Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 11 KA 651/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Soweit eine Ermächtigung im Rahmen einer Schlafmedizinischen Ambulanz zeitlich unbegrenzt erteilt ist, ist die Bildung eines Quartalsprofils auf der Grundlage von § 8 Abs. 3 S. 2 der Richtlinie über die zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach § 106a Abs. 2 und Abs. 3 SGB V auf der Grundlage von 156h/Quartal nicht geeignet, die Implausibilität der Honorarabrechnung zu begründen.
2. Sofern eine Tagesprofilüberschreitung mit einer gehäuften Abrechnung der Ziffer 30900 EBM 2005 begründet ist, ist zu berücksichtigen, dass sich die Prüfzeit von 36 Minuten zwangsläufig - im Rahmen einer Leistungserbringung sozusagen über Nacht - auf eine ärztliche Leistungserbringung an zwei Tagen verteilt.
3. Inwieweit es systemkonform ist, aus Sicherstellungsgründen nach § 116 SGB V ermächtigte Ärzte bei ihrer Leistungserbringung im Rahmen der Ermächtigung überhaupt im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung zu sanktionieren bzw. zu beschränken, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
2. Sofern eine Tagesprofilüberschreitung mit einer gehäuften Abrechnung der Ziffer 30900 EBM 2005 begründet ist, ist zu berücksichtigen, dass sich die Prüfzeit von 36 Minuten zwangsläufig - im Rahmen einer Leistungserbringung sozusagen über Nacht - auf eine ärztliche Leistungserbringung an zwei Tagen verteilt.
3. Inwieweit es systemkonform ist, aus Sicherstellungsgründen nach § 116 SGB V ermächtigte Ärzte bei ihrer Leistungserbringung im Rahmen der Ermächtigung überhaupt im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung zu sanktionieren bzw. zu beschränken, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
Der Bescheid vom 16.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2012 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Gerichtskosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Honorarrückforderung aufgrund einer Plausibilitätsprüfung im Rahmen der Ermächtigung des Klägers in den Quartalen II IV/07.
Der Kläger ist Facharzt für Innere Medizin und war seit dem 01.01.2005 im streitgegenständlichen Zeitraum Leiter des Schlafmedizinischen Labors an der Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie der Universitätsklinikum C-Stadt und A Stadt GmbH (UKCA). Die Schlafmedizinische Ambulanz am UKCA besteht schon seit Anfang der 90er-Jahre. Zunächst gab es dort eine Institutsambulanz, die dann in den Jahren 2005/2006 durch eine persönliche Ermächtigung für den Vorgänger des Klägers, Herrn Prof. Dr. D., ersetzt und seitdem jeweils verlängert wurde. Der Kläger wurde erstmals mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 14.11.2006 und letztmalig mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 24.11.2008 zur vertragsärztlichen Versorgung ohne zeitliche Einschränkung ermächtigt. Die Ermächtigung umfasst die "Durchführung besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zur Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe nach erfolgter Überweisung durch qualifizierte Ärzte". Die Ermächtigung wurde im Übrigen zeitlich unbefristet erteilt. Der Kläger hatte sich auf die entsprechende Stellenausschreibung des UKCA für eine Vollzeitstelle beworben, die vorsah, dass 80% der Arbeitszeit der Patientenversorgung im Rahmen der Ambulanztätigkeit gewidmet werden sollte und 20% auf die Tätigkeit in Forschung und Lehre entfallen sollten. Diese Verteilung der Arbeitszeit ist auch entsprechend im Arbeitsvertrag des Klägers niedergelegt. Dem Kläger wurde seitens des UKCA eine Genehmigung für die vertragsärztliche Nebentätigkeit im Rahmen der Ermächtigung erteilt. Die Beklagte hatte auch für die Vorquartalte hinsichtlich der Tätigkeit von Prof. Dr. D. eine Plausibilitätsprüfung aufgrund von Überschreitungen der Profilszeiten eingeleitet, das Verfahren jedoch eingestellt.
Mit Schreiben vom 01.09.2010 informierte die Beklagte dahingehend, dass für die Quartale II/07 bis IV/07 eine Plausibilitätsprüfung die folgenden Abrechnungsauffälligkeiten ergeben habe:
Quartal Tagesprofil Anzahl Tage davon Maximale Arbeitszeit pro Tag im Quartal Quartalsprofil Zeitsumme Überschreitung )12 Std. )16 Std. Std.: Min. Std.: Min.
II.2007 10 14:34 466:28 310:28
III.2007 9 14:56 576:51 420:51
IV.2007 21 14:46 656:21 500:21
Der Bitte nach schriftlicher Stellungnahme kam der Kläger mit Schreiben vom 14.09.2010 nach. Er übersandte auch die Stellungnahme von Prof. Dr. D. vom 30.06.2008. Herr Prof. Dr. D. hatte ausgeführt, dass ein Großteil seiner Arbeit in der Versorgung der Ambulanz bestehe. Insofern handele es ich nicht um eine Nebentätigkeit von relativ geringem Ausmaß, sondern um seine Hauptaufgabe in der Klinik. Dies begründe sich durch den hohen Stellenwert von Ambulanz und Schlaflabor, die eine überregionale Bedeutung hätten. Mit Schreiben vom 14.12.2010 informierte die Beklagte den Kläger dahingehend, dass der Plausibilitätsausschuss Nord nach kontroverser Diskussion eine Entscheidung in der Sache vertagt habe. Die Beklagte bat um eine detaillierte Beschreibung des persönlichen, zeit- und patientenbezogenen Tagesablaufs für zahlreiche exemplarisch genannte Behandlungstage des 4. Quartals 2007. Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 10.01.2011, dass er nicht für jeden der genannten Tage eine detaillierte Beschreibung liefern könne. Er schilderte einen "typischen Tag" wie folgt: der allgemeine Ablauf gestalte sich so, dass er Patienten zur Erstuntersuchung am 1. und 2. Tag sehe. Patienten, die zur Kontrolle kämen, sehe er nur am 2. Tag. Eine Anamnese und Untersuchung bei einem Neupatienten dauere am 1. Tag zwischen 15 und 20min, die Befundbesprechung am 2. Tag ca. 5min. Die Anamnese/Untersuchung und Besprechung bei einem Kontrollpatienten dauere ca. 15min. Die Bewertung der Befunde bei Neupatienten (Lufu, BGA, EKG und PG) dauere ca. 13min., bei Kontrolluntersuchungen ca. 10min. Die Erstellung des Arztberichtes dauere bei Neupatienten ca. 10min, bei Kontrollen ca. 5min. Mit Bescheid vom 16.03.2011 setzte die Beklagte sodann für die Quartale II/07 bis IV/07 eine Honorarrückforderung in Höhe von 79.751,16EUR fest. Der Plausibilitätsausschuss sei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger die für die Leistungen der Ziffer 30900 EBM 2000plus vorgegebenen Prüfzeiten nicht persönlich eingehalten haben könne. Die tages- und Quartalsprofile würden mit bis zu 15 Polygraphien mit bis zu 9 Stunden täglicher Arbeitszeit belastet. Den Widerspruch des Klägers vom 04.04.2011, dem er eine umfangreiche Behandlungsdokumentation beifügte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2012 zurück. Die Rechtsgrundlagen für die nachgehende sachlich-rechnerische Richtigstellung der Honorarbescheide und die Rückforderung des Honorars seien § 45 Abs. 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte (kurz BMV-Ä), § 34 Abs. 4 Bundesmantelvertrag-Ärzte/ Ersatzkassen (kurz EKV) sowie § 50 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch X (SGB X). Die Berichtigung setze Fehler hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit – d.h. Verstöße gegen gesetzliche, vertragliche oder satzungsrechtliche Bestimmungen – voraus (vgl. §§ 4, 6 der Richtlinien gemäß § 106 a SGB V). Dazu gehörten nicht nur rechnerische oder gebührenordnungsrechtliche Fehler, sondern auch die Verletzung von Vorgaben über die formalen bzw. inhaltlichen Voraussetzungen der Leistungserbringung. Letztlich berechtige jedes pflichtwidrige Verhalten des Arztes, das zu höheren Leistungsanforderungen führe, zur sachlich-rechnerischen Berichtigung. Das Plausibilitätsprüfungsverfahren diene dem Nachweis von Abrechnungsfehlern mit Hilfe des Indizienbeweises. Beim Indizienbeweis werde aus Abrechnungsauffälligkeiten auf eine fehlerhafte Leistungserbringung geschlossen (§ 3 Abs. 2, § 5 Abs. 1, 2 Richtlinien gemäß § 106 a SGB V). Das Tagesprofil entstehe durch die Addition der Prüfzeiten (festgelegt im Anhang 3 zum EBM 2000plus) aller an einem Tag von dem Arzt abgerechneten Leistungen, die für die Berechnung des Tagesprofils geeignet seien. Darüber hinaus würden im Tagesprofil auch Zeiten erfasst, die nach den Vorgaben des EBM (z.B. in den Leistungslegenden) bei der Nebeneinanderabrechnung von Leistungen von dem Arzt erbracht worden sein müssten. Das Quartalsprofil entstehe durch die Addition der Prüfzeiten (festgelegt im Anhang 3 zum EBM 2000plus) aller im Quartal von dem Arzt abgerechneten Leistungen, die für die Berechnung des Quartalsprofils vorgesehen seien. Eine Analyse der auffälligen Tagesprofile führe zu dem Ergebnis, dass die Überschreitungen im Wesentlichen auf die Erbringung der Nr. 30900 zurückzuführen seien. Zudem fielen die Nummern 01311, 01312 (Ordinationskomplexe für ermächtigte Ärzte) sowie die Nummer 13220 (Gesprächsleistung) auf. Diese Überschreitungen seien im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass nicht in allen Fällen die Prüfzeiten eingehalten worden sein könnten. Gemäß Anhang 3 zum EBM ist für die Leistung der Nr. 30900 (Kardiorespiratorische Polygraphie) eine Prüfzeit von 36 Minuten sowohl für das Tages- als auch in das Quartalsprofil zugrunde zu legen. Die Prüfzeit von 36 Minuten beziehe sich ausschließlich auf Leistungsbestandteile, die der Arzt persönlich erbringen müsse. Das bedeute, dass die Leistungsanteile dieser Nummer, die auf nicht ärztliches Personal delegiert werden könnten, in den 36 Minuten überhaupt keine Berücksichtigung erfahren hätten. Damit sei festzuhalten, dass in jeder kalkulierten Leistung (= Prüfzeit) der Delegationsanteil bereits herausgenommen worden sei. Mithin komme es auf die Möglichkeit der Delegierbarkeit des technischen Leistungsanteils der Nr. 30900 nicht an. Die Prüfzeiten beruhten auf der Einschätzung eines ärztlich-sachverständigen Fachgremiums und seien im EBM bzw. im Anhang 3 zum EBM niedergelegt. Da der EBM Normcharakter entfalte, sei die Beklagte verpflichtet, die im EBM bzw. im Anhang 3 zum EBM niedergelegten Prüfzeiten der Plausibilitätsprüfung zugrunde zu legen und könne hiervon auch nicht abweichen. Zu bedenken sei, dass die Ermächtigung die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung beinhalte, vgl. § 32 a Ärzte-ZV. Eine Delegation ärztlicher Leistungen auf anderes ärztliches Personal sei nicht möglich. Eine Ermächtigung bedeute eine "Nebentätigkeit" neben der hauptberuflichen Tätigkeit am Krankenhaus ausschließlich für Leistungen, die durch bereits niedergelassene Vertragsärzte nicht bzw. nicht ausreichend erbracht werden könnten und beinhalte die Erbringung eines begrenzten Leistungsumfangs vertragsärztlicher Leistungen. Hieraus folge, dass die Quartalsprofilzeiten für einen ermächtigten Arzt niedriger bemessen seien als für einen Vertragsarzt. Überschreite ein ermächtigter Arzt diese Quartalsprofilzeiten, seien seine Abrechnungen auffällig. Weise ein ermächtigter Arzt zudem Tagesprofilzeiten wie ein nach § 24 Ärzte-ZV zugelassener Arzt auf, sei davon auszugehen, dass an der Art und Weise der Leistungserbringung etwas nicht richtig sein könne. Vorliegend sei aufgrund der Vielzahl der Patienten bzw. der abgerechneten Leistungen (Nrn. 01311, 01312, 13220, 13250, 1365) der Indizienbeweis erbracht, dass der Kläger die Leistungsinhalte der abgerechneten Leistungen nicht vollständig erbracht haben könne. Der Nachweis der lmplausibilität und damit der Fehlerhaftigkeit der Abrechnung könne auf die erreichten Zeitprofile gestützt werden, denn mit seiner Abrechnung mache der Vertragsarzt geltend, dass er alle abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß erbracht hätte. Zeitprofile würden vom Normgeber ausdrücklich als geeignetes Mittel zum Nachweis von fehlerhaften Abrechnungen vorgesehen und seien von der Rechtsprechung (Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.11.1993, Az.: 6 RKa 70/91) als geeignetes Beweismittel (Indizienbeweis) anerkannt, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachweisen zu können. Der Indizienbeweis würde hier durch die Tages- als auch Quartalszeitprofile geführt. So habe auch das SG Marburg mit Urteil vom 8.12.2010 (Az.: S 12 KA 229/09) festgestellt, dass allein mit der Überschreitung der Grenzwerte im Sinne der Prüfkriterien hinreichend nachgewiesen würde, dass keine ordnungsgemäße Leistungserbringung mehr möglich sei. Letztlich könnten auch die beigefügten Patientendokumentationen keine andere Betrachtungsweise rechtfertigen. Es sei anzumerken, dass für die Nr. 0160 die korrekte Prüfzeit zugrunde gelegt worden sei. Diese habe gemäß Anlage 3 zum EBM 2 Minuten im (Tages-) und Quartalsprofil betragen. Die Zeitprofile des Klägers führten den Indizienbeweis, dass die Abrechnungen fehlerhaft seien und gegen vertragsärztliche Abrechnungsbestimmungen (Verbot der Abrechnung von nicht vollständig erbrachten Leistungen, Allgemeine Bestimmungen, Kapitel 2, Abschnitt 2.1 und 2.1.2 des EBM 2000plus) verstoßen hätten. Denn der Kläger hätte mit Abgabe seiner Sammelerklärung bestätigt, dass er alle abgerechneten Leistungen (und damit die entsprechenden Zeiten) persönlich und ordnungsgemäß erbracht hätten. Der Kläger hätte zumindest grob fahrlässig (d.h. Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße - § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X) Leistungen auf den Abrechnungsscheinen eingetragen, deren Leistungsinhalt er nicht vollständig erbracht haben könne. Zu seinen Grundpflichten als Vertragsarzt gehöre, dass er nur Leistungen abrechne, die nach den vertragsärztlichen Vorgaben ordnungsgemäß erbracht worden seien. Angesichts der Feststellungen sei davon auszugehen, dass der Kläger seine Abrechnungsscheine nicht korrekt ausgefüllt habe. Die auf den nicht ordnungsgemäßen Sammelerklärungen beruhenden Honorarbescheide seien falsch und würden daher aufgehoben. Für die Neuberechnung des Honorars stehe der Beklagten ein weites "Schätzungsermessen" zu. Fehler bei der individuellen Kürzungsberechnung seien nicht ersichtlich. Im Quartal II/07 sei zu Gunsten des Klägers von einem Kürzungsprozentsatz von 53,645 % anstatt von 59,939 % ausgegangen worden. Auch die angewandte Berechnungsmethode sei rechtmäßig (vergl. SG Marburg, Urteil vom 8.12.2010, Az.: S 12 KA 229/09). Die Honorarrückforderung orientiere sich an dem Verhältnis zwischen plausiblen Zeiten und Überschreitung der plausiblen Zeit. Dieses Verhältnis (dargestellt als Prozentsatz) werde auf das erwirtschaftete Gesamthonorar (nach Durchführung von Begrenzungsmaßnahmen wie z.B. dem Regelleistungsvolumen, unter Berücksichtigung des realen Punktwertes, nach Abzug von Verwaltungskosten) übertragen und ein entsprechender Rückforderungsbetrag festgesetzt. Mit dieser Berechnungsweise werde ein erwirtschafteter Minutenpreis für alle abgerechneten Leistungen ermittelt und der implausible Leistungsanteil, bezogen auf die Nr. 30900, abgeschöpft.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage vom 19.11.2012. Der Kläger trägt vor, dass bei der Plausibilitätsprüfung weder seine besondere Tätigkeit im Rahmen der Spezialisierung, noch die besondere Praxissituation berücksichtigt worden seien. Die Prüfzeiten seien für niedergelassene Ärzte vorgegeben, die das komplette Leistungsspektrum vorhielten. Seine Tätigkeit im Rahmen der Ermächtigung sei damit nicht vergleichbar. Er sei ein hochspezialisierter Klinikarzt. Darüber hinaus stehe ihm bei der Durchführung der Polygraphie ein sehr erfahrenes Klinikpersonal zur Seite, das sämtliche für die Leistungserbringung notwendigen Vorbereitungsarbeiten übernehme. Auch dadurch ergebe sich ein großes zeitliches Einsparpotenzial. Eine Delegation bestimmter Leistungsinhalte der Ziffer 30900 sei in der Klinik unproblematisch möglich. Dies gelte insbesondere für den technischen Teil der Leistung, der in der Prüfzeit von 36 Minuten enthalten sei. Er delegiere die gesamte vorgeschaltete computergestützte Aufzeichnung der Befunde. Hierbei handele es sich um eine reine Datenerfassung ohne eigene Bewertung. Er selber werte dann die Ergebnisse aus und bespreche den Befund und ggf. das weitere Vorgehen mit dem Patienten. Auch die KBV gehe davon aus, dass der technische Teil der Ziffer 30900 grundsätzlich delegationsfähig sei. Es sei in seinem Fall zudem völlig falsch, starr die Quartalsprofilzeiten von 156 Stunden anzusetzen. Dabei gehe die Beklagte stur davon aus, dass es sich um eine Nebentätigkeit handele. Dies sei bei ihm aber ja gerade nicht der Fall. Zugrunde gelegt werden müssten mindestens 520 Stunden, wobei Überstunden als Oberarzt selbstverständlich erwartet würden. Darüber hinaus sei seine Arbeitszeit gerade nicht bestimmt bzw. beschränkt. Insoweit müsse, wie bei Angestellten sonst üblich, die tatsächliche Arbeitszeit geprüft werden. Die Beklagte habe sich auch nicht mit der vorgelegten Behandlungsdokumentation auseinandergesetzt und damit ihre Amtsermittlungspflicht verletzt. Aus der Behandlungsdokumentation ergebe sich, dass er sämtliche abgerechneten Leistungen, insbesondere die Ziffer 30900, vollständig erbracht habe. Dadurch werde eine vermutete Implausibilität der Abrechnung widerlegt. Seit Beginn der 90er-Jahre sei die Tätigkeit der Ambulanz hinsichtlich des Leistungsspektrums und der Patientenzahl konstant. Es sei vor diesem Hintergrund unverständlich, dass nunmehr plötzlich die Tätigkeit im Rahmen der persönlichen Ermächtigung eingeschränkt werden solle, zumal sie mit einem Sicherstellungsauftrag verbunden sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 16.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie nimmt im Wesentlichen auf die Gründe des Widerspruchsbescheides Bezug. Darüber hinaus sei in der Prüfzeit lediglich der ärztliche und nicht delegierbare Anteil einer Leistung abgebildet. Die Richtlinie gemäß § 106a SGB V sehe in § 8 Abs. 3 bei ermächtigten Ärzten eine Implausibilität bei einer arbeitstäglichen Zeit an mindestens drei Tagen mit mehr als 12 Stunden im Tageszeitprofil oder mit mehr als 156 im Quartalsprofil vor.
Das Gericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung den Chefarzt der Abteilung, Herrn Prof. Dr. E. als sachverständigen Zeugen vernommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten verwiesen, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richterinnen aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Der Bescheid vom 16.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung. Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertrags(zahn-) ärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragszahnärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V, eingefügt durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl. I 2003, 2190, mit Wirkung zum 01.01.2004). § 106a SGB V ist nicht auf den Bereich der Primär- und Ersatzkassen im Gegensatz zu den früher allein maßgeblichen Vorschriften nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) beschränkt, wonach die Kassenärztliche Vereinigung die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen hat. Aus Sicht der Zuständigkeit ist es daher nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei Erstellung der Zeitprofile auch die Leistungen gegenüber Versicherten anderer Versicherungsträger oder der Sozialhilfeträger einbezogen hat. § 106a SGB V erstreckt die Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigung auf alle Bereiche, in den sie aufgrund gesetzlicher Erweiterung des Sicherstellungsauftrags (vgl. § 75 Abs. 3 bis 6 SGB V) auch die Abrechnung vornimmt. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß – somit ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes – erbracht worden sind. Solche Verstöße können z. B. darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (vgl. BSG, Urt. v. 01.07.1998 - B 6 KA 48/97 R -). Zur Feststellung, ob abgerechnete Leistungen vollständig erbracht worden sind, ist es zulässig, Tages- und Quartalsprofile zu verwenden (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 -; BSG, Urt. v. 08.03.2000 - B 6 KA 16/99 R -). Tages- und Quartalsprofile sind grundsätzlich ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachweisen zu können. Die Beweisführung mit Tages- und Quartalsprofilen ist dem Indizienbeweis zuzuordnen. Für ihre Erstellung sind bestimmte Anforderungen erforderlich. Für die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes an einem Tag dürfen nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Delegationsfähige Leistungen haben außer Betracht zu bleiben. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die für die einzelnen ärztlichen Leistungen zugrunde zu legenden Durchschnittszeiten so bemessen sein müssen, dass ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Der Qualifizierung als Durchschnittszeit entspricht es, dass es sich hierbei nicht um die Festlegung absoluter Mindestzeiten handelt, sondern um eine Zeitvorgabe, die im Einzelfall durchaus unterschritten werden kann. Die Durchschnittszeit stellt sich aber bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung als der statistische Mittelwert dar (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - aaO.; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.10.2007 - L 7 KA 56/03 -). Als Nachweis für eine Falschabrechnung des Quartals genügt bereits ein beliebiger falsch abgerechneter Tag (BSG SozR 3-2500 § 83 Nr. 1). Ausgehend hiervon war die Beklagte grundsätzlich berechtigt, Tages- und Quartalsprofile zu erstellen. Sie hat die Tages- und Quartalsprofile auch grundsätzlich nicht falsch berechnet, da sie sie auf der Grundlage der Zeitangaben in der Richtlinie nach § 106a SGB V in Verbindung mit dem EBM 2000plus erstellt hat. Der Kläger hat jedoch die im Wege des Indizienbeweises getroffenen Feststellungen der Beklagten überzeugend widerlegt. Die Beklagte hat bei der Bewertung der persönlichen Situation des Klägers völlig außer Acht gelassen, dass der Kläger nicht im Rahmen einer üblichen Ermächtigung tätig geworden ist. Üblicherweise handelt es sich bei Ermächtigungen um eine reine Nebentätigkeit für ein begrenztes Leistungsspektrum. Aus der Historie der Institutsambulanz begründet, widmet der Kläger jedoch den weit überwiegenden Anteil seiner Arbeitszeit der Tätigkeit im Rahmen der Ermächtigung. Dies ergibt sich sowohl aus dem Stellenprofil, wie auch aus dem Arbeitsvertrag und auch aus den Angaben des glaubwürdigen Zeugen Prof. E., der den Arbeitszeitanteil im Bereich der schlafmedizinischen Ambulanz mit ca. 2/3 der Arbeitszeit angegeben hat. Diese Schwerpunkttätigkeit widerspricht auch nicht den vorgelegten Ermächtigungsbeschlüssen, die keinerlei Vorgaben bzw. Einschränkungen hinsichtlich des Tätigkeitsumfangs enthalten. Ob eine derartige, sozusagen hauptberufliche Ermächtigung nach den Feststellungen des BSG im Urteil vom 20.03.2013 – Az. B 6 KA 26/12 R – überhaupt zulässig ist, kann vorliegend dahinstehen, da dies nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Diese Sondersituation hätte die Beklagte nach der grundsätzlichen Feststellung der Implausibilität der Abrechnungen würdigen und bewerten müssen (vgl. SG Marburg, Urteil vom 30.01.2013 – S 12 KA 170/11). Dies ist nicht geschehen. Die Beklagte hätte berücksichtigen müssen, dass bei einer Tätigkeit in einem Umfang von 60-80% einer Vollzeitstelle – dies ergibt sich in der Gesamtschau von Stellenprofil, Arbeitsvertrag und Zeugenaussage – ein Quartalsprofil von 156 Stunden, das von der Richtlinie zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach § 106a Abs. 2 und Abs. 3 SGB V in § 8 Abs. 3 S. 2 vorgegeben wird, im Einzelfall des Klägers völlig ungeeignet ist, eine Implausibilität der Abrechnung zu begründen.
Hinsichtlich der Überschreitungen des Tagesprofils mag zwar auch in der Sondersituation des Klägers eine Grenze von 12h/Tag angemessen sein. Auch diesbezüglich hat es die Beklagte jedoch unterlassen, den Einzelfall des Klägers hinreichend zu bewerten. Insbesondere hat sie überhaupt nicht berücksichtigt, dass es sich bei der streitentscheidenden Leistung, der Ziffer 30900 EBM um eine Leistung handelt, die über Nacht, d.h. auf zwei Tage verteilt, erbracht wird. Der Kläger hatte schon im Rahmen des Verwaltungsverfahrens dargelegt, dass sich seine Leistungserbringung bei der Ziffer 30900 EBM bei Neu- und Kontrollpatienten unterscheidet. Während er Neupatienten am ersten und zweiten Tag sieht und selbst nach eigenen Angaben dafür ca. 43-48min (15 20min für Anamnese am 1. Tag, 5min für Befundbesprechung am 2. Tag, 13min für Befundauswertung und 10min für den Arztbericht) benötigt, sieht er Kontrollpatienten nur am 2. Tag und benötigt dafür ca. 30min (15min Anamnese und Befundbesprechung, 10min Befundauswertung und 5min Arztbericht). So ergibt sich die im EBM ausgewiesene Prüfzeit von durchschnittlich 36min bereits auch nach den eigenen Angaben des Klägers. Auf die Frage, ob darüber hinaus in dieser Prüfzeit technische Leistungen enthalten sind, die ggf. delegierbar wären, kommt es im vorliegenden Verfahren deshalb nicht mehr an. Aus diesen Erwägungen ergibt sich jedoch zur Überzeugung des Gerichts, dass die Prüfzeit von 36 Minuten keine Eignung für die Bildung eines Tagesprofils hat. Aus dem oben Gesagten ergibt sich die Erklärung für ein nach den Abrechnungsunterlagen äußerst heterogenes Bild der Arbeitszeiten, das die Beklagte zu berücksichtigen gehabt hätte. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Leistungserbringung der Ziffer 30900 auf zwei Tage erstreckt, die Ziffer jedoch zwangsläufig nur an einem der Tage angesetzt werden kann, verwundert es nicht, dass in den beispielhaft dokumentierten Tagesprofilzeiten erhebliche Schwankungen vorhanden sind. Die Tagesprofilzeiten liegen nicht nur – worauf sich die Beklagte ausschließlich fokussiert – häufig über 12h, sie liegen auch sehr häufig deutlich unter 12h. Aus den Auswertungen der Beklagten in der Verwaltungsakte ergibt sich, dass in allen streitgegenständlichen Quartalen sehr viele Tage auch mit weniger als 8h abgerechnet wurden. Dies gilt insbesondere durchgängig für Freitage. Daraus kann geschlossen werden, dass an Freitagen keine Leistungen der Ziffer 30900 begonnen und damit auch nicht abgerechnet wurden. Sofern die Polygraphie montags, dienstags, mittwochs oder donnerstags begonnen wurde, muss nach den Angaben des Klägers, die schlüssig sind und von der Beklagten auch nicht bestritten wurden, davon ausgegangen werden, dass bei Neupatienten ca. 50%, bei Kontrollpatienten überhaupt keine ärztlichen Leistungen dieser Ziffer an diesem Tag erbracht wurden, obwohl die Ziffer für diesen Tag angesetzt wurde. Insoweit hat das Tagesprofil überhaupt keine Aussagekraft hinsichtlich der tatsächlichen Leistungserbringung der Ziffer 30900. Vor diesem Hintergrund ist auch schon die Feststellung der Beklagten im Ausgangsbescheid, das Zeitprofil würde mit bis zu 15 Polygraphien mit bis zu 9h Arbeitszeit am Tag belastet, nicht tragfähig. Nach den völlig überzeugenden Darstellungen des Klägers hat er – selbst wenn es sich um 15 Polygraphien bei Neupatienten gehandelt haben sollte - maximal die Hälfte der Prüfzeit an diesem Tag auch für diese Patienten verwendet. Die restliche Prüfzeit entfällt auf den Folgetag, an dem die Leistung jedoch nicht angesetzt worden ist. So ergibt sich bei 15 Polygraphien/Tag eine Arbeitszeit bei 15 Neupatienten von 4,5 Stunden. Dies war bereits nach dem Vortrag des Klägers im Verwaltungsverfahren deutlich, wurde von der Beklagten jedoch ignoriert und nicht weiter thematisiert. Nicht zuletzt hat die Beklagte nicht berücksichtigt, dass eine Ermächtigung für die Tätigkeit des Klägers und auch in diesem Umfang im Rahmen der Vorgaben des § 116 SGB V aus Sicherstellungsgründen erteilt wurde und wird. Der Kläger hat glaubhaft und unwidersprochen dargelegt, dass der Umfang der Leistungserbringung in der Schlafmedizinischen Ambulanz hinsichtlich der Patientenzahlen seit Jahren konstant ist. Mit der schon historisch fortwährenden Verlängerung der entsprechenden Ermächtigungen dokumentiert der Zulassungsausschuss die Notwendigkeit dieser Leistungserbringung unter Sicherstellungsaspekten. Vor diesem Hintergrund erscheint es höchst fragwürdig und nicht systemkonform, dass im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung – sozusagen durch die Hintertür – diese Leistungserbringung, die ausdrücklich aus Sicherstellungsgründen erfolgt, nunmehr sanktioniert und beschränkt wird.
Nach alledem erweisen sich die streitgegenständlichen Honorarabrechnungen des Klägers nicht als implausibel.
Die Klage musste Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 VwGO.
Die Beklagte trägt die Gerichtskosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Honorarrückforderung aufgrund einer Plausibilitätsprüfung im Rahmen der Ermächtigung des Klägers in den Quartalen II IV/07.
Der Kläger ist Facharzt für Innere Medizin und war seit dem 01.01.2005 im streitgegenständlichen Zeitraum Leiter des Schlafmedizinischen Labors an der Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie der Universitätsklinikum C-Stadt und A Stadt GmbH (UKCA). Die Schlafmedizinische Ambulanz am UKCA besteht schon seit Anfang der 90er-Jahre. Zunächst gab es dort eine Institutsambulanz, die dann in den Jahren 2005/2006 durch eine persönliche Ermächtigung für den Vorgänger des Klägers, Herrn Prof. Dr. D., ersetzt und seitdem jeweils verlängert wurde. Der Kläger wurde erstmals mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 14.11.2006 und letztmalig mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 24.11.2008 zur vertragsärztlichen Versorgung ohne zeitliche Einschränkung ermächtigt. Die Ermächtigung umfasst die "Durchführung besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zur Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe nach erfolgter Überweisung durch qualifizierte Ärzte". Die Ermächtigung wurde im Übrigen zeitlich unbefristet erteilt. Der Kläger hatte sich auf die entsprechende Stellenausschreibung des UKCA für eine Vollzeitstelle beworben, die vorsah, dass 80% der Arbeitszeit der Patientenversorgung im Rahmen der Ambulanztätigkeit gewidmet werden sollte und 20% auf die Tätigkeit in Forschung und Lehre entfallen sollten. Diese Verteilung der Arbeitszeit ist auch entsprechend im Arbeitsvertrag des Klägers niedergelegt. Dem Kläger wurde seitens des UKCA eine Genehmigung für die vertragsärztliche Nebentätigkeit im Rahmen der Ermächtigung erteilt. Die Beklagte hatte auch für die Vorquartalte hinsichtlich der Tätigkeit von Prof. Dr. D. eine Plausibilitätsprüfung aufgrund von Überschreitungen der Profilszeiten eingeleitet, das Verfahren jedoch eingestellt.
Mit Schreiben vom 01.09.2010 informierte die Beklagte dahingehend, dass für die Quartale II/07 bis IV/07 eine Plausibilitätsprüfung die folgenden Abrechnungsauffälligkeiten ergeben habe:
Quartal Tagesprofil Anzahl Tage davon Maximale Arbeitszeit pro Tag im Quartal Quartalsprofil Zeitsumme Überschreitung )12 Std. )16 Std. Std.: Min. Std.: Min.
II.2007 10 14:34 466:28 310:28
III.2007 9 14:56 576:51 420:51
IV.2007 21 14:46 656:21 500:21
Der Bitte nach schriftlicher Stellungnahme kam der Kläger mit Schreiben vom 14.09.2010 nach. Er übersandte auch die Stellungnahme von Prof. Dr. D. vom 30.06.2008. Herr Prof. Dr. D. hatte ausgeführt, dass ein Großteil seiner Arbeit in der Versorgung der Ambulanz bestehe. Insofern handele es ich nicht um eine Nebentätigkeit von relativ geringem Ausmaß, sondern um seine Hauptaufgabe in der Klinik. Dies begründe sich durch den hohen Stellenwert von Ambulanz und Schlaflabor, die eine überregionale Bedeutung hätten. Mit Schreiben vom 14.12.2010 informierte die Beklagte den Kläger dahingehend, dass der Plausibilitätsausschuss Nord nach kontroverser Diskussion eine Entscheidung in der Sache vertagt habe. Die Beklagte bat um eine detaillierte Beschreibung des persönlichen, zeit- und patientenbezogenen Tagesablaufs für zahlreiche exemplarisch genannte Behandlungstage des 4. Quartals 2007. Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 10.01.2011, dass er nicht für jeden der genannten Tage eine detaillierte Beschreibung liefern könne. Er schilderte einen "typischen Tag" wie folgt: der allgemeine Ablauf gestalte sich so, dass er Patienten zur Erstuntersuchung am 1. und 2. Tag sehe. Patienten, die zur Kontrolle kämen, sehe er nur am 2. Tag. Eine Anamnese und Untersuchung bei einem Neupatienten dauere am 1. Tag zwischen 15 und 20min, die Befundbesprechung am 2. Tag ca. 5min. Die Anamnese/Untersuchung und Besprechung bei einem Kontrollpatienten dauere ca. 15min. Die Bewertung der Befunde bei Neupatienten (Lufu, BGA, EKG und PG) dauere ca. 13min., bei Kontrolluntersuchungen ca. 10min. Die Erstellung des Arztberichtes dauere bei Neupatienten ca. 10min, bei Kontrollen ca. 5min. Mit Bescheid vom 16.03.2011 setzte die Beklagte sodann für die Quartale II/07 bis IV/07 eine Honorarrückforderung in Höhe von 79.751,16EUR fest. Der Plausibilitätsausschuss sei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger die für die Leistungen der Ziffer 30900 EBM 2000plus vorgegebenen Prüfzeiten nicht persönlich eingehalten haben könne. Die tages- und Quartalsprofile würden mit bis zu 15 Polygraphien mit bis zu 9 Stunden täglicher Arbeitszeit belastet. Den Widerspruch des Klägers vom 04.04.2011, dem er eine umfangreiche Behandlungsdokumentation beifügte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2012 zurück. Die Rechtsgrundlagen für die nachgehende sachlich-rechnerische Richtigstellung der Honorarbescheide und die Rückforderung des Honorars seien § 45 Abs. 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte (kurz BMV-Ä), § 34 Abs. 4 Bundesmantelvertrag-Ärzte/ Ersatzkassen (kurz EKV) sowie § 50 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch X (SGB X). Die Berichtigung setze Fehler hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit – d.h. Verstöße gegen gesetzliche, vertragliche oder satzungsrechtliche Bestimmungen – voraus (vgl. §§ 4, 6 der Richtlinien gemäß § 106 a SGB V). Dazu gehörten nicht nur rechnerische oder gebührenordnungsrechtliche Fehler, sondern auch die Verletzung von Vorgaben über die formalen bzw. inhaltlichen Voraussetzungen der Leistungserbringung. Letztlich berechtige jedes pflichtwidrige Verhalten des Arztes, das zu höheren Leistungsanforderungen führe, zur sachlich-rechnerischen Berichtigung. Das Plausibilitätsprüfungsverfahren diene dem Nachweis von Abrechnungsfehlern mit Hilfe des Indizienbeweises. Beim Indizienbeweis werde aus Abrechnungsauffälligkeiten auf eine fehlerhafte Leistungserbringung geschlossen (§ 3 Abs. 2, § 5 Abs. 1, 2 Richtlinien gemäß § 106 a SGB V). Das Tagesprofil entstehe durch die Addition der Prüfzeiten (festgelegt im Anhang 3 zum EBM 2000plus) aller an einem Tag von dem Arzt abgerechneten Leistungen, die für die Berechnung des Tagesprofils geeignet seien. Darüber hinaus würden im Tagesprofil auch Zeiten erfasst, die nach den Vorgaben des EBM (z.B. in den Leistungslegenden) bei der Nebeneinanderabrechnung von Leistungen von dem Arzt erbracht worden sein müssten. Das Quartalsprofil entstehe durch die Addition der Prüfzeiten (festgelegt im Anhang 3 zum EBM 2000plus) aller im Quartal von dem Arzt abgerechneten Leistungen, die für die Berechnung des Quartalsprofils vorgesehen seien. Eine Analyse der auffälligen Tagesprofile führe zu dem Ergebnis, dass die Überschreitungen im Wesentlichen auf die Erbringung der Nr. 30900 zurückzuführen seien. Zudem fielen die Nummern 01311, 01312 (Ordinationskomplexe für ermächtigte Ärzte) sowie die Nummer 13220 (Gesprächsleistung) auf. Diese Überschreitungen seien im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass nicht in allen Fällen die Prüfzeiten eingehalten worden sein könnten. Gemäß Anhang 3 zum EBM ist für die Leistung der Nr. 30900 (Kardiorespiratorische Polygraphie) eine Prüfzeit von 36 Minuten sowohl für das Tages- als auch in das Quartalsprofil zugrunde zu legen. Die Prüfzeit von 36 Minuten beziehe sich ausschließlich auf Leistungsbestandteile, die der Arzt persönlich erbringen müsse. Das bedeute, dass die Leistungsanteile dieser Nummer, die auf nicht ärztliches Personal delegiert werden könnten, in den 36 Minuten überhaupt keine Berücksichtigung erfahren hätten. Damit sei festzuhalten, dass in jeder kalkulierten Leistung (= Prüfzeit) der Delegationsanteil bereits herausgenommen worden sei. Mithin komme es auf die Möglichkeit der Delegierbarkeit des technischen Leistungsanteils der Nr. 30900 nicht an. Die Prüfzeiten beruhten auf der Einschätzung eines ärztlich-sachverständigen Fachgremiums und seien im EBM bzw. im Anhang 3 zum EBM niedergelegt. Da der EBM Normcharakter entfalte, sei die Beklagte verpflichtet, die im EBM bzw. im Anhang 3 zum EBM niedergelegten Prüfzeiten der Plausibilitätsprüfung zugrunde zu legen und könne hiervon auch nicht abweichen. Zu bedenken sei, dass die Ermächtigung die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung beinhalte, vgl. § 32 a Ärzte-ZV. Eine Delegation ärztlicher Leistungen auf anderes ärztliches Personal sei nicht möglich. Eine Ermächtigung bedeute eine "Nebentätigkeit" neben der hauptberuflichen Tätigkeit am Krankenhaus ausschließlich für Leistungen, die durch bereits niedergelassene Vertragsärzte nicht bzw. nicht ausreichend erbracht werden könnten und beinhalte die Erbringung eines begrenzten Leistungsumfangs vertragsärztlicher Leistungen. Hieraus folge, dass die Quartalsprofilzeiten für einen ermächtigten Arzt niedriger bemessen seien als für einen Vertragsarzt. Überschreite ein ermächtigter Arzt diese Quartalsprofilzeiten, seien seine Abrechnungen auffällig. Weise ein ermächtigter Arzt zudem Tagesprofilzeiten wie ein nach § 24 Ärzte-ZV zugelassener Arzt auf, sei davon auszugehen, dass an der Art und Weise der Leistungserbringung etwas nicht richtig sein könne. Vorliegend sei aufgrund der Vielzahl der Patienten bzw. der abgerechneten Leistungen (Nrn. 01311, 01312, 13220, 13250, 1365) der Indizienbeweis erbracht, dass der Kläger die Leistungsinhalte der abgerechneten Leistungen nicht vollständig erbracht haben könne. Der Nachweis der lmplausibilität und damit der Fehlerhaftigkeit der Abrechnung könne auf die erreichten Zeitprofile gestützt werden, denn mit seiner Abrechnung mache der Vertragsarzt geltend, dass er alle abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß erbracht hätte. Zeitprofile würden vom Normgeber ausdrücklich als geeignetes Mittel zum Nachweis von fehlerhaften Abrechnungen vorgesehen und seien von der Rechtsprechung (Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.11.1993, Az.: 6 RKa 70/91) als geeignetes Beweismittel (Indizienbeweis) anerkannt, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachweisen zu können. Der Indizienbeweis würde hier durch die Tages- als auch Quartalszeitprofile geführt. So habe auch das SG Marburg mit Urteil vom 8.12.2010 (Az.: S 12 KA 229/09) festgestellt, dass allein mit der Überschreitung der Grenzwerte im Sinne der Prüfkriterien hinreichend nachgewiesen würde, dass keine ordnungsgemäße Leistungserbringung mehr möglich sei. Letztlich könnten auch die beigefügten Patientendokumentationen keine andere Betrachtungsweise rechtfertigen. Es sei anzumerken, dass für die Nr. 0160 die korrekte Prüfzeit zugrunde gelegt worden sei. Diese habe gemäß Anlage 3 zum EBM 2 Minuten im (Tages-) und Quartalsprofil betragen. Die Zeitprofile des Klägers führten den Indizienbeweis, dass die Abrechnungen fehlerhaft seien und gegen vertragsärztliche Abrechnungsbestimmungen (Verbot der Abrechnung von nicht vollständig erbrachten Leistungen, Allgemeine Bestimmungen, Kapitel 2, Abschnitt 2.1 und 2.1.2 des EBM 2000plus) verstoßen hätten. Denn der Kläger hätte mit Abgabe seiner Sammelerklärung bestätigt, dass er alle abgerechneten Leistungen (und damit die entsprechenden Zeiten) persönlich und ordnungsgemäß erbracht hätten. Der Kläger hätte zumindest grob fahrlässig (d.h. Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße - § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X) Leistungen auf den Abrechnungsscheinen eingetragen, deren Leistungsinhalt er nicht vollständig erbracht haben könne. Zu seinen Grundpflichten als Vertragsarzt gehöre, dass er nur Leistungen abrechne, die nach den vertragsärztlichen Vorgaben ordnungsgemäß erbracht worden seien. Angesichts der Feststellungen sei davon auszugehen, dass der Kläger seine Abrechnungsscheine nicht korrekt ausgefüllt habe. Die auf den nicht ordnungsgemäßen Sammelerklärungen beruhenden Honorarbescheide seien falsch und würden daher aufgehoben. Für die Neuberechnung des Honorars stehe der Beklagten ein weites "Schätzungsermessen" zu. Fehler bei der individuellen Kürzungsberechnung seien nicht ersichtlich. Im Quartal II/07 sei zu Gunsten des Klägers von einem Kürzungsprozentsatz von 53,645 % anstatt von 59,939 % ausgegangen worden. Auch die angewandte Berechnungsmethode sei rechtmäßig (vergl. SG Marburg, Urteil vom 8.12.2010, Az.: S 12 KA 229/09). Die Honorarrückforderung orientiere sich an dem Verhältnis zwischen plausiblen Zeiten und Überschreitung der plausiblen Zeit. Dieses Verhältnis (dargestellt als Prozentsatz) werde auf das erwirtschaftete Gesamthonorar (nach Durchführung von Begrenzungsmaßnahmen wie z.B. dem Regelleistungsvolumen, unter Berücksichtigung des realen Punktwertes, nach Abzug von Verwaltungskosten) übertragen und ein entsprechender Rückforderungsbetrag festgesetzt. Mit dieser Berechnungsweise werde ein erwirtschafteter Minutenpreis für alle abgerechneten Leistungen ermittelt und der implausible Leistungsanteil, bezogen auf die Nr. 30900, abgeschöpft.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage vom 19.11.2012. Der Kläger trägt vor, dass bei der Plausibilitätsprüfung weder seine besondere Tätigkeit im Rahmen der Spezialisierung, noch die besondere Praxissituation berücksichtigt worden seien. Die Prüfzeiten seien für niedergelassene Ärzte vorgegeben, die das komplette Leistungsspektrum vorhielten. Seine Tätigkeit im Rahmen der Ermächtigung sei damit nicht vergleichbar. Er sei ein hochspezialisierter Klinikarzt. Darüber hinaus stehe ihm bei der Durchführung der Polygraphie ein sehr erfahrenes Klinikpersonal zur Seite, das sämtliche für die Leistungserbringung notwendigen Vorbereitungsarbeiten übernehme. Auch dadurch ergebe sich ein großes zeitliches Einsparpotenzial. Eine Delegation bestimmter Leistungsinhalte der Ziffer 30900 sei in der Klinik unproblematisch möglich. Dies gelte insbesondere für den technischen Teil der Leistung, der in der Prüfzeit von 36 Minuten enthalten sei. Er delegiere die gesamte vorgeschaltete computergestützte Aufzeichnung der Befunde. Hierbei handele es sich um eine reine Datenerfassung ohne eigene Bewertung. Er selber werte dann die Ergebnisse aus und bespreche den Befund und ggf. das weitere Vorgehen mit dem Patienten. Auch die KBV gehe davon aus, dass der technische Teil der Ziffer 30900 grundsätzlich delegationsfähig sei. Es sei in seinem Fall zudem völlig falsch, starr die Quartalsprofilzeiten von 156 Stunden anzusetzen. Dabei gehe die Beklagte stur davon aus, dass es sich um eine Nebentätigkeit handele. Dies sei bei ihm aber ja gerade nicht der Fall. Zugrunde gelegt werden müssten mindestens 520 Stunden, wobei Überstunden als Oberarzt selbstverständlich erwartet würden. Darüber hinaus sei seine Arbeitszeit gerade nicht bestimmt bzw. beschränkt. Insoweit müsse, wie bei Angestellten sonst üblich, die tatsächliche Arbeitszeit geprüft werden. Die Beklagte habe sich auch nicht mit der vorgelegten Behandlungsdokumentation auseinandergesetzt und damit ihre Amtsermittlungspflicht verletzt. Aus der Behandlungsdokumentation ergebe sich, dass er sämtliche abgerechneten Leistungen, insbesondere die Ziffer 30900, vollständig erbracht habe. Dadurch werde eine vermutete Implausibilität der Abrechnung widerlegt. Seit Beginn der 90er-Jahre sei die Tätigkeit der Ambulanz hinsichtlich des Leistungsspektrums und der Patientenzahl konstant. Es sei vor diesem Hintergrund unverständlich, dass nunmehr plötzlich die Tätigkeit im Rahmen der persönlichen Ermächtigung eingeschränkt werden solle, zumal sie mit einem Sicherstellungsauftrag verbunden sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 16.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie nimmt im Wesentlichen auf die Gründe des Widerspruchsbescheides Bezug. Darüber hinaus sei in der Prüfzeit lediglich der ärztliche und nicht delegierbare Anteil einer Leistung abgebildet. Die Richtlinie gemäß § 106a SGB V sehe in § 8 Abs. 3 bei ermächtigten Ärzten eine Implausibilität bei einer arbeitstäglichen Zeit an mindestens drei Tagen mit mehr als 12 Stunden im Tageszeitprofil oder mit mehr als 156 im Quartalsprofil vor.
Das Gericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung den Chefarzt der Abteilung, Herrn Prof. Dr. E. als sachverständigen Zeugen vernommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten verwiesen, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richterinnen aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Der Bescheid vom 16.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung. Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertrags(zahn-) ärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragszahnärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V, eingefügt durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl. I 2003, 2190, mit Wirkung zum 01.01.2004). § 106a SGB V ist nicht auf den Bereich der Primär- und Ersatzkassen im Gegensatz zu den früher allein maßgeblichen Vorschriften nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) beschränkt, wonach die Kassenärztliche Vereinigung die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen hat. Aus Sicht der Zuständigkeit ist es daher nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei Erstellung der Zeitprofile auch die Leistungen gegenüber Versicherten anderer Versicherungsträger oder der Sozialhilfeträger einbezogen hat. § 106a SGB V erstreckt die Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigung auf alle Bereiche, in den sie aufgrund gesetzlicher Erweiterung des Sicherstellungsauftrags (vgl. § 75 Abs. 3 bis 6 SGB V) auch die Abrechnung vornimmt. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß – somit ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes – erbracht worden sind. Solche Verstöße können z. B. darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (vgl. BSG, Urt. v. 01.07.1998 - B 6 KA 48/97 R -). Zur Feststellung, ob abgerechnete Leistungen vollständig erbracht worden sind, ist es zulässig, Tages- und Quartalsprofile zu verwenden (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 -; BSG, Urt. v. 08.03.2000 - B 6 KA 16/99 R -). Tages- und Quartalsprofile sind grundsätzlich ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachweisen zu können. Die Beweisführung mit Tages- und Quartalsprofilen ist dem Indizienbeweis zuzuordnen. Für ihre Erstellung sind bestimmte Anforderungen erforderlich. Für die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes an einem Tag dürfen nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Delegationsfähige Leistungen haben außer Betracht zu bleiben. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die für die einzelnen ärztlichen Leistungen zugrunde zu legenden Durchschnittszeiten so bemessen sein müssen, dass ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Der Qualifizierung als Durchschnittszeit entspricht es, dass es sich hierbei nicht um die Festlegung absoluter Mindestzeiten handelt, sondern um eine Zeitvorgabe, die im Einzelfall durchaus unterschritten werden kann. Die Durchschnittszeit stellt sich aber bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung als der statistische Mittelwert dar (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - aaO.; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.10.2007 - L 7 KA 56/03 -). Als Nachweis für eine Falschabrechnung des Quartals genügt bereits ein beliebiger falsch abgerechneter Tag (BSG SozR 3-2500 § 83 Nr. 1). Ausgehend hiervon war die Beklagte grundsätzlich berechtigt, Tages- und Quartalsprofile zu erstellen. Sie hat die Tages- und Quartalsprofile auch grundsätzlich nicht falsch berechnet, da sie sie auf der Grundlage der Zeitangaben in der Richtlinie nach § 106a SGB V in Verbindung mit dem EBM 2000plus erstellt hat. Der Kläger hat jedoch die im Wege des Indizienbeweises getroffenen Feststellungen der Beklagten überzeugend widerlegt. Die Beklagte hat bei der Bewertung der persönlichen Situation des Klägers völlig außer Acht gelassen, dass der Kläger nicht im Rahmen einer üblichen Ermächtigung tätig geworden ist. Üblicherweise handelt es sich bei Ermächtigungen um eine reine Nebentätigkeit für ein begrenztes Leistungsspektrum. Aus der Historie der Institutsambulanz begründet, widmet der Kläger jedoch den weit überwiegenden Anteil seiner Arbeitszeit der Tätigkeit im Rahmen der Ermächtigung. Dies ergibt sich sowohl aus dem Stellenprofil, wie auch aus dem Arbeitsvertrag und auch aus den Angaben des glaubwürdigen Zeugen Prof. E., der den Arbeitszeitanteil im Bereich der schlafmedizinischen Ambulanz mit ca. 2/3 der Arbeitszeit angegeben hat. Diese Schwerpunkttätigkeit widerspricht auch nicht den vorgelegten Ermächtigungsbeschlüssen, die keinerlei Vorgaben bzw. Einschränkungen hinsichtlich des Tätigkeitsumfangs enthalten. Ob eine derartige, sozusagen hauptberufliche Ermächtigung nach den Feststellungen des BSG im Urteil vom 20.03.2013 – Az. B 6 KA 26/12 R – überhaupt zulässig ist, kann vorliegend dahinstehen, da dies nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Diese Sondersituation hätte die Beklagte nach der grundsätzlichen Feststellung der Implausibilität der Abrechnungen würdigen und bewerten müssen (vgl. SG Marburg, Urteil vom 30.01.2013 – S 12 KA 170/11). Dies ist nicht geschehen. Die Beklagte hätte berücksichtigen müssen, dass bei einer Tätigkeit in einem Umfang von 60-80% einer Vollzeitstelle – dies ergibt sich in der Gesamtschau von Stellenprofil, Arbeitsvertrag und Zeugenaussage – ein Quartalsprofil von 156 Stunden, das von der Richtlinie zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach § 106a Abs. 2 und Abs. 3 SGB V in § 8 Abs. 3 S. 2 vorgegeben wird, im Einzelfall des Klägers völlig ungeeignet ist, eine Implausibilität der Abrechnung zu begründen.
Hinsichtlich der Überschreitungen des Tagesprofils mag zwar auch in der Sondersituation des Klägers eine Grenze von 12h/Tag angemessen sein. Auch diesbezüglich hat es die Beklagte jedoch unterlassen, den Einzelfall des Klägers hinreichend zu bewerten. Insbesondere hat sie überhaupt nicht berücksichtigt, dass es sich bei der streitentscheidenden Leistung, der Ziffer 30900 EBM um eine Leistung handelt, die über Nacht, d.h. auf zwei Tage verteilt, erbracht wird. Der Kläger hatte schon im Rahmen des Verwaltungsverfahrens dargelegt, dass sich seine Leistungserbringung bei der Ziffer 30900 EBM bei Neu- und Kontrollpatienten unterscheidet. Während er Neupatienten am ersten und zweiten Tag sieht und selbst nach eigenen Angaben dafür ca. 43-48min (15 20min für Anamnese am 1. Tag, 5min für Befundbesprechung am 2. Tag, 13min für Befundauswertung und 10min für den Arztbericht) benötigt, sieht er Kontrollpatienten nur am 2. Tag und benötigt dafür ca. 30min (15min Anamnese und Befundbesprechung, 10min Befundauswertung und 5min Arztbericht). So ergibt sich die im EBM ausgewiesene Prüfzeit von durchschnittlich 36min bereits auch nach den eigenen Angaben des Klägers. Auf die Frage, ob darüber hinaus in dieser Prüfzeit technische Leistungen enthalten sind, die ggf. delegierbar wären, kommt es im vorliegenden Verfahren deshalb nicht mehr an. Aus diesen Erwägungen ergibt sich jedoch zur Überzeugung des Gerichts, dass die Prüfzeit von 36 Minuten keine Eignung für die Bildung eines Tagesprofils hat. Aus dem oben Gesagten ergibt sich die Erklärung für ein nach den Abrechnungsunterlagen äußerst heterogenes Bild der Arbeitszeiten, das die Beklagte zu berücksichtigen gehabt hätte. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Leistungserbringung der Ziffer 30900 auf zwei Tage erstreckt, die Ziffer jedoch zwangsläufig nur an einem der Tage angesetzt werden kann, verwundert es nicht, dass in den beispielhaft dokumentierten Tagesprofilzeiten erhebliche Schwankungen vorhanden sind. Die Tagesprofilzeiten liegen nicht nur – worauf sich die Beklagte ausschließlich fokussiert – häufig über 12h, sie liegen auch sehr häufig deutlich unter 12h. Aus den Auswertungen der Beklagten in der Verwaltungsakte ergibt sich, dass in allen streitgegenständlichen Quartalen sehr viele Tage auch mit weniger als 8h abgerechnet wurden. Dies gilt insbesondere durchgängig für Freitage. Daraus kann geschlossen werden, dass an Freitagen keine Leistungen der Ziffer 30900 begonnen und damit auch nicht abgerechnet wurden. Sofern die Polygraphie montags, dienstags, mittwochs oder donnerstags begonnen wurde, muss nach den Angaben des Klägers, die schlüssig sind und von der Beklagten auch nicht bestritten wurden, davon ausgegangen werden, dass bei Neupatienten ca. 50%, bei Kontrollpatienten überhaupt keine ärztlichen Leistungen dieser Ziffer an diesem Tag erbracht wurden, obwohl die Ziffer für diesen Tag angesetzt wurde. Insoweit hat das Tagesprofil überhaupt keine Aussagekraft hinsichtlich der tatsächlichen Leistungserbringung der Ziffer 30900. Vor diesem Hintergrund ist auch schon die Feststellung der Beklagten im Ausgangsbescheid, das Zeitprofil würde mit bis zu 15 Polygraphien mit bis zu 9h Arbeitszeit am Tag belastet, nicht tragfähig. Nach den völlig überzeugenden Darstellungen des Klägers hat er – selbst wenn es sich um 15 Polygraphien bei Neupatienten gehandelt haben sollte - maximal die Hälfte der Prüfzeit an diesem Tag auch für diese Patienten verwendet. Die restliche Prüfzeit entfällt auf den Folgetag, an dem die Leistung jedoch nicht angesetzt worden ist. So ergibt sich bei 15 Polygraphien/Tag eine Arbeitszeit bei 15 Neupatienten von 4,5 Stunden. Dies war bereits nach dem Vortrag des Klägers im Verwaltungsverfahren deutlich, wurde von der Beklagten jedoch ignoriert und nicht weiter thematisiert. Nicht zuletzt hat die Beklagte nicht berücksichtigt, dass eine Ermächtigung für die Tätigkeit des Klägers und auch in diesem Umfang im Rahmen der Vorgaben des § 116 SGB V aus Sicherstellungsgründen erteilt wurde und wird. Der Kläger hat glaubhaft und unwidersprochen dargelegt, dass der Umfang der Leistungserbringung in der Schlafmedizinischen Ambulanz hinsichtlich der Patientenzahlen seit Jahren konstant ist. Mit der schon historisch fortwährenden Verlängerung der entsprechenden Ermächtigungen dokumentiert der Zulassungsausschuss die Notwendigkeit dieser Leistungserbringung unter Sicherstellungsaspekten. Vor diesem Hintergrund erscheint es höchst fragwürdig und nicht systemkonform, dass im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung – sozusagen durch die Hintertür – diese Leistungserbringung, die ausdrücklich aus Sicherstellungsgründen erfolgt, nunmehr sanktioniert und beschränkt wird.
Nach alledem erweisen sich die streitgegenständlichen Honorarabrechnungen des Klägers nicht als implausibel.
Die Klage musste Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 VwGO.
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