des § 44 SGB X rechtswidrig sein könnte. Der Beklagte war folglich zur Überprüfung bestandskräftiger Bescheide nicht verpflichtet und durfte sich ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung berufen. Das BSG hat in einem gleichgelagerten Verfahren klargestellt, es könne nicht zweifelhaft sein, dass ein pauschales Überprüfungsbegehren, mit welchem die vollständige Überprüfung eines Verwaltungshandelns der gesamten Leistungszeiträume seit dem 1. Januar 2006 geltend gemacht werde, mit entsprechenden Mitwirkungserfordernissen beim Berechtigten korrespondiere (vgl. BSG, Beschluss vom 14. März 2012, B 4 AS 239/11 B, zitiert nach juris).
Wenn sich die Klägerin auf die Amtsermittlungspflicht des § 20 SGB X beruft, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. § 44 SGB X durchbricht zwar die Bestandskraft, auch soweit es um Sachverhaltsfeststellungen und Ermittlungen geht. Letztlich steuert aber das Beteiligtenvorbringen die Sachverhaltsermittlungen, Ermittlungen ins Blaue hinein sind nicht angezeigt. Die Sachaufklärungspflicht findet daher an der Mitwirkungsobliegenheit der Verfahrensbeteiligten ihre Grenze (BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, B 4 AS 109/11 R, zitiert nach juris). Gleiches gilt für das gerichtliche Verfahren (vgl. §§ 103, 106 SGG).
Etwas anderes ergibt sich schließlich nicht daraus, dass sich die Klägerin erstmals in der Klagebegründung als Begründung für die Unrichtigkeit der Bescheide seit Januar 2006 auf die Rechtsprechung des BSG zur Berechnung der Abzugsbeträge für die Warmwasseraufbereitung bezogen hat. Selbst wenn die Klägerin mit dieser recht kurzen Begründung ein Korrekturerfordernis dargelegt hätte, konnte sie zu diesem Zeitpunkt ihren Mitwirkungspflichten nicht mehr genügen, sie kommen schlicht zu spät. Wenngleich auch im Überprüfungsverfahren auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2012, B 5 R 47/10 R, zitiert nach juris), sind die Gerichte nicht verpflichtet, bestandkräftig gewordene Bescheide zu überprüfen. Denn die Rechtmäßigkeitskontrolle des Senates reduziert sich hier allein auf die Frage, ob der Beklagte sich ohne weitere Sachprüfung auf die Bestandskraft der Bescheide berufen durfte (s. a. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. März 2013, L 19 AS 2700/12, zur Veröffentlichung vorgesehen). Das Gericht ist nicht verpflichtet, nunmehr - in Anbetracht der nachgeholten Mitwirkung - anstelle der Verwaltung eine Sachprüfung vorzunehmen. Dies ist bereits nicht mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewaltenteilung zu vereinbaren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Zwar hat das BSG in einem vergleichbaren Fall im Rahmen der erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde ausgeführt, dass ein vergleichbar weitreichendes Überprüfungsbegehren mit Mitwirkungserfordernissen beim Berechtigten korrespondiert (Beschluss des BSG vom 14. März 2012, a.a.O., vorhergehend LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. September 2011, a.a.O.). Noch nicht höchstrichterlich entschieden ist die Frage, welche Auswirkungen es hat, wenn das Überprüfungsbegehren im Klage- oder Berufungsverfahren erstmals konkretisiert wird.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte zur Überprüfung bestandskräftiger Bescheide über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) seit dem 1. Januar 2006 verpflichtet ist.
Die 1956 geborene Klägerin bezieht von dem Beklagten in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann, der insoweit die Vertretung übernommen hat, seit dem 1. Januar 2005 durchgehend Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 22. Februar 2006 wurde die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. August 2005 wegen einer Änderung des Gesamtbedarfs teilweise aufgehoben und Erstattung zuviel gezahlter Leistungen in Höhe von 543,18 EUR verlangt. Dem dagegen erhobenen Widerspruch half der Beklagte mit Bescheid vom 3. Januar 2008 ab.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2010 beantragte die anwaltlich vertretene Klägerin, "die Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide über Grundsicherung nach dem SGB II seit dem 01. 01. 2006 inklusive aller Aufhebungs- und Erstattungsbescheide".
Mit Schreiben vom 13. Dezember 2010 bat der Beklagte um Auflistung der bestandskräftigen Bescheide und Angabe des Sachgrundes zum Überprüfungsbegehren. Auf diese Anfrage teilte die Klägerin am 20. Dezember 2010 (Eingangsdatum) Folgendes mit: "Es sollen sämtliche Bescheide auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden"
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2010 lehnte der Beklagte der Klägerin gegenüber eine Sachprüfung der Bescheide mangels schlüssigen Überprüfungsantrages ab und berief sich auf die Bindungswirkung der Bescheide. Durch die Klägerin sei nichts vorgetragen worden, was für die Unrichtigkeit der Entscheidungen sprechen würde. Ein schlüssiger Vortrag stelle jedoch die Minimalanforderung an die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens dar. Ein solcher Antrag ohne Darlegung etwaiger Anknüpfungspunkte sei als rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme anzusehen.
Den dagegen am 22. Dezember 2010 ohne Begründung erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2011 aus den Gründen der ablehnenden Entscheidung als unbegründet zurück. Ergänzend trug er vor, die Klägerin habe auch nach Aufforderung seitens des Beklagten nichts vorgebracht, was für die Unrichtigkeit der Entscheidungen des Beklagten sprechen könne. Eine Überprüfung nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) sei zudem eine Einzelfallentscheidung. Folglich könne und müsse sich der Antrag auf einen konkreten Bescheid beziehen.
Am 4. April 2011 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Cottbus Klage erhoben. Rechtsansichten müsse sie im Verfahren des § 44 SGB X nicht mitteilen. Der Beklagte unterliege vielmehr dem Amtsermittlungsgrundsatz. Der Beklagte dürfe einen Überprüfungsantrag nur dann ohne Sachprüfung ablehnen, wenn dieser wiederholt gestellt worden sei. Dem Beklagten sei bekannt, dass er bis Mitte 2010 aufgrund rechtswidriger Weisungen die Warmwasserpauschale anhand der Grundfläche der Wohnung und darüber hinaus zu hoch ermittelt habe. Daher müsse er darauf nicht hinweisen.
Das Sozialgericht hat dem Vorbringen der Klägerin den sinngemäßen Antrag entnommen,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2011 zu verpflichten, sämtliche bestandskräftigen Bescheide abzuändern und der Klägerin höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der angefochtene Überprüfungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides sei nicht zu beanstanden. Die Vorschrift des § 44 SGB X umfasse eine Korrekturmöglichkeit im Einzelfall. Ein pauschaler Antrag auf Überprüfung sämtlicher Bescheide für einen bestimmten Zeitraum entspreche daher nicht dem Sinn und Zweck eines solchen Überprüfungsverfahrens. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) müsse der Beklagte nur dann in die Sachprüfung einsteigen, wenn Gründe vorgetragen werden, die ihrer Art nach geeignet seien, die Verwaltungsentscheidung in Frage zu stellen. Die Klägerin habe trotz Aufforderung keinerlei Bescheide benannt, die überprüft werden sollen, oder Gründe für eine Überprüfung genannt. Die seitens der Klägerin geforderte Amtsermittlung trete frühestens ein, wenn die mögliche Rechtswidrigkeit einer konkreten Verwaltungsentscheidung, die zu bezeichnen sei, im Raume stehe. Mit Anhörungsmitteilung vom 5. August 2011 hat der Vorsitzende Richter der 29. Kammer des Sozialgerichts darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, über die Klage im Wege des Gerichtsbescheides zu entscheiden, und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen gegeben.
Mit dem Gerichtsbescheid vom 8. Februar 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Bei der in § 44 SGB X vorgesehenen Korrekturmöglichkeit handele es sich schon dem Wortlaut nach ("Einzelfall") um eine Einzelfallprüfung der Behörde. Diese setze voraus, dass der Antragsteller den Bescheid, welcher zur Überprüfung gestellt werde, konkret benenne und das jeweilige Überprüfungsbegehren mitteile. Anderenfalls wäre der Beklagte gar nicht in der Lage, einen konkreten Regelungstenor zu erlassen und damit eine rechtliche Willensbildung hinsichtlich der zu überprüfenden Bescheide nach außen hin wirksam werden zu lassen. Dies sei nicht erfolgt. Der Beklagte habe dagegen keine Prüfungen "ins Blaue" hinein vorzunehmen, sondern ausschließlich dann, wenn sich konkrete Sachverhalte ergeben würden, aus denen die Rechtswidrigkeit des erlassenen, bestandskräftigen Bescheides folge. Im Falle fehlenden Vortrags könne sich der Beklagte daher zu Recht auf die Bindungswirkung berufen.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 16. Februar 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 28. Februar 2012 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Das Sozialgericht habe nicht per Gerichtsbescheid entscheiden dürfen. Jedenfalls sei unter Hinweis auf Rechtsprechung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Urteil vom 9. November 2009, L 12 R 793/09) nicht ordnungsgemäß auf die Möglichkeit der Entscheidung durch Gerichtsbescheid hingewiesen worden. Das gerichtliche Schreiben vom 5. August 2011 trage nicht die Unterschrift des Vorsitzenden Richters der 29. Kammer des Sozialgerichts, sodass unklar sei, ob der Wille zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid von dem Vorsitzenden Richter gebildet worden sei. Im Übrigen seien an einen Überprüfungsantrag keine Minimalanforderungen zu stellen. Es habe keiner weiteren Darlegungen bedurft, aus welchen Gründen die angegriffenen Bescheide rechtswidrig seien, zumal der Überprüfungsantrag auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung gestützt worden sei. Unter Bezugnahme auf den Beschluss des BSG gemeint ist der Beschluss des BSG vom 14. März 2012, B 4 AS 239/11 B) sei völlig unklar, welche konkreten Mitwirkungspflichten den Betroffenen wohl treffen könnten und ob die Verletzung von Mitwirkungspflichten tatsächlich dazu führen, dass sich der Beklagte auf die Bindungswirkung der Bescheide berufen dürfe. Die Verletzung von Mitwirkungspflichten sei jedenfalls dann unschädlich, wenn der Beklagte die entscheidungserheblichen Tatsachen auch ohne Mitwirkung des Betroffenen ermitteln könne. Jene entscheidungserheblichen Tatsachen seien aber unstreitig, da vielmehr eine fehlerhafte Rechtsanwendung gerügt werde.
Der Senat entnimmt dem schriftlichen Vorbringen der Klägerin den sinngemäßen Antrag,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 8. Februar 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr unter Abänderung sämtlicher bestandskräftiger Bescheide höhere Leistungen nach dem SGB II seit dem 1. Januar 2006 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Fraglich sei bereits, ob eine wirksame Berufung vorliege. Denn der Berufungsschriftsatz sei lediglich mit der Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" ohne erkennbaren Namenszug unterzeichnet. Im Übrigen sei eine pauschale Beantragung, sämtliche seit dem 1. Januar 2006 ergangenen Bescheide zu überprüfen, nicht zulässig. Dies widerspreche der in § 44 SGB X vorgesehenen Einzelfallprüfung. Im Verwaltungsverfahren träfen sowohl die Behörde als auch den Antragsteller nach dem Ersten Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und dem SGB X bestimmte Pflichten. Der Bürger habe im Verwaltungsverfahren mitzuwirken.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte des Beklagten (4 Bände) verwiesen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG) und damit zulässig. Dem Schriftformerfordernis (vgl. § 151 SGG) ist hinreichend Genüge getan. Die Berufungsschrift erfordert eine eigenhändige Unterschrift, um den Aussteller unzweifelhaft identifizieren zu können (s.a. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 151 Rn. 3a, 4ff.). Mit dem Begriff der Unterzeichnung verbindet der Sprachgebrauch ein Gebilde aus Buchstaben, einen Schriftzug (BSG, Urteil vom 30. Juni 1970, 7/2 RU 35/68 in SozR Nr. 12 zu § 151 SGG). Der Schriftzug des Rechtsanwalts Lange unter der Berufungsschrift vom 18. Februar 2012 ist als seine Namensunterschrift anzusehen. Die Lesbarkeit des Schriftzuges selbst ist nicht erforderlich (Leitherer, a.a.O., § 151 Rn. 4b). Die Mängel dürfen jedoch nicht so weit gehen, dass der "Schriftzug" nicht mehr als solcher angesprochen werden kann, weil seine Entstehung aus der ursprünglichen Schrift in Buchstaben nicht einmal andeutungsweise zu erkennen ist. Es muss ein Mindestmaß an Ähnlichkeit mit dieser Schrift in dem Sinn erhalten geblieben sein, dass ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann, der Unterzeichnende also erkennbar bleibt (BSG, Urteil vom 30. Juni 1970, a.a.O.). Das hier zu beurteilende Schriftbild unter der Berufungsschrift vom 18. Februar 2012 erfüllt gerade noch diese an eine Unterschrift zu stellenden Mindestanforderungen. Der Schriftzug lässt, wenn auch sehr undeutlich, noch zumindest den Anfangsbuchstaben als Unterschriftszeichen erkennen. Hinzu kommt, dass der Kopf der Berufungsschrift vorgedruckt den Namen des Verfassers der Berufungsschrift mit Thomas Lange Rechtsanwalt enthält, sodass aus dem Schriftzug unter der Berufungsschrift der Namenszug des Prozessbevollmächtigten der Klägerin herauszulesen ist. Die Berufung der Klägerin ist danach formgerecht eingelegt.
Die Berufung ist insbesondere auch ohne weitere Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthaft, weil wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit sind. Die Klägerin begehrt mit ihrer kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage, ausgehend von ihrem Antrag im Dezember 2010, eine Überprüfung von Bescheiden über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende seit Januar 2006. Der Antrag betrifft mithin wiederkehrende Leistungen in diesem Zeitraum, er umfasst mehr als ein Jahr.
Die Berufung ist indessen unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 8. Februar 2012 abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Überprüfung und Rücknahme von bestandskräftig gewordenen Bescheiden des Beklagten seit Januar 2006. Der Bescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Das Sozialgericht durfte im Wege des Gerichtsbescheides über die Klage der Klägerin entscheiden. Die nach § 105 SGG vor Erlass des Gerichtsbescheides erforderliche Anhörung der Beteiligten ist ohne Verfahrensfehler, der unabhängig von inhaltlichen Fehlern die Aufhebung des sozialgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung an das Sozialgericht rechtfertigen würde (§ 159 SGG), erfolgt. Die durch richterliche Verfügung vom 29. Juli 2011 angeordnete "Anhörungsmitteilung" ist von dem zuständigen Richter mit vollem Namenszug unterzeichnet, zudem konkret, fallbezogen und mit dem Hinweis zur Stellungnahmegelegenheit erfolgt. Dass die beglaubigte Abschrift vom 5. August 2011 lediglich die Unterschrift der Justizbeschäftigten trägt, ist unschädlich. Der Zugang ist nicht strittig. Zu der von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zitierten Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. November 2010, L 12 R 793/09, unter Hinweis auf Urteil des BSG vom 1. Juli 2010, B 13 R 58/09 R (zum Erfordernis der Unterschrift unter eine richterliche "Betreibensaufforderung"), zitiert nach juris, wird darauf hingewiesen, dass die Anhörungsmitteilung nicht zwingend gemäß § 63 Abs. 1 SGG (als beglaubigte Abschrift) zuzustellen ist. Gleichwohl ist dies aus Rechtssicherheitsgründen ratsam und vorliegend auch erfolgt (vgl. Leitherer, a.a.O., § 105 Rn. 12). Insoweit unterscheidet sich die Anhörungsmiteilung von der Betreibensaufforderung nach § 102 Abs. 2 SGG, die von dem Richter mit vollem Namenszug zu unterschreiben und zwingend zuzustellen ist. Der 14. Senat des LSG Berlin-Brandenburg, L 14 AS 1663/11, zitiert nach juris, stellt in seinem Urteil vom 29. November 2011 bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Anhörungsmitteilung - wenngleich nur beiläufig - in Übereinstimmung mit dem erkennenden Senat darauf ab, dass die entsprechende Verfügung von dem Kammervorsitzenden mit vollem Namenszug unterschrieben ist.
Rechtsgrundlage für den Überprüfungsantrag ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung in Verbindung mit § 44 SGB X. Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Klägerin hat weder im Verwaltungs- noch im Widerspruchsverfahren dargelegt, aus welchen Gründen "sämtliche Bescheide" rechtswidrig sein sollen. Sie hat weder neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen noch neue Beweismittel genannt. Der Beklagte hat sich daher zu Recht auf die Bindungswirkung der zur Überprüfung gestellten Bescheide berufen und es abgelehnt, die Rechtmäßigkeit der Bescheide zu prüfen.
Nach der Rechtsprechung des 9. Senats des BSG (Urteil vom 3. Februar 1988, 9/9a RV 18/86 in BSGE 63,33; s.a. juris) und des 4.Senats des BSG (Urteil vom 3. April 2001, B 4 RA 22/00 R in BSGE 88,75; s.a. juris), dem auch der erkennende Senat zuneigt, verlangt § 44 SGB X, dass vor einer erneuten Sachprüfung zwei Prüfungsabschnitte durchlaufen werden. Auf der ersten Stufe hat die Behörde zu entscheiden, ob sie trotz der Bestandskraft der früheren Verwaltungsakte überhaupt in eine sachliche Prüfung der Voraussetzungen einer Rücknahme eintreten darf oder dies sogar muss. Bei nachträglicher Änderung der Sach- oder Rechtslage, beim Vorliegen neuer günstiger Beweismittel oder bei Wiederaufnahmegründen muss die Behörde die Aufhebbarkeit des früheren Verwaltungsaktes in der Sache prüfen und bescheiden. Ergibt sich im Rahmen eines Antrags auf Zugunstenbescheid allerdings nichts, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung berufen. Denn sie soll nicht durch aussichtslose Anträge, die beliebig oft wiederholt werden können, wieder zu einer neuen Sachprüfung gezwungen werden. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen. Nur wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht beachtete Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, ist ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. September 2011, L 29 AS 728/11 sowie Beschlüsse vom 12. Juni 2012, L 20 AS 947/12 B, vom 14. Juni 2012, L 18 AS 1341/12 B [alle zitiert nach juris] und vom 31. August 2012, L 28 AS 2254/12 [nicht veröffentlicht]; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Februar 2010, L 10 B 9/09 VG; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteile vom 7.Oktober 1999, L 5 U 11/99 und 12. Juli 2007, L 2 VS 55/06; LSG Hamburg, Urteil vom 9. Februar 2010, L 3 U 50/08, alle zitiert nach juris; Merten in Hauck/Noftz, SGB X Lfg. 2/11, K § 44 Rn. 37 ff.).
In einer Entscheidung des 2. Senats des BSG (Urteil vom 11. November 2003, B 2 U 32/02 R, zitiert nach juris) hat dieser ausgeführt, das SGB X folge, anders als das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht, bei Ansprüchen auf Sozialleistungen dem Grundsatz, dass der materiellen Gerechtigkeit auch für die Vergangenheit Vorrang vor der Rechtssicherheit gebühre. Es könne daher keine dem § 51 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) vergleichbare Regelung herangezogen werden, die es der Behörde erlaube, ein Wiederaufgreifen des abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens unter Berufung auf die Bindungswirkung früherer Bescheide abzulehnen, wenn sich die Sach- und Rechtslage nicht geändert habe und der Antragsteller keine neuen Beweismittel vorlegen könne. Nach § 44 Abs. 1 SGB X sei der Leistungsträger vielmehr verpflichtet, auch bei wiederholten Anträgen über die Rücknahme der entgegenstehenden Verwaltungsakte und die Gewährung der beanspruchten Sozialleistung zu entscheiden. In einer weiteren Entscheidung hat der 2. Senat des BSG (Urteil vom 5. September 2006, B 2 U 4/05 R, zitiert nach juris) sodann entschieden, das oben dargestellte gestufte Prüfverfahren gelte nur bezogen auf die Frage, ob der ursprüngliche Verwaltungsakt wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel aufzuheben ist. Bezogen auf die Frage der falschen Rechtsanwendung soll eine umfassende Prüfung unabhängig vom Vorbringen des Antragstellers vorzunehmen sein. Der 2. Senat weist zur Begründung darauf hin, dass das Ziel des § 44 SGB X darin bestehe, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit einseitig zugunsten Letzterer aufzulösen (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, a. a. O., Rn. 12).
Zwar ist der Rechtsprechung des 2. Senats zuzugeben, dass der Gesetzgeber ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im SGB X nicht normiert hat und sich daher jedenfalls eine Gesetzesanalogie zu § 51 VwVfG verbietet. § 44 SGB X ist aber als eine auf die Besonderheiten des Sozialrechts zugeschnittene Wiederaufnahmevorschrift zu begreifen, welche das Eintreten in eine erneute umfassende Sachprüfung gewissen Anforderungen unterwirft. Der gegenüber dem Ausgangsverfahren strengere Prüfungsmaßstab rechtfertigt sich aus dem mit der materiellen Gerechtigkeit konkurrierenden Prinzip der Rechtssicherheit, das ebenfalls Verfassungsrang genießt. Das "Dreistufenmodell" des 9. Senats des BSG ist geeignet, sowohl der materiellen Gerechtigkeit bzw. der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns als auch der Rechtssicherheit und dem dahinterstehenden Gedanken des Rechtsfriedens Genüge zu leisten. Im Übrigen verweist auch der 2. Senat des BSG im Hinblick auf die zweite Alternative des § 44 SGB X (" oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist ") auf die Rechtsauffassung des 9. Senats des BSG (Urteile vom 28. Januar 1981, 9 RV 29/80 in BSGE 51, 139-142 und vom 3. Februar 1988, 9/9a RV 18/86 in BSGE 63, 33) und hat in seiner genannten Entscheidung vom 5. September 2006 einschränkend darauf abgestellt, dass die Behörde "entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten" in eine erneute Prüfung eintreten und diese bescheiden müsse (Rn. 12, 13). Dem Beklagten ist auch nach dieser Maßgabe eine Prüfung "entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten" überhaupt nicht möglich gewesen, da die Klägerin gerade nichts vorgetragen hat, mithin weder eine falsche Rechtsanwendung noch die Zugrundelegung eines unzutreffenden Sachverhalts gerügt hat. Die Klägerin hat nicht einmal vorgetragen, welche Verfügungssätze (Regelleistung/Kosten der Unterkunft und Heizung) sie konkret angreift, bzw. nichts dargelegt, was aus ihrer Sicht für die Rechtswidrigkeit der früheren Entscheidungen des Beklagten sprechen könnte. Soweit sie nach entsprechender Aufforderung durch den Beklagten angibt, "sämtliche Bescheide" sollten auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden, hat sie nicht die Überprüfung der Verfügungssätze "des Bescheides" oder jedenfalls einer ohne Weiteres bestimmbaren Zahl von Verfügungssätzen von Verwaltungsakten zur Überprüfung des Beklagten gestellt. Ohne konkretes Überprüfungsbegehren ist nicht erkennbar, welcher Verwaltungsakt im Einzelnen zur Überprüfung gestellt wird und "im Einzelfall" im Sinne des § 44 SGB X rechtswidrig sein könnte. Der Beklagte war folglich zur Überprüfung bestandskräftiger Bescheide nicht verpflichtet und durfte sich ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung berufen. Das BSG hat in einem gleichgelagerten Verfahren klargestellt, es könne nicht zweifelhaft sein, dass ein pauschales Überprüfungsbegehren, mit welchem die vollständige Überprüfung eines Verwaltungshandelns der gesamten Leistungszeiträume seit dem 1. Januar 2006 geltend gemacht werde, mit entsprechenden Mitwirkungserfordernissen beim Berechtigten korrespondiere (vgl. BSG, Beschluss vom 14. März 2012, B 4 AS 239/11 B, zitiert nach juris).
Wenn sich die Klägerin auf die Amtsermittlungspflicht des § 20 SGB X beruft, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. § 44 SGB X durchbricht zwar die Bestandskraft, auch soweit es um Sachverhaltsfeststellungen und Ermittlungen geht. Letztlich steuert aber das Beteiligtenvorbringen die Sachverhaltsermittlungen, Ermittlungen ins Blaue hinein sind nicht angezeigt. Die Sachaufklärungspflicht findet daher an der Mitwirkungsobliegenheit der Verfahrensbeteiligten ihre Grenze (BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, B 4 AS 109/11 R, zitiert nach juris). Gleiches gilt für das gerichtliche Verfahren (vgl. §§ 103, 106 SGG).
Etwas anderes ergibt sich schließlich nicht daraus, dass sich die Klägerin erstmals in der Klagebegründung als Begründung für die Unrichtigkeit der Bescheide seit Januar 2006 auf die Rechtsprechung des BSG zur Berechnung der Abzugsbeträge für die Warmwasseraufbereitung bezogen hat. Selbst wenn die Klägerin mit dieser recht kurzen Begründung ein Korrekturerfordernis dargelegt hätte, konnte sie zu diesem Zeitpunkt ihren Mitwirkungspflichten nicht mehr genügen, sie kommen schlicht zu spät. Wenngleich auch im Überprüfungsverfahren auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2012, B 5 R 47/10 R, zitiert nach juris), sind die Gerichte nicht verpflichtet, bestandkräftig gewordene Bescheide zu überprüfen. Denn die Rechtmäßigkeitskontrolle des Senates reduziert sich hier allein auf die Frage, ob der Beklagte sich ohne weitere Sachprüfung auf die Bestandskraft der Bescheide berufen durfte (s. a. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. März 2013, L 19 AS 2700/12, zur Veröffentlichung vorgesehen). Das Gericht ist nicht verpflichtet, nunmehr - in Anbetracht der nachgeholten Mitwirkung - anstelle der Verwaltung eine Sachprüfung vorzunehmen. Dies ist bereits nicht mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewaltenteilung zu vereinbaren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Zwar hat das BSG in einem vergleichbaren Fall im Rahmen der erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde ausgeführt, dass ein vergleichbar weitreichendes Überprüfungsbegehren mit Mitwirkungserfordernissen beim Berechtigten korrespondiert (Beschluss des BSG vom 14. März 2012, a.a.O., vorhergehend LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. September 2011, a.a.O.). Noch nicht höchstrichterlich entschieden ist die Frage, welche Auswirkungen es hat, wenn das Überprüfungsbegehren im Klage- oder Berufungsverfahren erstmals konkretisiert wird.
Rechtskraft
Aus
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