L 1 KR 21/12

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 37 KR 897/08
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 21/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. &8195;

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Beiträge für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung in der Zeit von April 2007 bis Juli 2008.

Der Kläger war im streitigen Zeitraum bei den Beklagten als hauptberuflich Selbständiger freiwillig kranken- und pflegeversichert und zahlte bis Ende März 2007 Beiträge in Höhe des vierzigsten Teils der monatlichen Bezugsgröße pro Kalendertag (75 % der Bezugsgröße = 1.837,50 EUR). Hieraus ergaben sich Zahlbeträge von 266,44 EUR monatlich für die Krankenversicherung und von 35,83 EUR für die Pflegeversicherung.

Der Kläger erzielte im Kalenderjahr 2007 nach seinen Angaben im Monatsdurchschnitt ein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit als Steuerberater in Höhe von 1.045,50 EUR. Er war zudem Eigentümer einer vermieteten 2-Zimmer-Wohnung, für die auch im Zeitraum 2007 und 2008 Mieteinnahmen erzielt wurden. Nach den im Verfahren vorgelegten Steuerbescheiden aus den Jahren 2007 und 2008 ergaben sich allerdings negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Der Kläger beantragte im April 2007 eine Beitragsentlastung und die Einstufung auf einen Beitragssatz in Höhe von 50% der Bezugsgröße. Dies lehnten die Beklagten mit Bescheid vom 17. April 2007 unter Hinweis auf ihre Satzung ab. Hiernach sei die beantragte Beitragseinstufung nur möglich, falls keine positiven oder negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt würden. Eine Rechtsmittelbelehrung enthielt das Schreiben nicht.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 5. August 2008 erhob der Kläger gegen die Entscheidung der Beklagten Widerspruch und machte geltend, dass sein Einkommen unterhalb der Mindesteinkommensgrenze von 1.837,50 EUR liege und dass sich seine wirtschaftliche Situation – die nach den gesetzlichen Bestimmungen maßgebend sei – durch die Vermietung der Wohnung nicht verbessere. Hier entstünden lediglich negative Einkünfte. Es sei hinsichtlich der Beiträge für das Jahr 2007 zu einer Überzahlung in Höhe von 691,47 EUR gekommen.

Nach weiterem Schriftwechsel zwischen den Beteiligten wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung hieß es, dass durch die beitragsmäßige Entlastung soziale Härten vermieden werden sollten. Das Immobilienvermögen des Klägers, welches über eine eigengenutzte Eigentumswohnung oder ein eigengenutztes Haus hinausgehe, schließe die Bedürftigkeit aus. Unerheblich sei dabei, dass z. Zt. negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erwirtschaftet würden.

Der Kläger hat am 4. Juli 2008 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Mit Schriftsatz vom 2. September 2011 hat er die nach seiner Auffassung überzahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum Januar bis Juli 2008 konkretisiert. Der Kläger ist der Ansicht, dass seine Beiträge im streitigen Zeitraum nach seinen tatsächlichen beitragspflichtigen Einnahmen oder in Höhe von 50% der monatlichen Bezugsgröße festzusetzen seien. Die im § 22a der Satzung der Beklagten genannten Voraussetzungen lägen bei ihm vor. Soweit die Satzung in § 22a Abs. 1 Nr. 3 eine Beitragsbemessung in Höhe von 50% ausschließe, wenn das Mitglied negative Einkünfte aus Vermietung oder Verpachtung erziele, sei dies nicht rechtmäßig und im Wege einer rechtskonformen Auslegung zu korrigieren, denn dieser Ausschluss sei mit dem Sinn und Zweck des § 240 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht zu vereinbaren. Aus § 240 Abs. 4 SGB V ergebe sich vielmehr, dass eine niedrigere Beitragseinstufung bei sozialer Bedürftigkeit zu erfolgen habe. Die negativen Einkünfte aus der Vermietung führten gerade nicht zu einer finanziellen Entlastung. Ein Verkauf der Eigentumswohnung – die als Alterssicherung gedacht sei – sei im Hinblick auf den aktuellen Verkehrswert und die aktuelle Darlehensbelastung nicht wirtschaftlich. Der Ausschluss von Mitgliedern mit negativen Einkünften aus Vermietung oder Verpachtung führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung mit anderen Mitgliedern, die wirtschaftlich nicht schlechter, sondern vielfach besser gestellt seien. Daher sei eine Herabsetzung der Beiträge angemessen. Die überzahlten Beiträge müssten zurückerstattet werden.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 28. September 2011 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Beitragsermäßigung für die streitige Zeit. Ein solcher Anspruch ergebe sich weder aus § 240 SGB V noch nach § 22a der Satzung der Beklagten. Insbesondere sei eine Beitragsermäßigung auf Grundlage von § 22a der Satzung der Beklagten nicht möglich, denn der Kläger habe im betreffenden Zeitraum negative Einkünfte aus der Vermietung seiner Wohnung erzielt, so dass nach § 22a Abs. 1 Nr. 3 eine Beitragsermäßigung ausgeschlossen sei. Diese Ausschlussregelung sei nicht rechtswidrig und halte sich in dem in § 240 Abs. 4 SGB V genannten Rahmen, wonach eine Satzungsregelung die wirtschaftliche Situation des Mitglieds und der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu berücksichtigen habe. Bei dieser Bewertung bleibe nicht außer Acht, dass es sich um ein vergleichsweise starres und schematisches Kriterium handele und dem Kläger insoweit Recht zu geben sei, dass im Einzelfall die wirtschaftliche Situation eines Mitglieds mit Immobilieneigentum und Mieteinnahmen sich nicht besser darstelle als diejenige eines Mitglieds, welches die Immobilie selbst nutze oder anderes Vermögen besitze. Eine Härtefallklausel enthalte § 22a der Satzung der Beklagten nicht und es sei darauf hinzuweisen, dass etwa in den Einheitlichen Grundsätzen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) eine Beitragsermäßigung auch bei positiven oder negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erfolgen könne, wenn nachgewiesen werde, dass das den Einkünften zu Grunde liegende Miet- oder Pachtobjekt nicht verwertbar sei oder eine Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich oder unzumutbar wäre (vgl. § 7 Abs. 4 Nr. 3 Beitragsverfahrensgrundsätze). Trotz dieser Umstände und der vom Kläger vorgetragenen Einwände sei die hier maßgebliche Satzungsregelung der Beklagten aber rechtmäßig, wie auch das Sozialgericht Dresden in seiner Entscheidung vom 23. September 2009 (S 25 KR 503/07) und das Sozialgericht Chemnitz in seiner Entscheidung vom 19. Juni 2008 (S 10 KR 317/07) festgestellt habe. Die Beklagte habe sich bei der Regelung, welche Mitgliedergruppen für eine Beitragsermäßigung unterhalb von 75% der monatlichen Bezugsgröße in Betracht kommen, im Rahmen ihres Ermessensspielraums gehalten. Hierbei sei zunächst zu berücksichtigen, dass das Verfahren zur Beitragsfestsetzung im Interesse der Verwaltungspraktikabilität gewisse Schematisierungen erfordere, um zeitnah zu einer Entscheidung zu gelangen, was einer eingehenderen und komplexen Prüfung und Bewertung des Immobilieneigentums in der Tendenz entgegenstehe. Soweit die satzungsrechtlichen Bestimmungen der Beklagten Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung unterschiedlich behandeln würden, liege hierin auch kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), denn steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen könnten rasch und verwaltungspraktikabel ermittelt werden, der wirtschaftliche Wert von (Immobiliar-)Vermögen hingegen nicht. Das Eigentum an einer nicht selbst genutzten Immobilie stelle ein sachgerechtes Kriterium zur unterschiedlichen Beitragsbemessung von hauptberuflich selbständigen Mitgliedern dar, denn der Versicherte verfüge über einen Vermögensgegenstand, aus dem grundsätzlich Einkünfte erzielt werden könnten. Es sei seine freie Entscheidung, ob er den Vermögensgegenstand durch Vermietung zur Erzielung von Einkünften nutze oder ihn anderweitig nutze oder verwerte. Die Erzielung von negativen Einkünften sei dabei nicht unbedingt ein Anzeichen von fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, sondern oft beabsichtigt, um die Steuerlast zu mindern. Dem Versicherten könne vorrangig die Verwertung der Vermögenssubstanz zugemutet werden, bevor ihm wegen der geringen Höhe der nach dem Einsatz des Vermögens noch verbleibenden Einkünfte Beitragsnachlässe eingeräumt würden.

Der Kläger hat gegen das ihm am 17. Februar 2012 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 7. März 2012 Berufung eingelegt. Die Auffassung des Sozialgerichts, dass die in § 22a der Satzung befindliche Ausschlussregelung nicht rechtswidrig sei, sei nicht haltbar. Die Beklagte habe sich bei der Regelung, welche Mitgliedergruppen für eine Beitragsermäßigung unterhalb von 75% der monatlichen Bezugsgröße in Betracht kommen, nicht im Rahmen ihres Ermessensspielraums gehalten. Das Eigentum an einer nicht selbst genutzten Immobilie stelle kein sachgerechtes Kriterium zur unterschiedlichen Beitragsbemessung von hauptberuflich selbständigen Mitgliedern dar. Negative Einkünfte aus einer solchen Immobilie würden sich nicht positiv auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betroffenen auswirken. § 22a der Satzung der Beklagten widerspreche dem Sinn und Zweck der in § 240 Abs. 4 SGB V getroffenen gesetzlichen Satzungsermächtigung. Dem Kläger könne die geltend gemachte niedrigere Beitragseinstufung nicht verwehrt werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 28. September 2011 und den Bescheid vom 17. April 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juni 2008 aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, 1. dem Kläger unter Änderung der hierzu ergangenen Beitragsbescheide ab dem 1. April 2007 eine Einstufung bzw. eine Bemessung der von dem Kläger zu zahlenden Versicherungsbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf der Grundlage der tatsächlichen beitragspflichtigen Einnahmen bzw. auf Grundlage einer fiktiven Mindesteinnahmengrenze von 50% der monatlichen Bezugsgröße vorzunehmen, 2. dem Kläger zu viel erhobene Beiträge zur Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung für das Kalenderjahr 2007 in Höhe von 1.209,00 EUR nebst der gesetzlichen Verzinsung zu erstatten, 3. dem Kläger zu viel erhobene Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum Januar 2008 bis Juni 2008 in Höhe von 412,14 EUR nebst der gesetzlichen Verzinsung zu erstatten, 4. dem Kläger zu viel erhobene Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Monat Juli 2008 in Höhe von 69,73 EUR nebst der gesetzlichen Verzinsung zu erstatten.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte (VA) der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die streitigen Bescheide sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Beitragsreduzierung und -erstattung.

Das Gericht nimmt gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils.

Lediglich ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

Der Senat hat sich bereits in seiner Entscheidung vom 29. Februar 2012 (L 1 KR 1/11, juris) mit der hier streitigen Frage beschäftigt, ob im Rahmen einer weiteren Beitragsermäßigung die Anknüpfung an vorhandenes Vermögen zulässig ist. Er hat dies grundsätzlich bejaht. Auf die dort gemachten Ausführungen wird Bezug genommen. Der Kläger ist dem mit dem Hinweis entgegengetreten, dass es in dem dort zu entscheidenden Fall um positive Einkünfte aus Kapitalvermögen gegangen sei. Dies sei mit der hier vorliegenden Konstellation der negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht vergleichbar. Der Kläger verkennt dabei, dass die gesetzgeberische Regelung in § 240 Abs. 4 Satz 4 SGB V gerade nicht an ein (positives oder negatives) Einkommen anknüpft, sondern an das Vorhandensein von Vermögen. Man mag diese Regelung als unsystematisch ansehen, da im Übrigen bei der Beitragsbemessung auf das Einkommen abgestellt wird (in diesem Sinne: Peters, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 81. Erg.lfg. 2014, § 240 Rn. 54). Die Formulierung in § 240 Abs. 4 Satz 4 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung "Dabei sind insbesondere das Vermögen des Mitglieds zu berücksichtigen." ist insoweit jedoch eindeutig und es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese gesetzgeberische Entscheidung nicht mit der Verfassung zu vereinbaren wäre. Demnach ist auch nicht ersichtlich, warum sich die Beklagte mit ihrer in der Satzung getroffenen Regelung nicht innerhalb der Satzungsermächtigung halten sollte. Das Abstellen auf positive oder negative Einkünfte aus Vermietung oder Verpachtung in § 22a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Satzung der Beklagten will dementsprechend auch nicht diese Einkünfte bei der Beitragsbemessung berücksichtigten, sondern sieht diese als Beweis für vorhandenes, nicht selbst genutztes Immobilienvermögen an, welches im Einklang mit der Ermächtigungsgrundlage ein Absehen von einer weiteren Beitragsreduzierung rechtfertigt.

Schließlich sei darauf hingewiesen, dass der Kläger sein Klageziel mit der hier angestrengten Klage gar nicht erreichen kann. Denn selbst, wenn die Regelung des § 22a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Satzung der Beklagten mit der Satzungsermächtigung nicht im Einklang stehen würde, dürfte der Lösung des Rechtstreits nicht eine Satzung der Beklagten zugrunde gelegt werden, in der einfach nur § 22a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 gestrichen wird. Denn auf diese Art und Weise würde letztendlich eine unzulässige geltungserhaltene Reduktion vorgenommen, die die Satzungsautonomie der Beklagten verletzten würde (vgl. dazu BSG, Urt. v. 13.12.2011 - B 1 KR 3/11 R, Rn. 20 bei juris m.w.N.). Denn selbst, wenn § 22a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Satzung der Beklagten in seiner konkreten Ausgestaltung rechtswidrig wäre, gäbe es eine Vielzahl anderer Gestaltungsmöglichkeiten für die Beklagten. So könnten sie beispielsweise bei Beibehaltung des § 22a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 eine Öffnungsklausel vorsehen, wie sie in den Satzungen anderer Krankenkassen zu finden war. Eine Rechtswidrigkeit von § 22a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Satzung der Beklagten könnte daher nur die Rechtswidrigkeit der gesamten Regelung zur Folge haben. Es verbliebe dann bei einer Beitragsbemessung auf der Grundlage des § 240 SGB V, der die angestrebte Beitragsreduzierung nicht vorsieht. Auch hierauf hat der Senat bereits in der genannten Entscheidung vom 29. Februar 2012 hingewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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