L 7 KA 154/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 83 KA 199/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 154/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 bietet keine ausreichende Grundlage, um ohne Regelung durch die Gesamtvertragspartner über RLV-relevante Praxisbesonderheiten zu entscheiden.
2. Weil das RLV vor Beginn eines Quartals zugewiesen werden muss, darf bei der Prüfung auf RLV-relevante Praxisbesonderheiten nicht auf die Abrechnungsdaten ebendieses Quartals zurückgegriffen werden.
3. Dass nach dem Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 im Quartal I/09 die Anerkennung einer RLV-relevanten Praxisbesonderheit davon abhing, dass der Fallwert einer Vertragsarztpraxis denjenigen der Arztgruppe um 30 % überschritt, ist unbedenklich.
4. Überschreitet der praxisindividuelle Fallwert denjenigen der Arztgruppe um den durch den (erweiterten) Bewertungsausschuss oder den Honorarverteilungsmaßstab vorgegebenen Prozentsatz, darf eine Praxisbesonderheit nicht allein unter Hinweis auf einen Fallzahlrückgang in den letzten 6 Jahren abgelehnt werden.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. November 2011 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt ein höheres Regelleistungsvolumen (RLV) für das Quartal I/09 unter dem Aspekt von Praxisbesonderheiten. Der Kläger nimmt als Facharzt für Kinderheilkunde seit Mai 2002 im Berliner Bezirk R an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Seit dem 11. Dezember 2007 führt er die Zusatzbezeichnung Neuropädiatrie. Der Anteil der neuropädiatrischen Gebührenordnungspositionen - GOP - (Unterkapitel 4.4.2 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs - EBM - 2008) an den vom Kläger insgesamt erbrachten Leistungen betrug in den Quartalen I/08 bis IV/08 durchschnittlich 11,31 % und im Quartal I/09 14,15 % (Bl. 100 GA). Die Beklagte wies dem Kläger die RLV für die Quartale I/2009, II/2009, III/2009, IV/2009 und II/2010 nach folgender Berechnung zu: I/2009 II/2009 III/2009 IV/2009 II/2010 Arztindividuelle Fallzahl 925 907 879 835 906 Fallwert der AG in Euro 31,47 32,71 32,31 32,28 37,33 durchschn. Fallzahl der AG 926 838 784 837 828 Morbiditätsfaktor 0,9961 0,9944 0,9998 1,0064 0,9980 arztindividuelles RLV in Euro 28.996,22 29.500,38 28.392,59 27.123,78 33.753,97 Gegen den die RLV-Zuweisung für das Quartal I/09 betreffenden Bescheid vom 11. Dezember 2008 erhob der Kläger Widerspruch. U.a. diesen Widerspruch wies die Beklagte mit bestandskräftig gewordenem Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2012 zurück. Am 19. Dezember 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten ein erhöhtes RLV, weil es ihm wegen fortwährender Erkrankung und zum Teil 50%iger Berufsunfähigkeit, besonders ab Februar 2008, trotz zunehmend neuropädiatrischer Tätigkeit nicht möglich gewesen sei, eine 30%ige Überschreitung der angeforderten Individualbudget-Punkte (IB-Punkte) zum Vorjahresquartal zu erreichen. Eine qualifizierte neuropädiatrische Versorgung im Norden Berlins sei mit dem ihm mitgeteilten RLV finanziell nicht machbar. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. April 2009 ab. Zwar überschreite der arztindividuelle RLV-relevante Fallwert aus dem Quartal I/08 den RLV-Fallwert der Arztgruppe der hausärztlichen / fachärztlichen Kinderärzte ohne Schwerpunkt um 30,03 %. Es habe aber auch die Fallzahlentwicklung seiner Praxis des Quartals I/08 im Vergleich zu den letzten vier Quartalen vor Einführung der Individualbudgetierung (III/02 bis II/03) betrachtet werden müssen. Da der Kläger ab dem 11. November 2007 die Zusatzbezeichnung Neuropädiatrie führe und einen dadurch bedingten Fallzahlrückgang geltend mache, sei zur Bestimmung der Fallzahlentwicklung das Quartal I/07 im Vergleich zu den letzten vier Quartalen vor Einführung der Individualbudgetierung betrachtet worden. Wegen des hier zu verzeichnenden Fallzahlrückgangs von 3,14 % reduziere sich die Fallwert-Differenz auf 26,89 %, so dass der Antrag abzulehnen gewesen sei. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2009 zurück und führte zur Begründung aus: Nach dem Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses (EBewA) vom 27./28. August 2008 seien Praxisbesonderheiten – soweit es das Quartal I/09 betreffe - erst ab einem Umfang von 30 % Fallwertüberschreitung anerkennungsfähig. Die Differenz zwischen dem arztindividuellen Fallwert des Klägers im Quartal I/08 (40,92 Euro) und dem RLV-Fallwert der Arztgruppe (31,47 Euro) des Quartals I/09 betrage 30,03 % und bewege sich daher nur unwesentlich über dem vom Bewertungsausschuss festgelegten Prozentsatz. Weil auch vom Bewertungsausschuss Überschreitungen des Fallwertes bis zu 30 % als tolerabel angesehen würden, fehlte es an den Voraussetzungen für eine Erhöhung des RLV. Man habe zur Kenntnis genommen, dass der Kläger nach der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem 6. März 2008 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Eine Erkrankung habe jedoch typischerweise nur Auswirkungen auf die Fallzahl, nicht jedoch auf den Fallwert. Auf den Rückgang gegenüber dem Zeitraum vor Inkrafttreten der Individualbudgetierung komme es vorliegend prinzipiell nicht mehr an. Der im angefochtenen Bescheid vorgenommene Fallzahlvergleich diene dem Ziel zu überprüfen, ob die geltend gemachte Praxisbesonderheit auch kausal für eine eventuelle Erhöhung des Fallwerts gegenüber der Fachgruppe sei. Fallwertveränderungen könnten verschiedene Ursachen haben, u.a. eine gezielte Fallzahlsteuerung im Zusammenhang mit der Einführung der IB. Auf den insoweit festzustellenden Fallzahlverlust von 3,12 % komme es jedoch nicht mehr an, weil es schon an der Überschreitung des Arztgruppenfallwertes i.H.v. mindestens 30 % fehle. Der Honorarbescheid des Klägers für das Quartal I/09 wurde von der Beklagten am 26. November 2009 versandt und vom Kläger nicht angefochten. Mit Urteil vom 30. November 2011 hat das Sozialgericht die Bescheide vom 27. April 2009 und 15. Dezember 2009 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Anerkennung von Praxisbesonderheiten für das Quartal I/09 unter Beachtung seiner – des Sozialgerichts – Rechtsauffassung erneut zu entscheiden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Bescheide der Beklagten seien rechtswidrig, weil es in ihrem Bereich für das Quartal I/09 an der zwingend erforderlichen gesamtvertraglichen Regelung zu Praxisbesonderheiten gefehlt habe. Teil F Nr. 3.6 des Beschlusses des EBewA vom 27./28. August 2008 ermögliche keine Prüfung von Praxisbesonderheiten im Einzelfall, sondern überlasse die diesbezüglichen Einzelheiten und das Verfahren den Gesamtvertragspartnern. Eine entsprechende Regelung enthalte der durch Beschluss des Landesschiedsamtes vom 21. November 2008 festgesetzte Honorarvertrag (HV) bezüglich des Quartals I/09 nicht. Auch Teil 2 Nr. 1 des Beschlusses des Landesschiedsamtes stelle keine taugliche Rechtsgrundlage dar, weil sie ihrerseits nur auf Teil F Nr. 3.6 des Beschlusses des EBewA verweise, aber auch weil das Landesschiedsamt in Teil 2 Nr. 4 seines Beschlusses den Partnern des HV aufgegeben habe, bis zum 15. Dezember 2008 Regelungen zu Praxisbesonderheiten abzustimmen. Die in der ersten Änderungsvereinbarung zum HV vorgenommenen Neuregelungen in § 5 Abs. 9 HV beträfen ausdrücklich erst den Zeitraum ab dem 1. April 2009. Ohne die erforderlichen Detailregelungen seien Entscheidungen über die Anerkennung von Praxisbesonderheiten nicht möglich. Der Beschluss des EBewA lasse z.B. offen, auf welche Fallwerte konkret bezüglich der 30%-Grenze abzustellen sei, wie und in welchem Umfang bei Vorliegen von Praxisbesonderheiten die Anerkennung zu erfolgen habe und ob der Beklagten insofern ein Ermessen zustehe. Auch eine grundsätzlich zulässige Delegation der Regelungsbefugnis auf den Vorstand der Beklagten sei nicht erfolgt. Im Rahmen der Neubescheidung werde die Beklagte folgendes zu beachten haben: Für die Frage, wann eine "für die Versorgung bedeutsame fachliche Spezialisierung" vorliege, könne auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum besonderen Versorgungsbedarf im Zusammenhang mit den Zusatz- und Praxisbudget zurückgegriffen werden. Es dürfte kein Zweifel bestehen, dass der Kläger auf neuropädiatrische Leistungen spezialisiert sei, was die von ihm und der Beklagten vorgelegten Anzahlstatistiken belegten. Auch wenn diese Leistungen den vom BSG geforderten Anteil von 20 % des Gesamtpunktzahlvolumens nicht erreichten, führe dies vorliegend nicht zur Abweisung der Klage, weil es den Gesamtvertragspartnern im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit grundsätzlich auch freistünde, einen hiervon abweichenden Grenzwert festzulegen oder für die Qualifizierung der Praxisbesonderheiten einen grundsätzlich anderen Maßstab festzulegen. Sollte die von der Beklagten vorzunehmende Prüfung ergeben, dass beim Kläger eine besondere für die Versorgung bedeutsame fachliche Spezialisierung vorliege, sei nach Teil F Nr. 3.6 des Beschlusses des EBewA vom 27./28. August 2008 in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 30 % vorliege. Dieser Grenzwert sei als Anfangs- und Erprobungsregelung nicht zu beanstanden. Dass die Beklagte bislang vor der Prüfung, ob Praxisbesonderheiten vorlägen, zunächst die Fallwertüberschreitung von 30 % untersucht habe, sei zur Vermeidung unnötigen Ermittlungsaufwands nicht zu beanstanden. Dagegen lasse sich bei einer Fallwertüberschreitung von mindestens 30 % die Frage der Kausalität zwischen Praxisbesonderheiten und Fallwertüberschreitung ohne eine Prüfung der abrechenbaren Leistungen grundsätzlich nicht klären. Nur wenn geklärt sei, ob und ggf. welche Praxisbesonderheiten in Betracht kämen, könne anhand der Abrechnungsdaten geprüft werden, ob diese Praxisbesonderheiten oder aber andere Umstände, insbesondere eine unwirtschaftliche Leistungserbringung oder eine gesteuerte Fallzahlreduzierung, für den erhöhten Fallwert verantwortlich seien. Der von der Beklagten herangezogene Fallzahlvergleich zwischen den Quartalen III/02 bis II/03 gegenüber dem Quartal I/08 bzw. (vorliegend) I/07 sei kein geeignetes Kriterium. Zum einen könne es im Rahmen der Kausalitätsprüfung nur darauf ankommen, ob aktuell die geltend gemachten Praxisbesonderheiten kausal einen gegenüber der Arztgruppe erhöhten Fallwert bedingten, wobei die Fallzahlen vergangener Jahre grundsätzlich irrelevant seien. Andererseits habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass ein Fallzahlrückgang verschiedenste Gründe haben könne und nicht zwangsläufig mit einer Erhöhung des Fallwerts einhergehen müsse. So könne ein Fallzahlrückgang auch auf einer zunehmend erfolgten Spezialisierung des Vertragsarztes oder auch auf einer Reduzierung der durchschnittlichen Fallzahlen der Arztgruppe beruhen. Auch als Indiz im Rahmen der Kausalitätsprüfung könne der Fallzahlrückgang allenfalls dann taugen, wenn mit diesem zugleich eine Erhöhung der unbudgetierten Fallwerte einhergegangen wäre. Aber auch dann müsse noch geklärt werden, ob diese Fallwerterhöhung nicht auf einer zunehmenden Spezialisierung beruhe und ob sich nicht der durchschnittliche Fallwert der Arztgruppe im selben Zeitraum auch erhöht habe. Dies würde wiederum eine Prüfung der Abrechnungen des Arztes dahingehend voraussetzen, ob er die im Rahmen der Spezialisierung erbrachten Leistungen im Verhältnis zu den arztgruppentypischen Leistungen vermehrt abgerechnet habe. Auf gesamtvertraglicher Ebene sei auch zu konkretisieren, welche Fallwerte dem Vergleich in der Fachgruppe zugrunde zu legen seien. Da es um die Ermittlung des Umfangs des Behandlungsbedarfs je Behandlungsfall im Vergleich zur Fachgruppe gehe, seien jedoch sowohl auf Seiten des zu beurteilenden Arztes als auch auf Seiten der Fachgruppe die unbudgetierten Fallwerte zugrunde zu legen. Legte man individuelle Auszahlungspunktwerte zugrunde, hätte dies zur Folge, dass bei gleichem prozentualen Anteil spezialisierter Leistungen ein neuropädiatrisch tätiger Kinderarzt mit geringer Fallzahl und Nichtausschöpfung des IB im Quartal I/08 einen deutlich höheren Fallwert hätte als ein neuropädiatrisch tätiger Kinderarzt mit hoher Fallzahl und deutlicher Überschreitung seines IB im Quartal I/08. Denn allein die hohe Fallzahl des letzteren im Bemessungsquartal I/08 würde, stellte man auf den Fallwert nach Budgetierung ab, bei identischem Leistungsspektrum und identischem durchschnittlichen unbudgetierten Fallwert zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der Anerkennung von Praxisbesonderheiten führen. Dies entspreche offenkundig nicht Teil F Nr. 3.6 des Beschlusses des EBewA vom 27./28. August 2008. Es sei daher bei dem Vergleich des betreffenden Arztes mit der Fachgruppe ein identischer Punktwert (z.B. der IB-Zielpunktwert von 4,15 Cent) zugrunde zu legen, oder es könne auch ein prozentualer Vergleich der durchschnittlichen Punktzahl pro Fall vorgenommen werden. Auf den nach Ziffer 4 der Anlage 2 zu Teil F des Beschlusses des EBewA vom 27./28. August 2008 sowie nach den Anlagen 1 und 2 zum HV ermittelten RLV-Fallwert dürfe die Beklagte nicht abstellen, da nur die Abweichung von dem das tatsächliche Abrechnungsvolumen der Ärzte widerspiegelnden Fallwerts eine zuverlässige Qualifizierung der im Vergleich zur Arztgruppe bestehenden Praxisbesonderheiten zulasse. Die von der Beklagten vorgenommene Berechnung, wonach das RLV-relevante Gesamthonorarvolumen der Arztgruppe durch die Gesamtfallzahl dividiert werde, berücksichtige die Individualbudgetierung und führe damit zu einer Verzerrung des Leistungsbildes bezogen auf den einzelnen Behandlungsfall, sie sei folglich für den Fallwertvergleich ebenfalls ungeeignet. Zulässig sei daher z.B., das Gesamtpunktzahlvolumen der RLV-relevanten Leistungen mit dem auch bei dem einzelnen Arzt zugrunde gelegten Punktwert zu multiplizieren und diesen Wert durch die Gesamtfallzahl zu dividieren. In zeitlicher Hinsicht sei entgegen der Ansicht des Klägers auf das jeweils entsprechende Vorjahresquartal abzustellen. § 87b Abs. 3 Satz 3 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) und der oben genannte Beschluss des EBewA sprächen dafür, dass Praxisbesonderheiten als Bestandteil des RLV jeweils im Voraus vor dem Beginn des Abrechnungsquartals festzustellen seien. Unzulässig sei es aber, dass die Beklagte den individuellen Fallwert des Klägers im Quartal I/08 mit dem RLV-Wert der Arztgruppe für das Quartal I/09 verglichen habe. Im Rahmen der noch zu treffenden gesamtvertraglichen Regelungen dürfe die Anerkennung von Praxisbesonderheiten hinsichtlich der Art und Weise und des Umfangs dem Ermessen der Beklagten überlassen werden. Vertretbar sei es auch, nur die den Grenzwert von 30 % übertreffende Fallwertüberschreitung als RLV-erhöhend anzuerkennen. Gegen dieses ihr am 5. Dezember 2011 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 29. Dezember 2011, zu deren Begründung sie vorträgt: Sie habe entsprechend Teil 2 Nr. 4 des Beschlusses des Landesschiedsamtes einen Vorschlag zu Praxisbesonderheiten erarbeitet und den Vertragsparteien per E-Mail am 9. Dezember 2008 übersandt. Als Reaktion hierauf hätten die Krankenkassen(-verbände) einen Gegenvorschlag übermittelt, welchen sie mit Schreiben vom 22. Dezember 2008 akzeptiert habe. Im Zeitraum vom 1. April 2005 bis 31. Dezember 2007 seien vom Kläger keine Leistungen der schwerpunktorientierten Kinder- und Jugendmedizin nach Titel 4.4 des EBM2000plus abgerechnet worden. Auch für die davor liegende Zeit ab dem Quartal II/03 habe er keine entsprechenden neuropädiatrischen Leistungen abgerechnet. Weil die vom Kläger als Besonderheit geltend gemachten neuropädiatrischen Leistungen weniger als 20 % des Gesamtpunktzahlvolumens ausmachten, fehle es ihm nach der Rechtsprechung des BSG an einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung. Unterschiede in der Höhe des Fallwertes könnten verschiedene Ursachen haben: So hätten unter Geltung des IB die Punktwerte zum Teil deutlich über den jetzt geltenden regionalen Punktwerten der Euro-Gebührenordnung gelegen. Insbesondere im Bereich der Ersatzkassen sei der Punktwert höher gewesen. Insofern sei eine Absenkung der Fallwerte unter Geltung der RLV bereits durch deren Einführung zusammen mit einem einheitlichen Punktwert indiziert. Weil eine Fallwerterhöhung aber auch durch eine gezielte Fallzahlverhinderung entstehen könne, sei die Fallzahlveränderung zur Beurteilung des Fallwertes heranzuziehen. Der für den Kläger ermittelte arztindividuelle Fallwert für das Quartal I/08 i.H.v. 40,29 Euro sei ermittelt worden, indem die RLV-Bedingungen des Quartals I/09 quasi über die vom Kläger erbrachten Leistungen des Quartals I/08 "gestülpt" worden seien, d.h., das RLV-relevante Honorar aus dem Quartal I/08 sei durch die RLV-relevante Fallzahl aus I/08 geteilt worden. Gemäß den einschlägigen Beschlüssen des EBewA i.V.m. dem HV 2009 werde zur Berechnung des RLV eines Arztes auf die Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal abgestellt. Auch zur Ermittlung des Arztgruppenfallwertes werde sich auf das Vorjahresquartal bezogen. Daher sei der Vergleich mit dem arztindividuellen RLV-relevanten Fallwert aus dem jeweiligen Aufsatzquartal (Vorjahresquartal) bei der Prüfung der Anerkennung von Praxisbesonderheiten nicht zu beanstanden. Auf den Fallwert des betroffenen Quartals könne schon deshalb nicht abgestellt werden, weil der Antrag auf Anerkennung von Praxisbesonderheiten vor Beginn oder während des jeweiligen Quartals gestellt werde. Würde indes der arztindividuelle Fallwert des betroffenen Quartals, für das die Anerkennung von Praxisbesonderheiten begehrt werde, als Vergleich herangezogen werden, könnte über den Antrag erst nach Vorlage des Honorarbescheides entschieden werden und somit die durch das RLV-gewollte Steuerungswirkung nicht erreicht werden. Aber auch die vom Sozialgericht vorgegebene Berechnungsweise führe zu keiner Erhöhung des RLV-Fallwerts. Lege man für den Fallwertvergleich die Punkte für RLV-relevante Leistungen nach sachlich-rechnerischer Richtigstellung, aber vor Anwendung mengenbegrenzender Maßnahmen zugrunde, ergebe sich bezogen auf das Quartal I/08 für den Kläger ein Fallwert von 1.110,88 Punkten und für seine Arztgruppe ein Fallwert von 1.030,69 Punkten, sodass die Überschreitung nur 7,7 % betrage. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. November 2011 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Bescheide vom 27. April 2009 und 15. Dezember 2009 aufgehoben und die Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet.

A. Der Zulässigkeit der Klage steht weder die Bestandskraft des Honorarbescheids für das Quartal I/09 vom 26. November 2009 noch die des RLV-Zuweisungsbescheids vom 11. Dezember 2008 entgegen.

I. Zwar fehlt einem Vertragsarzt für die Klage gegen einen RLV-Zuweisungsbescheid das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Honorarbescheid für das betroffene Quartal bestandskräftig ist (so zur Rechtslage bis Ende 2008 für das Verhältnis des IB-Bescheids und des Honorarbescheids: BSG, Urteil vom 15. August 2012 – B 6 KA 38/11 R –, juris). Weil die zu dieser Frage ergangene Rechtsprechung des BSG bis zu diesem Urteil uneinheitlich war, gilt dies nur für Honorarbescheide, bei denen vor Veröffentlichung dieser Entscheidung des BSG Bestandskraft eingetreten ist. Weil im Übrigen – so auch für den vorliegenden Fall – die Beklagte ggf. zu prüfen hat, ob Vertragsärzten, die im Vertrauen auf die (ältere) Rechtsprechung des BSG von einer gleichzeitigen Anfechtung der Honorarbescheide abgesehen haben, Vertrauensschutz zu gewähren ist (BSG, a.a.O.), kommt es auf den Honorarbescheid für das Quartal I/09 nicht an.

II. Die Beklagte hat – wie sich aus dem hiesigen Rechtsstreit sowie den am selben Tag entschiedenen Verfahren L 7 KA 155/11, L 7 KA 140/11 und L 7 KA 80/11 er¬gibt – bezüglich der Höhe des RLV eines Vertragsarztes für ein bestimmtes Quartal mehrere Verwaltungsverfahren unabhängig voneinander durchgeführt. So hat sie in Verfahren, in denen Widerspruch gegen den RLV-Zuweisungsbescheid (§ 87b Abs. 5 Sätze 1 und 2 SGB V in der vom 1. Juli 2008 bis 22. September 2011 geltenden Fassung (alte Fassung – aF)) erhoben wurde, nur bestimmte Einwände der Vertragsärzte (z.B. zur Arztgruppenzuordnung, Rechtmäßigkeit der Beschlüsse des EBewA) berücksichtigt; alle Umstände, die wegen der Anerkennung von Praxisbesonderheiten zu einem höheren RLV führen können, hat sie demgegenüber – auf Antrag – in einem separaten Verwaltungsverfahren geprüft.

1. Die Ursachen für diese Vorgehensweise liegen einerseits in § 87b Abs. 5 SGB V aF sowie andererseits in § 6 Abs. 3 der Anlage 1 zum HV 2009. Nach § 87b Abs. 5 Sätze 1 und 2 SGB V aF obliegt die Zuweisung der RLV an den Arzt oder die Arztpraxis einschließlich der Mitteilung der Leistungen, die außerhalb der RLV vergütet werden, sowie der jeweils geltenden regionalen Preise der Kassenärztlichen Vereinigung; die Zuweisung erfolgt erstmals zum 30. November 2008 und in der Folge jeweils spätestens vier Wochen vor Beginn der Geltungsdauer des RLV. Gemäß § 6 Abs. 3 der Anlage 1 zum HV 2009 können wegen im einzelnen aufgeführter arzt- bzw. praxisindividueller Umstände (z.B. urlaubs- oder krankheitsbedingte Vertretung, Praxisaufgabe in der näheren Umgebung) auf Antrag des Arztes und nach Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung Berlin Leistungen über das arzt-/praxisbezogene RLV hinaus mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet werden. Dass derartige Umstände bei der Ermittlung des RLV nur antragsabhängig Beachtung finden können, ist sachgerecht, weil sie der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) typischerweise nicht bekannt sind. Dies gilt gleichermaßen für nach § 87b Abs. 3 Satz 3 SGB V aF zwingend zu berücksichtigende Praxisbesonderheiten, auch wenn deren Einbeziehung in die Ermittlung des RLV der im Quartal I/09 geltende HV noch nicht ausdrücklich vorsah.

a. Diese Praxis der Beklagten begegnet gleichwohl rechtlichen Bedenken, weil die identische Regelung (Höhe des RLV eines Vertragsarztes in einem bestimmten Quartal) Gegenstand zweier Verwaltungs- bzw. Vorverfahren und sogar unterschiedlicher Rechtsstreite wurde, was zu divergierenden bestandskräftigen Festsetzungen zur Höhe des RLV führen könnte. Außerdem könnte die Frage, welcher Fachgruppe ein Vertragsarzt zuzuordnen ist, Voraussetzung für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten sein (da diese vor allem durch eine wesentliche Abweichung vom Leistungsverhalten der Fachgruppe gekennzeichnet sind), sodass bei einem Streit auch um die Arztgruppenzugehörigkeit vor der Bestandskraft des RLV-Zuweisungsbescheids wegen Vorgreiflichkeit nicht abschließend über die Anerkennung von Praxisbesonderheiten entschieden werden dürfte. Werden daher die beiden Verwaltungsverfahren völlig unabhängig voneinander geführt, bleibt unbeachtet, dass es nicht um unterschiedliche Lebenssachverhalte geht, sondern nur um unterschiedliche Begründungen für ein und dieselbe Regelung.

Deshalb spricht einiges dafür, dass die Beklagte nicht hinsichtlich desselben Regelungsgegenstandes mehrere Widerspruchsverfahren durchführen, sondern im Hinblick auf § 86 SGG nur einen Widerspruchsbescheid hätte erlassen dürfen, in dem sie auf die Einwände sowohl gegen den RLV-Zuweisungsbescheid als auch wegen nicht oder nur teilweise anerkannter Praxisbesonderheiten eingeht.

b. Über die Tragweite dieser Bedenken muss der Senat indes nicht abschließend befinden. Nähme man sie ernst, bedeutete dies für den hiesigen Rechtsstreit, dass die Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2012 nicht erneut über das RLV des Klägers für das Quartal I/09 hätte entscheiden dürfen. Denn nachdem die Widerspruchsstelle bereits mit dem Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2009 über diesen Streitgegenstand entschieden hatte, wäre sie zu einer erneuten Befassung hiermit nicht befugt gewesen (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2003 – B 11 AL 47/02 R –, juris; BSGE 75, 241). Gleichwohl wäre der Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2012, soweit er das RLV für das Quartal I/09 betrifft, gemäß § 96 SGG Gegenstand des hiesigen Rechtsstreits geworden (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juni 2012 – L 7 R 923/11 –, juris). Dem Umstand, dass die Klägerseite diesen Widerspruchsbescheid hat bestandskräftig werden lassen, entnimmt der Senat, dass sie die in jenem Verfahren vorgebrachten Einwände gegen das RLV für das Quartal I/09 nicht weiterverfolgt. Auf diese Einwände musste der Senat daher im hiesigen Rechtsstreit nicht eingehen (zur Zulässigkeit beschränkter Einwendungen im Vertragsarztrecht allgemein vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2005 – B 6 KA 77/03 R –, juris; Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 21 Rd. 72).

c. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass die gesetzliche Vorgabe, das RLV zur Gewährleistung von Kalkulationssicherheit (vgl. den Entwurf der Fraktionen der CDU/ CSU und SPD für das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, BT-Drs. 16/3100, S. 216) rechtzeitig vor Beginn eines Quartals dem Vertragsarzt zuzuweisen, mit der aus § 87b Abs. 3 Satz 3 SGB V aF und Teil F Nr. 3.6 des Beschlusses des EBewA vom 27./28. August 2008 resultierenden Pflicht der KV, ihr bis dato in der Regel unbekannte und daher nur auf Antrag berücksichtigungsfähige Umstände als mögliche Praxisbesonderheiten einer Prüfung zu unterziehen und in Folge dessen ggf. ein höheres RLV festzusetzen, kollidiert. Insbesondere bezüglich des hier allein streitigen Quartals I/09 war es typischerweise ausgeschlossen, dass zum gesetzlich vorgegebenen Zeitpunkt der Zuweisung Praxisbesonderheiten der KV bereits mitgeteilt waren und von ihr auch geprüft und anerkannt werden konnten.

Angesichts dessen dürfte einiges dafür sprechen, § 6 Abs. 3 (und ebenso die mit Wirkung ab dem Quartal II/09 eingefügten Regelungen in § 5 Abs. 9) der Anlage 1 zum HV 2009 dahin auszulegen, dass die – zwingend vor Quartalsbeginn zu erfolgende – RLV-Zuweisung unter dem Vorbehalt einer späteren antragsabhängigen RLV-Erhöhung infolge der Anerkennung von Praxisbesonderheiten steht. Bei dieser Auslegung wäre gewährleistet, dass einerseits die RLV-Zuweisung rechtzeitig vor Quartalsbeginn erfolgen kann und andererseits Praxisbesonderheiten antragsabhängig geltend gemacht werden und zu einer RLV-Erhöhung noch für dieses Quartal führen können, ohne dass – etwa durch die Aufspaltung in zwei voneinander unabhängige Verwaltungsverfahren – geltendes Verwaltungsverfahrens- oder Prozessrecht verletzt wird.

Auf der Umsetzungsebene hätte dies zur Folge, dass alle RLV-Zuweisungsbescheide unter dem nicht ausdrücklich aufgenommenen Vorbehalt stehen, dass das darin festgesetzte RLV nur solange Wirkung entfaltet, bis infolge eines Antrags nach § 6 Abs. 3 (bzw. ab dem Quartal II/09 nach § 5 Abs. 9) der Anlage 1 zum HV 2009 ein höheres RLV festgesetzt wird. Ein solcher Vorbehalt wäre gemäß § 32 Abs. 1, 2. Alt. SGB X zulässig, da auf diese Weise eine RLV-Festsetzung unter Wahrung der o.g. kollidierenden normativen Vorgaben sichergestellt ist. Dieser Vorbehalt dürfte im Übrigen auch die Verwaltungspraxis der Beklagten widerspiegeln, da dem Senat – zumindest derzeit – kein Fall bekannt ist, in dem die Beklagte trotz anerkannter Praxisbesonderheiten und daraus resultierender RLV-Erhöhung das geringere RLV aus dem Zuweisungsbescheid der Honorarberechnung zugrunde gelegt hat. Hiermit übereinstimmend hat die Terminsvertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, dass sich die Beklagte nicht auf die Bestandskraft des ein niedrigeres RLV beinhaltenden Zuweisungsbescheids berufen werde.

B. Soweit das Sozialgericht der Klage stattgegeben hat, ist dies nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig. Der Kläger kann eine erneute Bescheidung seines Antrags auf Zuweisung eines höheren RLV unter Berücksichtigung möglicher Praxisbesonderheiten verlangen.

I. Gemäß § 153 Abs. 2 SGG verweist der Senat auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts, soweit sie - die Rechtsgrundlagen, - die Erforderlichkeit gesamtvertraglicher Vereinbarungen zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten, - die "für die Versorgung bedeutsame fachliche Spezialisierung" i.S.v. Teil F Ziffer 3.6 des Beschlusses des EBewA vom 27./28. August 2008, - die uneingeschränkte gerichtliche Prüfungskompetenz im Hinblick auf Praxisbesonderheiten, - die Mitwirkungsobliegenheiten des Vertragsarztes bei der Geltendmachung von Praxisbesonderheiten, - die Ungeeignetheit des von der Beklagten vorgenommenen Fallzahlvergleichs zwischen den Quartalen III/02 bis II/03 und I/08 (bzw. – hier – I/07), - die Berechnung der dem Fallwertvergleich zugrunde zu legenden Fallwerte, - der Zeitpunkt, zu dem über Praxisbesonderheiten zu befinden ist (nämlich im Zusammenhang mit dem RLV-Zuweisungsbescheid) sowie - den Beurteilungsspielraum der Beklagten bei der Bestimmung der sich aus festgestellten Praxisbesonderheiten resultierenden Fallwerterhöhung betreffen.

II. Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren überzeugt nicht. Da die Beklagte im Wesentlichen auf ihr Vorbringen im Klageverfahren verweist und das Sozialgericht sich überzeugend und nahezu erschöpfend mit diesem Vorbringen auseinandergesetzt hat, erübrigen sich weitere umfangreiche Ausführungen des Senats.

1. Dass die Gesamtvertragsparteien in ihrem wechselseitigen Schriftverkehr ein Einvernehmen über eine Regelung zu Praxisbesonderheiten für das Quartal I/09 hergestellt haben, steht einer Regelung innerhalb des HV nicht gleich und ersetzt eine solche auch nicht. Es steht den Gesamtvertragsparteien nicht frei, Elemente der Honorarverteilung außerhalb des HV und ohne Publizierung zu vereinbaren. Denn es ist weder nach dem Vorbringen der Beklagten noch anderweitig ersichtlich, dass diese einvernehmlichen Regelungen – wie für Normen jeglicher Art unerlässlich (BSG, Urteil vom 17. September 1997 – 6 RKa 36/97 –, juris) – überhaupt veröffentlicht wurden. Nach § 13 ihrer Satzung erfolgen Bekanntmachungen der Beklagten im "Mitteilungsblatt der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin", durch Rundschreiben oder – bei entsprechendem Hinweis im Mitteilungsblatt – auf ihrer Internetseite. Ohne Veröffentlichung kommt den normativ wirkenden Regelungen zu Praxisbesonderheiten im Verhältnis zwischen Vertragsarzt und Beklagter keine Verbindlichkeit zu.

2. Ein Anspruch des Klägers auf Neubescheidung wäre nur dann zu verneinen, wenn es einer Änderung des HV mit dem Ziel, ihn um Regelungen zu Praxisbesonderheiten zu ergänzen, deshalb nicht bedürfte, weil die Anerkennung von Praxisbesonderheiten unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausgeschlossen wäre. Dies ist nicht der Fall.

a. Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass ohne gesamtvertragliche Regelungen zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten nicht davon ausgegangen werden kann, dass nur eine Spezialisierung, die sich in einem Anteil von min¬destens 20 % des (angeforderten) Gesamtpunktzahlvolumens niederschlägt, eine Praxisbesonderheit begründen kann. Allerdings wurde dieser Grenzwert in der Rechtsprechung des BSG immer wieder aufgegriffen: So hat es zunächst diesen Wert herangezogen, um einen Versorgungsschwerpunkt zu kennzeichnen, der eine Ausnahme von der 1996/97 geltenden Teilbudgetierung erlaubt (BSG, Urteil vom 6. September 2000 – B 6 KA 40/99 R –, juris), in der Folgezeit aber auch verdeutlicht, dass dieser Grenzwert nicht unbesehen auf jede andere Form der Schwerpunktsetzung oder Spezialisierung übertragen werden darf (für Zusatzbudgets: BSG, Urteil vom 16. Mai 2001 – B 6 KA 53/00 R –, juris, Rd. 26). In jüngerer Zeit hat es einerseits im Zusammenhang mit Praxisbesonderheiten eine Überschreitung des Durchschnitts bzw. einen Anteil der Spezialleistungen am Gesamtpunktzahlvolumen von mindestens 20 % als überdurchschnittlich angesehen (BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 17/10 R –, juris), andererseits aber auch einen Anteil von 15 % des Gesamtleistungsbedarfs nicht beanstandet (BSG, Beschluss vom 28. August 2013 – B 6 KA 24/13 B –, juris). Der Senat teilt daher die Rechtsauffassung des Sozialgerichts, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit einen anderen Grenzwert festsetzen oder einen grundsätzlich anderen Maßstab zur Quantifizierung von Praxisbesonderheiten heranziehen darf.

b. Die Anerkennung von Praxisbesonderheiten ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil zum Zeitpunkt der RLV-Zuweisung Anfang Dezember 2008 erst für drei aufeinanderfolgende Quartale (I/08 bis III/08) die Daten vorlagen, die eine Spezialisierung des Klägers im Bereich der Neuropädiatrie nahe legten. Zwar hat das Sozialgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass, um einerseits von einem dauerhaften Versorgungsbedarf ausgehen zu können, andererseits aber auch Schwankungen zwischen den Quartalen aufzufangen, nicht auf jedes einzelne Quartal abzustellen ist (BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 17/10 R –, juris). Der Rechtsprechung des BSG lässt sich aber nicht entnehmen, dass in diesem Zusammenhang stets mindestens vier aufeinanderfolgende Quartale untersucht werden, vielmehr hat es diesen Zeitraum als "ausreichend" bezeichnet (a.a.O.). Entscheidend ist vielmehr, dass erst eine Analyse des Abrechnungsverhaltens des Arztes über einen längeren Zeitraum dazu beiträgt, die z.B. durch stärkere Schwankungen bei der Abrechnung bestimmter Leistungsziffern entstehenden Zweifel am Vorliegen einer Praxisbesonderheit, die nach dem Vortrag des Arztes seine Behandlungsweise dauerhaft und nachhaltig prägen soll, auszuräumen (BSG, Urteil vom 15. November 1995 – 6 RKa 4/95 –, juris). Insoweit steht der Beklagten ein Entscheidungsspielraum zu, welchen Mindestzeitraum sie bei der Prüfung von Praxisbesonderheiten zugrunde legt und ob sie ggf. für Vertragsärzte, deren Spezialisierung – wie beim Kläger – auf einer erst kürzlich erlangten Abrechnungsgenehmigung beruht, aber Dauerhaftigkeit, etwa wegen eines besonderen Versorgungsbedarfs (hier: im Bereich der Neuropädiatrie) verspricht, erleichterte Voraussetzungen schafft.

c. Auch der von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgenommene Fallwertvergleich schließt eine Fallwerterhöhung infolge von Praxisbesonderheiten beim Kläger nicht von vornherein aus.

So ist schon fraglich, ob ein in Euro ausgedrückter Fallwertvergleich zwingend das gleiche Ergebnis nach sich ziehen muss wie ein in Punktzahlen vorgenommener. Insbesondere aber ist nach der Darstellung der Beklagten nicht erklärbar, warum – jeweils bezogen auf das Bemessungsquartal I/08 – angesichts nahezu identischer Fallzahlen des Klägers (925) und seiner Fachgruppe (926) ein Fallwertvergleich, der – so die Angaben der Beklagten – ¬nach der Anwendung mengenbegrenzender Regelungen erfolgt ist, zu einer Überschreitung von 30,03 % führt, während ein Fallwertvergleich anhand der unbudgetierten, RLV-relevanten Leistungsanforderungen eine Überschreitung von nur 7 % nach sich zieht.

Dass der von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgenommene Fallwertvergleich anhand der unbudgetierten, RLV-relevanten Leistungsanforderungen zwingend die Anerkennung von Praxisbesonderheiten beim Kläger ausschließt, ließe sich nur bejahen, wenn die Beklagte für beide Fallwertvergleiche sämtliche einzelnen Berechnungsfaktoren offen gelegt hätte. Nur dann wäre dem Senat eine Prüfung möglich gewesen, ob hier tatsächlich vergleichbare Sachverhalte vorliegen.

III. Vorsorglich weist der Senat indes auch darauf hin, dass am Ende der von der Beklagten durchzuführenden Prüfung auf Praxisbesonderheiten nicht zwangsläufig eine Erhöhung des klägerischen RLV für das Quartal I/09 stehen muss. Denn das Sozialgericht und der Senat beanstanden nahezu ausschließlich methodische Fehler der Beklagten im Rahmen der bisherigen Prüfung. Ein methodisch korrektes Vorgehen muss nicht automatisch ein anderes, dem Kläger günstigeres Ergebnis zur Folge haben.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.
Rechtskraft
Aus
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