L 6 KR 645/14 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 13 KR 461/13
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 645/14 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Es besteht kein Anspruch auf eine ambulante ärztliche Liposuktion bei einem Lipödem Stadium III an beiden Beinen, Hüften und Händen.
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 8. April 2014 wird zurückgewiesen. Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin begehrt die Erstattung von Kosten einer ambulanten Liposuktion (Fettabsaugung).

Die 1986 geborene Beschwerdeführerin ist bei der Beschwerdegegnerin gesetzlich krankenversichert. Sie leidet seit vielen Jahren an einem Lipödem im Stadium III an beiden Beinen, Hüften und Händen. Sie beantragte bei der Beschwerdegegnerin die Kostenübernahme für die Durchführung einer ambulanten Liposuktion. Diese lehnte den Antrag nach Einholung eines Gutachtens bei dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung T. e.V. (MDK) mit Bescheid vom 21. August 2012 ab. Vorrangig müsse eine Bewegungstherapie und eine Kompressionstherapie durchgeführt werden, auch sei eine manuelle Lymphdrainage indiziert. Der eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2012). Die Beschwerdeführerin unterzog sich am 13. September 2012, am 26. Oktober 2012 und 22. April 2013 bei Dr. St. jeweils einer ambulanten Liposuktion, wobei Kosten in Höhe von 3.538,86 EUR, 5.219,20 EUR sowie 2.289,06 EUR entstanden.

Die Beschwerdeführerin begehrt im Rahmen des Klageverfahrens die Erstattung der Kosten der durchgeführten Liposuktionsbehandlungen und beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH). Das Sozialgericht Altenburg (SG) hat den Antrag mit Beschluss vom 8. April 2014 abgelehnt, da die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Es handle sich bei der Liposuktion um eine neue Behandlungsmethode, die nach § 135 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden dürfe, wenn eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vorliegt. Das sei hier nicht der Fall. Es gebe auch keine Anhaltspunkte für ein sog. Systemversagen. Letztlich führe auch eine grundrechtsorientierte Auslegung zu keinem anderen Ergebnis, insbesondere da die Beschwerdeführerin nicht an einer lebensbedrohlichen oder wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung leidet.

Im Beschwerdeverfahren macht die Beschwerdeführerin geltend, dass die Nichtaufnahme der Liposuktion in die vertragsärztliche Versorgung einen Systemmangel darstellen würde. Auch lägen die Voraussetzungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (Az.: 1 BvR 347/98) vor, da die Erkrankung bei der Beschwerdeführerin ohne geeignete Behandlung lebensbedrohlich sei.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 8. April 2014 aufzuheben und ihr Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. F.,. zu bewilligen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Beschluss des SG sei nicht zu beanstanden. Das Bundessozialgericht (BSG) und der erkennende Senat hätten bereits über die streitgegenständliche Behandlung entschieden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der Beschwerdeakte sowie der beigezogenen Prozessakte (Az.: S 13 KR 461/13) Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung war

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH für das Verfahren vor dem SG.

Nach § 73a Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Beschwerdeführerin zum Erfolg führen kann. Dies setzt voraus, dass das Gericht ihren Standpunkt nach ihrer Sachdarstellung und den vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält, in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für den Eintritt des angestrebten Erfolgs eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 73a Rn. 7 f.). Dies ist hier nach summarischer Prüfung nicht der Fall.

Zu Recht hat das SG ausgeführt, dass ein Anspruch auf eine ambulante ärztliche Liposuktion daran scheitert, dass der GBA die neue Methode der Fettabsaugung nicht positiv empfohlen hat und kein Ausnahmefall vorliegt, in welchem dies entbehrlich ist. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2008 - Az: B 1 KR 11/08 R, nach juris), der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 29. August 2012 - Az.: L 6 KR 49/12 B, nach juris). Auch ein Ausnahmefall, in dem es keiner Empfehlung des GBA bedarf, liegt nicht vor. Nach der genannten Entscheidung des BSG gibt es weder Anhaltspunkte für ein Systemversagen, noch liegt eine wertungsmäßig einer lebensbedrohlichen Erkrankung vergleichbare Erkrankung bei schmerzhaften Lipödemen vor. Auf mögliche schwerwiegende Langzeitfolgen, sofern sie denn überhaupt drohen, kann in diesem Zusammenhang nicht abgestellt werden, da der Eintritt der befürchteten Folgen unmittelbar bevorstehen muss (vgl. Senatsbeschluss vom 29. August 2012 - Az.: L 6 KR 49/12 B, nach juris Rn. 12). Das ist bei der Beschwerdeführerin nicht der Fall.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der GBA mit Beschluss vom 22. Mai 2014 nunmehr ein Beratungsverfahren zur Bewertung der Liposuktion bei Lipödem eingeleitet hat. Selbst wenn der GBA im Ergebnis zu einer Positivempfehlung kommen sollte, könnte sich die Beschwerdeführerin im Erstattungsverfahren nicht darauf berufen. Maßgeblich ist, ob ein Leistungsanspruch zum Zeitpunkt der Behandlung bestanden hat, spätere Änderungen zugunsten der Versicherten genügen nicht (vgl. Brandts in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Oktober 2012, § 13 SGB V Rn. 53). Das gesetzliche Verbot neuer Behandlungsmethoden hat im Interesse der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung den Sinn, den Versicherten und die Versichertengemeinschaft vor riskanten und/oder ineffektiven medizinischen Maßnahmen zu schützen. Mit diesem Ziel wäre es nicht zu vereinbaren, wenn nachträglich die Kosten für eine Therapie zu erstatten wären, deren Wirksamkeit und Unbedenklichkeit im Zeitpunkt der Behandlung zweifelhaft war (vgl. BSG, Beschluss vom 8. Februar 2000 - Az.: B 1 KR 18/99 B, nach juris Rn. 9).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved