L 4 AY 7/12

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 52 AY 53/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AY 7/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. November 2012 geändert: Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob die Klägerin von der Beklagten rückwirkend Analogleistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) verlangen kann.

Die Klägerin, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, hatte von 1991 bis Ende August 2004 Sozialhilfe nach dem BSHG bezogen. Anschließend erhielt sie bis 31. Ja¬nuar 2007 von der Beklagten Grundleistungen ohne Anspruchsminderung nach § 3 AsylbLG, danach vom entsprechenden Träger Leistungen nach dem SGB II. Im Mai 2009 beantragte die Klägerin die Überprüfung der Leistungsbescheide für die zurückliegenden vier Jahre und begehrte die rückwirkende Gewährung von Sozialhilfe. Mit Bescheid vom 23. September 2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab: Die Klägerin gehöre nicht zu dem Personenkreis, der Sozialhilfe beanspruchen könne; auch eine Gewährung von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG komme nicht in Betracht, da die Klägerin nur eine Vorbezugsdauer ungeminderter Asylbewerberleistungen von 29 Monaten aufweisen könne.

Die Klägerin erhob Widerspruch, der mit Bescheid vom 25. November 2009 zurückgewiesen wurde: Die früheren Bewilligungsbescheide seien unanfechtbar, ein Anspruch auf Rücknahme dieser Bescheide nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht gegeben.

Der mit Rechtsmittelbelehrung versehene Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 30. November 2009 zugestellt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin verfasste dar-aufhin am 29. Dezember 2009 eine zweiseitige Klagschrift an das Sozialgericht Hamburg. Die erste – nicht unterschriebene – Seite dieser Klagschrift wurde am Abend des 29. Dezember 2009 per Telefax an das Sozialgericht gesandt; ein Vorgang wurde dort anscheinend nicht angelegt. Am 29. Juni 2010 reichte der Prozessbevollmächtigte die Klagschrift – diesmal vollständig und unterschrieben – nochmals be¬im So¬zialgericht Hamburg ein.

Mit Urteil vom 12. November 2012 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Januar 2007 Analogleistungen nach § 2 AsylbLG zu gewähren. In der Begründung heißt es, die Klage sei zulässig, da innerhalb der einmonatigen Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG wirksam durch Telefax erhoben. Sie sei auch bei Anwendung des § 44 SGB X begründet, da die Klägerin in der fraglichen Zeit einen Anspruch auf Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG gehabt habe. Sie habe zwar die gesetzliche Vorbezugszeit von 48 Monaten mit Grundleistungen nach § 3 AsylbLG nicht erfüllt. Die Zeit des Bezugs von Sozialhilfeleistungen (14 Jahre) sei jedoch auf die Vorbezugszeit anzurechnen.

Das Urteil wurde der Beklagten am 28. November 2012 zugestellt. Am 4. Dezember 2012 hat sie Berufung eingelegt mit dem Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. November 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin trägt vor, er habe – seiner Gepflogenheit entsprechend – am Abend des 30. Dezember 2009 die zuvor per Fax übermittelte Klage im Original sowie in beglaubigter und einfacher Abschrift persönlich in der Briefkasten des Sozialgerichts eingeworfen. Im Übrigen verteidigt die Klägerin die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Sachakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter als Einzelrichter im schriftlichen Verfahren. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Das Sozialgericht hätte der Klage nicht stattgeben dürfen, da diese wegen Versäumung der einmonatigen Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG bereits unzulässig war. Die Klagerhebung vom 29. Juni 2010 war (nach Zustellung des mit richtiger Rechtsmittelbelehrung versehenen Widerspruchsbescheides am 30.11.2009) ersichtlich zu spät. Mit dem innerhalb der Klagfrist übermittelten Telefax vom 29. Dezember 2009 war die Frist schon deswegen nicht gewahrt, weil dieses lt. Faxprotokoll nur die erste Seite der Klagschrift und insbesondere nicht eine eigenhändige Unterschrift des Prozessbevollmächtigten enthielt. Dass tatsächlich am 30. Dezember 2009 das Original der Klage bei Gericht eingeworfen worden sei, ist nicht aktenkundig und kann auch sonst nicht angenommen werden. Der Prozessbevollmächtigte gab mit Schreiben vom 28. Juni 2010 selbst nur an, er habe die Klage "per Fax" eingereicht, und hat erst im Berufungsverfahren, nachdem er auf die Unzulänglichkeit des Telefaxes aufmerksam gemacht worden war, vorgetragen, er habe die Klage auch noch persönlich eingeworfen. Zwar wurde auch das Telefax vom 9. Dezember 2009 vom Sozial¬gericht nicht als Klage behandelt und ein Vorgang anscheinend nicht angelegt; dies ist jedoch dadurch zu erklären, dass es sich eben nur um das Fragment einer Klagschrift handelte.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Berufung wohl auch sonst Erfolg gehabt hätte. Zwar stünde § 116a SGB XII, da der Antrag bereits 2009 gestellt wurde, hier einer Rücknahme der Bewilligungsbescheide nach § 9 Abs. 3 AsylbLG, § 44 SGB X für den gesamten streitigen Zeitraum nicht entgegen (vgl. BSG, Urt. v. 26.6.2013, B 7 AY 3/12 R; B 7 AY 6/12 R). Vorbezugszeiten im Sinne von § 2 AsylbLG sind jedoch ausdrücklich nur solche nach § 3 AsylbLG, ohne dass für eine den Wortlaut erweiternde Auslegung Raum wäre (BSG, Urt. v. 17.6.2008, B 8/9b AY 1/07 R). Ob der Klägerin für die fragliche Zeit Leistungen nach dem SGB II zugestanden hätten, wäre nicht im Verfahren gegen die Beklagte zu klären.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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