S 7/8 RJ 1383/02

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 7/8 RJ 1383/02
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Mit seinem am 2.4.2001 bei der Beklagten eingegangenen Antrag begehrte der 1965 geborene Kläger die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. In seinem Antrag gab der Kläger an, er leide unter Angststörungen, Gleichgewichtsstörungen und psychischen Schäden, er sei nicht belastbar. Ferner gab der Kläger zu seinem Versicherungsverlauf folgendes an:

Beschäftigung bei der Firma C. in C-Stadt vom 7.11.2000 bis zum 20.5.2001,
Beschäftigung vom 7.7.1990 bis zum 28.7.1994,
Berufsausbildung als Zerspanungstechniker in einer Umschulungsmaßnahme vom 1.3.1988 bis zum 6.7.1990.

In der Zeit vom August 1994 bis November 2000 habe er sich in Haft befunden. Mit Bescheid vom 8.4.2002 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab, weil er die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt habe. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, der am 12.4.2002 bei der Beklagten einging.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.7.2002 als unbegründet zurück mit der Begründung, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, da er in den letzten fünf Jahren vor der Rentenantragstellung keine drei Jahre mit den geforderten Pflichtbeiträgen erfüllt habe. Der Kläger habe in diesen fünf Jahren nur sieben Monate an Pflichtbeiträgen erbracht. Eine Verlängerung des 5 Jahreszeitraumes komme bei dem Kläger nicht in Betracht, wie sich aus dem Versicherungsverlauf ergebe. Beim Kläger seien auch die Voraussetzungen des § 241 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VI nicht erfüllt, da er vor dem 1.1.1984 nicht die allgemeine Wartezeit erfüllt habe. Auf eine Erwerbsminderung des Klägers komme es daher nicht mehr an, die Frage der Erwerbsminderung sei daher nicht geprüft worden.

Mit seiner am 6.8.2002 bei dem Sozialgericht Kassel eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter und gibt an, er habe in der Haftzeit gearbeitet. Diese Arbeitszeit sieht er als Berücksichtigungszeit für seinen Rentenanspruch an. Er leide an psychischen Funktionsstörungen, Angst, die Kontrolle zu verlieren, Agoraphobien, Wahrnehmungs-. Gedächtnis-, Orientierungs-, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen sowie an Depressionen und halbseitigen Lähmungen. Es sei ihm als Strafgefangenen nicht anzulasten gewesen, dass er keiner geregelten Arbeit habe nachgehen können. Vom Gesetzgeber sei laut § 45 Abs. 2 Strafvollzugsgesetz eine Ausfallentschädigung vorgesehen, die sozialversicherungsrechtliche Ausgestaltung hinsichtlich zu entrichtender Beiträge im Strafvollzug sei vom Gesetzgeber jedoch unterlassen worden. Dieser rechtsfreie Raum sei für den Kläger nicht nachteilig auszulegen. Der Kläger ist der Auffassung, er sei lediglich zu einer Freiheitsstrafe und nicht zu einer weiteren Übelzufügung verurteilt worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 8.4.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.7.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab April 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie sieht keine Möglichkeit, dem Klagebegehren zu entsprechen, da während der Haft des Klägers keine Pflichtbeiträge gezahlt worden seien. Die Beklagte verweist auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes und des Bundesverfassungsgerichtes zu dieser Thematik.

Wegen der weiteren Einzelheiten - auch im Vorbringens der Beteiligten - wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Rechtsstreit konnte ohne mündliche Verhandlung gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid in Beschlussbesetzung - ohne ehrenamtliche Richter - entschieden werden, nachdem die Beteiligten zuvor entsprechend angehört worden sind, ihnen eine angemessene Frist zur Stellungnahme eingeräumt worden ist und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist sowie der Sachverhalt darüber hinaus so, wie er für die Entscheidung allein rechtlich relevant ist, geklärt ist. Der Gerichtsbescheid wirkt insoweit als Urteil (§ 105 Abs. 3 1. Halbsatz SGG).

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei ihm nicht erfüllt sind, denn er hat in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit erbracht. Auf die bei dem Kläger insoweit vorliegende Erfüllung der allgemeinen Wartezeit kommt es nicht mehr an. Die Verlängerungstatbestände des § 43 Abs. 4 und 5 Sozialgesetzbuch (SGB) VI sind bei dem Kläger nicht erfüllt. Der Kläger kann sich ferner nicht darauf berufen, dass ihm wegen der Ausgestaltung der Sozialversicherungspflicht während seiner Haftzeit rechtliche Nachteile erwachsen sind.

Nach § 43 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise oder voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit erfüllt haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI); voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind auch

1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und

2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB VI).

Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Rechtsstreit kann dahinstehen, ob der Kläger teilweise oder voll erwerbsgemindert ist, da er bereits die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nicht erfüllt. Denn der Kläger weist in den fünf Jahren vor Eintritt der behaupteten Erwerbsminderung im Mai 2001 keine drei Jahre mit Pflichtbeiträgen zur Rentenversicherung auf.

Nach den eigenen Angaben des Klägers sei seine Erwerbsminderung eingetreten zum Zeitpunkt der Beendigung seiner letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung, somit am 21.5.2001; Rente wegen Erwerbsminderung hat er am 2.4.2002 bei der Beklagten beantragt. Anspruch auf Rente wäre somit gegeben gemäß § 99 Abs. 1 SGB VI ab April 2002. Der 5 Jahreszeitraum des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI errechnet sich ab Antragszeitpunkt für die Rente am 2.4.2002 vom 1.4.2002 bis zum 2.4.1997. Der 5-Jahreszeitraum ab dem vom Kläger angegebenen angeblichen Eintritts der Erwerbsminderung berechnet sich vom 20.5.2001 bis zum 21.5.1996. Pflichtbeiträge hat der Kläger ausweislich des von der Beklagten erstellten Versicherungsverlaufes jedoch nur für die Zeit vom 7.11.2000 bis zum 20.5.2001 geleistet. Damit bestehen in beiden Zeiträumen lediglich Pflichtbeitragszeiten von sieben Monaten gemäß §§ 55 Abs. 2, 122 SGB VI. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI müsste der Kläger jedoch in den benannten Fünf-Jahreszeiträumen mindestens drei Jahre Pflichtversicherungsbeitragszeiten aufweisen.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Zeit seiner Inhaftierung vom August 1994 bis November 2000 nicht als Pflichtversicherungszeit zu berücksichtigen. Nach § 41 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz ist der Gefangene verpflichtet, eine ihm zugewiesene, seinen körperlichen Fähigkeiten angemessene Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung auszuüben, zu deren Verrichtung er auf Grund seines körperlichen Zustandes in der Lage ist. Hierfür erhält der Gefangene gemäß § 43 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz ein Arbeitsentgelt. Wird ein Gefangener nach Beginn der Arbeit oder Beschäftigung infolge Krankheit länger als eine Woche an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so erhält er ebenfalls eine Ausfallentschädigung (§ 45 Abs. 2 Strafvollzugsgesetz). § 190 Nr. 13 Strafvollzugsgesetz formuliert in Ergänzung zu den rentenversicherungsrechtlichen Vorschriften über die Versicherungspflicht, dass Beiträge für die Arbeitsleistung von Gefangenen zu entrichten sind. Gemäß § 198 Abs. 3 Strafvollzugsgesetz werden die versicherungsrechtlichen Vorschriften des § 190 Nr. 13 Strafvollzugsgesetz durch besonderes Bundesgesetz in Kraft gesetzt; diese Inkraftsetzung ist vom Bundesgesetzgeber bislang nicht vollzogen worden.

Mangels des besonderen Bundesgesetzes, das die in § 190 Abs. 13 Strafvollzugsgesetz formulierte Ergänzung versicherungsrechtlicher Pflichtbeitragsvorschriften von Strafgefangenen in Kraft setzen würde, kann die Arbeitsleistung eines Strafgefangenen in einer Justizvollzugsanstalt nicht als versicherungspflichtige Beschäftigung angerechnet werden. Ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz ist - unter dem Gesichtspunkt der gesetzgeberischen Unterlassung - in dem bisherigen Ausbleiben des Bundesgesetzes nicht zu bejahen. Bei einer verfassungsrechtlichen Prüfung an Hand dieses Maßstabes ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei gewährender Staatstätigkeit - um die es hier geht - eine weitgehende Gestaltungsfreiheit hat. Sie ist dann besonders weit, wenn es sich um freiwillige Leistungen aus sozialpolitischen Motiven handelt, mit denen erstmalig ein bestimmter Zustand verbessert werden soll. Es steht dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, zu bestimmen, ob, ab wann, in welcher Höhe und gegenüber welchem Personenkreis er mit einer beabsichtigten Verbesserung dieses Rechtszustandes beginnen will (vgl. BVerfGE 17, S. 1, 23 f., BVerfGE 17, S. 217 (216), BVerfGE 29, S. 337 (339), BVerfGE 49, S. 280 (283).

In der Unerheblichkeit von Zeiten einer Strafhaft für die Rentenversicherung liegt auch keine planwidrige Gesetzeslücke, die in sach- und zweckgerichteter Weise im Sinne eines Analogieschlusses auszufüllen wäre. Die noch nicht in Kraft getretene Sonderregelung über die Sozialversicherung für Strafgefangene im Strafvollzugsgesetz (vgl. § 198 Abs. 3 Strafvollzugsgesetz i.V.m. § 190 Nr. 13 Strafvollzugsgesetz) macht deutlich, dass damit der im geltenden Recht enthaltene Ausschluss der Strafgefangenen von der Sozialversicherung abhängig Beschäftigter erst beseitigt und eine bisher aus der Sicht der Betroffenen negative, schutzverneinende Gesetzeslage in eine positive, schutzbejahende umgewandelt werden soll. Dieser vom Gesetzgeber sich selbst gegebene Auftrag bedeutet für die Interpretation des geltenden Rechts, dass die Nichteinbeziehung der Strafhaftzeiten in die Regelungen über Pflichtbeiträge keine Gesetzeslücke darstellt, die von der Rechtsprechung ausgefüllt werden könnte (vgl. BSG, Urteil v. 26.5.1988, NJW 1998, S. 190, Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 14.11.2000, Sozialrecht 3-2200, § 1246 RVO).

Da § 190 Nr. 13 Strafvollzugsgesetz bislang durch den Bundesgesetzgeber nicht durch Erlaß einer entsprechenden Norm umgesetzt worden ist, beurteilt sich die Versicherungspflicht des Klägers nach den §§ 1 ff. SGB VI. Nach § 1 Satz 1 Nr. 1 sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind. Die §§ 2 ff. SGB VI enthalten keine Tatbestände, die auf den Kläger Anwendung finden könnten. Aber der Kläger fällt auch nicht unter denjenigen Personenkreis, der nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig beschäftigt ist. Für die Voraussetzung der Versicherungspflicht nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ist eine Beschäftigung in einem nicht selbständigen Arbeitsverhältnis erforderlich (Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Gürtner, § 1 SGB VI, Rdnr. 7). Strafgefangene, wie der Kläger, gehören jedoch - auch bei Erbringung einer Arbeitsleistung nach § 41 Strafvollzugsgesetz - nicht zu diesem Personenkreis. Da die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses auf der freien Entscheidung der Beteiligten beruhen muss, dies bei der auf einer gesetzlichen Pflicht beruhenden Arbeit von Gefangenen (§ 41 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz) nicht gegeben ist, handelt es sich bei Strafgefangenen wie dem Kläger nicht um Personen, die gegen Arbeitsentgelt im Sinne von § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI beschäftigt sind. Dies ergibt sich insbesondere aus einem Umkehrschluss aus dem auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung bestehenden § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III. Nach dieser Sondervorschrift gehören zu den sonstigen Versicherungspflichtigen auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung Gefangene, die Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe oder Ausfallentschädigung erhalten (Brandt in Niesel, SGB III-Kommentar, § 26, Rdnr. 16). Da der Gesetzgeber eine solche Sonderregelung im SGB VI für Strafgefangene nicht getroffen hat, der Wortlaut von § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 SGB III hingegen gleichlautend ist, besteht nach dem SGB VI keine Versicherungspflicht für Strafgefangene.

Damit liegt für den Kläger- auch wenn er gemäß § 41 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz zur Arbeit verpflichtet war bzw. wegen § 45 Abs. 2 Strafvollzugsgesetz in Folge Krankheit an der Arbeitsleistung gehindert war - keine versicherungspflichtige Beschäftigung für die Zeit seiner Strafhaft vor. Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass auch für Zeiten, in denen der Kläger nicht gemäß § 41 Strafvollzugsgesetz zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen sein mag, eine Pflichtbeitragszeit nicht vorliegt. Denn wenn bereits die Arbeitsleistung eines Gefangenen nicht als Pflichtbeitragszeit anerkannt werden kann, so besteht erst recht kein Anspruch auf Entrichtung von Pflichtversicherungsbeiträgen, wenn keine Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BSG, Az.: B 7 AL 74/01 B, Beschluss v. 5.12.2001).

Für den Kläger liegen auch keine so genannten Verlängerungszeiten gemäß § 43 Abs. 4 und § 241 Abs. 1 SGB VI sowie keine Anwartschaftserhaltungszeiten nach § 241 Abs. 2 SGB VI vor. Die behauptete Erwerbsminderung des Klägers ist auch nicht durch einen Tatbestand eingetreten, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig als erfüllt gilt.

Gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI verlängert sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bzw. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI um Anrechnungszeiten (§ 58 SGB VI) und um Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, um Berücksichtigungszeiten (§ 57 SGB VI), um Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, und um Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren. Nach § 241 Abs. 1 SGB VI verlängert sich der 5-Jahreszeitraum auch um Ersatzzeiten und Zeiten des Bezugs einer Knappschaftsausgleichsleistung vor dem 1. Januar 1992.

Gemäß § 241 Abs. 2 SGB VI sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit mit Beitragszeiten, mit beitragsfreien Zeiten, mit Zeiten, die nur deshalb nicht beitragsfreie Zeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, mit Berücksichtigungszeiten, mit Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder mit Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 belegt ist, oder wenn die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Darüberhinaus ist nach § 43 Abs. 5 SGB VI eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung auf Grund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (§ 53 SGB VI; z.B. ein Arbeitsunfall).

Diese Tatbestände liegen bei dem Kläger nicht vor. Weder liegen bei dem Kläger sog. Verlängerungstatbestände vor noch sind bei ihm Pflichtbeitragszeiten von drei Jahren im Fünf-Jahres-Zeitraum vor Eintritt der behaupteten Erwerbsminderung nicht erforderlich, da der Versicherungsverlauf des Klägers die notwendigen Zeiten oder Ereignisse nicht aufweist. Das Gericht folgt insoweit den zutreffenden Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 8.4.2002 und im Widerspruchsbescheid vom 30.7.2002 und macht sich diese Ausführungen gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu eigen. Die Zeit der Strafhaft führt aus den bereits oben dargelegten Gründen nicht zu einer Verlängerung des Fünf-Jahres-Zeitraumes, da der Gesetzgeber eine solche Regelung nicht getroffen hat und dazu auch nicht verpflichtet ist.

Für den Eintritt einer Erwerbsminderung vor dem Jahre 2001, und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch erfüllte, bestehen keine Anhaltspunkte.

Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind und eine evtl. Arbeitsleistung des Klägers in der Haftzeit bzw. die Haftzeit selbst nicht als versicherungspflichtige Beschäftigung oder als Verlängerungstatbestand anzuerkennen ist. Die Frage, ob der Kläger wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen tatsächlich erwerbsgemindert ist, kann somit dahinstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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