Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 18 KR 139/14 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 150/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 22. April 2014 wird als unzulässig verworfen.
Die Antragstellerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 66.805,64 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 11. Februar 2014 gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2014.
Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung (Zeitarbeit) nach dem Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (AÜG), wofür sie im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nach § 1 AÜG ist. In der Vergangenheit hatte die Antragstellerin Tarifverträge mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) abgeschlossen und angewandt.
Für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2009 erfolgte durch die Antragsgegnerin an die Antragstellerin eine Prüfmitteilung vom 24. August 2010 mit dem Inhalt, dass die durchgeführte Betriebsprüfung keine Feststellungen bzw. Beanstandungen ergeben habe.
Nachdem das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 (1 ABR 19/10) die Rechtsbeschwerde gegen die Feststellung, dass die Tarifgemeinschaft CGZP nicht tariffähig sei, zurückgewiesen hatte, führte die Antragsgegnerin in dem Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis zum 9. Dezember 2013 für den Prüfzeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Dezember 2009 bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung durch. Mit ergänzendem Bescheid vom 10. Februar 2014 erhob sie nach der Anhörung der Antragstellerin gegenüber dieser eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 267.222,56 EUR.
Gegen den Beitragsbescheid vom 10. Februar 2014 hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2014, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 12. Februar 2014, Widerspruch erhoben. Am 14. März 2014 hat die Antragstellerin die "Aussetzung der Vollziehung" der streitgegenständlichen Beitragsforderung bei der Antragsgegnerin beantragt und zugleich bei dem Sozialgericht Darmstadt den Antrag gestellt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 11. Februar 2014 gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2014 anzuordnen. Zur Begründung hat sie darauf hingewiesen, dass ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides der Antragsgegnerin bestünden. Der Beitragsnacherhebung für die Jahre 2005 - 2009 stünden eine bestandskräftige Prüfmitteilung und die Verjährung der Beitragsforderung entgegen. Eine rückwirkende Beitragsnacherhebung sei zudem unter Vertrauensschutzgesichtspunkten unzulässig, da diese auf der geänderten arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung beruhe. Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts komme keine Rückwirkung zu. Es steht tarifrechtlich auch nicht fest, dass die CGZP "immer schon" tarifunfähig gewesen sei. Die vor dem 5. Dezember 2005 geschlossenen und bis zum 31. Dezember 2008 gültigen Tarifverträge habe die CGZP auch als Vertreterin ihrer Mitgliedsgewerkschaften abgeschlossen. Soweit die CGZP ab Dezember 2005 nicht mehr als Stellvertreterin ihrer Mitgliedsgewerkschaften aufgetreten sei und damit weder die CGZP noch die Mitgliedsgewerkschaften die Tarifverträge aus den Jahren 2003 - 2005 aufgehoben hätten, würden diese unverändert fortgelten. Die Anwendung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts auf sie verletze sie zudem in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör, da sie an diesem Verfahren nicht beteiligt gewesen sei. Auch hätten zahlreiche öffentliche Stellen durch Stellungnahmen bzw. ihre Verwaltungspraxis den Abschluss von Tarifverträgen mit der CGZP gebilligt und damit - auch bei ihr - Vertrauenstatbestände geschaffen. Von der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts und deren Folgewirkungen für das Beitragsrecht sei sie überrascht worden. Dies gelte insbesondere auch in Bezug auf die Folgewirkungen für die Arbeitnehmerbeiträge, die sie aus eigenen Mitteln zu tragen habe, da die Arbeitnehmer nicht mehr greifbar seien. Die Antragsgegnerin sei zudem verpflichtet gewesen, sie wegen der ungeklärten Rechtslage zu beraten. Sie begehre in erster Linie nicht Schutz des Vertrauens in die Tariffähigkeit der CGZP, sondern in die rechtlichen Anforderungen an die Tariffähigkeit. § 10 Abs. 4 AÜG verlange zudem, dass der jeweilige Entleiherbetrieb im Überlassungszeitraum einen dem Leiharbeitnehmer vergleichbaren Stammmitarbeiter beschäftige. Der equal-pay-Entgeltanspruch hänge auch von einem entsprechenden Zahlungsverlangen des Leiharbeitnehmers ab, woran es vorliegend fehle. Eine für die Schätzung der Antragsgegnerin erforderliche Verletzung der ihr obliegenden Aufzeichnungspflichten bestehe nicht. Bis zur CGZP-Entscheidung sei sie nicht verpflichtet gewesen, Angaben über das Arbeitseinkommen eines vergleichbaren Stammmitarbeiters des Entleihers in die Verträge aufzunehmen. Die Antragsgegnerin setze ohne ausreichende Erkenntnisgrundlage hypothetische Vergleichslöhne fest. Die Schätzung beruhe nicht auf validen Durchschnittswerten, da es den Anforderungen an eine sorgfältige Schätzung nicht entsprechen könne, ohne Rücksicht auf die Art der Tätigkeit, die Größe des Entleiherbetriebes, seine Branchenzugehörigkeit und die örtlichen Gegebenheiten pauschal davon auszugehen, dass der Vergleichslohn 24 % oder 27 % über dem tatsächlich gezahlten Entgelt liege. Die Antragsgegnerin habe auch nicht vollständig auf die gebotenen eigenen Ermittlungen verzichten dürfen. Zudem habe kein "unverhältnismäßig großer Verwaltungsaufwand" im Sinne des § 28f Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) für die Antragsgegnerin bestanden. Vergleiche mit Parallelverfahren ergäben zudem, dass die Antragsgegnerin dort bei ihren Ermittlungen eine Lohndifferenz zwischen 1 und 5 % zu Grunde gelegt habe und lediglich vorliegend zu einer Differenz von 24 % komme. Die Antragsgegnerin habe in keinem einzigen Fall festgestellt, ob im Überlassungszeitraum überhaupt ein Vergleichsarbeitnehmer im Entleiherbetrieb beschäftigt gewesen sei. Nicht Gegenstand der im Gesetz vorgesehenen Schätzung sei die Höhe des Vergleichslohns und auch nicht die Frage, ob vergleichbare Arbeitnehmer vorhanden seien. Für die Annahme einer unbilligen Härte spreche die Höhe des nacherhobenen Betrags von 267.222,56 EUR und die Gefahr einer künftigen Zahlungsunfähigkeit der Empfänger (Krankenkassen). Auch wären die (Nach-)Korrekturen der Korrekturmeldungen - sollte sich die Nachforderung in dem gerichtlichen Verfahren als unbegründet erweisen - mit einem nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand für die Antragstellerin verbunden. Die Antragsgegnerin hat im erstinstanzlichen Verfahren an ihrer Rechtsauffassung, dass keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides vom 10. Februar 2014 bestünden, festgehalten. Mit Schreiben vom 19. März 2014 habe sie der Antragstellerin zudem das Angebot unterbreitet, für die Dauer des Widerspruchs- und des erstinstanzlichen Klageverfahrens die Auflage der Erstattung von Meldungen nach der Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung (DEÜV) auszusetzen. Mit Beschluss vom 14. März 2014 hat das Sozialgericht den Streitwert vorläufig auf 66.805,64 EUR festgesetzt und mit Beschluss vom 22. April 2014 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Verpflichtung zur Tragung der Verfahrenskosten durch die Antragstellerin abgelehnt. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Betriebsprüfungsbescheides der Antragstellerin vom 10. Februar 2014 für den so genannten equal-pay-Lohnanspruch (Beitragspflicht für den Differenzlohnanspruch) der Leiharbeitnehmer der Antragstellerin, die diese in andere Betriebe entliehen habe, lägen nach einer summarischen Prüfung nicht vor. Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstünden, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorlägen, weshalb Bemessungsgrundlage für den Beitragsanspruch nicht das vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte, sondern das von ihm geschuldete Arbeitsentgelt, unabhängig von seiner arbeitsrechtlichen Durchsetzbarkeit oder Durchsetzung, darstelle. Die Tarifunfähigkeit der CGZP sei vom Bundesarbeitsgericht mittlerweile in zahlreichen Entscheidungen - und zwar ausdrücklich auch für die Vergangenheit - bestätigt worden. Folge des Fehlens der Tariffähigkeit der CGZP sei, dass die getroffenen Tarifvereinbarungen rechtsunwirksam seien, der Tarifvertrag also von Anfang an nicht die nach seinem Inhalt bezweckten Rechtswirkungen entfalten könne. Dass die Tarifverträge, die bis zur Satzungsänderung der CGZP am 5. Dezember 2005 abgeschlossen worden seien, als Tarifverträge der Mitglieder der CGZP fortbestehen würden, sei weder nachvollziehbar noch glaubhaft gemacht. Diese Rechtsauffassung sei nicht mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vereinbar. Eine Verletzung des Anspruchs der Antragstellerin auf rechtliches Gehör sei nicht erkennbar. Das Bundesverfassungsgericht habe sich mit dem Verfahren vom 14. Dezember 2010 (1 ABR 19/10) auseinandergesetzt und die Verfassungsbeschwerde dagegen als unzulässig verworfen. Im vorliegenden Verfahren sei die Antragstellerin vor Erlass des Bescheides angehört worden. Vertrauensschutzgesichtspunkte, auf die sich die Antragstellerin berufen könne, seien nicht ersichtlich. Durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes liege bereits keine Rechtsprechungsänderung vor, was dieses in seiner Entscheidung vom 13. März 2013 (5 AZR 954/11) ausdrücklich ausgeführt habe. Darüber hinaus handele es sich selbst bei der Annahme einer Änderung der Rechtsprechung nicht um eine Änderung im Bereich des Beitragsrechts. Insoweit sei auf die Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 23. April 2012, L 1 KR 95/12 B ER) zu verweisen. Auch sei ein vermeintliches Vertrauen in die Tariffähigkeit der CGZP nicht geschützt. Ein Vertrauenstatbestand sei auch nicht aus dem Betriebsprüfungsbescheid der Antragsgegnerin vom 24. August 2010 herzuleiten. Feststellungen zur Frage der Beitragspflicht, des Differenzlohnanspruchs bzw. eines equal-pay-Entgeltanspruches enthalte der Bescheid nicht. Die Frage der Tariffähigkeit der CGZP sei zudem schon seit langem umstritten gewesen. Insoweit werde auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Kassel in seinem Urteil vom 4. September 2013 (S 12 KR 246/12) Bezug genommen. Soweit die Antragstellerin darauf abstellte, dass ein Differenzlohnanspruch voraussetze, dass im jeweiligen Entleiherbetrieb ein mit dem Leiharbeitnehmer vergleichbarer Stammmitarbeiter beschäftigt worden sei, sei dies gleichfalls nicht mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 13. März 2013 (5 AZR 294/12) in Einklang zu bringen. Die Antragsgegnerin habe die Beitragsnachforderungen nach summarischer Prüfung auch in einem Summenbescheid auf der Basis einer Schätzung des equal-pay-Lohnes festsetzen dürfen. Die Antragstellerin habe - objektiv - ihre Aufzeichnungspflichten im Sinne der Nichtaufzeichnung des geschuldeten Lohnes verletzt. Hierbei komme es auf ein Verschulden des Arbeitgebers nicht an. In der erforderlichen Abwägungsentscheidung zwischen dem erforderlichen Verwaltungsaufwand zur Feststellung der konkreten versicherungsrechtlichen und beitragsrechtlichen Verhältnisse für jeden Arbeitnehmer mit seinen wahrscheinlichen Auswirkungen auf seine Sozialversicherungen sei zu berücksichtigen, dass von dem Betriebsprüfungsbescheid einerseits mehrere 100 Arbeitnehmer bzw. Zeitabschnitte betroffen seien und es andererseits lediglich um die Beiträge für Entgeltteile gehe. Methodische Fehler seien bei der Schätzung nicht festzustellen. Eine willkürliche Vorgehensweise der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. April 2012 (L 1 KR 95/12 B ER) nicht eingetreten und die Antragstellerin könne sich auch nicht auf die Bestandskraft früherer Betriebsprüfungsbescheide berufen. Gründe, die eine unbillige Härte begründen könnten, seien weder ausreichend vorgetragen noch ersichtlich.
Gegen den den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 25. April 2014 zugestellten Beschluss hat diese am 8. Mai 2014 Beschwerde beim Hessischen Landessozialgericht erhoben.
Auf den weiteren Antrag der Antragstellerin vom 26. Mai 2014, dem diese ein Testat der C. GmbH - Steuerberatungsgesellschaft - beigefügt hat, hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 27. Mai 2014 "den Vollzug der Beitragsforderung in voller Höhe bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, bei Klageerhebung bis zum Abschluss des erstinstanzlichen sozialgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt". Die Entscheidung hat die Antragstellerin mit der Auflage zur Verzinsung der Beitragsforderung verbunden, "sofern der Widerspruch zurückzuweisen ist bzw. eine Rücknahme des Widerspruchs erfolgt".
Die Antragstellerin verfolgt ihr Begehren trotz der Aussetzungsentscheidung der Antragsgegnerin weiter und vertritt die Auffassung, dass die sich aus dem angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 22. April 2014 ergebende Beschwer für sie nicht vollständig entfallen sei. Die erklärte Aussetzung unter Auflage sei im Verhältnis zur Aussetzung ohne Auflage bzw. zur unbedingten Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ein Minus. Zur Begründung weist sie darauf hin, dass die Auflage eine selbstständige Beschwer darstelle, die - wegen der Identität des Streitgegenstandes - unabhängig davon, ob das Verfahren bei Eintritt der veränderten Umstände in der ersten Instanz oder in der Beschwerdeinstanz anhängig sei, weiterhin geltend gemacht werden könne. Die Verzinsungsauflage sei grundsätzlich unzulässig. Die Verzinsung trage keinem Sicherungsbedürfnis Rechnung, sondern diene allein fiskalischen Interessen. Der Gesetzgeber habe im Sozialrecht grundsätzlich keine Verzinsung von Ansprüchen der Versicherungsträger gegen den Beitragsschuldner vorgesehen. Zur Rechtswidrigkeit der Beitragsnachforderung vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 22. April 2014 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 11. Februar 2014 gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2014 ohne die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. Mai 2014 angeordnete Auflage einer Verzinsung der Beitragsforderung mit 4 % anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, dass durch die Abhilfeentscheidung eine Erledigung des Rechtsstreites eingetreten sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und die Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung waren.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist unzulässig.
Es besteht kein Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich des Erlasses einer einstweiligen Anordnung. Die Antragstellerin ist durch die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts (nicht mehr) beschwert.
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leiterer, SGG, Kommentar, 10. Auflage, § 86b Rdnr. 18; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Januar 2004, L 11 B 17/03 KA ER).
Auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses erforderlich. Es muss ein schutzwürdiges Interesse an der gerichtlichen Entscheidung bestehen. Dabei ist zwar kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, wenn die gerichtliche Entscheidung der Antragstellerin einen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen kann, weil z.B. weitere Vollziehungsmaßnahmen unterbunden werden. Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung entfällt aber, wenn die Behörde die Vollziehung des Verwaltungsaktes gemäß § 86a Abs. 3 SGG ausgesetzt hat, dies zusichert oder ohne förmliche Entscheidung von der Vollziehung absehen will oder wenn gerichtlicher Rechtsschutz anderweitig schneller und einfacher erlangt werden kann bzw. dieser entbehrlich ist (Düring in: Jansen (Hrsg.), SGG, Kommentar, 3. Auflage 2008, § 86b Rdnr. 10; Keller, a.a.O., § 86b Rdnr. 7a unter Bezugnahme auf: Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Oktober 2007, B 6 KA 4/07 R; Krodel, Der sozialgerichtliche einstweilige Rechtsschutz in Anfechtungssachen, NZS 9/2001, S. 458; Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 20. Auflage 2014, § 80 Rdnr. 136).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Zunächst hat die Antragsgegnerin am 27. Mai 2014 auf den erneuten Antrag der Antragstellerin den Vollzug der Beitragsforderung in voller Höhe bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, bei Klageerhebung bis zum Abschluss des erstinstanzlichen sozialgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt, also dem Antragsbegehren in Form der Aussetzung der Vollziehung entsprochen. Insoweit führt die Antragsgegnerin unter dem 27. Mai 2014 aus: "Aufgrund der von Ihnen nunmehr mit Schreiben vom 26.05.2014 eingesandten Unterlagen ist nicht auszuschließen, dass die Vollziehung des Beitragsbescheids für Sie eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Aus diesem Grund wird der Vollzug der Beitragsforderung in voller Höhe bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, bei Klageerhebung bis zum Abschluss des erstinstanzlichen sozialgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt." Durch die Auflage der Verzinsung ist keine Modifizierung dieser Aussetzungsentscheidung der Antragsgegnerin erfolgt. Die Verzinsungsauflage steht gerade im Gegensatz dazu unter der Bedingung, dass der Widerspruch zurückzuweisen ist bzw. eine Rücknahme des Widerspruchs erfolgt ("Gemäß § 86a Abs. 3 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wird die Entscheidung mit der Auflage zur Verzinsung der Beitragsforderung verbunden, sofern der Widerspruch zurückzuweisen ist bzw. eine Rücknahme des Widerspruchs erfolgt").
Soweit die Antragstellerin in der unter einer Bedingung stehenden Verzinsungsauflage selbst eine Beschwer sieht, die ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Aufhebung im Beschwerdeverfahren rechtfertigt, kann dies im vorliegenden Fall von dem Senat nicht nachvollzogen werden. Ungeachtet der materiell-rechtlichen Zulässigkeit einer solchen Verzinsungsauflage handelt es sich um ein unzulässiges, da rein vorbeugendes Rechtsschutzbegehren. Derzeit ist weder absehbar, ob eine der Alternativen (Zurückweisung des Widerspruchs bzw. Rücknahme des Widerspruchs) eintritt, noch ob überhaupt und gegebenenfalls in welcher Höhe eine Verzinsung der Beitragsforderung durch die Antragsgegnerin erfolgt. Insoweit verkennt die Antragstellerin den vorläufigen Charakter der Regelungen im Rahmen der §§ 86a, 86b SGG. Die Antragsgegnerin kann auf der einen Seite die Entscheidung nach § 86a Abs. 3 SGG jederzeit, auch nachdem ein Antrag nach § 86b Abs. 1 SGG gestellt worden ist, (auch zum Nachteil des Betroffenen) aufheben oder ändern. Auf der anderen Seite sind Anträge der Antragstellerin nach § 86a Abs. 3 SGG und nach § 86b Abs. 1 SGG auf Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht gerade nicht fristgebunden (vgl. hierzu: Keller, a.a.O., § 86b Rdnr. 9, § 86a Rdnr. 28a; Düring, a.a.O., § 86a Rdnr. 14, 22; Breitkreuz/Fichte (Hrsg.), SGG, Kommentar, 2. Auflage Oktober 2013, § 86a Rdnr. 48). Die Antragstellerin hat dadurch weiterhin die Möglichkeit, Rechtsschutz gegen die Verzinsungsauflage bei Eintritt einer der Alternativen bzw. bei einer Verzinsungsentscheidung der Antragsgegnerin über § 86b Abs. 1 SGG zu erreichen. Die vorliegend bedingte Verzinsungsauflage wird demnach nicht "bestandskräftig" im Sinne der Schaffung eines Rechtsgrundes für die Verzinsung der Beitragsforderung (vgl. insoweit im Ergebnis auch: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. Februar 2013, L 1 KR 551/12 B ER).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Insoweit war zum einen zu berücksichtigen, dass die Aussetzung der Vollziehung des Beitragsbescheides der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2014 auf der Vorlage des Testats der C. GmbH - Steuerberatungsgesellschaft - vom 23. Mai 2014 durch die Antragstellerin beruht. Bis zu diesem Zeitpunkt ging der Senat nach summarischer Prüfung im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz zum anderen davon aus, dass die Antragstellerin grundsätzlich Beiträge auf Grundlage des so genannten equal-pay-Lohnes wegen einer rückwirkenden Feststellung und Forderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen aufgrund der Tarifunfähigkeit der CGZP schuldet. Der Senat macht sich insoweit die Ausführungen des Sozialgerichts zu Eigen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG) und nimmt im Übrigen auf die inzwischen umfangreiche Rechtsprechung Bezug (Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22. März 2013, L 1 KR 14/13 B ER; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 10. Mai 2012, L 8 R 164/12 B ER, vom 15. November 2012, L 8 R 416/12 B ER, vom 21. Dezember 2012, L 8 R 690/12 B ER und vom 7. November 2012, L 8 R 699/12 B ER; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23. April 2012, L 1 KR 95/12 B ER; Sozialgericht Kassel, Urteil vom 4. September 2013, S 12 KR 246/12).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Der mit dem Beitragsbescheid geforderte Betrag i.H.v. 267.222,56 EUR war zur Grundlage der Wertfestsetzung zu machen. Im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der Entscheidung war dieser Betrag auf ein Viertel zu reduzieren (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23. April 2012, L 1 KR 95/12 B ER).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Die Antragstellerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 66.805,64 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 11. Februar 2014 gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2014.
Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung (Zeitarbeit) nach dem Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (AÜG), wofür sie im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nach § 1 AÜG ist. In der Vergangenheit hatte die Antragstellerin Tarifverträge mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) abgeschlossen und angewandt.
Für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2009 erfolgte durch die Antragsgegnerin an die Antragstellerin eine Prüfmitteilung vom 24. August 2010 mit dem Inhalt, dass die durchgeführte Betriebsprüfung keine Feststellungen bzw. Beanstandungen ergeben habe.
Nachdem das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 (1 ABR 19/10) die Rechtsbeschwerde gegen die Feststellung, dass die Tarifgemeinschaft CGZP nicht tariffähig sei, zurückgewiesen hatte, führte die Antragsgegnerin in dem Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis zum 9. Dezember 2013 für den Prüfzeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Dezember 2009 bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung durch. Mit ergänzendem Bescheid vom 10. Februar 2014 erhob sie nach der Anhörung der Antragstellerin gegenüber dieser eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 267.222,56 EUR.
Gegen den Beitragsbescheid vom 10. Februar 2014 hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2014, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 12. Februar 2014, Widerspruch erhoben. Am 14. März 2014 hat die Antragstellerin die "Aussetzung der Vollziehung" der streitgegenständlichen Beitragsforderung bei der Antragsgegnerin beantragt und zugleich bei dem Sozialgericht Darmstadt den Antrag gestellt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 11. Februar 2014 gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2014 anzuordnen. Zur Begründung hat sie darauf hingewiesen, dass ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides der Antragsgegnerin bestünden. Der Beitragsnacherhebung für die Jahre 2005 - 2009 stünden eine bestandskräftige Prüfmitteilung und die Verjährung der Beitragsforderung entgegen. Eine rückwirkende Beitragsnacherhebung sei zudem unter Vertrauensschutzgesichtspunkten unzulässig, da diese auf der geänderten arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung beruhe. Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts komme keine Rückwirkung zu. Es steht tarifrechtlich auch nicht fest, dass die CGZP "immer schon" tarifunfähig gewesen sei. Die vor dem 5. Dezember 2005 geschlossenen und bis zum 31. Dezember 2008 gültigen Tarifverträge habe die CGZP auch als Vertreterin ihrer Mitgliedsgewerkschaften abgeschlossen. Soweit die CGZP ab Dezember 2005 nicht mehr als Stellvertreterin ihrer Mitgliedsgewerkschaften aufgetreten sei und damit weder die CGZP noch die Mitgliedsgewerkschaften die Tarifverträge aus den Jahren 2003 - 2005 aufgehoben hätten, würden diese unverändert fortgelten. Die Anwendung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts auf sie verletze sie zudem in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör, da sie an diesem Verfahren nicht beteiligt gewesen sei. Auch hätten zahlreiche öffentliche Stellen durch Stellungnahmen bzw. ihre Verwaltungspraxis den Abschluss von Tarifverträgen mit der CGZP gebilligt und damit - auch bei ihr - Vertrauenstatbestände geschaffen. Von der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts und deren Folgewirkungen für das Beitragsrecht sei sie überrascht worden. Dies gelte insbesondere auch in Bezug auf die Folgewirkungen für die Arbeitnehmerbeiträge, die sie aus eigenen Mitteln zu tragen habe, da die Arbeitnehmer nicht mehr greifbar seien. Die Antragsgegnerin sei zudem verpflichtet gewesen, sie wegen der ungeklärten Rechtslage zu beraten. Sie begehre in erster Linie nicht Schutz des Vertrauens in die Tariffähigkeit der CGZP, sondern in die rechtlichen Anforderungen an die Tariffähigkeit. § 10 Abs. 4 AÜG verlange zudem, dass der jeweilige Entleiherbetrieb im Überlassungszeitraum einen dem Leiharbeitnehmer vergleichbaren Stammmitarbeiter beschäftige. Der equal-pay-Entgeltanspruch hänge auch von einem entsprechenden Zahlungsverlangen des Leiharbeitnehmers ab, woran es vorliegend fehle. Eine für die Schätzung der Antragsgegnerin erforderliche Verletzung der ihr obliegenden Aufzeichnungspflichten bestehe nicht. Bis zur CGZP-Entscheidung sei sie nicht verpflichtet gewesen, Angaben über das Arbeitseinkommen eines vergleichbaren Stammmitarbeiters des Entleihers in die Verträge aufzunehmen. Die Antragsgegnerin setze ohne ausreichende Erkenntnisgrundlage hypothetische Vergleichslöhne fest. Die Schätzung beruhe nicht auf validen Durchschnittswerten, da es den Anforderungen an eine sorgfältige Schätzung nicht entsprechen könne, ohne Rücksicht auf die Art der Tätigkeit, die Größe des Entleiherbetriebes, seine Branchenzugehörigkeit und die örtlichen Gegebenheiten pauschal davon auszugehen, dass der Vergleichslohn 24 % oder 27 % über dem tatsächlich gezahlten Entgelt liege. Die Antragsgegnerin habe auch nicht vollständig auf die gebotenen eigenen Ermittlungen verzichten dürfen. Zudem habe kein "unverhältnismäßig großer Verwaltungsaufwand" im Sinne des § 28f Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) für die Antragsgegnerin bestanden. Vergleiche mit Parallelverfahren ergäben zudem, dass die Antragsgegnerin dort bei ihren Ermittlungen eine Lohndifferenz zwischen 1 und 5 % zu Grunde gelegt habe und lediglich vorliegend zu einer Differenz von 24 % komme. Die Antragsgegnerin habe in keinem einzigen Fall festgestellt, ob im Überlassungszeitraum überhaupt ein Vergleichsarbeitnehmer im Entleiherbetrieb beschäftigt gewesen sei. Nicht Gegenstand der im Gesetz vorgesehenen Schätzung sei die Höhe des Vergleichslohns und auch nicht die Frage, ob vergleichbare Arbeitnehmer vorhanden seien. Für die Annahme einer unbilligen Härte spreche die Höhe des nacherhobenen Betrags von 267.222,56 EUR und die Gefahr einer künftigen Zahlungsunfähigkeit der Empfänger (Krankenkassen). Auch wären die (Nach-)Korrekturen der Korrekturmeldungen - sollte sich die Nachforderung in dem gerichtlichen Verfahren als unbegründet erweisen - mit einem nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand für die Antragstellerin verbunden. Die Antragsgegnerin hat im erstinstanzlichen Verfahren an ihrer Rechtsauffassung, dass keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides vom 10. Februar 2014 bestünden, festgehalten. Mit Schreiben vom 19. März 2014 habe sie der Antragstellerin zudem das Angebot unterbreitet, für die Dauer des Widerspruchs- und des erstinstanzlichen Klageverfahrens die Auflage der Erstattung von Meldungen nach der Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung (DEÜV) auszusetzen. Mit Beschluss vom 14. März 2014 hat das Sozialgericht den Streitwert vorläufig auf 66.805,64 EUR festgesetzt und mit Beschluss vom 22. April 2014 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Verpflichtung zur Tragung der Verfahrenskosten durch die Antragstellerin abgelehnt. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Betriebsprüfungsbescheides der Antragstellerin vom 10. Februar 2014 für den so genannten equal-pay-Lohnanspruch (Beitragspflicht für den Differenzlohnanspruch) der Leiharbeitnehmer der Antragstellerin, die diese in andere Betriebe entliehen habe, lägen nach einer summarischen Prüfung nicht vor. Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstünden, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorlägen, weshalb Bemessungsgrundlage für den Beitragsanspruch nicht das vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte, sondern das von ihm geschuldete Arbeitsentgelt, unabhängig von seiner arbeitsrechtlichen Durchsetzbarkeit oder Durchsetzung, darstelle. Die Tarifunfähigkeit der CGZP sei vom Bundesarbeitsgericht mittlerweile in zahlreichen Entscheidungen - und zwar ausdrücklich auch für die Vergangenheit - bestätigt worden. Folge des Fehlens der Tariffähigkeit der CGZP sei, dass die getroffenen Tarifvereinbarungen rechtsunwirksam seien, der Tarifvertrag also von Anfang an nicht die nach seinem Inhalt bezweckten Rechtswirkungen entfalten könne. Dass die Tarifverträge, die bis zur Satzungsänderung der CGZP am 5. Dezember 2005 abgeschlossen worden seien, als Tarifverträge der Mitglieder der CGZP fortbestehen würden, sei weder nachvollziehbar noch glaubhaft gemacht. Diese Rechtsauffassung sei nicht mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vereinbar. Eine Verletzung des Anspruchs der Antragstellerin auf rechtliches Gehör sei nicht erkennbar. Das Bundesverfassungsgericht habe sich mit dem Verfahren vom 14. Dezember 2010 (1 ABR 19/10) auseinandergesetzt und die Verfassungsbeschwerde dagegen als unzulässig verworfen. Im vorliegenden Verfahren sei die Antragstellerin vor Erlass des Bescheides angehört worden. Vertrauensschutzgesichtspunkte, auf die sich die Antragstellerin berufen könne, seien nicht ersichtlich. Durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes liege bereits keine Rechtsprechungsänderung vor, was dieses in seiner Entscheidung vom 13. März 2013 (5 AZR 954/11) ausdrücklich ausgeführt habe. Darüber hinaus handele es sich selbst bei der Annahme einer Änderung der Rechtsprechung nicht um eine Änderung im Bereich des Beitragsrechts. Insoweit sei auf die Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 23. April 2012, L 1 KR 95/12 B ER) zu verweisen. Auch sei ein vermeintliches Vertrauen in die Tariffähigkeit der CGZP nicht geschützt. Ein Vertrauenstatbestand sei auch nicht aus dem Betriebsprüfungsbescheid der Antragsgegnerin vom 24. August 2010 herzuleiten. Feststellungen zur Frage der Beitragspflicht, des Differenzlohnanspruchs bzw. eines equal-pay-Entgeltanspruches enthalte der Bescheid nicht. Die Frage der Tariffähigkeit der CGZP sei zudem schon seit langem umstritten gewesen. Insoweit werde auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Kassel in seinem Urteil vom 4. September 2013 (S 12 KR 246/12) Bezug genommen. Soweit die Antragstellerin darauf abstellte, dass ein Differenzlohnanspruch voraussetze, dass im jeweiligen Entleiherbetrieb ein mit dem Leiharbeitnehmer vergleichbarer Stammmitarbeiter beschäftigt worden sei, sei dies gleichfalls nicht mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 13. März 2013 (5 AZR 294/12) in Einklang zu bringen. Die Antragsgegnerin habe die Beitragsnachforderungen nach summarischer Prüfung auch in einem Summenbescheid auf der Basis einer Schätzung des equal-pay-Lohnes festsetzen dürfen. Die Antragstellerin habe - objektiv - ihre Aufzeichnungspflichten im Sinne der Nichtaufzeichnung des geschuldeten Lohnes verletzt. Hierbei komme es auf ein Verschulden des Arbeitgebers nicht an. In der erforderlichen Abwägungsentscheidung zwischen dem erforderlichen Verwaltungsaufwand zur Feststellung der konkreten versicherungsrechtlichen und beitragsrechtlichen Verhältnisse für jeden Arbeitnehmer mit seinen wahrscheinlichen Auswirkungen auf seine Sozialversicherungen sei zu berücksichtigen, dass von dem Betriebsprüfungsbescheid einerseits mehrere 100 Arbeitnehmer bzw. Zeitabschnitte betroffen seien und es andererseits lediglich um die Beiträge für Entgeltteile gehe. Methodische Fehler seien bei der Schätzung nicht festzustellen. Eine willkürliche Vorgehensweise der Antragsgegnerin sei nicht ersichtlich. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. April 2012 (L 1 KR 95/12 B ER) nicht eingetreten und die Antragstellerin könne sich auch nicht auf die Bestandskraft früherer Betriebsprüfungsbescheide berufen. Gründe, die eine unbillige Härte begründen könnten, seien weder ausreichend vorgetragen noch ersichtlich.
Gegen den den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 25. April 2014 zugestellten Beschluss hat diese am 8. Mai 2014 Beschwerde beim Hessischen Landessozialgericht erhoben.
Auf den weiteren Antrag der Antragstellerin vom 26. Mai 2014, dem diese ein Testat der C. GmbH - Steuerberatungsgesellschaft - beigefügt hat, hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 27. Mai 2014 "den Vollzug der Beitragsforderung in voller Höhe bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, bei Klageerhebung bis zum Abschluss des erstinstanzlichen sozialgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt". Die Entscheidung hat die Antragstellerin mit der Auflage zur Verzinsung der Beitragsforderung verbunden, "sofern der Widerspruch zurückzuweisen ist bzw. eine Rücknahme des Widerspruchs erfolgt".
Die Antragstellerin verfolgt ihr Begehren trotz der Aussetzungsentscheidung der Antragsgegnerin weiter und vertritt die Auffassung, dass die sich aus dem angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 22. April 2014 ergebende Beschwer für sie nicht vollständig entfallen sei. Die erklärte Aussetzung unter Auflage sei im Verhältnis zur Aussetzung ohne Auflage bzw. zur unbedingten Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ein Minus. Zur Begründung weist sie darauf hin, dass die Auflage eine selbstständige Beschwer darstelle, die - wegen der Identität des Streitgegenstandes - unabhängig davon, ob das Verfahren bei Eintritt der veränderten Umstände in der ersten Instanz oder in der Beschwerdeinstanz anhängig sei, weiterhin geltend gemacht werden könne. Die Verzinsungsauflage sei grundsätzlich unzulässig. Die Verzinsung trage keinem Sicherungsbedürfnis Rechnung, sondern diene allein fiskalischen Interessen. Der Gesetzgeber habe im Sozialrecht grundsätzlich keine Verzinsung von Ansprüchen der Versicherungsträger gegen den Beitragsschuldner vorgesehen. Zur Rechtswidrigkeit der Beitragsnachforderung vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 22. April 2014 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 11. Februar 2014 gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2014 ohne die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. Mai 2014 angeordnete Auflage einer Verzinsung der Beitragsforderung mit 4 % anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, dass durch die Abhilfeentscheidung eine Erledigung des Rechtsstreites eingetreten sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und die Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung waren.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist unzulässig.
Es besteht kein Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich des Erlasses einer einstweiligen Anordnung. Die Antragstellerin ist durch die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts (nicht mehr) beschwert.
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leiterer, SGG, Kommentar, 10. Auflage, § 86b Rdnr. 18; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Januar 2004, L 11 B 17/03 KA ER).
Auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses erforderlich. Es muss ein schutzwürdiges Interesse an der gerichtlichen Entscheidung bestehen. Dabei ist zwar kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, wenn die gerichtliche Entscheidung der Antragstellerin einen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen kann, weil z.B. weitere Vollziehungsmaßnahmen unterbunden werden. Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung entfällt aber, wenn die Behörde die Vollziehung des Verwaltungsaktes gemäß § 86a Abs. 3 SGG ausgesetzt hat, dies zusichert oder ohne förmliche Entscheidung von der Vollziehung absehen will oder wenn gerichtlicher Rechtsschutz anderweitig schneller und einfacher erlangt werden kann bzw. dieser entbehrlich ist (Düring in: Jansen (Hrsg.), SGG, Kommentar, 3. Auflage 2008, § 86b Rdnr. 10; Keller, a.a.O., § 86b Rdnr. 7a unter Bezugnahme auf: Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Oktober 2007, B 6 KA 4/07 R; Krodel, Der sozialgerichtliche einstweilige Rechtsschutz in Anfechtungssachen, NZS 9/2001, S. 458; Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 20. Auflage 2014, § 80 Rdnr. 136).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Zunächst hat die Antragsgegnerin am 27. Mai 2014 auf den erneuten Antrag der Antragstellerin den Vollzug der Beitragsforderung in voller Höhe bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, bei Klageerhebung bis zum Abschluss des erstinstanzlichen sozialgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt, also dem Antragsbegehren in Form der Aussetzung der Vollziehung entsprochen. Insoweit führt die Antragsgegnerin unter dem 27. Mai 2014 aus: "Aufgrund der von Ihnen nunmehr mit Schreiben vom 26.05.2014 eingesandten Unterlagen ist nicht auszuschließen, dass die Vollziehung des Beitragsbescheids für Sie eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Aus diesem Grund wird der Vollzug der Beitragsforderung in voller Höhe bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, bei Klageerhebung bis zum Abschluss des erstinstanzlichen sozialgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt." Durch die Auflage der Verzinsung ist keine Modifizierung dieser Aussetzungsentscheidung der Antragsgegnerin erfolgt. Die Verzinsungsauflage steht gerade im Gegensatz dazu unter der Bedingung, dass der Widerspruch zurückzuweisen ist bzw. eine Rücknahme des Widerspruchs erfolgt ("Gemäß § 86a Abs. 3 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wird die Entscheidung mit der Auflage zur Verzinsung der Beitragsforderung verbunden, sofern der Widerspruch zurückzuweisen ist bzw. eine Rücknahme des Widerspruchs erfolgt").
Soweit die Antragstellerin in der unter einer Bedingung stehenden Verzinsungsauflage selbst eine Beschwer sieht, die ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Aufhebung im Beschwerdeverfahren rechtfertigt, kann dies im vorliegenden Fall von dem Senat nicht nachvollzogen werden. Ungeachtet der materiell-rechtlichen Zulässigkeit einer solchen Verzinsungsauflage handelt es sich um ein unzulässiges, da rein vorbeugendes Rechtsschutzbegehren. Derzeit ist weder absehbar, ob eine der Alternativen (Zurückweisung des Widerspruchs bzw. Rücknahme des Widerspruchs) eintritt, noch ob überhaupt und gegebenenfalls in welcher Höhe eine Verzinsung der Beitragsforderung durch die Antragsgegnerin erfolgt. Insoweit verkennt die Antragstellerin den vorläufigen Charakter der Regelungen im Rahmen der §§ 86a, 86b SGG. Die Antragsgegnerin kann auf der einen Seite die Entscheidung nach § 86a Abs. 3 SGG jederzeit, auch nachdem ein Antrag nach § 86b Abs. 1 SGG gestellt worden ist, (auch zum Nachteil des Betroffenen) aufheben oder ändern. Auf der anderen Seite sind Anträge der Antragstellerin nach § 86a Abs. 3 SGG und nach § 86b Abs. 1 SGG auf Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht gerade nicht fristgebunden (vgl. hierzu: Keller, a.a.O., § 86b Rdnr. 9, § 86a Rdnr. 28a; Düring, a.a.O., § 86a Rdnr. 14, 22; Breitkreuz/Fichte (Hrsg.), SGG, Kommentar, 2. Auflage Oktober 2013, § 86a Rdnr. 48). Die Antragstellerin hat dadurch weiterhin die Möglichkeit, Rechtsschutz gegen die Verzinsungsauflage bei Eintritt einer der Alternativen bzw. bei einer Verzinsungsentscheidung der Antragsgegnerin über § 86b Abs. 1 SGG zu erreichen. Die vorliegend bedingte Verzinsungsauflage wird demnach nicht "bestandskräftig" im Sinne der Schaffung eines Rechtsgrundes für die Verzinsung der Beitragsforderung (vgl. insoweit im Ergebnis auch: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. Februar 2013, L 1 KR 551/12 B ER).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Insoweit war zum einen zu berücksichtigen, dass die Aussetzung der Vollziehung des Beitragsbescheides der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2014 auf der Vorlage des Testats der C. GmbH - Steuerberatungsgesellschaft - vom 23. Mai 2014 durch die Antragstellerin beruht. Bis zu diesem Zeitpunkt ging der Senat nach summarischer Prüfung im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz zum anderen davon aus, dass die Antragstellerin grundsätzlich Beiträge auf Grundlage des so genannten equal-pay-Lohnes wegen einer rückwirkenden Feststellung und Forderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen aufgrund der Tarifunfähigkeit der CGZP schuldet. Der Senat macht sich insoweit die Ausführungen des Sozialgerichts zu Eigen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG) und nimmt im Übrigen auf die inzwischen umfangreiche Rechtsprechung Bezug (Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22. März 2013, L 1 KR 14/13 B ER; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 10. Mai 2012, L 8 R 164/12 B ER, vom 15. November 2012, L 8 R 416/12 B ER, vom 21. Dezember 2012, L 8 R 690/12 B ER und vom 7. November 2012, L 8 R 699/12 B ER; Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23. April 2012, L 1 KR 95/12 B ER; Sozialgericht Kassel, Urteil vom 4. September 2013, S 12 KR 246/12).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Der mit dem Beitragsbescheid geforderte Betrag i.H.v. 267.222,56 EUR war zur Grundlage der Wertfestsetzung zu machen. Im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der Entscheidung war dieser Betrag auf ein Viertel zu reduzieren (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23. April 2012, L 1 KR 95/12 B ER).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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