Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 25 U 430/96
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 55/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der am xxxxx 1945 in P1 geborene Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung eines Tinnitus, von Schwindel, Kopfschmerzen, psychovitalen Verlusten sowie einer Hirnatrophie als Berufskrankheit nach Nummer 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) und/oder Nummer 1310 (Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide) der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) sowie die Anerkennung einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung mit bronchialer Hyperreagibilität als Berufskrankheit nach Nummer 4302 (durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) der Anlage zur BKVO. Ein drittes Anerkennungsverfahren wegen einer Lärmschwerhörigkeit (Nummer 2301 der Anlage zur BKVO), welches die Beklagte auf den Antrag des Klägers auf Anerkennung eines "Ohrensausens" als Berufskrankheit am 27. Oktober 1987 eingeleitet hatte, blieb – auch im Überprüfungsverfahren – erfolglos (zuletzt Urt. des Senats vom 28. Oktober 2003 – L 3 U 6/02, Beschl. des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. März 2004 – B 2 U 13/04 B).
Der Kläger gelangte 1973 nach Deutschland und war hier von August 1973 bis März 1974 und von Juni 1974 bis September 1974 zunächst bei der P. AG in H. als Arbeiter in der Reifen- bzw. Schuhfertigung beschäftigt. Hier hatte er Teilprodukte aus Gummi innerhalb des Werkes zu transportieren bzw. maschinengeformte Schuhe von der Maschine abzunehmen, wo sie geformt worden waren, und für den Transport bereitzustellen sowie das Vormaterial in Granulatform in die Vorratsbehälter der Maschine zu geben. Eine Zeit lang war er bei den P. auch am Kalander eingesetzt, wo er Rohgummi zwischen die laufenden Walzen eingeführt und danach wieder entnommen hat. Anschließend war er etwa zwei Wochen bei der Gesamthafenbetriebsgesellschaft im Stauereibereich tätig, wo er Schiffe be- und entladen hat. Vom 30. September 1974 bis zum 30. Oktober 1983 wurde er bei den H1 AG in H2 beschäftigt. Dort wurde er als Schweißer, Schlosser und Monteur im Kessel- und Behälterbau eingesetzt. Er führte Reparaturen an Kesselanlagen verschiedener Bauarten aus. Später wechselte der Kläger in den Bereich Tankbau von H1, wo er sowohl im Tankneubau als auch in der Tankreparatur eingesetzt wurde. Der Versicherte war vom 31. Oktober 1983 bis 1987 arbeitslos und wurde zum Heizungs-und Lüftungsbauer umgeschult. Anschließend war er beim Reparaturbetrieb Nord in H2 wiederum – allerdings nur kurzzeitig – im Kessel- und Rohrleitungsbau tätig und danach wieder arbeitslos. Vom 5. September 1988 bis zum 8. November 1989 arbeitete er bei der Firma N1 GmbH in H2 und war dort im Rahmen der Störungsbeseitigung und der Kesselreinigung bei Öl-und Gasheizungsanlagen tätig. Seit dem 7. Februar 1990 wurde der Kläger im M. Werk H2 (ehemaliges Tempowerk in H2-H./Bostelbek) in der Produktion beschäftigt. Dort wurde er als Springer an verschiedenen Arbeitsplätzen eingesetzt, unter anderem an einem Schweißroboter, in der Produktion von Tankdeckeln und beim Löten von Getriebeteilen. Diese Tätigkeit hat der Kläger bis zum Eintritt ins Rentenalter verrichtet. Er führt einen Grad der Behinderung von 60 aufgrund Bescheides vom 6. November 2002 sowie (Neufeststellungs-)Bescheides vom 28. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2013. Hierbei wurden berücksichtigt eine psychische Störung mit funktionellen Organbeschwerden mit einem Teil-GdB von 50, Schwerhörigkeit beidseits, Ohrgeräusche, Gleichgewichtsstörungen mit einem Teil-GdB vom 30, eine Funktionsstörung der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 20, ein Kniegelenksverschließ beidseits mit einem Teil-GdB von 10, ein hyperreagibles Bronchialsystem mit einem Teil-GdB von 10 und degenerative Gelenkveränderungen mit einem Teil-GdB von 10. Die von dem Kläger mit Antrag vom 14. Februar 2013 begehrte Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" wurde abgelehnt.
Mit ärztlicher Anzeige einer Berufskrankheit vom 17. Februar 1991 zeigte der praktische Arzt F. bei der Beklagten an, dass der als Maschinenschlosser eingesetzte Kläger seit 1980 unter einem Tinnitus, Schwindel, Kopfschmerzen und psychovitalen Verlusten leide und dies auf die Exposition gegenüber Chlorkohlenwasserstoffen, Schweißdämpfen und die Tätigkeit in einer Gummifabrik 1973 zurückführe. Der Arzt äußerte unter Hinweis auf durch einen Neurologen durchgeführte Voruntersuchungen den Verdacht auf das Vorliegen von Berufskrankheiten nach Nummern 1302 und 1310 der Anlage zur BKVO. In einem für die Beklagte bereits in dem Verfahren wegen einer Lärmschwerhörigkeit erstellten Befundbericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. vom 17. April 1988 heißt es, der Patient beklage seit 1980 einen Tinnitus, Cephalea und Konzentrationsstörungen. Als Befunde gab Dr. W. eine vorzeitige Hirnatrophie unklarer Genese, beidseitigen Tinnitus, cervicogene und psychogene Cephalea sowie multiple funktionelle Störungen an. Der SPECT-Befund sei pathologisch. In einem für das entsprechende sozialgerichtliche Verfahren erstellten Befundbericht des Dr. W. vom 3. September 1990 heißt es, der Patient befinde sich seit Oktober 1987 in seiner durchgehenden nervenärztlichen Mitbehandlung. Er beklage anhaltend und therapieresistent Schwindelattacken, flüchtige Orientierungsstörungen, partielle Synkopen sowie rezidivierende Kopfschmerzen. Darüber hinaus bestünden funktionelle Magen-Darm-Beschwerden mit Übelkeit und Durchfällen im Sinne einer Gastropathia nervosa bzw. eines Colon irritabile. Er beklage außerdem einen beidseitigen Tinnitus, der zu Schlafstörungen führe, zudem gebe es Klagen über zunehmende Gedächtnisstörungen sowie Störungen der Merkfähigkeit und Konzentration, allgemein raschere Erschöpfbarkeit und verminderte Belastbarkeit. Neurologisch fänden sich deutliche Zeichen einer psychovegetativen Dysregulation, eine subdepressive Stimmungslage, jedoch kein Anhalt für eine psychotische Störung. Bei der SPECT-Untersuchung habe die Aufnahme des Indikators in der Hirnrinde mit 65 vom Hundert deutlich unter dem Sollbereich gelegen. Dieser Befund sei mit einer generalisierten corticalen Substanzminderung in Einklang zu bringen. Auch bei der dreidimensionalen Szintigraphie des regionalen cerebralen Blutflusses finde sich in der praemotorischen und praefrontalen Rinde links eine signifikant verminderte Aufnahme der Substanz. Dieser Befund sei in Einklang zu bringen mit einer generalisierten und links-frontal betonten vorzeitigen Involution. Bei der Kontrolle des SPECT am 6. Juni 1989 habe die Aufnahme des Indikators wiederum deutlich unter dem Sollbereich gelegen. Auch bei der dreidimensionalen Szintigraphie habe sich weiterhin links ein Areal mit signifikanter Minderperfusion gefunden. Ein kleineres Areal mit verminderter Durchblutung sei auch in der praemotorischen Rinde rechts nachweisbar. Insgesamt sei der Patient in neurologisch-psychiatrischer Hinsicht durch multiple funktionelle Störungen behindert und beeinträchtigt. Es bestehe eine Hirnatrophie unklarer Genese, möglicherweise aufgrund des Einflusses neurotoxischer Arbeitsstoffe. Differentialdiagnostisch komme auch eine vorzeitige, ätiologisch unklar bleibende, cerebrale Durchblutungsstörung in Betracht. Das Krankheitsbild sei als pseudoneurasthenisches Bild bei einer allgemeinen unklaren Hirnatrophie aufzufassen, dessen Prognose ungewiss sei.
Die Beklagte stellte Ermittlungen bei den früheren Arbeitgebern und dem aktuellen Arbeitgeber des Klägers mit Blick auf eine Exposition gegenüber Halogenkohlenwasserstoffen und halogenierten Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxiden an. Aufgrund der Angaben der Arbeitgeber vermochte der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten eine entsprechende Exposition nicht festzustellen. Dieser Sicht schloss sich der staatliche Gewerbearzt im Rahmen seiner Stellungnahme vom 28. April 1992 an. Der Kläger widersprach dieser Einschätzung und bat um weitere Ermittlungen, vor allem bei den früheren Arbeitgebern. Die Beklagte wandte sich wegen näherer Angaben zu den Tätigkeiten und den verwandten Arbeitsstoffen erneut an die Arbeitgeber. Bezüglich der Tätigkeit im Behälter- und Tankbau teilten die betroffenen Firmen mit, dass eine Exposition gegenüber den in Rede stehenden Listenstoffen nicht vorgelegen habe. Selbst wenn in bereits benutzten Tanks gearbeitet worden sei, wären diese vorher schadstofffrei zu machen gewesen, was auch geschehen sei. Listenstoffe der Nummer 1310 der Anlage zur BKVO seien ohnehin seit 1970 nicht mehr verwendet worden. Die Fa. N1 benannte auf Anfrage die im Einzelnen bei der Tätigkeit im Rahmen der Störungsbeseitigung und der Kesselreinigung bei Öl-und Gasheizungsanlagen regelmäßig verwandten Stoffe und der TAD wertete diese Angaben nach Rücksprache mit dem ehemaligen Beschäftigungsbetrieb aus. Er gelangte (Bericht vom 21. Oktober 1993) unter der Annahme, dass die von dem Arbeitgeber benannten Stoffe "womöglich aber nicht sicher benutzt" und "Auslöseschwellen jedenfalls nicht erreicht wurden", zu der Einschätzung, dass im Zeitraum vom 5. September 1988 bis zum 8. November 1989 eine Exposition gegenüber Halogenkohlenwasserstoffen "gelegentlich" vorgelegen habe. Am 14. November 1994 erstellte die Beklagte im Beisein des seinerzeitigen Rechtsanwaltes des Klägers, einer technischen Aufsichtsbeamtin und einer Dolmetscherin für die portugiesische Sprache in dem Verfahren betreffend die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 1302 und Nummer 1310 der Anlage zur BKVO eine Arbeitsanamnese, in der die Tätigkeiten des Klägers seit seiner Einreise nach Deutschland mit Blick auf das Verfahren der Anerkennung von Berufskrankheiten gemeinsam festgelegt wurden. Nach weiterer Überprüfung gelangte der TAD zu der Einschätzung (Berichte vom 2. Dezember 1994 und 9. März 1995), dass eine weitergehende Exposition gegenüber den Listenstoffen nicht vorgelegen habe.
Mit Bescheid vom 25. August 1995 und Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 1996 lehnte die Beklagte die Anerkennung von Schwindel, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen als Berufskrankheit nach Nummern 1302 und/oder 1310 der Anlage zur BKVO ab. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass ein Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen und den ausgeübten Tätigkeiten nicht bestehe. Der Kläger sei zwar einer Vielzahl von Atemwegsbelastungen ausgesetzt gewesen, ein intensiver Kontakt mit den angeschuldigten Listenstoffen habe aber nicht festgestellt werden können.
Daraufhin hat der Kläger fristgerecht Klage (S 25 U 430/96) erhoben, die Angaben der Beklagten zur Exposition bestritten und um weitere Ermittlungen gebeten. Er hat behauptet, die von der Beklagten zugrunde gelegten Angaben zur Arbeitsanamnese seien durch die tätig gewesene Dolmetscherin verfälscht worden. Auch hat er behauptet, im Rahmen seiner aktuellen Tätigkeit bei der Firma M. am Lötrundtisch giftigen Lötmaterialien ausgesetzt zu sein.
Mit ärztlicher Anzeige einer Berufskrankheit vom 3. März 1996 zeigte der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. K. bei der Beklagten an, dass der Kläger seit sechs Monaten unter Luftnot durch inhalative Dämpfe am Arbeitsplatz klage. Er äußerte den Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur BKVO. Bei dem Kläger liege ein hyperreagibles Bronchialsystem vor, welches auf unspezifische Reize reagiere. Die Gesundheitsstörungen würden von dem Versicherten auf das Löten von Schalthebeln für Getriebe zurückgeführt, seit einem Jahr Inhalt seiner Tätigkeit.
Die Beklagte holte Auskünfte von dem durch den Kläger benannten Arbeitgeber ein. Des Weiteren holte sie am 11. November 1996 ein Vorerkrankungsverzeichnis der Betriebs-krankenkasse der Firma M. Benz ein. Dieses weist die Mitgliedschaft seit Eintritt in den Betrieb und eine Asthmaerkrankung mit Arbeitsunfähigkeit (Diagnose Bronchitis/Asthma) für den Zeitraum 23. Juli 1996 – 09. August 1996 aus. Durch ihren TAD ließ die Beklagte am 2. Juni 1997 den aktuellen Arbeitsplatz des Klägers (Roboter-Schweißplatz) bei der Firma M. Benz besichtigen und Messungen am vormaligen Arbeitsplatz (Lötrundtisch), an der Abdrückvorrichtung und an anderen Schweißarbeitsplätzen vornehmen. Die u.a. personenbezogenen Messungen ergaben die Einhaltung der TRGS/MAK-Grenzwerte. Auf den Bericht des TAD vom 17. Juni 1997 wird ergänzend Bezug genommen.
Die Beklagte holte ein internistisch-pneumologisches Gutachten nach Aktenlage von Dr. S1 ein. Dieser gelangte unter dem 14. Januar 1998 zu der Einschätzung, es sei unter Berücksichtigung der Angaben der behandelnden Ärzte sowie des Inhalts des Vorerkrankungs¬verzeichnisses der Betriebskrankenkasse davon auszugehen, dass bei dem Versicherten eine Atemwegserkrankung bestehe, welche sich durch eine bronchiale Überempfindlichkeit (Verengungsneigung) äußere und zur Feststellung einer leichten Obstruktion in der Ruhelungenfunktionsmessung bei Dr. K. geführt habe. Allerdings sei dort in der Folgeuntersuchung eine Obstruktion wiederum nicht mehr festzustellen gewesen. Die Beschwerdesymptomatik habe im Jahr 1995 begonnen. Unter Berücksichtigung der Messergebnisse des TAD müsse sicherlich davon ausgegangen werden, dass der Kläger nicht an einem typischen gesundheitsgefährdenden Schweißarbeitsplatz tätig sei, weil davon ausgegangen werden müsse, dass die Schadstoffkonzentration nicht in der Lage war, eine obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne der Nummer 4302 der Anlage zur BKVO hervorzurufen. Nach Aktenlage müsse ferner davon ausgegangen werden, dass die beschriebenen Erstickungsanfälle sich bei der Arbeit am Lötrundtisch verstärkt haben. Hier werde das Flussmittel Elgaflux 72 eingesetzt, welches eine acetrope Mischung von Borsäure und Trimethylestern mit Methanol darstelle. Den Angaben zur Toxikologie sei eine akute Reizwirkung auf Haut und Auge zu entnehmen. Auch andere Mitarbeiter hätten bei der Arbeit am Lötrundtisch über massive gesundheitliche Beschwerden berichtet, welche von Reizungen des Atemtraktes und der Augen- und Mundschleimhäute bis zu Hautjucken gereicht hätten. Mit Blick auf das Auffinden von Fluoridionen am Lötrundtisch sei festzustellen, dass Fluoride bei vielen galvanischen Prozessen, beim Schmelzen von Metallen und beim Schweißen und Löten von Leichtmetall-Legierungen auftreten könnten. Die Einwirkung von Fluorverbindungen führe zur Reizungserscheinungen an den Schleimhäuten. Es müsse somit geprüft werden, welches Ausmaß die Fluoridexposition am Arbeitsplatz des Versicherten gehabt habe.
Daraufhin ließ die Beklagte den Arbeitsplatz des Versicherten bei M. erneut durch den TAD in Augenschein nehmen. Er gelangte unter Hinweis auf bereits 1995 auf Veranlassung u.a. des Klägers durchgeführte Messungen zu dem Ergebnis, dass am damaligen Arbeitsplatz keine Fluorexposition im messbaren Bereich bestanden habe. In dem entsprechenden Vermerk des TAD vom 8. September 1995 heißt es zu Messungen an der Lötanlage:
"Am 7. September 1995 wurden gemeinsam mit Herrn B. an der o.a. Anlage folgende Gasmessungen durchgeführt: Fluor in der Luft, Ergebnis: n.n. Fluorwasserstoff in der Luft: Ergebnis n.n. Messeort: Arbeitsbereich/Kopfhöhe, 15-20 cm Abstand zur Anlage. Die Messungen wurden bei laufender Anlage durchgeführt."
Eine Untersuchung der dort tätigen Mitarbeiter, unter anderem des Klägers, auf Fluorid durch Werksarzt Dr. K1 ergab, dass die Konzentration des Stoffes im Urin des Klägers bei 0,7 mg/l lag.
Mit Bescheid vom 15. September 1998 entschied die Beklagte, dass die Atemwegserkrankung des Klägers keine Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur BKVO ist. Der TAD habe festgestellt, dass während der Tätigkeit bei der Firma H1 eine Exposition gegenüber Schweiß- und Brennrauchen bestand. Demgegenüber habe während der Tätigkeit bei der Firma M. keine Gefährdung im Sinne der Nummer 4302 der Anlage zur BKVO bestanden. Eine Exposition gegenüber Fluor habe ebenfalls nicht festgestellt werden können. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und trug vor, in der Akte befänden sich nur Skandal, Schande und vermutlich auch Korruption. Es sei niemals vollständig ermittelt worden. Jedoch sei er in Kontakt zu Schweißgasen, hochlegierten Chromnickelstählen, Trimethylborat, Methanol, Flussmittel F-SH 2, Silber, Kupfer, Zinn, Zink, Kühlmittel, Reinigungsmittel, Dioxinen, Furanen, Elektroden-ummantelungen, Oxidationsgasen, Teer und so weiter gekommen. Es handele sich also keineswegs nur um Fluor. Schließlich seien auch nicht die Firmen vollständig ermittelt worden, wo er gearbeitet habe. Nachdem eine stationäre Untersuchung des Klägers nicht zustande gekommen war, wies die Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 30. August 1999 zurück.
Daraufhin hat der Kläger auch insoweit fristgerecht Klage (S 40 U 477/99) erhoben und vorgetragen, er vermute einen Betrug hinter den durchgeführten Begutachtungen.
In dem Verfahren S 25 U 430/96 hat das Sozialgericht das arbeitsmedizinische Zusammenhangsgutachten nach Aktenlage des Dr. J. vom 19. Januar 1998 eingeholt. Dieser geht davon aus, dass neben Schwerhörigkeit, Schwindel und Tinnitus eine psychische Behinderung, möglicherweise im Sinne einer affektiven Psychose, vorliege. Es sei aus der Arbeitsanamnese nicht ersichtlich, dass der Kläger in seinem Arbeitsleben außer einer Lärmeinwirkung anderen gesundheitlichen Einflüssen in einem Ausmaß ausgesetzt gewesen sei, welche diese Erkrankungen verursacht haben könnten. Die psychische Erkrankung könne teilweise als Encephalopathie gedeutet werden, wie sie durch Lösemittelgemische hervorgerufen werden könne, jedoch lägen keine Hinweise auf eine entsprechende Einwirkung vor.
Durch Urteil vom 8. September 2005 hat das Sozialgericht die auf Anerkennung von Schwindel, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen als Berufskrankheit nach Nummern 1302 und/oder 1310 der Anlage zur BKVO gerichtete Klage S 25 U 430/96 abgewiesen und hat hierbei die Auffassung vertreten, es sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger den entsprechenden Listenstoffen in schädigendem Umfange ausgesetzt gewesen sei.
In dem auf Anerkennung der Atemwegserkrankung als Berufskrankheit gerichteten Verfahren hat das Sozialgericht die Klage durch Gerichtsbescheid vom 16. Mai 2007 abgewiesen. Der Kläger habe sich den geplanten Begutachtungen nicht gestellt. Es gehe zu seinen Lasten, dass nicht einmal habe festgestellt werden können, ob er überhaupt an einer obstruktiven Atemwegserkrankung leide.
Der Kläger hat gegen das in der Sache S 25 U 430/96 am 08. November 2005 zugestellte Urteil am 25. November 2005 Berufung (L 3 U 55/05) eingelegt. Ebenfalls hat er nach Zustellung des Gerichtsbescheides in der Sache S 40 U 477/99 am 21. Mai 2007 am 21. Juni 2007 Berufung (L 3 U 28/07) eingelegt.
In der Sache L 3 U 55/05 vertritt er die Auffassung, das Sozialgericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Dies gelte zunächst für die Höhe der Exposition während der Tätigkeit bei der Firma N1. Auch seien beim Schweißen und Brennen Giftstoffe aus den Teer- und Farbablagerungen ausgetreten. Auch der angegebene Kontakt zu giftigen Lötmaterialien sei nicht hinreichend berücksichtigt worden. Er sei auch durch Blei, Quecksilber und Cadmium belastet gewesen. Deshalb seien die in neurologisch-psychiatrischer Hinsicht festgestellten multifunktionalen Gesundheitsstörungen berufsbedingt.
In der Sache L 3 U 28/07 vertritt der Kläger die Auffassung, der Vorhalt mangelnder Mitwirkung sei unzutreffend. Vielmehr habe er kein Vertrauen in die von der Beklagten genannten Gutachter gehabt. Er bezweifle auch die Richtigkeit der im Beschäftigungsbetrieb durchgeführten Messungen. So würde sich Zink etwa überhaupt nicht auf der zur Messung verwandten Makrolonscheibe niederschlagen. Es stehe auch fest, dass Fluoridionen in der Atemluft am Lötrundtisch gefunden wurden. Dies habe Dr. K. bestätigt. Schließlich müssten alle von ihm geltend gemachten Berufskrankheiten in der Zusammenschau betrachtet werden.
Der Kläger beantragt im Verfahren L 3 U 55/05,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 08. September 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 25. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 1996 aufzuheben und festzustellen, dass ein Tinnitus, Schwindel, Kopfschmerzen und psychovitale Verluste sowie eine Hirnatrophie Berufskrankheiten nach Nummern 1302 und/oder 1310 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung sind
und im Verfahren L 3 U 28/07,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 16. Mai 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 15. September 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 1999 aufzuheben und festzustellen, dass seine Atemwegserkrankung eine Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur Berufs¬krank¬heitenverordnung ist.
Die Beklagte beantragt jeweils,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide und trägt im Verfahren L 3 U 55/05 unter Vorlage einer Stellungnahme ihres Präventionsdienstes hinsichtlich der behaupteten Belastung bei der Firma N1 vom 3. Juli 2007 vor, dass die fraglichen Gesundheitsstörungen bereits seit 1980 vorlägen, die Tätigkeit bei der Firma N1 aber erst im September 1988 begonnen wurde. Auch entstünden beim Brennen und Schweißen keine Chlorkohlenwasserstoffe. Soweit behauptet werde, dass beim Brennen und Schweißen PVC-beschichteter Bleche Dioxine freiwerden würden, so liege diese Art der Beschichtung üblicherweise aber nicht vor. Im Verfahren L 3 U 28/07 behauptet sie, es sei bisher noch nicht einmal das Vorliegen einer Erkrankung, die eine Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur BKVO sein könnte, nachgewiesen.
Das Berufungsgericht hat die Akte des Verfahrens 31 VS 47/93 beigezogen, in dem der Kläger mit dem Versorgungsamt Hamburg um den Grad der Behinderung gestritten hatte. In diesem Verfahren hat Dr. L2 nach Untersuchung des Klägers am 21. November 1996 am 3. Dezember 1996 ein nervenärztliches Gutachten erstellt. Er geht dort vom Vorliegen einer psychischen Behinderung aus, die sich in einer Vielzahl von Befindlichkeitsstörungen, so diffusem Dauerkopfschmerz, wechselnd ausgeprägtem Schwindel, Drehschwindel-attacken, einer Minderung der Konzentration und wohl auch einer vermehrten Reizbarkeit und einem insgesamt schlechten Gesamtbefinden äußere. Dabei hätten neurologisch normabweichende Befunde nicht erhoben werden können. Auch das Vorliegen einer hirnorganischen Schädigung sei insgesamt nicht mit der genügenden Ausprägung belegt. Die SPECT-Befunde von 1994 belegten einen Normalbefund. Auch die immer wieder vom behandelnden Nervenarzt W. diagnostizierte Hirnatrophie werde durch die bildgebende Untersuchung, wenn überhaupt, als ganz geringgradig von den Untersuchern für möglich gehalten. Da die Befunde diesbezüglich einer erheblichen interindividuellen Schwankungs-breite unterlägen, könne ein hirnatrophischer Prozess keinesfalls als gesichert angesehen werden. Auch die im Kernspintomogramm beschriebenen einzelnen kleinen vaskulären Marklagergliosen entsprächen einem Befund, welcher mit zunehmendem Lebensalter häufiger in Erscheinung trete. Sie wären allenfalls für eine leichtgradige durchblutungs-bedingte Schädigung und nicht etwa für eine toxische Schädigung typisch. Es fehle auch der für eine hirnorganische Schädigung mit mittelschwerer Leistungs¬beeinträchtigung entsprechende psychopathologische Befund. Dies gelte unabhängig von der Genese der hirnorganischen Schädigung. Hinsichtlich des psychopathologischen Befundes wirke – so Dr. L2 – der Kläger vielmehr deutlich auffällig, in affektiver Hinsicht mit mühsamer Impulskontrolle, erheblich gereizter Grundstimmung, mit einer beeinträchtigten Gesamtbefindlichkeit, einer eingeschränkten affektiven Schwingungs¬breite, einer Starre im Denken mit einem fast fanatischen Bewusstsein der eigenen Versehrtheit durch Gifte, wobei insbesondere letztbezüglich sensitive, ja fast paranoide Beziehungstendenzen anklängen. In seinem nach Aktenlage und unter Bezugnahme auf das eben genannte Gutachten im Verfahren L 3 U 55/05 erstellten Gutachten vom 30. April 2010 führt Dr. L2 ergänzend aus, es sei eine deutliche psychopathologische Auffälligkeit belegt, welche offensichtlich Jahrzehnte zurückzuverfolgen und am ehesten als kombinierte Persönlichkeitsstörung aufzufassen sei. Demgegenüber sei eine hirnorganische Schädigung nicht mit hinreichender Sicherheit belegt.
Auf Veranlassung des Berufungsgerichts hat der Arzt für Innere Medizin und Arbeitsmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Umweltmedizin Dr. S. im Verfahren L 3 U 28/07 nach Untersuchung und Befragung des Klägers am 29. Mai 2009 das internistische Gutachten vom 10. Juni 2009 erstellt. Dort heißt es abschließend, der Kläger leide an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung mit bronchialer Hyperreagibilität. Es lasse sich jedoch nicht belegen, dass diese Gesundheitsstörung durch die Exposition gegenüber Schadstoffen am Arbeitsplatz wesentlich verursacht worden ist. Wenn eine entsprechende Berufskrankheit vorliegen würde, läge die MdE bei "0", denn es handele sich nur um eine leichte obstruktive Atemwegserkrankung. Es bestehe Übereinstimmung mit den Befundberichten von Dr. K., so dass die zentrale Frage sei, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der früheren oder jetzigen beruflichen Tätigkeit des Klägers besteht. Hierfür müssten im Einzelnen die Beschäftigungszeiten bis hin zur letzten aktuellen Tätigkeit untersucht werden. Hinsichtlich der Tätigkeit bei den Phönix Gummiwerken und der Gesamthafenbetriebsgesellschaft lasse sich eine gefährdende Tätigkeit im Sinne der vorliegend in Rede stehenden Berufskrankheiten nicht feststellen. Die Tätigkeit bei H1 H2 komme als gefährdende Tätigkeit insoweit infrage, als der Kläger dort Schweißarbeiten ausgeführt habe und diese potentiell gefährdend im Sinne der Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur BKVO seien. Denn beim Schweißen entstünden Stoffe, die abhängig vom jeweils verwendeten Schweißverfahren und Elektrodenmaterial in die inhalierte Atemluft freigesetzt würden. Diese Stoffe seien grundsätzlich aufgrund ihrer Molekülstruktur geeignet, eine Irritation der Bronchialschleimhäute hervorzurufen. Allerdings hätten wissenschaftliche Untersuchungen ergeben, dass nur bei erheblicher nachgewiesener Exposition unter unzureichenden arbeitshygienischen Verhältnissen eine besondere Belastung der Atemwege bestehe und die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung in Betracht komme. Dies sei der Fall bei jahrelangen Tätigkeiten unter ungünstigen lüftungstechnischen Bedingungen, bei der Verwendung überwiegend basisch umhüllter Elektroden beim Lichtbogenhandschweißen sowie bei langjährig ausschließlicher Tätigkeit als Schutzgasschweißer an reflektierenden Grundwerkstoffen. Eine derartige Belastung lasse sich mit Blick auf die Arbeitsanamnese und die Ermittlungen des TAD nicht feststellen. Dies gelte auch für die Tätigkeit bei der Firma N1. Soweit die Tätigkeit bei der Firma M.-Benz in Rede stehe, welche seit 7. Februar 1990 ausgeübt werde, so komme diesem Zeitraum hinsichtlich der Entwicklung der Atemwegserkrankung die wesentliche Bedeutung zu, denn der Kläger habe berichtet, dass er seit Anfang der Neunziger Jahre Atemnot habe. Auch hier sei aber mit Blick auf die durchgeführten Messungen eine Grenzkonzentration, ab welcher mit gesundheitlichen Schädigungen zu rechnen sei, nicht festzustellen. Es fehlten auch entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen, die eine sicher schädigende Wirkung auf die Atemwege belegten. Allerdings sei nicht verwunderlich, dass Personen mit einer Empfindlichkeit des Bronchialsystems, wie dies bei dem Kläger der Fall sei, bei der Verwendung von Boroxiden über Atemwegsbeschwerden klagten, denn deren atemwegsreizende Wirkung sei bekannt. Hinsichtlich der Fluoride gelte, dass neben deren im Vordergrund stehenden systemischen Wirkungen auch eine chemisch irritative oder toxische Wirkung auf die Schleimhäute bestehe. Insoweit aber sei eine Ursächlichkeit so lange nicht festzustellen, wie keine Aussage zu entsprechenden Belastungen gemacht werden könnten. Hinsichtlich der Tätigkeit an Schweißarbeitsplätzen gelte ebenfalls, dass die zulässigen Grenzwerte nicht überschritten wurden und deshalb eine Ursächlichkeit nicht anzunehmen sei.
Der Kläger tritt den Äußerungen des Gutachters entgegen und trägt vor, der Sachverständige unterlasse es in seiner Aufzählung der Belastungen, die Mindergifte Sauerstoff und Acetylen zu erwähnen. Auch wirke sich das Trimethylborat gefährlicher aus als dargestellt. Ihm – dem Kläger – seien allein zwei Evakuierungsfälle wegen Austritts dieses Stoffes, welcher auch Methanol enthalte, bekannt. Es habe Vergiftungs- und Explosionsgefahr bestanden. Elgaflux 72 sei des Weiteren auch nicht das einzige Flussmittel gewesen. Er mache auch noch einmal darauf aufmerksam, dass er bei M. nie an festen Arbeitsplätzen gearbeitet habe. Der Sachverständige verkenne auch, dass Wasser als Kühlmittel verwendet worden sei. Dabei hätte berücksichtigt werden müssen, dass die Kühlung offen gewesen ist und bei der Kühlung Reste von Kupfer und Silber hätte eingeatmet werden müssen, welche sich in den Atemwegen abgesetzt hätten. Der Sachverständige banalisiere auch das Ausmaß der Fluoridexposition. So habe schon Dr. S1 davon gesprochen, dass die Mitarbeiter über massive gesundheitliche Beschwerden in Gestalt von Reizungen des Atemtrakts, der Augen und der Mundschleimhäute bis hin zur Hautjucken berichtet hätten. Die Beklagte habe es hier pflichtwidrig unterlassen, eine umfangreiche Untersuchung der Maschine und der schädigenden Einwirkungen vorzunehmen. Unvollständig sei auch die internistische Begutachtung gewesen. Sie müsse um Broncholyse und EKG ergänzt werden.
Der medizinische Sachverständige Dr. S. äußert sich in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 2. Juli 2014 hierzu und führt im Wesentlichen aus, es handele sich bei den vom Kläger angeschuldigten Stoffen Sauerstoff und Acetylen nicht um Stoffe im Sinne der Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur BKVO. Er verweist noch einmal darauf, dass er sich hinsichtlich der Einordnung der Gesundheitsstörung in Übereinstimmung mit dem behandelnden Arzt befinde. Weiterer Untersuchungen bedürfe es insoweit nicht. Es sei auch unerheblich, ob die Nichteisen-Metalle Kupfer und Silber eingeatmet wurden, denn es handele sich hierbei ebenfalls nicht um chemisch-irritative oder toxische Stoffe im Sinne der Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur BKVO. Keinesfalls habe er auch das Ausmaß der Fluoridexposition am Lötrundtisch bagatellisiert. Jedoch erübrige sich eine weitere Diskussionen hierzu, da Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht die Berufskrankheit nach Nummer 1308 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (Erkrankungen durch Fluor oder seine Verbindungen) sei.
Der Kläger hat am 16. Juni 2010 im Verfahren L 3 U 55/05 beantragt, ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Instituto L1 in P1 einzuholen. Diesem Antrag ist am 2. März 2011 stattgegeben worden. Später ist der Auftrag mit dem Einverständnis des Klägers auf das Centro N. in L. übergegangen. Diese Untersuchungsstelle hat mitgeteilt, dass sich der Kläger zu dem vorgesehenen Untersuchungstermin nicht eingefunden und – trotz Aufforderung – auch keinen neuen Termin mit der Stelle vereinbart hat. Die Untersuchungsstelle hat daraufhin den Auftrag mit Schreiben vom 1. April 2014 zurückgegeben.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten und Unterlagen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind. Das Berufungsgericht hat durch in der mündlicher Verhandlung verkündeten Beschluss beide Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung unter dem Aktenzeichen L 3 U 55/05 verbunden.
Entscheidungsgründe:
Die statthaften, form- und fristgerecht eingelegten und auch im Übrigen zulässigen Berufungen des Klägers (§§ 143, 144, 151 SGG) sind nicht begründet. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 25. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 1996 und vom 15. September 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 1999 hat die Beklagte es rechtsfehlerfrei abgelehnt, die von dem Versicherten geklagten Gesundheitsstörungen als Berufskrankheit nach den Nummern 1302 und/oder 1310 sowie 4302 der Anlage zur BKVO anzuerkennen.
Auf den Rechtsstreit finden noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) Anwendung, weil ein Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) – am 1. Januar 1997 geltend gemacht wird (vgl. Artikel 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII). Danach sind Berufskrankheiten die in der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung aufgeführten Krankheiten, die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 Reichsversicherungsordnung genannten Tätigkeiten erleidet. Als Berufskrankheiten können nach § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO solche Erkrankungen bezeichnet werden, die nach den Erkenntnissen der Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, vgl. die Nachweise im Urt. vom 29. November 2011 – B 2 U 26/10 R) ist zur Feststellung einer Listen-Berufskrankheit (im Regelfall zumindest) erforderlich, dass die versicherte Tätigkeit zu Einwirkungen von Belastungen durch Schadstoffe o.ä. auf den Körper des Versicherten (Einwirkungskausalität) geführt hat und dass diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht (haftungsbegründende Kausalität) haben. Während versicherte Tätigkeit und Exposition gegenüber Schadstoffen sowie die Erkrankung selbst im Vollbeweis feststehen müssen, gilt für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung der Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, d.h. es müssen mehr Gesichtspunkte für einen solchen Zusammen¬hang sprechen als dagegen. Dieser Rechtsprechung folgt der Senat in ebenfalls ständiger Rechtsprechung.
Das Berufungsgericht legt hinsichtlich der Arbeitsanamnese die am 14. November 1994 bei der Beklagten im Beisein des seinerzeitigen Rechtsanwaltes des Klägers und einer Dolmetscherin für die portugiesische Sprache erhobenen Daten zugrunde. An diesen Daten zu zweifeln besteht auch mit Blick auf die Behauptung des Klägers, diese seien durch die Dolmetscherin verfälscht worden, kein Anlass. Denn es ist schon nicht ersichtlich, aus welchem Grunde eine derartige Verfälschung durch die Dolmetscherin stattgefunden haben sollte. Zudem entsprechen die erhobenen Daten inhaltlich durchgängig den Angaben des bereits seinerzeit anwaltlich vertretenen Klägers in seinen zahlreichen schriftlichen Äußerungen zu seinen Tätigkeiten. Das Gericht folgt ferner den vom TAD bzw. dem Präventionsdienst daraufhin eingeholten Auskünften der Arbeitgeber zu den Schadstoffbelastungen. Sie sind vor dem Hintergrund der verschiedenen ausgeübten Beschäftigungen plausibel. Substantiierte Einwendungen hiergegen hat der Kläger nicht vorgebracht. Schließlich hat der Senat auch keinen Zweifel an der Richtigkeit der vom TAD/Präventionsdienst erhobenen Messwerte zu Schadstoffbelastungen. Bereits im Verfahren betreffend die Lärmschwerhörigkeit hatte der Kläger vor dem Senat gezielt die Behauptung von bewussten Fehlmessungen erhoben, ohne diese allerdings näher belegen zu können. Mangels Substantiierung muss der Senat dem auch in dem vorliegenden Verfahren nicht weiter nachgehen. Auch die auf den erhobenen Daten und Messungen beruhenden Berechnungen des TAD/Präventionsdienstes geben zu Zweifeln keinen Anlass.
Danach fehlt es mit Blick auf den Streitgegenstand des Verfahrens L 3 U 55/05 bereits an dem Nachweis einer im Sinne des § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO maßgeblichen Exposition gegenüber den der Nummer 1302 bzw. 1310 der Anlage zur BKVO entsprechenden Schadstoffen, also an den arbeitstechnischen Voraussetzungen. Denn hierfür reicht nicht jeder Kontakt mit Halogenkohlenwasserstoffen und/oder halogenierten Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxiden. Erforderlich ist vielmehr eine signifikante Einwirkung, d.h. eine solche Einwirkung auf den Körper des Klägers, die nach wissenschaftlicher Einschätzung geeignet wäre, Krankheitserscheinungen hervorzurufen. Dies ist nach den aufgrund der Arbeitsanamnese durchgeführten Ermittlungen des TAD nicht der Fall. Soweit der Kläger behauptet, beim Schweißen und Brennen PVC-beschichteter Bleche würden Dioxine freigesetzt, so kann das unterstellt werden. Dies entspricht auch allgemein bekannten arbeitsmedizinischen Erkenntnissen. Indessen ist nicht festzustellen, dass derartige Bleche überhaupt gebrannt und geschweißt wurden. Der erforderliche Vollbeweis einer Einwirkung von halogenierten Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxiden ist damit nicht erbracht.
In gleicher Weise fehlt es an einem Nachweis, dass der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit als Kundendienstmonteur bei der Firma N1 besonderen Einwirkungen der in § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO bezeichneten Art durch Halogenkohlenwasserstoffe, den Listenstoffen der Berufskrankheit nach Nummer 1302 der Anlage zur BKVO ausgesetzt war. Insoweit hält es der TAD zwar für möglich, dass in Gestalt der im Rahmen der Kundendiensttätigkeit im Allgemeinen verwendeten Kesselreiniger ein Kontakt zu Halogenkohlen¬wasser¬stoffen bestand. Ob dies aber tatsächlich, bejahendenfalls in welcher Form und in welcher Intensität dies der Fall war, lässt sich nicht feststellen. So konnte der Kläger gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren auch auf Vorlage der durch den Arbeitgeber erfolgten Auflistung noch nicht einmal die Produkte benennen, mit denen er in dieser Zeit tatsächlich gearbeitet hat. Der erforderliche Vollbeweis einer Einwirkung von Halogenkohlen-wasserstoffen lässt sich auf diese Weise nicht erbringen.
Bereits vor diesem Hintergrund erweist sich das Urteil des Sozialgerichts vom 08. September 2005 mit Blick auf beide geltend gemachten Listenberufskrankheiten als zutreffend.
Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen fehlt es aber selbst bei Unterstellung einer stattgefundenen Einwirkung von Halogenkohlenwasserstoffen bzw. halogenierten Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxiden an den (weiteren) Voraussetzungen für die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nummer 1302 und/oder 1310 der Anlage zur BKVO in Gestalt einer Listenerkrankung. Denn Halogenkohlenwasserstoffe schädigen aufgrund ihrer vor allem neurotoxischen Wirkung das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) oder das periphere Nervensystem (hiervon abgehende Nerven) und führen so zu einer Encephalopathie (nicht-endzündliche Erkrankung des Gehirns) oder zu einer Polyneuropathie (nicht-entzündliche Erkrankung der peripheren Nerven, vgl. hierzu Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 1302 "Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe", Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit vom 29. März 1985, BArbBl. 6/1985; Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 1303 "Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol", Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit vom 24. Februar 1964, BArbBl. Fachteil Arbeitsschutz 1964, 30; Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 1317 "Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische", BArbBl. 3/2005, 49 sowie "Wissenschaftliche Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1317, Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit vom 24. Juni 1996, BarbBl 9/1996, 44 ff.). Gleiches gilt für die Einwirkung von halogenierten Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxiden, den Stoffen der Nummer 1310 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung. Auch ihnen werden Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem zugeschrieben (vgl. Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nummer 1310 der Anlage zur BKVO, Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit vom 10. Juli 1979, BArbBl 7/8/1979). Die von dem Versicherten geklagten Gesundheits¬störungen in Gestalt von Tinnitus, Schwindel, Kopfschmerzen und psychovitalen Verlusten sowie einer Hirnatrophie könnten danach nur dann als Folge einer Berufskrankheit nach Nummern 1302 und/oder 1310 der Anlage zur BKVO anerkannt werden, wenn sie Ausdruck einer hirnorganischen Erkrankung, einer Encephalopathie, wären, welche durch die vorliegend angeschuldigten Listenstoffe verursacht wurde.
Die Feststellung, dass bei dem Kläger eine Encephalopathie vorliegt, lässt sich indessen nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht treffen. Denn Dr. L2 ordnet in seinem Gutachten vom 30. April 2010 die Erkrankung des Klägers im psychiatrischen Bereich als kombinierte Persönlichkeitsstörung und nicht als hirnorganische Schädigung ein, weil eine solche nicht mit hinreichender Sicherheit belegt ist. Dieser Einschätzung folgt der Senat. Dr. L2 hat nämlich nachvollziehbar erklärt, dass sowohl die Bildgebung als auch der psychopathologische Befund gegen das Vorliegen einer hirnorganischen Störung sprechen. Zum gleichen Ergebnis gelangt Dr. J ... Dies bestärkt den Senat in seiner Überzeugung. Überdies lassen auch die Berichte der behandelnden Ärzte erkennen, dass die von ihnen erhobenen Befunde sich nicht nur durch Annahme einer hirnorganischen Störung erklären lassen, sondern differentialdiagnostisch auch andere Erklärungsmuster vorhanden sind. Damit ist für den Senat allein die durch Dres. L2 und J. vorgenommene Einordnung maßgeblich.
Schließlich fehlte es – selbst bei Unterstellung einer hirnorganischen Erkrankung als Auslöser der geklagten Störungen – an der haftungsbegründenden Kausalität. Denn bei allen Tätigkeiten wurde nach den arbeitsmedizinischen Ausführungen des Dr. J. der Schwellenwert für Belastungen nicht erreicht. Dies gilt namentlich für die Tätigkeit als Kundendienstmonteur im Heizungsbau. Nachdem der Kläger selbst keine Angaben zu den verwandten Stoffen machen kann, legt auch hier der Senat die Angaben des Arbeitgebers und die Erhebungen des TAD zugrunde. Danach werden die entsprechenden Reiniger nur bei einem Teil der Tätigkeiten und insgesamt nur wenige Minuten pro Tag eingesetzt. Sie werden mit dem Handsprüher in den Brennraum des Heizkessels eingebracht. Bereits hieraus erhellt, dass eine Belastung des Monteurs allenfalls geringfügig sein kann. Mit dem nicht weiter substantiierten Hinweis des Klägers, dass die toxische Belastung höher war, als angenommen, ist die im Rahmen von § 20 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) abgegebene sachkundige Stellungnahme des TAD nicht zu erschüttern. Dies gilt umso mehr, als der Kläger bei der im Beisein seines seinerzeitigen Rechtsanwalts mit Dolmetscherhilfe durchgeführten Besprechung mit dem TAD am 14. November 1994 schon den Arbeitsstoff nicht hat bezeichnen können, dem gegenüber er bei der Tätigkeit für die Firma N1 exponiert gewesen sein will, obwohl ihm eine Liste aller Stoffe vorgelegt worden war, welche bei diesem Arbeitgeber Anwendung fanden. Gegen einen Ursachenzusammenhang einer – unterstellten – hirnorganischen Erkrankung spricht schließlich, dass nach der aufgrund der Krankengeschichte abgegebenen Einschätzung von Dr. L2, welche von Dr. J. geteilt wird, die gesundheitlichen Störungen des Klägers im psychiatrischen Bereich ihren Ursprung bereits in den frühen siebziger Jahren, mithin weit vor Aufnahme der – angeblich – gefährdenden Tätigkeit als Kundendienstmonteur für Heizungsanlagen hatten.
Aus alldem ergibt sich, dass es an dem erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen berufsbedingten Einwirkungen und einer hirnorganischen Erkrankung – deren Vorliegen unterstellt – nach dem anzuwendenden Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit fehlt. In Würdigung der Gesamtumstände sprechen gegen einen solchen Zusammen¬hang mehr Gesichtspunkte als dafür.
Mit Blick auf den Streitgegenstand des Verfahrens L 3 U 28/07 hat die Berufung ebenfalls keinen Erfolg. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Atemwegserkrankung des Klägers eine Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur BKVO ist.
Nach Nr. 4302 der Anlage zur BKVO sind Berufskrankheiten durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Listennummer lassen sich nicht feststellen.
Chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Arbeitsstoffe kommen an zahlreichen Arbeitsplätzen als Inhalationsnoxen vor. Sie sind teilweise mit den früher üblichen Begriffen "Reizstoffe" oder "Reizgase" identisch. Die Berufskrankheit betrifft jedoch nur durch diese Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen. Die Noxen können in Form von Gasen, Dämpfen, Stäuben oder Rauchen vorkommen. Im Einzelfall sind Intensität und Dauer der Einwirkung zu berücksichtigen, immer ist aber auch mit der Möglichkeit einer individuellen Empfindlichkeitssteigerung zu rechnen. Bedeutsam ist der zeitliche Zusammenhang zwischen Exposition und Krankheitsbeginn (vgl. Merkblatt zur BK 4302, Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit vom 10. Juli 1979, BArbBl. 7/8/1979).
Allerdings leidet der Kläger – wenn auch nach dem Gutachten des Dr. S. ohne Auswirkung auf die Erwerbsfähigkeit – an einer entsprechenden Listenberufskrankheit in Gestalt einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung mit bronchialer Hyperreagibilität. Dies hat Dr. S. in Übereinstimmung mit dem behandelnden Lungenarzt festgestellt. Nicht feststellen lässt sich indessen, dass diese durch die ausgeübten Tätigkeiten verursacht wurde. Hinsichtlich der Tätigkeit bei den P.-Gummiwerken fehlt jeder Hinweis auf eine entsprechende Exposition. Innerhalb der von 30. September 1974 bis zum 30. Oktober 1983 ausgeübten Schweißertätigkeit war zwar nach den Ausführungen des Dr. S. eine Gefährdungslage insoweit gegeben, als der Kläger dort auch mit dem Lichtbogenhandschweißverfahren gearbeitet hat. Jedoch erreichte der Anteil der Tätigkeit unter ungünstigen lüftungstechnischen Bedingungen, der allein nach der Einschätzung des medizinischen Sachverständigen eine ursächliche Verbindung herzustellen geeignet wäre, arbeitsanamnestisch nicht eine Größenordnung, die nach wissenschaftlicher Erkenntnis einen Zusammenhang mit der später aufgetretenen obstruktiven Atemwegserkrankung hinreichend wahrscheinlich macht. Überdies ist die Erkrankung nicht im unmittelbaren zeitlich Zusammenhang mit dieser Tätigkeit, sondern erst mehr als 10 Jahre danach ärztlich festgestellt worden. Gerade aber die zeitliche Komponente ist – wie auch Dr. S. in Übereinstimmung mit dem Merkblatt und in Übereinstimmung mit der arbeitsmedizinischen Literatur (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Seite 1060 m.N.) in seinem Gutachten ausführt, ein maßgebliches Abgrenzungskriterium.
Auch ein ursächlicher Zusammenhang der Tätigkeit bei der Firma M.-Benz und der Entstehung der Atemwegserkrankung lässt sich nicht wahrscheinlich machen. Dies gilt auch dann, wenn beim Arbeiten am Lötrundtisch Boroxide freigeworden sind. Denn insoweit ist zwar mit Dr. S. davon auszugehen, dass diese atemwegsreizend sind. Nach den Ermittlungen des TAD/Präventionsdienstes sind aber alle bekannten Grenzwerte eingehalten, so dass auch Dr. S. von einem fehlenden Zusammenhang ausgeht. Dies gilt auch für Fluorid, welches ebenfalls reizend wirkt und beim Lötvorgang auftreten kann. Jedoch lag die Fluoridkonzentration am Lötrundtisch unterhalb der Nachweisgrenze. Der Annahme eines Ursachenzusammenhangs steht auch entgegen, dass der Kläger widersprüchliche Angaben zum Beschwerdebeginn macht. So wurde die Arbeit am Lötrundtisch nach den Angaben des Klägers gegenüber Dr. K. erst 1995 begonnen, gegenüber Dr. S. berichtete er aber von Atemwegsbeschwerden bereits seit Beginn der neunziger Jahre. Eine kausale Verknüpfung mit der Arbeit am Lötrundtisch lässt sich so nicht herstellen.
Soweit der Kläger schließlich die Tätigkeit bei M. im Allgemeinen und in Gestalt weiterer Arbeitsstoffe für die Entstehung der Atemwegserkrankung verantwortlich macht, fehlt es – unabhängig davon, dass auch insoweit eine entsprechende Exposition mit Blick auf die Ermittlungen des TAD nicht nachgewiesen ist – an der Erfüllung der weiteren tatbestandlichen Voraussetzung eines Zwangs zur Aufgabe der Tätigkeit. Denn der Kläger hat seine Tätigkeit dort an diversen Arbeitsplätzen bis zum Ende seines aktiven Berufslebens fortgesetzt. Dieser Umstand und die fehlende Minderung der Erwerbsfähigkeit durch die Erkrankung stehen der Feststellung des Aufgabezwanges im vorliegenden Einzelfall jedenfalls entgegen. Ohne einen objektiven Zwang zur Aufgabe aber kann eine Berufskrankheit im Sinne der Nummer 4302 der Anlage zur BKVO nicht festgestellt werden.
Der Frage, wie hoch schließlich der Fluorid-Wert im Urin des Klägers während der Tätigkeit am Lötrundtisch war, muss nicht weiter nachgegangen werden. Denn die systemischen Wirkungen von Fluor sind nicht Gegenstand der Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur BKVO, sondern derjenigen nach Nummer 1308 der Anlage zur BKVO, welche vorliegend nicht im Streit ist. Überdies lag der Wert für Fluorid bei der Untersuchung durch den Werksarzt Dr. K1 zum Zeitpunkt der Tätigkeit am Lötrundtisch, von welcher der Kläger selber im ersten Rechtszug berichtet, mit 0,7 mg/l im nichtpathologischen Bereich. Dies hat Dr. J. in seinem arbeitsmedizinischen Gutachten unter Hinweis auf den Normwert von (1,0 mg/l feststellt. Nach allem bedarf es weiter Ermittlungen zur Fluorbelastung nicht.
Der Anregung des Klägers, ihm weiterhin Gelegenheit zur Untersuchung durch einen portugiesischen Arzt seiner Wahl nach § 109 SGG zu geben, folgt das Gericht nicht, weil hierdurch die Erledigung des in jeder Hinsicht entscheidungsreifen Rechtsstreits noch weiter verzögert würde. Der Kläger hatte ausreichend Gelegenheit, sich dieser Untersuchung zu unterziehen. In Würdigung aller Umstände sieht es der Senat als grobe Nachlässigkeit an, wenn der Kläger auf mehrfach schriftlich geäußerte Bitten der Untersuchungsstelle zur Terminabsprache über mehrere Monate nicht reagiert hat und eine Untersuchung so bis zum Tag der mündlichen Verhandlung nicht zustande kam.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der am xxxxx 1945 in P1 geborene Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung eines Tinnitus, von Schwindel, Kopfschmerzen, psychovitalen Verlusten sowie einer Hirnatrophie als Berufskrankheit nach Nummer 1302 (Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe) und/oder Nummer 1310 (Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide) der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) sowie die Anerkennung einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung mit bronchialer Hyperreagibilität als Berufskrankheit nach Nummer 4302 (durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) der Anlage zur BKVO. Ein drittes Anerkennungsverfahren wegen einer Lärmschwerhörigkeit (Nummer 2301 der Anlage zur BKVO), welches die Beklagte auf den Antrag des Klägers auf Anerkennung eines "Ohrensausens" als Berufskrankheit am 27. Oktober 1987 eingeleitet hatte, blieb – auch im Überprüfungsverfahren – erfolglos (zuletzt Urt. des Senats vom 28. Oktober 2003 – L 3 U 6/02, Beschl. des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. März 2004 – B 2 U 13/04 B).
Der Kläger gelangte 1973 nach Deutschland und war hier von August 1973 bis März 1974 und von Juni 1974 bis September 1974 zunächst bei der P. AG in H. als Arbeiter in der Reifen- bzw. Schuhfertigung beschäftigt. Hier hatte er Teilprodukte aus Gummi innerhalb des Werkes zu transportieren bzw. maschinengeformte Schuhe von der Maschine abzunehmen, wo sie geformt worden waren, und für den Transport bereitzustellen sowie das Vormaterial in Granulatform in die Vorratsbehälter der Maschine zu geben. Eine Zeit lang war er bei den P. auch am Kalander eingesetzt, wo er Rohgummi zwischen die laufenden Walzen eingeführt und danach wieder entnommen hat. Anschließend war er etwa zwei Wochen bei der Gesamthafenbetriebsgesellschaft im Stauereibereich tätig, wo er Schiffe be- und entladen hat. Vom 30. September 1974 bis zum 30. Oktober 1983 wurde er bei den H1 AG in H2 beschäftigt. Dort wurde er als Schweißer, Schlosser und Monteur im Kessel- und Behälterbau eingesetzt. Er führte Reparaturen an Kesselanlagen verschiedener Bauarten aus. Später wechselte der Kläger in den Bereich Tankbau von H1, wo er sowohl im Tankneubau als auch in der Tankreparatur eingesetzt wurde. Der Versicherte war vom 31. Oktober 1983 bis 1987 arbeitslos und wurde zum Heizungs-und Lüftungsbauer umgeschult. Anschließend war er beim Reparaturbetrieb Nord in H2 wiederum – allerdings nur kurzzeitig – im Kessel- und Rohrleitungsbau tätig und danach wieder arbeitslos. Vom 5. September 1988 bis zum 8. November 1989 arbeitete er bei der Firma N1 GmbH in H2 und war dort im Rahmen der Störungsbeseitigung und der Kesselreinigung bei Öl-und Gasheizungsanlagen tätig. Seit dem 7. Februar 1990 wurde der Kläger im M. Werk H2 (ehemaliges Tempowerk in H2-H./Bostelbek) in der Produktion beschäftigt. Dort wurde er als Springer an verschiedenen Arbeitsplätzen eingesetzt, unter anderem an einem Schweißroboter, in der Produktion von Tankdeckeln und beim Löten von Getriebeteilen. Diese Tätigkeit hat der Kläger bis zum Eintritt ins Rentenalter verrichtet. Er führt einen Grad der Behinderung von 60 aufgrund Bescheides vom 6. November 2002 sowie (Neufeststellungs-)Bescheides vom 28. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2013. Hierbei wurden berücksichtigt eine psychische Störung mit funktionellen Organbeschwerden mit einem Teil-GdB von 50, Schwerhörigkeit beidseits, Ohrgeräusche, Gleichgewichtsstörungen mit einem Teil-GdB vom 30, eine Funktionsstörung der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 20, ein Kniegelenksverschließ beidseits mit einem Teil-GdB von 10, ein hyperreagibles Bronchialsystem mit einem Teil-GdB von 10 und degenerative Gelenkveränderungen mit einem Teil-GdB von 10. Die von dem Kläger mit Antrag vom 14. Februar 2013 begehrte Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" wurde abgelehnt.
Mit ärztlicher Anzeige einer Berufskrankheit vom 17. Februar 1991 zeigte der praktische Arzt F. bei der Beklagten an, dass der als Maschinenschlosser eingesetzte Kläger seit 1980 unter einem Tinnitus, Schwindel, Kopfschmerzen und psychovitalen Verlusten leide und dies auf die Exposition gegenüber Chlorkohlenwasserstoffen, Schweißdämpfen und die Tätigkeit in einer Gummifabrik 1973 zurückführe. Der Arzt äußerte unter Hinweis auf durch einen Neurologen durchgeführte Voruntersuchungen den Verdacht auf das Vorliegen von Berufskrankheiten nach Nummern 1302 und 1310 der Anlage zur BKVO. In einem für die Beklagte bereits in dem Verfahren wegen einer Lärmschwerhörigkeit erstellten Befundbericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. vom 17. April 1988 heißt es, der Patient beklage seit 1980 einen Tinnitus, Cephalea und Konzentrationsstörungen. Als Befunde gab Dr. W. eine vorzeitige Hirnatrophie unklarer Genese, beidseitigen Tinnitus, cervicogene und psychogene Cephalea sowie multiple funktionelle Störungen an. Der SPECT-Befund sei pathologisch. In einem für das entsprechende sozialgerichtliche Verfahren erstellten Befundbericht des Dr. W. vom 3. September 1990 heißt es, der Patient befinde sich seit Oktober 1987 in seiner durchgehenden nervenärztlichen Mitbehandlung. Er beklage anhaltend und therapieresistent Schwindelattacken, flüchtige Orientierungsstörungen, partielle Synkopen sowie rezidivierende Kopfschmerzen. Darüber hinaus bestünden funktionelle Magen-Darm-Beschwerden mit Übelkeit und Durchfällen im Sinne einer Gastropathia nervosa bzw. eines Colon irritabile. Er beklage außerdem einen beidseitigen Tinnitus, der zu Schlafstörungen führe, zudem gebe es Klagen über zunehmende Gedächtnisstörungen sowie Störungen der Merkfähigkeit und Konzentration, allgemein raschere Erschöpfbarkeit und verminderte Belastbarkeit. Neurologisch fänden sich deutliche Zeichen einer psychovegetativen Dysregulation, eine subdepressive Stimmungslage, jedoch kein Anhalt für eine psychotische Störung. Bei der SPECT-Untersuchung habe die Aufnahme des Indikators in der Hirnrinde mit 65 vom Hundert deutlich unter dem Sollbereich gelegen. Dieser Befund sei mit einer generalisierten corticalen Substanzminderung in Einklang zu bringen. Auch bei der dreidimensionalen Szintigraphie des regionalen cerebralen Blutflusses finde sich in der praemotorischen und praefrontalen Rinde links eine signifikant verminderte Aufnahme der Substanz. Dieser Befund sei in Einklang zu bringen mit einer generalisierten und links-frontal betonten vorzeitigen Involution. Bei der Kontrolle des SPECT am 6. Juni 1989 habe die Aufnahme des Indikators wiederum deutlich unter dem Sollbereich gelegen. Auch bei der dreidimensionalen Szintigraphie habe sich weiterhin links ein Areal mit signifikanter Minderperfusion gefunden. Ein kleineres Areal mit verminderter Durchblutung sei auch in der praemotorischen Rinde rechts nachweisbar. Insgesamt sei der Patient in neurologisch-psychiatrischer Hinsicht durch multiple funktionelle Störungen behindert und beeinträchtigt. Es bestehe eine Hirnatrophie unklarer Genese, möglicherweise aufgrund des Einflusses neurotoxischer Arbeitsstoffe. Differentialdiagnostisch komme auch eine vorzeitige, ätiologisch unklar bleibende, cerebrale Durchblutungsstörung in Betracht. Das Krankheitsbild sei als pseudoneurasthenisches Bild bei einer allgemeinen unklaren Hirnatrophie aufzufassen, dessen Prognose ungewiss sei.
Die Beklagte stellte Ermittlungen bei den früheren Arbeitgebern und dem aktuellen Arbeitgeber des Klägers mit Blick auf eine Exposition gegenüber Halogenkohlenwasserstoffen und halogenierten Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxiden an. Aufgrund der Angaben der Arbeitgeber vermochte der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten eine entsprechende Exposition nicht festzustellen. Dieser Sicht schloss sich der staatliche Gewerbearzt im Rahmen seiner Stellungnahme vom 28. April 1992 an. Der Kläger widersprach dieser Einschätzung und bat um weitere Ermittlungen, vor allem bei den früheren Arbeitgebern. Die Beklagte wandte sich wegen näherer Angaben zu den Tätigkeiten und den verwandten Arbeitsstoffen erneut an die Arbeitgeber. Bezüglich der Tätigkeit im Behälter- und Tankbau teilten die betroffenen Firmen mit, dass eine Exposition gegenüber den in Rede stehenden Listenstoffen nicht vorgelegen habe. Selbst wenn in bereits benutzten Tanks gearbeitet worden sei, wären diese vorher schadstofffrei zu machen gewesen, was auch geschehen sei. Listenstoffe der Nummer 1310 der Anlage zur BKVO seien ohnehin seit 1970 nicht mehr verwendet worden. Die Fa. N1 benannte auf Anfrage die im Einzelnen bei der Tätigkeit im Rahmen der Störungsbeseitigung und der Kesselreinigung bei Öl-und Gasheizungsanlagen regelmäßig verwandten Stoffe und der TAD wertete diese Angaben nach Rücksprache mit dem ehemaligen Beschäftigungsbetrieb aus. Er gelangte (Bericht vom 21. Oktober 1993) unter der Annahme, dass die von dem Arbeitgeber benannten Stoffe "womöglich aber nicht sicher benutzt" und "Auslöseschwellen jedenfalls nicht erreicht wurden", zu der Einschätzung, dass im Zeitraum vom 5. September 1988 bis zum 8. November 1989 eine Exposition gegenüber Halogenkohlenwasserstoffen "gelegentlich" vorgelegen habe. Am 14. November 1994 erstellte die Beklagte im Beisein des seinerzeitigen Rechtsanwaltes des Klägers, einer technischen Aufsichtsbeamtin und einer Dolmetscherin für die portugiesische Sprache in dem Verfahren betreffend die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 1302 und Nummer 1310 der Anlage zur BKVO eine Arbeitsanamnese, in der die Tätigkeiten des Klägers seit seiner Einreise nach Deutschland mit Blick auf das Verfahren der Anerkennung von Berufskrankheiten gemeinsam festgelegt wurden. Nach weiterer Überprüfung gelangte der TAD zu der Einschätzung (Berichte vom 2. Dezember 1994 und 9. März 1995), dass eine weitergehende Exposition gegenüber den Listenstoffen nicht vorgelegen habe.
Mit Bescheid vom 25. August 1995 und Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 1996 lehnte die Beklagte die Anerkennung von Schwindel, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen als Berufskrankheit nach Nummern 1302 und/oder 1310 der Anlage zur BKVO ab. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass ein Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen und den ausgeübten Tätigkeiten nicht bestehe. Der Kläger sei zwar einer Vielzahl von Atemwegsbelastungen ausgesetzt gewesen, ein intensiver Kontakt mit den angeschuldigten Listenstoffen habe aber nicht festgestellt werden können.
Daraufhin hat der Kläger fristgerecht Klage (S 25 U 430/96) erhoben, die Angaben der Beklagten zur Exposition bestritten und um weitere Ermittlungen gebeten. Er hat behauptet, die von der Beklagten zugrunde gelegten Angaben zur Arbeitsanamnese seien durch die tätig gewesene Dolmetscherin verfälscht worden. Auch hat er behauptet, im Rahmen seiner aktuellen Tätigkeit bei der Firma M. am Lötrundtisch giftigen Lötmaterialien ausgesetzt zu sein.
Mit ärztlicher Anzeige einer Berufskrankheit vom 3. März 1996 zeigte der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. K. bei der Beklagten an, dass der Kläger seit sechs Monaten unter Luftnot durch inhalative Dämpfe am Arbeitsplatz klage. Er äußerte den Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur BKVO. Bei dem Kläger liege ein hyperreagibles Bronchialsystem vor, welches auf unspezifische Reize reagiere. Die Gesundheitsstörungen würden von dem Versicherten auf das Löten von Schalthebeln für Getriebe zurückgeführt, seit einem Jahr Inhalt seiner Tätigkeit.
Die Beklagte holte Auskünfte von dem durch den Kläger benannten Arbeitgeber ein. Des Weiteren holte sie am 11. November 1996 ein Vorerkrankungsverzeichnis der Betriebs-krankenkasse der Firma M. Benz ein. Dieses weist die Mitgliedschaft seit Eintritt in den Betrieb und eine Asthmaerkrankung mit Arbeitsunfähigkeit (Diagnose Bronchitis/Asthma) für den Zeitraum 23. Juli 1996 – 09. August 1996 aus. Durch ihren TAD ließ die Beklagte am 2. Juni 1997 den aktuellen Arbeitsplatz des Klägers (Roboter-Schweißplatz) bei der Firma M. Benz besichtigen und Messungen am vormaligen Arbeitsplatz (Lötrundtisch), an der Abdrückvorrichtung und an anderen Schweißarbeitsplätzen vornehmen. Die u.a. personenbezogenen Messungen ergaben die Einhaltung der TRGS/MAK-Grenzwerte. Auf den Bericht des TAD vom 17. Juni 1997 wird ergänzend Bezug genommen.
Die Beklagte holte ein internistisch-pneumologisches Gutachten nach Aktenlage von Dr. S1 ein. Dieser gelangte unter dem 14. Januar 1998 zu der Einschätzung, es sei unter Berücksichtigung der Angaben der behandelnden Ärzte sowie des Inhalts des Vorerkrankungs¬verzeichnisses der Betriebskrankenkasse davon auszugehen, dass bei dem Versicherten eine Atemwegserkrankung bestehe, welche sich durch eine bronchiale Überempfindlichkeit (Verengungsneigung) äußere und zur Feststellung einer leichten Obstruktion in der Ruhelungenfunktionsmessung bei Dr. K. geführt habe. Allerdings sei dort in der Folgeuntersuchung eine Obstruktion wiederum nicht mehr festzustellen gewesen. Die Beschwerdesymptomatik habe im Jahr 1995 begonnen. Unter Berücksichtigung der Messergebnisse des TAD müsse sicherlich davon ausgegangen werden, dass der Kläger nicht an einem typischen gesundheitsgefährdenden Schweißarbeitsplatz tätig sei, weil davon ausgegangen werden müsse, dass die Schadstoffkonzentration nicht in der Lage war, eine obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne der Nummer 4302 der Anlage zur BKVO hervorzurufen. Nach Aktenlage müsse ferner davon ausgegangen werden, dass die beschriebenen Erstickungsanfälle sich bei der Arbeit am Lötrundtisch verstärkt haben. Hier werde das Flussmittel Elgaflux 72 eingesetzt, welches eine acetrope Mischung von Borsäure und Trimethylestern mit Methanol darstelle. Den Angaben zur Toxikologie sei eine akute Reizwirkung auf Haut und Auge zu entnehmen. Auch andere Mitarbeiter hätten bei der Arbeit am Lötrundtisch über massive gesundheitliche Beschwerden berichtet, welche von Reizungen des Atemtraktes und der Augen- und Mundschleimhäute bis zu Hautjucken gereicht hätten. Mit Blick auf das Auffinden von Fluoridionen am Lötrundtisch sei festzustellen, dass Fluoride bei vielen galvanischen Prozessen, beim Schmelzen von Metallen und beim Schweißen und Löten von Leichtmetall-Legierungen auftreten könnten. Die Einwirkung von Fluorverbindungen führe zur Reizungserscheinungen an den Schleimhäuten. Es müsse somit geprüft werden, welches Ausmaß die Fluoridexposition am Arbeitsplatz des Versicherten gehabt habe.
Daraufhin ließ die Beklagte den Arbeitsplatz des Versicherten bei M. erneut durch den TAD in Augenschein nehmen. Er gelangte unter Hinweis auf bereits 1995 auf Veranlassung u.a. des Klägers durchgeführte Messungen zu dem Ergebnis, dass am damaligen Arbeitsplatz keine Fluorexposition im messbaren Bereich bestanden habe. In dem entsprechenden Vermerk des TAD vom 8. September 1995 heißt es zu Messungen an der Lötanlage:
"Am 7. September 1995 wurden gemeinsam mit Herrn B. an der o.a. Anlage folgende Gasmessungen durchgeführt: Fluor in der Luft, Ergebnis: n.n. Fluorwasserstoff in der Luft: Ergebnis n.n. Messeort: Arbeitsbereich/Kopfhöhe, 15-20 cm Abstand zur Anlage. Die Messungen wurden bei laufender Anlage durchgeführt."
Eine Untersuchung der dort tätigen Mitarbeiter, unter anderem des Klägers, auf Fluorid durch Werksarzt Dr. K1 ergab, dass die Konzentration des Stoffes im Urin des Klägers bei 0,7 mg/l lag.
Mit Bescheid vom 15. September 1998 entschied die Beklagte, dass die Atemwegserkrankung des Klägers keine Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur BKVO ist. Der TAD habe festgestellt, dass während der Tätigkeit bei der Firma H1 eine Exposition gegenüber Schweiß- und Brennrauchen bestand. Demgegenüber habe während der Tätigkeit bei der Firma M. keine Gefährdung im Sinne der Nummer 4302 der Anlage zur BKVO bestanden. Eine Exposition gegenüber Fluor habe ebenfalls nicht festgestellt werden können. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und trug vor, in der Akte befänden sich nur Skandal, Schande und vermutlich auch Korruption. Es sei niemals vollständig ermittelt worden. Jedoch sei er in Kontakt zu Schweißgasen, hochlegierten Chromnickelstählen, Trimethylborat, Methanol, Flussmittel F-SH 2, Silber, Kupfer, Zinn, Zink, Kühlmittel, Reinigungsmittel, Dioxinen, Furanen, Elektroden-ummantelungen, Oxidationsgasen, Teer und so weiter gekommen. Es handele sich also keineswegs nur um Fluor. Schließlich seien auch nicht die Firmen vollständig ermittelt worden, wo er gearbeitet habe. Nachdem eine stationäre Untersuchung des Klägers nicht zustande gekommen war, wies die Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 30. August 1999 zurück.
Daraufhin hat der Kläger auch insoweit fristgerecht Klage (S 40 U 477/99) erhoben und vorgetragen, er vermute einen Betrug hinter den durchgeführten Begutachtungen.
In dem Verfahren S 25 U 430/96 hat das Sozialgericht das arbeitsmedizinische Zusammenhangsgutachten nach Aktenlage des Dr. J. vom 19. Januar 1998 eingeholt. Dieser geht davon aus, dass neben Schwerhörigkeit, Schwindel und Tinnitus eine psychische Behinderung, möglicherweise im Sinne einer affektiven Psychose, vorliege. Es sei aus der Arbeitsanamnese nicht ersichtlich, dass der Kläger in seinem Arbeitsleben außer einer Lärmeinwirkung anderen gesundheitlichen Einflüssen in einem Ausmaß ausgesetzt gewesen sei, welche diese Erkrankungen verursacht haben könnten. Die psychische Erkrankung könne teilweise als Encephalopathie gedeutet werden, wie sie durch Lösemittelgemische hervorgerufen werden könne, jedoch lägen keine Hinweise auf eine entsprechende Einwirkung vor.
Durch Urteil vom 8. September 2005 hat das Sozialgericht die auf Anerkennung von Schwindel, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen als Berufskrankheit nach Nummern 1302 und/oder 1310 der Anlage zur BKVO gerichtete Klage S 25 U 430/96 abgewiesen und hat hierbei die Auffassung vertreten, es sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger den entsprechenden Listenstoffen in schädigendem Umfange ausgesetzt gewesen sei.
In dem auf Anerkennung der Atemwegserkrankung als Berufskrankheit gerichteten Verfahren hat das Sozialgericht die Klage durch Gerichtsbescheid vom 16. Mai 2007 abgewiesen. Der Kläger habe sich den geplanten Begutachtungen nicht gestellt. Es gehe zu seinen Lasten, dass nicht einmal habe festgestellt werden können, ob er überhaupt an einer obstruktiven Atemwegserkrankung leide.
Der Kläger hat gegen das in der Sache S 25 U 430/96 am 08. November 2005 zugestellte Urteil am 25. November 2005 Berufung (L 3 U 55/05) eingelegt. Ebenfalls hat er nach Zustellung des Gerichtsbescheides in der Sache S 40 U 477/99 am 21. Mai 2007 am 21. Juni 2007 Berufung (L 3 U 28/07) eingelegt.
In der Sache L 3 U 55/05 vertritt er die Auffassung, das Sozialgericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Dies gelte zunächst für die Höhe der Exposition während der Tätigkeit bei der Firma N1. Auch seien beim Schweißen und Brennen Giftstoffe aus den Teer- und Farbablagerungen ausgetreten. Auch der angegebene Kontakt zu giftigen Lötmaterialien sei nicht hinreichend berücksichtigt worden. Er sei auch durch Blei, Quecksilber und Cadmium belastet gewesen. Deshalb seien die in neurologisch-psychiatrischer Hinsicht festgestellten multifunktionalen Gesundheitsstörungen berufsbedingt.
In der Sache L 3 U 28/07 vertritt der Kläger die Auffassung, der Vorhalt mangelnder Mitwirkung sei unzutreffend. Vielmehr habe er kein Vertrauen in die von der Beklagten genannten Gutachter gehabt. Er bezweifle auch die Richtigkeit der im Beschäftigungsbetrieb durchgeführten Messungen. So würde sich Zink etwa überhaupt nicht auf der zur Messung verwandten Makrolonscheibe niederschlagen. Es stehe auch fest, dass Fluoridionen in der Atemluft am Lötrundtisch gefunden wurden. Dies habe Dr. K. bestätigt. Schließlich müssten alle von ihm geltend gemachten Berufskrankheiten in der Zusammenschau betrachtet werden.
Der Kläger beantragt im Verfahren L 3 U 55/05,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 08. September 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 25. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 1996 aufzuheben und festzustellen, dass ein Tinnitus, Schwindel, Kopfschmerzen und psychovitale Verluste sowie eine Hirnatrophie Berufskrankheiten nach Nummern 1302 und/oder 1310 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung sind
und im Verfahren L 3 U 28/07,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 16. Mai 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 15. September 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 1999 aufzuheben und festzustellen, dass seine Atemwegserkrankung eine Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur Berufs¬krank¬heitenverordnung ist.
Die Beklagte beantragt jeweils,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide und trägt im Verfahren L 3 U 55/05 unter Vorlage einer Stellungnahme ihres Präventionsdienstes hinsichtlich der behaupteten Belastung bei der Firma N1 vom 3. Juli 2007 vor, dass die fraglichen Gesundheitsstörungen bereits seit 1980 vorlägen, die Tätigkeit bei der Firma N1 aber erst im September 1988 begonnen wurde. Auch entstünden beim Brennen und Schweißen keine Chlorkohlenwasserstoffe. Soweit behauptet werde, dass beim Brennen und Schweißen PVC-beschichteter Bleche Dioxine freiwerden würden, so liege diese Art der Beschichtung üblicherweise aber nicht vor. Im Verfahren L 3 U 28/07 behauptet sie, es sei bisher noch nicht einmal das Vorliegen einer Erkrankung, die eine Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur BKVO sein könnte, nachgewiesen.
Das Berufungsgericht hat die Akte des Verfahrens 31 VS 47/93 beigezogen, in dem der Kläger mit dem Versorgungsamt Hamburg um den Grad der Behinderung gestritten hatte. In diesem Verfahren hat Dr. L2 nach Untersuchung des Klägers am 21. November 1996 am 3. Dezember 1996 ein nervenärztliches Gutachten erstellt. Er geht dort vom Vorliegen einer psychischen Behinderung aus, die sich in einer Vielzahl von Befindlichkeitsstörungen, so diffusem Dauerkopfschmerz, wechselnd ausgeprägtem Schwindel, Drehschwindel-attacken, einer Minderung der Konzentration und wohl auch einer vermehrten Reizbarkeit und einem insgesamt schlechten Gesamtbefinden äußere. Dabei hätten neurologisch normabweichende Befunde nicht erhoben werden können. Auch das Vorliegen einer hirnorganischen Schädigung sei insgesamt nicht mit der genügenden Ausprägung belegt. Die SPECT-Befunde von 1994 belegten einen Normalbefund. Auch die immer wieder vom behandelnden Nervenarzt W. diagnostizierte Hirnatrophie werde durch die bildgebende Untersuchung, wenn überhaupt, als ganz geringgradig von den Untersuchern für möglich gehalten. Da die Befunde diesbezüglich einer erheblichen interindividuellen Schwankungs-breite unterlägen, könne ein hirnatrophischer Prozess keinesfalls als gesichert angesehen werden. Auch die im Kernspintomogramm beschriebenen einzelnen kleinen vaskulären Marklagergliosen entsprächen einem Befund, welcher mit zunehmendem Lebensalter häufiger in Erscheinung trete. Sie wären allenfalls für eine leichtgradige durchblutungs-bedingte Schädigung und nicht etwa für eine toxische Schädigung typisch. Es fehle auch der für eine hirnorganische Schädigung mit mittelschwerer Leistungs¬beeinträchtigung entsprechende psychopathologische Befund. Dies gelte unabhängig von der Genese der hirnorganischen Schädigung. Hinsichtlich des psychopathologischen Befundes wirke – so Dr. L2 – der Kläger vielmehr deutlich auffällig, in affektiver Hinsicht mit mühsamer Impulskontrolle, erheblich gereizter Grundstimmung, mit einer beeinträchtigten Gesamtbefindlichkeit, einer eingeschränkten affektiven Schwingungs¬breite, einer Starre im Denken mit einem fast fanatischen Bewusstsein der eigenen Versehrtheit durch Gifte, wobei insbesondere letztbezüglich sensitive, ja fast paranoide Beziehungstendenzen anklängen. In seinem nach Aktenlage und unter Bezugnahme auf das eben genannte Gutachten im Verfahren L 3 U 55/05 erstellten Gutachten vom 30. April 2010 führt Dr. L2 ergänzend aus, es sei eine deutliche psychopathologische Auffälligkeit belegt, welche offensichtlich Jahrzehnte zurückzuverfolgen und am ehesten als kombinierte Persönlichkeitsstörung aufzufassen sei. Demgegenüber sei eine hirnorganische Schädigung nicht mit hinreichender Sicherheit belegt.
Auf Veranlassung des Berufungsgerichts hat der Arzt für Innere Medizin und Arbeitsmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Umweltmedizin Dr. S. im Verfahren L 3 U 28/07 nach Untersuchung und Befragung des Klägers am 29. Mai 2009 das internistische Gutachten vom 10. Juni 2009 erstellt. Dort heißt es abschließend, der Kläger leide an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung mit bronchialer Hyperreagibilität. Es lasse sich jedoch nicht belegen, dass diese Gesundheitsstörung durch die Exposition gegenüber Schadstoffen am Arbeitsplatz wesentlich verursacht worden ist. Wenn eine entsprechende Berufskrankheit vorliegen würde, läge die MdE bei "0", denn es handele sich nur um eine leichte obstruktive Atemwegserkrankung. Es bestehe Übereinstimmung mit den Befundberichten von Dr. K., so dass die zentrale Frage sei, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der früheren oder jetzigen beruflichen Tätigkeit des Klägers besteht. Hierfür müssten im Einzelnen die Beschäftigungszeiten bis hin zur letzten aktuellen Tätigkeit untersucht werden. Hinsichtlich der Tätigkeit bei den Phönix Gummiwerken und der Gesamthafenbetriebsgesellschaft lasse sich eine gefährdende Tätigkeit im Sinne der vorliegend in Rede stehenden Berufskrankheiten nicht feststellen. Die Tätigkeit bei H1 H2 komme als gefährdende Tätigkeit insoweit infrage, als der Kläger dort Schweißarbeiten ausgeführt habe und diese potentiell gefährdend im Sinne der Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur BKVO seien. Denn beim Schweißen entstünden Stoffe, die abhängig vom jeweils verwendeten Schweißverfahren und Elektrodenmaterial in die inhalierte Atemluft freigesetzt würden. Diese Stoffe seien grundsätzlich aufgrund ihrer Molekülstruktur geeignet, eine Irritation der Bronchialschleimhäute hervorzurufen. Allerdings hätten wissenschaftliche Untersuchungen ergeben, dass nur bei erheblicher nachgewiesener Exposition unter unzureichenden arbeitshygienischen Verhältnissen eine besondere Belastung der Atemwege bestehe und die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung in Betracht komme. Dies sei der Fall bei jahrelangen Tätigkeiten unter ungünstigen lüftungstechnischen Bedingungen, bei der Verwendung überwiegend basisch umhüllter Elektroden beim Lichtbogenhandschweißen sowie bei langjährig ausschließlicher Tätigkeit als Schutzgasschweißer an reflektierenden Grundwerkstoffen. Eine derartige Belastung lasse sich mit Blick auf die Arbeitsanamnese und die Ermittlungen des TAD nicht feststellen. Dies gelte auch für die Tätigkeit bei der Firma N1. Soweit die Tätigkeit bei der Firma M.-Benz in Rede stehe, welche seit 7. Februar 1990 ausgeübt werde, so komme diesem Zeitraum hinsichtlich der Entwicklung der Atemwegserkrankung die wesentliche Bedeutung zu, denn der Kläger habe berichtet, dass er seit Anfang der Neunziger Jahre Atemnot habe. Auch hier sei aber mit Blick auf die durchgeführten Messungen eine Grenzkonzentration, ab welcher mit gesundheitlichen Schädigungen zu rechnen sei, nicht festzustellen. Es fehlten auch entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen, die eine sicher schädigende Wirkung auf die Atemwege belegten. Allerdings sei nicht verwunderlich, dass Personen mit einer Empfindlichkeit des Bronchialsystems, wie dies bei dem Kläger der Fall sei, bei der Verwendung von Boroxiden über Atemwegsbeschwerden klagten, denn deren atemwegsreizende Wirkung sei bekannt. Hinsichtlich der Fluoride gelte, dass neben deren im Vordergrund stehenden systemischen Wirkungen auch eine chemisch irritative oder toxische Wirkung auf die Schleimhäute bestehe. Insoweit aber sei eine Ursächlichkeit so lange nicht festzustellen, wie keine Aussage zu entsprechenden Belastungen gemacht werden könnten. Hinsichtlich der Tätigkeit an Schweißarbeitsplätzen gelte ebenfalls, dass die zulässigen Grenzwerte nicht überschritten wurden und deshalb eine Ursächlichkeit nicht anzunehmen sei.
Der Kläger tritt den Äußerungen des Gutachters entgegen und trägt vor, der Sachverständige unterlasse es in seiner Aufzählung der Belastungen, die Mindergifte Sauerstoff und Acetylen zu erwähnen. Auch wirke sich das Trimethylborat gefährlicher aus als dargestellt. Ihm – dem Kläger – seien allein zwei Evakuierungsfälle wegen Austritts dieses Stoffes, welcher auch Methanol enthalte, bekannt. Es habe Vergiftungs- und Explosionsgefahr bestanden. Elgaflux 72 sei des Weiteren auch nicht das einzige Flussmittel gewesen. Er mache auch noch einmal darauf aufmerksam, dass er bei M. nie an festen Arbeitsplätzen gearbeitet habe. Der Sachverständige verkenne auch, dass Wasser als Kühlmittel verwendet worden sei. Dabei hätte berücksichtigt werden müssen, dass die Kühlung offen gewesen ist und bei der Kühlung Reste von Kupfer und Silber hätte eingeatmet werden müssen, welche sich in den Atemwegen abgesetzt hätten. Der Sachverständige banalisiere auch das Ausmaß der Fluoridexposition. So habe schon Dr. S1 davon gesprochen, dass die Mitarbeiter über massive gesundheitliche Beschwerden in Gestalt von Reizungen des Atemtrakts, der Augen und der Mundschleimhäute bis hin zur Hautjucken berichtet hätten. Die Beklagte habe es hier pflichtwidrig unterlassen, eine umfangreiche Untersuchung der Maschine und der schädigenden Einwirkungen vorzunehmen. Unvollständig sei auch die internistische Begutachtung gewesen. Sie müsse um Broncholyse und EKG ergänzt werden.
Der medizinische Sachverständige Dr. S. äußert sich in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 2. Juli 2014 hierzu und führt im Wesentlichen aus, es handele sich bei den vom Kläger angeschuldigten Stoffen Sauerstoff und Acetylen nicht um Stoffe im Sinne der Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur BKVO. Er verweist noch einmal darauf, dass er sich hinsichtlich der Einordnung der Gesundheitsstörung in Übereinstimmung mit dem behandelnden Arzt befinde. Weiterer Untersuchungen bedürfe es insoweit nicht. Es sei auch unerheblich, ob die Nichteisen-Metalle Kupfer und Silber eingeatmet wurden, denn es handele sich hierbei ebenfalls nicht um chemisch-irritative oder toxische Stoffe im Sinne der Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur BKVO. Keinesfalls habe er auch das Ausmaß der Fluoridexposition am Lötrundtisch bagatellisiert. Jedoch erübrige sich eine weitere Diskussionen hierzu, da Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht die Berufskrankheit nach Nummer 1308 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (Erkrankungen durch Fluor oder seine Verbindungen) sei.
Der Kläger hat am 16. Juni 2010 im Verfahren L 3 U 55/05 beantragt, ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Instituto L1 in P1 einzuholen. Diesem Antrag ist am 2. März 2011 stattgegeben worden. Später ist der Auftrag mit dem Einverständnis des Klägers auf das Centro N. in L. übergegangen. Diese Untersuchungsstelle hat mitgeteilt, dass sich der Kläger zu dem vorgesehenen Untersuchungstermin nicht eingefunden und – trotz Aufforderung – auch keinen neuen Termin mit der Stelle vereinbart hat. Die Untersuchungsstelle hat daraufhin den Auftrag mit Schreiben vom 1. April 2014 zurückgegeben.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten und Unterlagen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind. Das Berufungsgericht hat durch in der mündlicher Verhandlung verkündeten Beschluss beide Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung unter dem Aktenzeichen L 3 U 55/05 verbunden.
Entscheidungsgründe:
Die statthaften, form- und fristgerecht eingelegten und auch im Übrigen zulässigen Berufungen des Klägers (§§ 143, 144, 151 SGG) sind nicht begründet. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 25. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 1996 und vom 15. September 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 1999 hat die Beklagte es rechtsfehlerfrei abgelehnt, die von dem Versicherten geklagten Gesundheitsstörungen als Berufskrankheit nach den Nummern 1302 und/oder 1310 sowie 4302 der Anlage zur BKVO anzuerkennen.
Auf den Rechtsstreit finden noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) Anwendung, weil ein Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) – am 1. Januar 1997 geltend gemacht wird (vgl. Artikel 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII). Danach sind Berufskrankheiten die in der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung aufgeführten Krankheiten, die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 Reichsversicherungsordnung genannten Tätigkeiten erleidet. Als Berufskrankheiten können nach § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO solche Erkrankungen bezeichnet werden, die nach den Erkenntnissen der Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, vgl. die Nachweise im Urt. vom 29. November 2011 – B 2 U 26/10 R) ist zur Feststellung einer Listen-Berufskrankheit (im Regelfall zumindest) erforderlich, dass die versicherte Tätigkeit zu Einwirkungen von Belastungen durch Schadstoffe o.ä. auf den Körper des Versicherten (Einwirkungskausalität) geführt hat und dass diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht (haftungsbegründende Kausalität) haben. Während versicherte Tätigkeit und Exposition gegenüber Schadstoffen sowie die Erkrankung selbst im Vollbeweis feststehen müssen, gilt für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung der Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, d.h. es müssen mehr Gesichtspunkte für einen solchen Zusammen¬hang sprechen als dagegen. Dieser Rechtsprechung folgt der Senat in ebenfalls ständiger Rechtsprechung.
Das Berufungsgericht legt hinsichtlich der Arbeitsanamnese die am 14. November 1994 bei der Beklagten im Beisein des seinerzeitigen Rechtsanwaltes des Klägers und einer Dolmetscherin für die portugiesische Sprache erhobenen Daten zugrunde. An diesen Daten zu zweifeln besteht auch mit Blick auf die Behauptung des Klägers, diese seien durch die Dolmetscherin verfälscht worden, kein Anlass. Denn es ist schon nicht ersichtlich, aus welchem Grunde eine derartige Verfälschung durch die Dolmetscherin stattgefunden haben sollte. Zudem entsprechen die erhobenen Daten inhaltlich durchgängig den Angaben des bereits seinerzeit anwaltlich vertretenen Klägers in seinen zahlreichen schriftlichen Äußerungen zu seinen Tätigkeiten. Das Gericht folgt ferner den vom TAD bzw. dem Präventionsdienst daraufhin eingeholten Auskünften der Arbeitgeber zu den Schadstoffbelastungen. Sie sind vor dem Hintergrund der verschiedenen ausgeübten Beschäftigungen plausibel. Substantiierte Einwendungen hiergegen hat der Kläger nicht vorgebracht. Schließlich hat der Senat auch keinen Zweifel an der Richtigkeit der vom TAD/Präventionsdienst erhobenen Messwerte zu Schadstoffbelastungen. Bereits im Verfahren betreffend die Lärmschwerhörigkeit hatte der Kläger vor dem Senat gezielt die Behauptung von bewussten Fehlmessungen erhoben, ohne diese allerdings näher belegen zu können. Mangels Substantiierung muss der Senat dem auch in dem vorliegenden Verfahren nicht weiter nachgehen. Auch die auf den erhobenen Daten und Messungen beruhenden Berechnungen des TAD/Präventionsdienstes geben zu Zweifeln keinen Anlass.
Danach fehlt es mit Blick auf den Streitgegenstand des Verfahrens L 3 U 55/05 bereits an dem Nachweis einer im Sinne des § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO maßgeblichen Exposition gegenüber den der Nummer 1302 bzw. 1310 der Anlage zur BKVO entsprechenden Schadstoffen, also an den arbeitstechnischen Voraussetzungen. Denn hierfür reicht nicht jeder Kontakt mit Halogenkohlenwasserstoffen und/oder halogenierten Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxiden. Erforderlich ist vielmehr eine signifikante Einwirkung, d.h. eine solche Einwirkung auf den Körper des Klägers, die nach wissenschaftlicher Einschätzung geeignet wäre, Krankheitserscheinungen hervorzurufen. Dies ist nach den aufgrund der Arbeitsanamnese durchgeführten Ermittlungen des TAD nicht der Fall. Soweit der Kläger behauptet, beim Schweißen und Brennen PVC-beschichteter Bleche würden Dioxine freigesetzt, so kann das unterstellt werden. Dies entspricht auch allgemein bekannten arbeitsmedizinischen Erkenntnissen. Indessen ist nicht festzustellen, dass derartige Bleche überhaupt gebrannt und geschweißt wurden. Der erforderliche Vollbeweis einer Einwirkung von halogenierten Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxiden ist damit nicht erbracht.
In gleicher Weise fehlt es an einem Nachweis, dass der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit als Kundendienstmonteur bei der Firma N1 besonderen Einwirkungen der in § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO bezeichneten Art durch Halogenkohlenwasserstoffe, den Listenstoffen der Berufskrankheit nach Nummer 1302 der Anlage zur BKVO ausgesetzt war. Insoweit hält es der TAD zwar für möglich, dass in Gestalt der im Rahmen der Kundendiensttätigkeit im Allgemeinen verwendeten Kesselreiniger ein Kontakt zu Halogenkohlen¬wasser¬stoffen bestand. Ob dies aber tatsächlich, bejahendenfalls in welcher Form und in welcher Intensität dies der Fall war, lässt sich nicht feststellen. So konnte der Kläger gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren auch auf Vorlage der durch den Arbeitgeber erfolgten Auflistung noch nicht einmal die Produkte benennen, mit denen er in dieser Zeit tatsächlich gearbeitet hat. Der erforderliche Vollbeweis einer Einwirkung von Halogenkohlen-wasserstoffen lässt sich auf diese Weise nicht erbringen.
Bereits vor diesem Hintergrund erweist sich das Urteil des Sozialgerichts vom 08. September 2005 mit Blick auf beide geltend gemachten Listenberufskrankheiten als zutreffend.
Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen fehlt es aber selbst bei Unterstellung einer stattgefundenen Einwirkung von Halogenkohlenwasserstoffen bzw. halogenierten Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxiden an den (weiteren) Voraussetzungen für die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nummer 1302 und/oder 1310 der Anlage zur BKVO in Gestalt einer Listenerkrankung. Denn Halogenkohlenwasserstoffe schädigen aufgrund ihrer vor allem neurotoxischen Wirkung das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) oder das periphere Nervensystem (hiervon abgehende Nerven) und führen so zu einer Encephalopathie (nicht-endzündliche Erkrankung des Gehirns) oder zu einer Polyneuropathie (nicht-entzündliche Erkrankung der peripheren Nerven, vgl. hierzu Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 1302 "Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe", Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit vom 29. März 1985, BArbBl. 6/1985; Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 1303 "Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol", Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit vom 24. Februar 1964, BArbBl. Fachteil Arbeitsschutz 1964, 30; Merkblatt zur Berufskrankheit Nummer 1317 "Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische", BArbBl. 3/2005, 49 sowie "Wissenschaftliche Begründung zur Berufskrankheit Nummer 1317, Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit vom 24. Juni 1996, BarbBl 9/1996, 44 ff.). Gleiches gilt für die Einwirkung von halogenierten Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxiden, den Stoffen der Nummer 1310 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung. Auch ihnen werden Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem zugeschrieben (vgl. Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nummer 1310 der Anlage zur BKVO, Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit vom 10. Juli 1979, BArbBl 7/8/1979). Die von dem Versicherten geklagten Gesundheits¬störungen in Gestalt von Tinnitus, Schwindel, Kopfschmerzen und psychovitalen Verlusten sowie einer Hirnatrophie könnten danach nur dann als Folge einer Berufskrankheit nach Nummern 1302 und/oder 1310 der Anlage zur BKVO anerkannt werden, wenn sie Ausdruck einer hirnorganischen Erkrankung, einer Encephalopathie, wären, welche durch die vorliegend angeschuldigten Listenstoffe verursacht wurde.
Die Feststellung, dass bei dem Kläger eine Encephalopathie vorliegt, lässt sich indessen nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht treffen. Denn Dr. L2 ordnet in seinem Gutachten vom 30. April 2010 die Erkrankung des Klägers im psychiatrischen Bereich als kombinierte Persönlichkeitsstörung und nicht als hirnorganische Schädigung ein, weil eine solche nicht mit hinreichender Sicherheit belegt ist. Dieser Einschätzung folgt der Senat. Dr. L2 hat nämlich nachvollziehbar erklärt, dass sowohl die Bildgebung als auch der psychopathologische Befund gegen das Vorliegen einer hirnorganischen Störung sprechen. Zum gleichen Ergebnis gelangt Dr. J ... Dies bestärkt den Senat in seiner Überzeugung. Überdies lassen auch die Berichte der behandelnden Ärzte erkennen, dass die von ihnen erhobenen Befunde sich nicht nur durch Annahme einer hirnorganischen Störung erklären lassen, sondern differentialdiagnostisch auch andere Erklärungsmuster vorhanden sind. Damit ist für den Senat allein die durch Dres. L2 und J. vorgenommene Einordnung maßgeblich.
Schließlich fehlte es – selbst bei Unterstellung einer hirnorganischen Erkrankung als Auslöser der geklagten Störungen – an der haftungsbegründenden Kausalität. Denn bei allen Tätigkeiten wurde nach den arbeitsmedizinischen Ausführungen des Dr. J. der Schwellenwert für Belastungen nicht erreicht. Dies gilt namentlich für die Tätigkeit als Kundendienstmonteur im Heizungsbau. Nachdem der Kläger selbst keine Angaben zu den verwandten Stoffen machen kann, legt auch hier der Senat die Angaben des Arbeitgebers und die Erhebungen des TAD zugrunde. Danach werden die entsprechenden Reiniger nur bei einem Teil der Tätigkeiten und insgesamt nur wenige Minuten pro Tag eingesetzt. Sie werden mit dem Handsprüher in den Brennraum des Heizkessels eingebracht. Bereits hieraus erhellt, dass eine Belastung des Monteurs allenfalls geringfügig sein kann. Mit dem nicht weiter substantiierten Hinweis des Klägers, dass die toxische Belastung höher war, als angenommen, ist die im Rahmen von § 20 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) abgegebene sachkundige Stellungnahme des TAD nicht zu erschüttern. Dies gilt umso mehr, als der Kläger bei der im Beisein seines seinerzeitigen Rechtsanwalts mit Dolmetscherhilfe durchgeführten Besprechung mit dem TAD am 14. November 1994 schon den Arbeitsstoff nicht hat bezeichnen können, dem gegenüber er bei der Tätigkeit für die Firma N1 exponiert gewesen sein will, obwohl ihm eine Liste aller Stoffe vorgelegt worden war, welche bei diesem Arbeitgeber Anwendung fanden. Gegen einen Ursachenzusammenhang einer – unterstellten – hirnorganischen Erkrankung spricht schließlich, dass nach der aufgrund der Krankengeschichte abgegebenen Einschätzung von Dr. L2, welche von Dr. J. geteilt wird, die gesundheitlichen Störungen des Klägers im psychiatrischen Bereich ihren Ursprung bereits in den frühen siebziger Jahren, mithin weit vor Aufnahme der – angeblich – gefährdenden Tätigkeit als Kundendienstmonteur für Heizungsanlagen hatten.
Aus alldem ergibt sich, dass es an dem erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen berufsbedingten Einwirkungen und einer hirnorganischen Erkrankung – deren Vorliegen unterstellt – nach dem anzuwendenden Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit fehlt. In Würdigung der Gesamtumstände sprechen gegen einen solchen Zusammen¬hang mehr Gesichtspunkte als dafür.
Mit Blick auf den Streitgegenstand des Verfahrens L 3 U 28/07 hat die Berufung ebenfalls keinen Erfolg. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Atemwegserkrankung des Klägers eine Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur BKVO ist.
Nach Nr. 4302 der Anlage zur BKVO sind Berufskrankheiten durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Listennummer lassen sich nicht feststellen.
Chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Arbeitsstoffe kommen an zahlreichen Arbeitsplätzen als Inhalationsnoxen vor. Sie sind teilweise mit den früher üblichen Begriffen "Reizstoffe" oder "Reizgase" identisch. Die Berufskrankheit betrifft jedoch nur durch diese Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen. Die Noxen können in Form von Gasen, Dämpfen, Stäuben oder Rauchen vorkommen. Im Einzelfall sind Intensität und Dauer der Einwirkung zu berücksichtigen, immer ist aber auch mit der Möglichkeit einer individuellen Empfindlichkeitssteigerung zu rechnen. Bedeutsam ist der zeitliche Zusammenhang zwischen Exposition und Krankheitsbeginn (vgl. Merkblatt zur BK 4302, Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit vom 10. Juli 1979, BArbBl. 7/8/1979).
Allerdings leidet der Kläger – wenn auch nach dem Gutachten des Dr. S. ohne Auswirkung auf die Erwerbsfähigkeit – an einer entsprechenden Listenberufskrankheit in Gestalt einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung mit bronchialer Hyperreagibilität. Dies hat Dr. S. in Übereinstimmung mit dem behandelnden Lungenarzt festgestellt. Nicht feststellen lässt sich indessen, dass diese durch die ausgeübten Tätigkeiten verursacht wurde. Hinsichtlich der Tätigkeit bei den P.-Gummiwerken fehlt jeder Hinweis auf eine entsprechende Exposition. Innerhalb der von 30. September 1974 bis zum 30. Oktober 1983 ausgeübten Schweißertätigkeit war zwar nach den Ausführungen des Dr. S. eine Gefährdungslage insoweit gegeben, als der Kläger dort auch mit dem Lichtbogenhandschweißverfahren gearbeitet hat. Jedoch erreichte der Anteil der Tätigkeit unter ungünstigen lüftungstechnischen Bedingungen, der allein nach der Einschätzung des medizinischen Sachverständigen eine ursächliche Verbindung herzustellen geeignet wäre, arbeitsanamnestisch nicht eine Größenordnung, die nach wissenschaftlicher Erkenntnis einen Zusammenhang mit der später aufgetretenen obstruktiven Atemwegserkrankung hinreichend wahrscheinlich macht. Überdies ist die Erkrankung nicht im unmittelbaren zeitlich Zusammenhang mit dieser Tätigkeit, sondern erst mehr als 10 Jahre danach ärztlich festgestellt worden. Gerade aber die zeitliche Komponente ist – wie auch Dr. S. in Übereinstimmung mit dem Merkblatt und in Übereinstimmung mit der arbeitsmedizinischen Literatur (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Seite 1060 m.N.) in seinem Gutachten ausführt, ein maßgebliches Abgrenzungskriterium.
Auch ein ursächlicher Zusammenhang der Tätigkeit bei der Firma M.-Benz und der Entstehung der Atemwegserkrankung lässt sich nicht wahrscheinlich machen. Dies gilt auch dann, wenn beim Arbeiten am Lötrundtisch Boroxide freigeworden sind. Denn insoweit ist zwar mit Dr. S. davon auszugehen, dass diese atemwegsreizend sind. Nach den Ermittlungen des TAD/Präventionsdienstes sind aber alle bekannten Grenzwerte eingehalten, so dass auch Dr. S. von einem fehlenden Zusammenhang ausgeht. Dies gilt auch für Fluorid, welches ebenfalls reizend wirkt und beim Lötvorgang auftreten kann. Jedoch lag die Fluoridkonzentration am Lötrundtisch unterhalb der Nachweisgrenze. Der Annahme eines Ursachenzusammenhangs steht auch entgegen, dass der Kläger widersprüchliche Angaben zum Beschwerdebeginn macht. So wurde die Arbeit am Lötrundtisch nach den Angaben des Klägers gegenüber Dr. K. erst 1995 begonnen, gegenüber Dr. S. berichtete er aber von Atemwegsbeschwerden bereits seit Beginn der neunziger Jahre. Eine kausale Verknüpfung mit der Arbeit am Lötrundtisch lässt sich so nicht herstellen.
Soweit der Kläger schließlich die Tätigkeit bei M. im Allgemeinen und in Gestalt weiterer Arbeitsstoffe für die Entstehung der Atemwegserkrankung verantwortlich macht, fehlt es – unabhängig davon, dass auch insoweit eine entsprechende Exposition mit Blick auf die Ermittlungen des TAD nicht nachgewiesen ist – an der Erfüllung der weiteren tatbestandlichen Voraussetzung eines Zwangs zur Aufgabe der Tätigkeit. Denn der Kläger hat seine Tätigkeit dort an diversen Arbeitsplätzen bis zum Ende seines aktiven Berufslebens fortgesetzt. Dieser Umstand und die fehlende Minderung der Erwerbsfähigkeit durch die Erkrankung stehen der Feststellung des Aufgabezwanges im vorliegenden Einzelfall jedenfalls entgegen. Ohne einen objektiven Zwang zur Aufgabe aber kann eine Berufskrankheit im Sinne der Nummer 4302 der Anlage zur BKVO nicht festgestellt werden.
Der Frage, wie hoch schließlich der Fluorid-Wert im Urin des Klägers während der Tätigkeit am Lötrundtisch war, muss nicht weiter nachgegangen werden. Denn die systemischen Wirkungen von Fluor sind nicht Gegenstand der Berufskrankheit nach Nummer 4302 der Anlage zur BKVO, sondern derjenigen nach Nummer 1308 der Anlage zur BKVO, welche vorliegend nicht im Streit ist. Überdies lag der Wert für Fluorid bei der Untersuchung durch den Werksarzt Dr. K1 zum Zeitpunkt der Tätigkeit am Lötrundtisch, von welcher der Kläger selber im ersten Rechtszug berichtet, mit 0,7 mg/l im nichtpathologischen Bereich. Dies hat Dr. J. in seinem arbeitsmedizinischen Gutachten unter Hinweis auf den Normwert von (1,0 mg/l feststellt. Nach allem bedarf es weiter Ermittlungen zur Fluorbelastung nicht.
Der Anregung des Klägers, ihm weiterhin Gelegenheit zur Untersuchung durch einen portugiesischen Arzt seiner Wahl nach § 109 SGG zu geben, folgt das Gericht nicht, weil hierdurch die Erledigung des in jeder Hinsicht entscheidungsreifen Rechtsstreits noch weiter verzögert würde. Der Kläger hatte ausreichend Gelegenheit, sich dieser Untersuchung zu unterziehen. In Würdigung aller Umstände sieht es der Senat als grobe Nachlässigkeit an, wenn der Kläger auf mehrfach schriftlich geäußerte Bitten der Untersuchungsstelle zur Terminabsprache über mehrere Monate nicht reagiert hat und eine Untersuchung so bis zum Tag der mündlichen Verhandlung nicht zustande kam.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
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