S 18 AL 152/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 AL 152/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bemessung des Arbeitslosengeldes streitig.

Der am 00.00.1948 geborene Kläger war seit 2007 bei der Fa. F B GmbH & Co. KG beschäftigt. Bis zum 29.06.2011 erhielt der Kläger von Seiten des Arbeitgebers seinen Lohn sowie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Ab dem 30.06.2011 bis 22.01.2012 erhielt der Kläger Krankengeld von seiner gesetzlichen Krankenversicherung. Vom 23.01.2012 bis 13.02.2012 erhielt der Kläger Übergangsgeld und anschließend erneut vom 14.02.2012 bis 14.11.2012 Krankengeld.

Bereits am 17.09.2012 beantragte der Kläger ab dem 15.11.2012 bei der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld aufgrund der Aussteuerung aus dem Krankengeldbezug. Im Rahmen des Antrags auf Arbeitslosengeld ging eine Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers des Klägers ein. Hierin waren Entgeltabrechnungszeiträume von Juli 2010 bis zum 29.06.2011 bescheinigt. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung hatte der Kläger im November 2010 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt von 5.413,49 EUR. Hierin war ein Betrag von 2.379,00 EUR als einmalige Jahressonderzahlung enthalten. Die entsprechende Verdienstabrechnung für den Monat November 2010 wurde mit Datum vom 03.12.2010 erstellt und der berechnete Entgeltanspruch des Klägers gelangte sodann zur Auszahlung. In der Zeit von 01.12.2010 bis 29.06.2011 hatte der Kläger ein beitragspflichtigen Arbeitsentgelt von zusammen 19.689,04 EUR.

Mit Bescheid vom 03.12.2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 15.11.2012 ausgehend von einer Gesamtanspruchsdauer von 720 Tagen bis zum 28.02.2014 begrenzt im Hinblick auf die Vollendung der Altersgrenze für den Bezug der Regelaltersrente durch den Kläger. Bei der Höhe des Arbeitslosengeldes ging die Beklagte davon aus, dass der Kläger nur im Umfang von wöchentlich 30 Arbeitsstunden gegenüber den zuvor geleisteten 40 Arbeitsstunden dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe und redu-zierte so die Bemessung des Arbeitslosengeldes.

Mit Änderungsbescheid vom 19.12.2012 änderte die Beklagte ihre bisherige Bewilligung ab und gewährte dem Kläger nunmehr ein tägliches Arbeitslosengeld von 40,22 EUR ausgehend von einem Bemessungsentgelt von 93,31 EUR täglich ohne Herabbemessung.

Der Kläger erhob mit Schreiben vom 02.01.2013 Widerspruch gegen den Bescheid vom 03.12.2012.

Nachdem eine Widerspruchsbegründung nicht erfolgte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.2013 den Widerspruch als unbegründet zurück. Dies begründete sie damit, dass Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung nicht genannt und auch aus den Unterlagen nicht ersichtlich seien, der Bescheid entspreche den gesetzlichen Bestimmungen.

Hiergegen hat der Kläger am 22.03.2013 Klage erhoben.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stünde ein höheres Arbeitslosengeld zu. Dies sei unter Einbeziehung des Entgeltabrechnungszeitraumes von November 2010 zu berechnen. Hierzu beruft er sich auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28.04.2010 (Az. L 12 AL 13/09). Entsprechend hätte die Beklagte unter Zugrundelegung des erweiterten 2-jährigen Bemessungszeitraums vom 15.11.2010 bis 14.11.2012 auch den Entgeltabrechnungszeitraum November 2010, der eine Jahressonderzahlung enthielt, mit berücksichtigen müssen, da dieser am 03.12.2010 abgerechnet worden sei.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2013 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld I unter Einbeziehung des Entgeltabrechnungszeitraums November 2010 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig. Durch den Änderungsbescheid vom 19.12.2012 seien die Leistungen ab 15.11.2012 geändert festgesetzt worden. Diese Änderung sei Gegenstand des Verfahrens. Der Monat November 2010 liege außerhalb des 2-jährigen Bemessungszeitraumes. Dies gelte auch dann, wenn der Monat November 2010 - wie hier - erst später im Dezember 2010 abgerechnet worden sei. Im Bemessungszeitraum können nur solche Entgeltabrechnungszeiträume liegen, die vollständig im Bemessungsrahmen liegen. Im Hinblick auf die in Bezug genommene Entscheidung des LSG NRW stehe diese im Widerspruch zur Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 08.07.2009 (Az. B 11 AL 14/08 R). Die angefochtene Entscheidung entspreche der zitierten Ent-scheidung des Bundessozialgerichts.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten. Dieser lag vor und war Gegenstand der gerichtlichen Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dem Kläger steht kein Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung eines höheren Bemessungsentgeltes zu als ihm durch den Bescheid vom 03.12.2012 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 19.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2013 gewährt wurde.

Da der Bescheid vom 03.12.2012 durch den Bescheid vom 19.12.2012 zu Gunsten des Klägers abgeändert wurde, war Gegenstand des Widerspruchsverfahrens der geänderte Bescheid mit einem täglichen Arbeitslosengeldanspruch von 40,22 EUR. Insofern stellt dies auch den Streitgegenstand des Klageverfahrens dar.

Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger (1.) dem Grunde nach Anspruch auf Arbeitslosengeld nach den §§ 136, 137 SGB III hat und (2.) hat diesen Anspruch auch der Höhe nach (§§ 149 - 153 SGB III) zutreffend bewilligt.

(1.) Nach § 137 Abs. 1 SGB III haben Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Ein Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld bestand ab Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen ab dem 15.11.2012.

Die Arbeitslosmeldung erfolgte am 17.09.2012 zum 15.11.2012. Der Kläger hat die erforderliche Anwartschaftszeit erfüllt. Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 142 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Die Rahmenfrist beträgt nach § 143 Abs. 1 SGB III zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Rahmenfrist läuft vorliegend vom 15.11.2010 bis zum 14.11.2012. Bis zum 29.06.2011 war der Kläger gegen Arbeitsentgelt beschäftigt und daher versicherungspflichtig nach § 25 Abs. 1 SGB III. Während des Bezuges von Krankengeld und Übergangsgeld vom 30.06.2011 bis 14.11.2012 bestand nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III Versicherungspflicht, da unmittelbar zuvor eine Versicherungspflicht durch die Beschäftigung bestand. Innerhalb der Rahmenfrist war der Kläger mithin mindestens 12 Monate versicherungspflichtig.

Der Kläger war auch arbeitslos im Sinn von § 138 SGB II, da das Arbeitsverhältnis zwar noch fortbestand, aber die Beschäftigung tatsächlich nicht ausgeübt wurde.

(2.) Das Arbeitslosengeld des Kläger ist hinsichtlich der Höhe zutreffend bewilligt. Es beträgt im Fall des Kläger gem. § 149 Nr. 2 SGB III, da er kein Kind im Sinn des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 Einkommenssteuergesetz (EStG) hat, 60 % des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), welches sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Kläger im Bemessungszeitraum erzielt hatte (Bemessungsentgelt). Bemessungsentgelt ist gem. § 151 Abs. 1 SGB III das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Kläger im Bemessungszeitraum erzielt hatte. Der Bemessungszeitraum umfasst gem. § 150 Abs. 1 SGB III die Entgeltabrechnungszeiträume, die in dem Zeitraum von einem Jahr vor der Entstehung des Anspruches enthalten sind und beim Ausscheiden aus dem Ver-sicherungspflichtverhältnis vor Entstehung des Anspruches abgerechnet waren. Der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld ist am 15.11.2012 entstanden. Denn an diesem Tag erfüllte er die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld (s.o.), womit das Stammrecht auf Arbeitslosengeld entstanden ist. Entsprechend umfasst der Bemessungsrahmen nach § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III den Zeitraum von einem Jahr vor der Entstehung des Stammrechtes, also den Zeitraum vom 15.11.2011 bis zum 14.11.2012. Soweit der einjährige Bemessungsrahmen weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum enthält, wird der Bemessungszeitraum auf 2 Jahre erweitert (§ 150 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III). Entsprechend liegt der zweijährige Bemessungszeitraum in der Zeit vom 15.11.2010 bis zum 14.11.2012.

Der Kläger verfügt im einjährigen Bemessungsrahmen nicht über mindestens 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Denn innerhalb des einjährigen Bemessungsrahmens erhielt der Kläger nur Krankengeld bzw. Übergangsgeld. Entsprechend ist für das Bemessungsentgelt auf den zweijährigen Bemessungszeitraum vom 15.11.2010 bis zum 14.11.2012 abzustellen. In den zweijährigen Bemessungszeitraum fällt die Zeit von 01.12.2010 bis 29.06.2011. Dies sind 211 Tage mit einem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt von zusammen 19.689,04 EUR. Die Zeit vom 15. bis 30.11.2010 gehört zwar zum zweijährigen Bemessungsrahmen, jedoch ist das Bruttoentgelt mit der Jahressonderzahlung von zusammen 5.413,49 EUR nicht bei der Bemessung zu berücksichtigen. Bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes sind nur die Entgeltabrechnungszeiträume zugrunde zu legen, die vollständig innerhalb des Bemessungsrahmens liegen und vollständig abgerechnet waren. Teilabrechnungszeiträume sind auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie in den Bemessungsrahmen hineinragen (BSG SozR 4-4300 § 133 Nr. 3, LSG Hessen, Urteil vom 24.08.2010, L 9 AL 152/08). Hier ragt der Monat November 2010 nur teilweise in den Bemessungsrahmen hinein. Insofern ist das Entgelt für November 2010 nicht zu berücksichtigen. Dies gilt auch für die Jahressonderzahlung von brutto 2.379,00 EUR die mit dem Novembergehalt 2010 Anfang Dezember 2010 abgerechnet und ausgezahlt wurde. Die Sonderzahlung ist laut der Arbeitsbescheinigung Teil des Entgelts für November 2010 und teilt somit das Schicksal des gesamten Entgeltes für November 2010. Soweit in einer Entscheidung des LSG NRW vom 28.04.2010 (Az. L 12 AL 13/09) ausgeführt wurde, dass es ausreicht, wenn die Auszahlung der Sonderzahlung innerhalb des Bemessungsrahmen erfolgte, überzeugt dies nicht. Sinn und Zweck der ausschließlichen Berücksichtigung von vollständig innerhalb des Bemessungszeitraumes abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträumen ist gerade, dass für die Bemessung des Arbeitslosengeldes keine anteilige Berechnung von Entgeltabrechnungszeiträumen vorgenommen werden soll, um so die Berechnung des Arbeitslosengeldes zu vereinfachen (vgl. Gagel, SGB II/SGB III, § 150 SGB III Rn. 28). Die Entscheidung des LSG NRW berücksichtigt dies nicht.

Bei einem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt von 19.689,04 EUR an 211 Tagen ergibt sich ein Bemessungsentgelt von 93,31 EUR. Ausgehend von diesem Bemessungsentgelt ist das tägliche Arbeitslosengeld des Klägers mit 40,22 EUR zutreffend festgestellt und bewilligt worden.

Die Anspruchsdauer wurde zutreffend bis zum 28.02.2014 bewilligt, da der am 00.00.1948 geborene Kläger die Regelaltersgrenze (§ 235 Abs.2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch -SGB VI-) mit 65 Jahren und 2 Monaten am 00.00.2014 erreicht und daher ab dem 00.00.2014 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr hat (vgl. § 136 Abs. 2 SGB III).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183,193 SGG.

Die Sprungrevision war gem. § 161 Abs. 1 und 2 und § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Im Hinblick auf die vorgenannte Entscheidung des LSG NRW ist die Frage der Berücksichtigung einer Sonderzahlung, die zu einem Entgeltabrechnungszeitraum gehört der nicht vollständig im Bemessungszeitraum liegt, klärungsbedürftig.
Rechtskraft
Aus
Saved