Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 P 1729/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 746/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Januar 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Pflegegeld nach der Pflegestufe I ab 1. März 2011.
Der 1954 geborene, bei der Beklagten gesetzlich pflegeversicherte Kläger leidet an Adipositas permagna mit Bewegungs- und Belastungseinschränkung, Diabetes mellitus mit Gefühlsstörungen der Extremitäten, Schwindelbeschwerden bei arterieller Hypertonie, einem ausgeprägten Lymphstau beider Beine, einem Schulter- und Wirbelsäulensyndrom, einer gutartigen Prostatavergrößerung sowie einer depressiven Symptomatik. Er beantragte am 18. März 2011 bei der Beklagten Leistungen bei Pflegebedürftigkeit in Form von Pflegegeld. Dabei gab er an, Hilfe beim Duschen/Baden, beim Waschen des Rückens, des Unterleibs und der Füße, beim Richten der Bekleidung, Säubern des Intimbereichs nach Stuhlgang sowie beim An- und Entkleiden von Socken, Strümpfen und Schuhen zu benötigen.
Die Beklagte veranlasste das Gutachten durch Pflegefachkraft R.-H., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), vom 5. Mai 2011, welches sie nach einer häuslichen Untersuchung des Klägers vom 4. Mai 2011 erstellte. Als pflegerelevante Diagnosen nannte diese eine Adipositas permagna (Körpergröße 173 cm, Körpergewicht 160 kg) mit Bewegungs- und Belastungseinschränkung sowie (anamnestisch) Depressionen. Sie schätzte den täglichen Hilfebedarf für die Verrichtungen der Grundpflege auf 22 Minuten (Körperpflege 16 Minuten, Ernährung 0 Minuten, Mobilität sechs Minuten). Der Kläger könne vom Sitzen selbstständig aufstehen und sein Bett selbst verlassen und wiederaufsuchen. Das Gehen sei ihm (breitbeinig watschelnd) innerhalb und außerhalb des Wohnbereichs freihändig selbstständig möglich. Den Nackengriff könne er vollständig, den Schürzengriff teilweise ausführen. Das Bücken im Sitzen bis zu den Füßen sei limitiert. Die Beweglichkeit der Hände sei bei vorhandener Kraft alltagstauglich erhalten. Die Feinmotorik sei aufgrund von Parästhesien gemindert, der Faustschluss beidseits komplett. Hilfebedarf bestehe bei Badetransfers sowie bei der Rücken-, Haar-, Fuß- und Intimwäsche dorsal. Außerdem bestehe ein Nachsäuberungsbedarf nach Stuhlausscheidung. Mit Bescheid vom 10. Mai 2011 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Nach den Feststellungen des MDK seien die Voraussetzungen für die Pflegestufe I nicht erfüllt.
Der Kläger erhob Widerspruch. Die angesetzten Zeiten des Hilfebedarfs seien zu gering bemessen. Aufgrund von schmerzhaften Bewegungseinschränkungen, welche witterungsbedingt schwankten, benötige er mehr Zeit, um sich zu richten. Ärztlich belegt leide er an Arthrosen in der Wirbelsäule, den Knien sowie den Fuß- und Handgelenken, geschwollenen Unterschenkeln sowie urologischen und psychiatrischen Erkrankungen, welche von der Gutachterin des MDK nicht berücksichtigt worden seien. Sein Hilfebedarf beruhe überwiegend auf seinem krankhaften Übergewicht. Zeitaufwändig sei das An- und Ausziehen von Stützstrümpfen der Kategorie II. Die Essenszubereitung falle ihm schwer, da ihm ein langes Stehen am Herd oder das Schälen von Früchten oder Kartoffeln Schmerzen bereite. Hilfe benötige er auch für das An- und Ausziehen von Hosen und Schuhen. Außerdem benötige er Hilfe beim Aufstehen vom Bett und vom Stuhl. Sein hohes Körpergewicht stelle einen zu berücksichtigenden pflegeerschwerender Faktor dar. Aufgrund seiner Stoffwechselkrankheit müssten seine Beine zweimal täglich eingerieben werden. Pflegeerschwerend seien auch die beengten Raumverhältnisse im Badezimmer. Die Voraussetzungen für die Pflegestufe I seien daher erfüllt.
Die Beklagte veranlasste die Einholung eines Gutachtens der Pflegefachkraft S., MDK, vom 1. August 2011. Sie gab als pflegebegründende Diagnosen eine Adiposaitas permagna, eine Belastungsminderung und eine Bewegungseinschränkung an und schätzte den täglichen Grundpflegebedarf des Klägers auf 35 Minuten (Körperpflege 25 Minuten, Ernährung 0 Minuten, Mobilität zehn Minuten). Aufgrund seiner Körpermaße (Körpergröße 173 cm, Körpergewicht 160 kg) könne der Kläger bei der täglichen Körperpflege den Rücken, den Unterkörper und die Füße nicht pflegen, jedoch durch entgegenkommende Bewegungen die Pflegemaßnahme unterstützen. Im Sitzen könne er sich den vorderen Oberkörper selbst waschen und Zahn- sowie Mundpflege, das Kämmen und die Rasur selbstständig durchführen. Bei den Toilettengängen benötige er Hilfestellung beim Säubern des Intimbereichs nach Stuhlgang. Im Bereich der Ernährung sei er selbstständig. Stützstrümpfe müssten ihm an- und ausgezogen werden und er benötige Hilfestellung beim Überstreifen der Kleidung über die Füße. Innerhalb des Wohnbereichs sei er selbstständig gehfähig. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2012 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück und stützte sich auf die Feststellungen des MDK.
Am 10. April 2012 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) und verwies auf seine Widerspruchsbegründung.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid entgegen. Soweit Allgemeinmediziner Dr. Dr. W. ausgeführt habe (sachverständige Zeugenauskunft vom 8. Juni 2012), für das An- und Entkleiden der Kompressionsstrümpfe bestehe ein höherer Hilfebedarf, sei dies im MDK-Gutachten der Frau S. vom 1. August 2011 durch Verdopplung der entsprechenden Zeiten beim An- und Entkleiden gegenüber dem MDK-Gutachten der Frau R.-H. vom 5. Mai 2011 berücksichtigt worden. Die von ihm, Dr. Dr. W., angegebenen Zeiten von zwölf Minuten für das Ankleiden bzw. acht Minuten für das Entkleiden lägen über den Werten, die nach der Richtlinie der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) (Begutachtungs-Richtlinie) bei einer vollen Übernahme der Verrichtung anfallen würden. Der Kläger benötige jedoch lediglich Hilfe beim Ziehen der Hose und Socken über die Füße und darüber hinaus beim An- und Ausziehen der Kompressionsstrümpfe. Einen Hilfebedarf beim Aufstehen hätten die Gutachterinnen nicht festgestellt.
Das SG hörte den Hausarzt des Klägers Dr. Dr. W. als sachverständigen Zeugen. Dieser gab unter dem 8. Juni 2012 an, der Kläger leide an einem ausgeprägten Übergewicht, einer behandlungsbedürftigen Zuckererkrankung, einer diabetischen Rhetinopathie, einer diabetischen Neuropathie mit Parästhesien, einer arteriellen Hypertonie, einem ausgeprägten Lymphstau beider Beine, einem Wirbelsäulen- und Schultersyndrom, depressiven Episoden, einer Prostatavergrößerung, allergischen Reaktionen und einem Tinnitus mit Hörminderung. Das ausgeprägte Übergewicht führe zu einer deutlichen Einschränkung der Mobilität mit einem damit verbundenen erhöhten Zeitaufwand bei nahezu allen täglichen Verrichtungen und zum teilweisen Bedarf an fremder Hilfe. Im Rahmen von depressiven Episoden kämen deutliche Antriebsminderungen hinzu. Zeitweilige Parästhesien führten zu Beeinträchtigungen der Feinmotorik. In den von der Beklagten eingeholten Gutachten seien der Zeitaufwand für das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen nicht berücksichtigt worden. Angemessen sei aus seiner Sicht ein täglicher Zeitaufwand für das Ankleiden von zwölf Minuten und für das Entkleiden von acht Minuten. Wegen der schmerzhaften Verschleißerkrankung von Wirbelsäule und Schultern benötige der Kläger darüber hinaus zweimal wöchentlich Hilfe beim Aufstehen und Zubettgehen mit einem Zeitaufwand von etwa sieben Minuten.
Sodann erstattete Kinderkrankenschwester und Fachwirtin für Sozialwesen B. auf Veranlassung des SG ihr Gutachten vom 4. September 2012, welches sie nach einer häuslichen Untersuchung des Klägers vom 22. August 2012 erstellte. Diese nannte als pflegebegründende Diagnosen ein ausgeprägtes Übergewicht, einen behandlungsbedürftigen Diabetes mellitus, wahrscheinlich Gefühlsstörungen der Extremitäten, eine diabetische Rhetinopathie, eine arterielle Hypertonie, einen ausgeprägten Lymphstau beider Beine, eine Verschleißerkrankung der Wirbelsäule und der Schulter, depressive Episoden, eine Prostatavergrößerung, allergische Reaktionen und einen Tinnitus mit Hörminderung. Den täglichen Grundpflegebedarf des Klägers schätzte sie auf 38 Minuten (26 Minuten Körperpflege, 0 Minuten Ernährung, zwölf Minuten Mobilität). Der Kläger könne seinen Oberkörper noch alleine waschen, während die Reinigung des Rückens und der Füße übernommen werden müsse. Die Zahnpflege, das Rasieren und das Kämmen der Haare erfolgten selbstständig. Beim An- und Auskleiden sei teilweise Hilfestellung erforderlich. Bei erhaltener Urin- und Stuhlkontinenz könnten die Toilettengänge von ihm selbstständig durchgeführt werden, wobei die Reinigung nach Stuhlgang teilweise übernommen werden müsse. Bei der Ernährung bestehe kein Hilfebedarf. Er könne mit dem Rollator auch selbstständig gehen. Als pflegeerschwerender Faktor könne das Körpergewicht von über 80 kg berücksichtigt werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 8. Januar 2013 wies das SG die Klage ab. Nach übereinstimmender Beurteilung in den Gutachten des MDK und im gerichtlichen Sachverständigengutachten liege der Hilfebedarf des Klägers bei den täglichen Grundpflegeverrichtungen lediglich bei 35 bis knapp 40 Minuten täglich. Es sei nicht zu erkennen, dass die von Frau B. veranschlagten Zeitansätze zu niedrig seien, abgesehen davon, dass aufgrund der Einschränkungen der Feinmotorik ein zusätzlicher Hilfebedarf von zwei bis drei Minuten täglich für das Öffnen von Flaschen und das Einschenken von Getränken zu berücksichtigen sei, womit der tägliche Grundpflegebedarf dann bei 40 bis 41 Minuten liege und die Voraussetzungen für die Pflegestufe I weiterhin nicht erfüllt seien. Der von Dr. Dr. W. beschriebene Hilfebedarf beim Aufstehen und Zubettgehen habe durch die Sachverständige nicht bestätigt werden können.
Gegen den Gerichtsbescheid vom 8. Januar 2013 (Nachweis für die Zustellung an den Kläger nicht aktenkundig) hat der Kläger am 8. Februar 2013 zur Niederschrift beim SG Berufung eingelegt. Die vom SG zu Grunde gelegten Zeitwerte überschreite er deutlich. Soweit die Sachverständige B. festgestellt habe, dass er selbstständig aufstehen und sich hinsetzen könne, sei ihm dies nur unter schwerster Anstrengung und deutlich zeitverzögert möglich. Bei schlechtem Wetter sei ihm dies nur mit Hilfe einer Person möglich. Er setze zweimal täglich Stuhlgang ab, wobei ebenfalls ein erhöhter Hilfebedarf beim Aufstehen, Hinsetzen und bei der Reinigung erforderlich sei. Seine langen Stützstrümpfe, die über das Knie reichten, seien sehr schwer an- und auszuziehen. Das erforderliche Eincremen seiner Beine sei im Gutachten ebenfalls nicht berücksichtigt worden. Er benötige außerdem Hilfe beim Transfer im Bett von der Rückenlage in die Sitzstellung und beim Aufstehen. Da er wegen seiner vergrößerten Prostata öfters Harndrang verspüre und die Toilette aufsuchen müsse, benötige er zusätzliche Hilfe. Das Anziehen eines Pullovers sei für ihn aufgrund seiner schmerzhaften Bewegungseinschränkung der Schulter und Arme fast unmöglich. Treppensteigen und Laufen könne er nur im Umfang von ca. 150 bis 200 m, da er dann wegen einer massiven Atemnot eine Erholungspause benötige. Gegen das vom Senat eingeholte Sachverständigengutachten des Pflegesachverständigen Bi. vom 21. Februar 2014 hat der Kläger eingewandt, es sei anhand von Tabellen und Richtwerten, nicht jedoch nach dem tatsächlich benötigten Zeitaufwand zustande gekommen. Sein tatsächlicher Pflegebedarf verändere sich durch die Tagesform beeinflussende witterungsbedingte Einflüsse und seine wechselnde Antriebs- und Tatkraft. Im Bereich der Ernährung habe der Sachverständige nicht berücksichtigt, dass bei hartem Essen wie Fleisch, manchen Gemüsesorten und hartem Brot wegen seiner empfindlichen und geschwächten Zähne eine mundgerechte Zubereitung erforderlich sei. Bei der Mobilität benötige er außerdem täglich Hilfe beim Gehen und beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung im Zusammenhang mit dem Gang zur Apotheke, zum Arzt oder bei Spaziergängen. Dabei benötige er insbesondere Hilfe beim Treppensteigen. Regelmäßige Arztbesuche fänden ein- bis zweimal monatlich statt. Die Apotheke müsse er einmal wöchentlich aufsuchen, da er Verbandmaterial für seine Beine benötige. Im Sommer habe er aufgrund von starkem Schwitzen einen erhöhten Duschbedarf mit entsprechendem zusätzlichem Pflegeaufwand. Stuhlgang habe er im Durchschnitt nicht zweimal, sondern dreimal täglich. Er könne auch den vorderen Intimbereich nicht selbstständig erreichen. Für die Ganzkörperwäsche habe er einen Pflegebedarf von zwölf anstelle der vom Sachverständigen Bi. festgestellten neun Minuten, wie er in einem Selbsttest ermittelt habe. Für das Einreiben der Beine seien drei anstelle der zwei festgestellten Minuten erforderlich. Beim Richten der Kleidung müsse berücksichtigt werden, dass auch Ersatzkleidung gerichtet werden müsse für den Fall, dass er sich einnässe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Januar 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. März 2011 Pflegegeld nach der Pflegestufe I zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und die Entscheidungsgründe des Urteils des SG.
Der Senat hat das Sachverständigengutachten des Herrn Bi. vom 21. Februar 2014 eingeholt, welches er nach einer häuslichen Untersuchung des Klägers vom 18. Februar 2014 erstellt hat. Dieser hat als pflegebegründende Diagnosen eine Adipositas permagna (140 kg), einen tablettenpflichtigen Diabetes mellitus mit Gefühlsstörungen der Extremitäten, Schwindelbeschwerden bei arterieller Hypertonie, einen ausgeprägten Lymphstau beider Beine, eine Verschleißerkrankung der Wirbelsäule und der Schultern, eine gutartige Prostatavergrößerung und eine depressive Symptomatik genannt. Den täglichen Grundpflegebedarf hat er auf 38 Minuten geschätzt (Körperpflege 21 Minuten, Ernährung 0 Minuten, Mobilität zehn Minuten, verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sieben Minuten). Innerhalb der Wohnung lege der Kläger verrichtungsbezogene Wegstrecken selbstständig und ausreichend sicher zurück und das Aufstehen vom Sofa aus sitzender sowie liegender Position sei ihm autark möglich. Das selbstständige Hinlegen ins Bett sei ihm ebenfalls möglich, während beim Aufstehen eine minimale Hilfe beim Hochziehen an der Hand von ca. zwei Sekunden erforderlich sei. Nächtliche Toilettengänge führe er selbstständig durch. Zum Öffnen einer ungeöffneten Flasche Wasser sei er ebenso in der Lage wie zur Zahnpflege, Rasur und zum Kämmen. Seine Arme könne er bis zu den Schläfen anheben, während der Nackengriff nicht endständig demonstrierbar sei. Die Bückfunktion sei aufgrund des Übergewichts eingeschränkt, so dass Hilfe beim An- und Ausziehen der Unterbekleidung und Unterstützung beim Über-den-Kopf-ziehen der Oberbekleidung erforderlich sei (Ankleiden sechs Minuten, Entkleiden drei Minuten). Beispielsweise könne er eine Jeanshose selbstständig ausziehen, diese jedoch nicht wieder anziehen. Hilfe benötige er außerdem beim Waschen des Rückens und des Unterkörpers viermal wöchentlich (neun Minuten), teilweise beim Duschen dreimal wöchentlich (acht Minuten), bei der Intimhygiene nach Stuhlgang zweimal täglich (vier Minuten), beim Transfer im Zusammenhang mit dem Duschvorgang dreimal wöchentlich (eine Minute), beim Anziehen (vier Minuten) und Ausziehen (eine Minute) der Kompressionsstrümpfe und beim Einreiben mit Dermatika (zwei Minuten). In seiner vom Senat eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 17. April 2014 hat er ausgeführt, entgegen dem Einwand des Klägers habe er in seinem Gutachten dessen individuelle gesundheitliche Situation und den hieraus abzuleitenden Fremdhilfebedarf festgestellt, wobei er den durchschnittlichen Pflegeaufwand innerhalb einer Woche ohne unregelmäßige Schwankungen an einzelnen Tagen berücksichtigt habe. Im Hinblick auf den von ihm festgestellten unauffälligen Händedruck und die Fähigkeit des Klägers, eine ungeöffnete Wasserflasche ohne Probleme zu öffnen, habe er auch keinen Hilfebedarf für eine mundgerechte Nahrungszubereitung angesetzt. Im Rahmen der Mobilität seien Spaziergänge ebenso wenig anrechnungsfähig wie das Aufsuchen von Apotheken oder Ärzten, die das persönliche Erscheinen des Klägers nicht notwendig machen würden (z.B. das Abholen von Rezepten oder Medikamenten). Außerdem suche der Kläger Ärzte nach seinen Angaben lediglich ein- bis zweimal monatlich auf. Ein zweimal tägliches Duschen könne nicht berücksichtigt werden, da dies nur an einzelnen sehr heißen Sommertagen nachvollziehbar sei. Während der Begutachtung habe der Kläger eine Stuhlfrequenz von zweimal täglich angegeben, welche auch realitätsgerecht sei. Bei der Intimwäsche habe er neben dem Körpergewicht als pflegeerschwerenden Faktor berücksichtigt, dass der Kläger hiermit zumindest beginnen könne. Für eine Ganzkörperwäsche habe er 16 Minuten veranschlagt und damit vier Minuten mehr, als der Kläger in seinem Selbsttest ermittelt habe. Da der Kläger nicht regelmäßig urininkontinent sei, sei auch kein Hilfebedarf beim Richten der Kleidung im Rahmen von Toilettengängen erforderlich. Für das Einreiben mit Dermatika seien zwei Minuten ausreichend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG und die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn der Kläger begehrt Leistungen (Pflegegeld) für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. März 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn er hat ab 1. März 2011 keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe I.
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Maßgebend für den zeitlichen Aufwand ist grundsätzlich die tatsächlich bestehende Pflegesituation unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des zu Pflegenden, allerdings am Maßstab des allgemein Üblichen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - und 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - in juris). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Begutachtungs-Richtlinie zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 Begutachtungs-Richtlinie; vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R -, in juris, m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - in juris).
Der Kläger bedarf zwar der Hilfe beim Duschen, Waschen des Rückens und des Unterkörpers, bei der Intimhygiene nach Stuhlgang, beim An- und Entkleiden sowie beim Einreiben mit Dermatika. Dieser Hilfebedarf liegt aber seit 1. März 2011 bei weniger als 46 Minuten täglich.
Der Kläger leidet pflegerelevant an einer Adipositas permagna mit Bewegungseinschränkung, einem tablettenpflichtigen Diabetes mellitus mit Gefühlsstörungen der Extremitäten, Schwindelbeschwerden bei arterieller Hypertonie, einem ausgeprägten Lymphstau beider Beine, einer Verschleißerkrankung der Wirbelsäule und der Schultern, einer gutartigen Prostatavergrößerung, einer diabetischen Rhetinopathie und einer depressiven Symptomatik. Dies entnimmt der Senat den von der Beklagten eingeholten Gutachten der Frau R.-H. vom 5. Mai 2011 und der Frau S. vom 1. August 2011, dem vom SG eingeholten Sachverständigengutachten der Frau B. vom 4. September 2012, dem vom Senat eingeholten Sachverständigengutachten des Herrn Bi. vom 21. Februar 2014 und den Angaben des Dr. Dr. W. in seiner gegenüber dem SG abgegebenen sachverständigen Zeugenauskunft vom 8. Juni 2012.
Aufgrund der Erkrankungen des Klägers liegen Funktionsbeeinträchtigungen vor. Er kann seine Arme lediglich bis zur Schläfe anheben und den Nackengriff nicht endständig demonstrieren. Auch seine Bückfähigkeit ist eingeschränkt. Er benötigt daher Hilfe beim An- und Ausziehen der Unter- und Oberbekleidung, beim Waschen des Rückens und des Unterkörpers, teilweise beim Duschen, bei der Intimhygiene nach Stuhlgang und beim Einreiben mit Dermatika. Demgegenüber ist er noch in der Lage, innerhalb der Wohnung selbstständig zu gehen und von einem Sofa oder einem Bett selbstständig aufzustehen. Auch zum Öffnen einer Flasche, zur Zahnpflege, zur Rasur und zum Kämmen ist er selbstständig in der Lage. Dies entnimmt der Senat den Gutachten der Frau R.-H. vom 5. Mai 2011 und der Frau S. vom 1. August 2011, dem vom SG eingeholten Sachverständigengutachten der Frau B. vom 4. September 2012 und dem Sachverständigengutachten des Herrn Bi. vom 21. Februar 2014 sowie dessen ergänzender Stellungnahme vom 17. April 2014. Der Sachverständige Bi. hat insbesondere einen unauffälligen Händedruck des Klägers festgestellt und sich vom Kläger das Öffnen einer nicht aufgeschraubten Wasserflasche demonstrieren lassen. Aufgrund dieser Feststellungen des Sachverständigen Bi. ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger keinen Hilfebedarf bei der mundgerechten Nahrungszubereitung hat.
Der zeitliche Hilfebedarf des Klägers bei den Verrichtungen der Grundpflege beträgt seit 1. März 2011 nicht mehr als 38 Minuten täglich und erreicht damit nicht den für die Pflegestufe I erforderlichen Wert von mindestens 46 Minuten täglich. Auch dies entnimmt der Senat den Gutachten der Frau R.-H. vom 5. Mai 2011 und der Frau S. vom 1. August 2011, dem vom SG eingeholten Sachverständigengutachten der Frau B. vom 4. September 2012 und dem Sachverständigengutachten des Herrn Bi. vom 21. Februar 2014 sowie dessen ergänzender Stellungnahme vom 17. April 2014. Denn die in diesen (Sachverständigen-)Gutachten genannten Zeiten des Hilfebedarfs für die einzelnen Verrichtungen sind unter Berücksichtigung der Orientierungswerte der Begutachtungs-Richtlinie plausibel. So beträgt beispielsweise der Orientierungswert bei einer Ganzkörperwäsche für die vollständige Übernahme dieser Verrichtung 20 bis 25 Minuten täglich (Abschnitt F 4.1 Nr. 1 Begutachtungs-Richtlinie). Da der Kläger einen großen Teil der Körperpflege noch selbstständig durchführen kann, weil er zum Beispiel zum Waschen des Gesichts, des vorderen Oberkörperbereichs sowie der Arme und Hände noch in der Lage ist, ist insbesondere der vom Sachverständigen Bi. angenommene Zeitaufwand für die erforderliche Hilfe von 16 Minuten plausibel. Entsprechendes gilt für alle weiteren Verrichtungen, bei denen der Kläger der Hilfe bedarf. Dass der Kläger für die von ihm selbst durchführbaren Grundpflegeverrichtungen mehr Zeit benötigt, ist nicht relevant, da es allein auf den Zeitaufwand der erforderlichen Hilfe ankommt. Soweit der Kläger zuletzt vorträgt, er glaube, dass er drei Mal täglich (und nicht wie vom Sachverständigen Bi. angenommen zwei Mal täglich) zu Stuhlgang neige, ist dies für den Senat nicht plausibel. Wie der Sachverständige Bi. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17. April 2014 für den Senat schlüssig und überzeugend ausgeführt hat, ist eine Stuhlganghäufigkeit von zwei Mal täglich realitätsgerecht, zumal der Kläger selbst gegenüber allen Gutachtern und Sachverständigen eine solche angegeben hat und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger an einer mit erhöhtem Stuhldrang einhergehenden Erkrankung leidet. Das deutlich erhöhte Körpergewicht (bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Bi. 140 kg) haben dabei insbesondere die Sachverständigen Frau B. und Herr Bi. als pflegeerschwerenden Faktor berücksichtigt. So hat beispielsweise der Sachverständige Bi. für einen Duschvorgang (Orientierungswert für die vollständige Übernahme nach Abschnitt F 4.1 Nr. 2 Begutachtungsrichtlinie 15 bis 20 Minuten) aufgrund der Übergewichtigkeit des Klägers trotz der vorhandenen Eigenressourcen (zum Waschen des Gesichts, der Arme und des vorderen Oberkörpers ist der Kläger selbstständig in der Lage) einen Hilfebedarf von 19 Minuten angesetzt. Ein starkes Schwitzen an heißen Tagen im Sommer mit der Folge von erhöhtem Hilfebedarf für das Duschen ist nicht berücksichtigungsfähig, weil dieser erhöhte Hilfebedarf nicht dauerhaft besteht. Entsprechendes gilt für den vom Kläger geltend gemachten Hilfebedarf aufgrund eines gelegentlichen Einnässens.
Ein Zeitbedarf für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung kann nicht berücksichtigt werden. Hinsichtlich dieser Verrichtung hat das BSG bereits mehrmals entschieden, dass Hilfeleistungen auf Wegen außerhalb der Wohnung nur in begrenztem Maße im Bereich der Mobilität zu berücksichtigen sind, weil sie in der Regel anderen Lebensbereichen zuzuordnen sind (BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R -, vom 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R -, vom 10. Oktober 2000 - B 3 P 15/99 R -, vom 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - und vom 28. Mai 2003 - B 3 P 6/02 R -, jeweils in juris sowie Beschluss vom 18. August 2011 - B 3 P 10/11 B -, nicht veröffentlicht; Senatsurteile vom 16. Dezember 2005 - L 4 P 1937/01 -, in juris und vom 19. April 2013 - L 4 P 3839/07 -, nicht veröffentlicht). Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - und vom 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R -, in juris m.w.N.). Diese Voraussetzung ist unter anderem nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche oder das Aufsuchen ärztlich verordneter Behandlungen gegeben ist. Diese Voraussetzung ist beim Kläger nicht erfüllt. Arztbesuche oder Heilmittelanwendungen außer Haus nimmt der Kläger nicht mindestens ein Mal wöchentlich wahr. Nach seinen eigenen Angaben besucht er im Durchschnitt ein bis zwei Mal im Monat einen Arzt. Auch Apothekenbesuche können nicht berücksichtigt werden, weil diese nicht mindestens ein Mal wöchentlich erforderlich sind und es auch der Anwesenheit des Klägers nicht bedarf. Erst Recht ist ein Hilfebedarf bei täglichen Spaziergängen aus den genannten Gründen nicht zu berücksichtigen (hierzu BSG, Urteile vom 10. Oktober 2000 - B 3 P 15/99 R - und vom 12. November 2003 - B 3 P 5/02 R -, beide in juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Pflegegeld nach der Pflegestufe I ab 1. März 2011.
Der 1954 geborene, bei der Beklagten gesetzlich pflegeversicherte Kläger leidet an Adipositas permagna mit Bewegungs- und Belastungseinschränkung, Diabetes mellitus mit Gefühlsstörungen der Extremitäten, Schwindelbeschwerden bei arterieller Hypertonie, einem ausgeprägten Lymphstau beider Beine, einem Schulter- und Wirbelsäulensyndrom, einer gutartigen Prostatavergrößerung sowie einer depressiven Symptomatik. Er beantragte am 18. März 2011 bei der Beklagten Leistungen bei Pflegebedürftigkeit in Form von Pflegegeld. Dabei gab er an, Hilfe beim Duschen/Baden, beim Waschen des Rückens, des Unterleibs und der Füße, beim Richten der Bekleidung, Säubern des Intimbereichs nach Stuhlgang sowie beim An- und Entkleiden von Socken, Strümpfen und Schuhen zu benötigen.
Die Beklagte veranlasste das Gutachten durch Pflegefachkraft R.-H., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), vom 5. Mai 2011, welches sie nach einer häuslichen Untersuchung des Klägers vom 4. Mai 2011 erstellte. Als pflegerelevante Diagnosen nannte diese eine Adipositas permagna (Körpergröße 173 cm, Körpergewicht 160 kg) mit Bewegungs- und Belastungseinschränkung sowie (anamnestisch) Depressionen. Sie schätzte den täglichen Hilfebedarf für die Verrichtungen der Grundpflege auf 22 Minuten (Körperpflege 16 Minuten, Ernährung 0 Minuten, Mobilität sechs Minuten). Der Kläger könne vom Sitzen selbstständig aufstehen und sein Bett selbst verlassen und wiederaufsuchen. Das Gehen sei ihm (breitbeinig watschelnd) innerhalb und außerhalb des Wohnbereichs freihändig selbstständig möglich. Den Nackengriff könne er vollständig, den Schürzengriff teilweise ausführen. Das Bücken im Sitzen bis zu den Füßen sei limitiert. Die Beweglichkeit der Hände sei bei vorhandener Kraft alltagstauglich erhalten. Die Feinmotorik sei aufgrund von Parästhesien gemindert, der Faustschluss beidseits komplett. Hilfebedarf bestehe bei Badetransfers sowie bei der Rücken-, Haar-, Fuß- und Intimwäsche dorsal. Außerdem bestehe ein Nachsäuberungsbedarf nach Stuhlausscheidung. Mit Bescheid vom 10. Mai 2011 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Nach den Feststellungen des MDK seien die Voraussetzungen für die Pflegestufe I nicht erfüllt.
Der Kläger erhob Widerspruch. Die angesetzten Zeiten des Hilfebedarfs seien zu gering bemessen. Aufgrund von schmerzhaften Bewegungseinschränkungen, welche witterungsbedingt schwankten, benötige er mehr Zeit, um sich zu richten. Ärztlich belegt leide er an Arthrosen in der Wirbelsäule, den Knien sowie den Fuß- und Handgelenken, geschwollenen Unterschenkeln sowie urologischen und psychiatrischen Erkrankungen, welche von der Gutachterin des MDK nicht berücksichtigt worden seien. Sein Hilfebedarf beruhe überwiegend auf seinem krankhaften Übergewicht. Zeitaufwändig sei das An- und Ausziehen von Stützstrümpfen der Kategorie II. Die Essenszubereitung falle ihm schwer, da ihm ein langes Stehen am Herd oder das Schälen von Früchten oder Kartoffeln Schmerzen bereite. Hilfe benötige er auch für das An- und Ausziehen von Hosen und Schuhen. Außerdem benötige er Hilfe beim Aufstehen vom Bett und vom Stuhl. Sein hohes Körpergewicht stelle einen zu berücksichtigenden pflegeerschwerender Faktor dar. Aufgrund seiner Stoffwechselkrankheit müssten seine Beine zweimal täglich eingerieben werden. Pflegeerschwerend seien auch die beengten Raumverhältnisse im Badezimmer. Die Voraussetzungen für die Pflegestufe I seien daher erfüllt.
Die Beklagte veranlasste die Einholung eines Gutachtens der Pflegefachkraft S., MDK, vom 1. August 2011. Sie gab als pflegebegründende Diagnosen eine Adiposaitas permagna, eine Belastungsminderung und eine Bewegungseinschränkung an und schätzte den täglichen Grundpflegebedarf des Klägers auf 35 Minuten (Körperpflege 25 Minuten, Ernährung 0 Minuten, Mobilität zehn Minuten). Aufgrund seiner Körpermaße (Körpergröße 173 cm, Körpergewicht 160 kg) könne der Kläger bei der täglichen Körperpflege den Rücken, den Unterkörper und die Füße nicht pflegen, jedoch durch entgegenkommende Bewegungen die Pflegemaßnahme unterstützen. Im Sitzen könne er sich den vorderen Oberkörper selbst waschen und Zahn- sowie Mundpflege, das Kämmen und die Rasur selbstständig durchführen. Bei den Toilettengängen benötige er Hilfestellung beim Säubern des Intimbereichs nach Stuhlgang. Im Bereich der Ernährung sei er selbstständig. Stützstrümpfe müssten ihm an- und ausgezogen werden und er benötige Hilfestellung beim Überstreifen der Kleidung über die Füße. Innerhalb des Wohnbereichs sei er selbstständig gehfähig. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2012 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück und stützte sich auf die Feststellungen des MDK.
Am 10. April 2012 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) und verwies auf seine Widerspruchsbegründung.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid entgegen. Soweit Allgemeinmediziner Dr. Dr. W. ausgeführt habe (sachverständige Zeugenauskunft vom 8. Juni 2012), für das An- und Entkleiden der Kompressionsstrümpfe bestehe ein höherer Hilfebedarf, sei dies im MDK-Gutachten der Frau S. vom 1. August 2011 durch Verdopplung der entsprechenden Zeiten beim An- und Entkleiden gegenüber dem MDK-Gutachten der Frau R.-H. vom 5. Mai 2011 berücksichtigt worden. Die von ihm, Dr. Dr. W., angegebenen Zeiten von zwölf Minuten für das Ankleiden bzw. acht Minuten für das Entkleiden lägen über den Werten, die nach der Richtlinie der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) (Begutachtungs-Richtlinie) bei einer vollen Übernahme der Verrichtung anfallen würden. Der Kläger benötige jedoch lediglich Hilfe beim Ziehen der Hose und Socken über die Füße und darüber hinaus beim An- und Ausziehen der Kompressionsstrümpfe. Einen Hilfebedarf beim Aufstehen hätten die Gutachterinnen nicht festgestellt.
Das SG hörte den Hausarzt des Klägers Dr. Dr. W. als sachverständigen Zeugen. Dieser gab unter dem 8. Juni 2012 an, der Kläger leide an einem ausgeprägten Übergewicht, einer behandlungsbedürftigen Zuckererkrankung, einer diabetischen Rhetinopathie, einer diabetischen Neuropathie mit Parästhesien, einer arteriellen Hypertonie, einem ausgeprägten Lymphstau beider Beine, einem Wirbelsäulen- und Schultersyndrom, depressiven Episoden, einer Prostatavergrößerung, allergischen Reaktionen und einem Tinnitus mit Hörminderung. Das ausgeprägte Übergewicht führe zu einer deutlichen Einschränkung der Mobilität mit einem damit verbundenen erhöhten Zeitaufwand bei nahezu allen täglichen Verrichtungen und zum teilweisen Bedarf an fremder Hilfe. Im Rahmen von depressiven Episoden kämen deutliche Antriebsminderungen hinzu. Zeitweilige Parästhesien führten zu Beeinträchtigungen der Feinmotorik. In den von der Beklagten eingeholten Gutachten seien der Zeitaufwand für das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen nicht berücksichtigt worden. Angemessen sei aus seiner Sicht ein täglicher Zeitaufwand für das Ankleiden von zwölf Minuten und für das Entkleiden von acht Minuten. Wegen der schmerzhaften Verschleißerkrankung von Wirbelsäule und Schultern benötige der Kläger darüber hinaus zweimal wöchentlich Hilfe beim Aufstehen und Zubettgehen mit einem Zeitaufwand von etwa sieben Minuten.
Sodann erstattete Kinderkrankenschwester und Fachwirtin für Sozialwesen B. auf Veranlassung des SG ihr Gutachten vom 4. September 2012, welches sie nach einer häuslichen Untersuchung des Klägers vom 22. August 2012 erstellte. Diese nannte als pflegebegründende Diagnosen ein ausgeprägtes Übergewicht, einen behandlungsbedürftigen Diabetes mellitus, wahrscheinlich Gefühlsstörungen der Extremitäten, eine diabetische Rhetinopathie, eine arterielle Hypertonie, einen ausgeprägten Lymphstau beider Beine, eine Verschleißerkrankung der Wirbelsäule und der Schulter, depressive Episoden, eine Prostatavergrößerung, allergische Reaktionen und einen Tinnitus mit Hörminderung. Den täglichen Grundpflegebedarf des Klägers schätzte sie auf 38 Minuten (26 Minuten Körperpflege, 0 Minuten Ernährung, zwölf Minuten Mobilität). Der Kläger könne seinen Oberkörper noch alleine waschen, während die Reinigung des Rückens und der Füße übernommen werden müsse. Die Zahnpflege, das Rasieren und das Kämmen der Haare erfolgten selbstständig. Beim An- und Auskleiden sei teilweise Hilfestellung erforderlich. Bei erhaltener Urin- und Stuhlkontinenz könnten die Toilettengänge von ihm selbstständig durchgeführt werden, wobei die Reinigung nach Stuhlgang teilweise übernommen werden müsse. Bei der Ernährung bestehe kein Hilfebedarf. Er könne mit dem Rollator auch selbstständig gehen. Als pflegeerschwerender Faktor könne das Körpergewicht von über 80 kg berücksichtigt werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 8. Januar 2013 wies das SG die Klage ab. Nach übereinstimmender Beurteilung in den Gutachten des MDK und im gerichtlichen Sachverständigengutachten liege der Hilfebedarf des Klägers bei den täglichen Grundpflegeverrichtungen lediglich bei 35 bis knapp 40 Minuten täglich. Es sei nicht zu erkennen, dass die von Frau B. veranschlagten Zeitansätze zu niedrig seien, abgesehen davon, dass aufgrund der Einschränkungen der Feinmotorik ein zusätzlicher Hilfebedarf von zwei bis drei Minuten täglich für das Öffnen von Flaschen und das Einschenken von Getränken zu berücksichtigen sei, womit der tägliche Grundpflegebedarf dann bei 40 bis 41 Minuten liege und die Voraussetzungen für die Pflegestufe I weiterhin nicht erfüllt seien. Der von Dr. Dr. W. beschriebene Hilfebedarf beim Aufstehen und Zubettgehen habe durch die Sachverständige nicht bestätigt werden können.
Gegen den Gerichtsbescheid vom 8. Januar 2013 (Nachweis für die Zustellung an den Kläger nicht aktenkundig) hat der Kläger am 8. Februar 2013 zur Niederschrift beim SG Berufung eingelegt. Die vom SG zu Grunde gelegten Zeitwerte überschreite er deutlich. Soweit die Sachverständige B. festgestellt habe, dass er selbstständig aufstehen und sich hinsetzen könne, sei ihm dies nur unter schwerster Anstrengung und deutlich zeitverzögert möglich. Bei schlechtem Wetter sei ihm dies nur mit Hilfe einer Person möglich. Er setze zweimal täglich Stuhlgang ab, wobei ebenfalls ein erhöhter Hilfebedarf beim Aufstehen, Hinsetzen und bei der Reinigung erforderlich sei. Seine langen Stützstrümpfe, die über das Knie reichten, seien sehr schwer an- und auszuziehen. Das erforderliche Eincremen seiner Beine sei im Gutachten ebenfalls nicht berücksichtigt worden. Er benötige außerdem Hilfe beim Transfer im Bett von der Rückenlage in die Sitzstellung und beim Aufstehen. Da er wegen seiner vergrößerten Prostata öfters Harndrang verspüre und die Toilette aufsuchen müsse, benötige er zusätzliche Hilfe. Das Anziehen eines Pullovers sei für ihn aufgrund seiner schmerzhaften Bewegungseinschränkung der Schulter und Arme fast unmöglich. Treppensteigen und Laufen könne er nur im Umfang von ca. 150 bis 200 m, da er dann wegen einer massiven Atemnot eine Erholungspause benötige. Gegen das vom Senat eingeholte Sachverständigengutachten des Pflegesachverständigen Bi. vom 21. Februar 2014 hat der Kläger eingewandt, es sei anhand von Tabellen und Richtwerten, nicht jedoch nach dem tatsächlich benötigten Zeitaufwand zustande gekommen. Sein tatsächlicher Pflegebedarf verändere sich durch die Tagesform beeinflussende witterungsbedingte Einflüsse und seine wechselnde Antriebs- und Tatkraft. Im Bereich der Ernährung habe der Sachverständige nicht berücksichtigt, dass bei hartem Essen wie Fleisch, manchen Gemüsesorten und hartem Brot wegen seiner empfindlichen und geschwächten Zähne eine mundgerechte Zubereitung erforderlich sei. Bei der Mobilität benötige er außerdem täglich Hilfe beim Gehen und beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung im Zusammenhang mit dem Gang zur Apotheke, zum Arzt oder bei Spaziergängen. Dabei benötige er insbesondere Hilfe beim Treppensteigen. Regelmäßige Arztbesuche fänden ein- bis zweimal monatlich statt. Die Apotheke müsse er einmal wöchentlich aufsuchen, da er Verbandmaterial für seine Beine benötige. Im Sommer habe er aufgrund von starkem Schwitzen einen erhöhten Duschbedarf mit entsprechendem zusätzlichem Pflegeaufwand. Stuhlgang habe er im Durchschnitt nicht zweimal, sondern dreimal täglich. Er könne auch den vorderen Intimbereich nicht selbstständig erreichen. Für die Ganzkörperwäsche habe er einen Pflegebedarf von zwölf anstelle der vom Sachverständigen Bi. festgestellten neun Minuten, wie er in einem Selbsttest ermittelt habe. Für das Einreiben der Beine seien drei anstelle der zwei festgestellten Minuten erforderlich. Beim Richten der Kleidung müsse berücksichtigt werden, dass auch Ersatzkleidung gerichtet werden müsse für den Fall, dass er sich einnässe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Januar 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. März 2011 Pflegegeld nach der Pflegestufe I zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und die Entscheidungsgründe des Urteils des SG.
Der Senat hat das Sachverständigengutachten des Herrn Bi. vom 21. Februar 2014 eingeholt, welches er nach einer häuslichen Untersuchung des Klägers vom 18. Februar 2014 erstellt hat. Dieser hat als pflegebegründende Diagnosen eine Adipositas permagna (140 kg), einen tablettenpflichtigen Diabetes mellitus mit Gefühlsstörungen der Extremitäten, Schwindelbeschwerden bei arterieller Hypertonie, einen ausgeprägten Lymphstau beider Beine, eine Verschleißerkrankung der Wirbelsäule und der Schultern, eine gutartige Prostatavergrößerung und eine depressive Symptomatik genannt. Den täglichen Grundpflegebedarf hat er auf 38 Minuten geschätzt (Körperpflege 21 Minuten, Ernährung 0 Minuten, Mobilität zehn Minuten, verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sieben Minuten). Innerhalb der Wohnung lege der Kläger verrichtungsbezogene Wegstrecken selbstständig und ausreichend sicher zurück und das Aufstehen vom Sofa aus sitzender sowie liegender Position sei ihm autark möglich. Das selbstständige Hinlegen ins Bett sei ihm ebenfalls möglich, während beim Aufstehen eine minimale Hilfe beim Hochziehen an der Hand von ca. zwei Sekunden erforderlich sei. Nächtliche Toilettengänge führe er selbstständig durch. Zum Öffnen einer ungeöffneten Flasche Wasser sei er ebenso in der Lage wie zur Zahnpflege, Rasur und zum Kämmen. Seine Arme könne er bis zu den Schläfen anheben, während der Nackengriff nicht endständig demonstrierbar sei. Die Bückfunktion sei aufgrund des Übergewichts eingeschränkt, so dass Hilfe beim An- und Ausziehen der Unterbekleidung und Unterstützung beim Über-den-Kopf-ziehen der Oberbekleidung erforderlich sei (Ankleiden sechs Minuten, Entkleiden drei Minuten). Beispielsweise könne er eine Jeanshose selbstständig ausziehen, diese jedoch nicht wieder anziehen. Hilfe benötige er außerdem beim Waschen des Rückens und des Unterkörpers viermal wöchentlich (neun Minuten), teilweise beim Duschen dreimal wöchentlich (acht Minuten), bei der Intimhygiene nach Stuhlgang zweimal täglich (vier Minuten), beim Transfer im Zusammenhang mit dem Duschvorgang dreimal wöchentlich (eine Minute), beim Anziehen (vier Minuten) und Ausziehen (eine Minute) der Kompressionsstrümpfe und beim Einreiben mit Dermatika (zwei Minuten). In seiner vom Senat eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 17. April 2014 hat er ausgeführt, entgegen dem Einwand des Klägers habe er in seinem Gutachten dessen individuelle gesundheitliche Situation und den hieraus abzuleitenden Fremdhilfebedarf festgestellt, wobei er den durchschnittlichen Pflegeaufwand innerhalb einer Woche ohne unregelmäßige Schwankungen an einzelnen Tagen berücksichtigt habe. Im Hinblick auf den von ihm festgestellten unauffälligen Händedruck und die Fähigkeit des Klägers, eine ungeöffnete Wasserflasche ohne Probleme zu öffnen, habe er auch keinen Hilfebedarf für eine mundgerechte Nahrungszubereitung angesetzt. Im Rahmen der Mobilität seien Spaziergänge ebenso wenig anrechnungsfähig wie das Aufsuchen von Apotheken oder Ärzten, die das persönliche Erscheinen des Klägers nicht notwendig machen würden (z.B. das Abholen von Rezepten oder Medikamenten). Außerdem suche der Kläger Ärzte nach seinen Angaben lediglich ein- bis zweimal monatlich auf. Ein zweimal tägliches Duschen könne nicht berücksichtigt werden, da dies nur an einzelnen sehr heißen Sommertagen nachvollziehbar sei. Während der Begutachtung habe der Kläger eine Stuhlfrequenz von zweimal täglich angegeben, welche auch realitätsgerecht sei. Bei der Intimwäsche habe er neben dem Körpergewicht als pflegeerschwerenden Faktor berücksichtigt, dass der Kläger hiermit zumindest beginnen könne. Für eine Ganzkörperwäsche habe er 16 Minuten veranschlagt und damit vier Minuten mehr, als der Kläger in seinem Selbsttest ermittelt habe. Da der Kläger nicht regelmäßig urininkontinent sei, sei auch kein Hilfebedarf beim Richten der Kleidung im Rahmen von Toilettengängen erforderlich. Für das Einreiben mit Dermatika seien zwei Minuten ausreichend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG und die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn der Kläger begehrt Leistungen (Pflegegeld) für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. März 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn er hat ab 1. März 2011 keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe I.
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Maßgebend für den zeitlichen Aufwand ist grundsätzlich die tatsächlich bestehende Pflegesituation unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des zu Pflegenden, allerdings am Maßstab des allgemein Üblichen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - und 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - in juris). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Begutachtungs-Richtlinie zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 Begutachtungs-Richtlinie; vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R -, in juris, m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - in juris).
Der Kläger bedarf zwar der Hilfe beim Duschen, Waschen des Rückens und des Unterkörpers, bei der Intimhygiene nach Stuhlgang, beim An- und Entkleiden sowie beim Einreiben mit Dermatika. Dieser Hilfebedarf liegt aber seit 1. März 2011 bei weniger als 46 Minuten täglich.
Der Kläger leidet pflegerelevant an einer Adipositas permagna mit Bewegungseinschränkung, einem tablettenpflichtigen Diabetes mellitus mit Gefühlsstörungen der Extremitäten, Schwindelbeschwerden bei arterieller Hypertonie, einem ausgeprägten Lymphstau beider Beine, einer Verschleißerkrankung der Wirbelsäule und der Schultern, einer gutartigen Prostatavergrößerung, einer diabetischen Rhetinopathie und einer depressiven Symptomatik. Dies entnimmt der Senat den von der Beklagten eingeholten Gutachten der Frau R.-H. vom 5. Mai 2011 und der Frau S. vom 1. August 2011, dem vom SG eingeholten Sachverständigengutachten der Frau B. vom 4. September 2012, dem vom Senat eingeholten Sachverständigengutachten des Herrn Bi. vom 21. Februar 2014 und den Angaben des Dr. Dr. W. in seiner gegenüber dem SG abgegebenen sachverständigen Zeugenauskunft vom 8. Juni 2012.
Aufgrund der Erkrankungen des Klägers liegen Funktionsbeeinträchtigungen vor. Er kann seine Arme lediglich bis zur Schläfe anheben und den Nackengriff nicht endständig demonstrieren. Auch seine Bückfähigkeit ist eingeschränkt. Er benötigt daher Hilfe beim An- und Ausziehen der Unter- und Oberbekleidung, beim Waschen des Rückens und des Unterkörpers, teilweise beim Duschen, bei der Intimhygiene nach Stuhlgang und beim Einreiben mit Dermatika. Demgegenüber ist er noch in der Lage, innerhalb der Wohnung selbstständig zu gehen und von einem Sofa oder einem Bett selbstständig aufzustehen. Auch zum Öffnen einer Flasche, zur Zahnpflege, zur Rasur und zum Kämmen ist er selbstständig in der Lage. Dies entnimmt der Senat den Gutachten der Frau R.-H. vom 5. Mai 2011 und der Frau S. vom 1. August 2011, dem vom SG eingeholten Sachverständigengutachten der Frau B. vom 4. September 2012 und dem Sachverständigengutachten des Herrn Bi. vom 21. Februar 2014 sowie dessen ergänzender Stellungnahme vom 17. April 2014. Der Sachverständige Bi. hat insbesondere einen unauffälligen Händedruck des Klägers festgestellt und sich vom Kläger das Öffnen einer nicht aufgeschraubten Wasserflasche demonstrieren lassen. Aufgrund dieser Feststellungen des Sachverständigen Bi. ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger keinen Hilfebedarf bei der mundgerechten Nahrungszubereitung hat.
Der zeitliche Hilfebedarf des Klägers bei den Verrichtungen der Grundpflege beträgt seit 1. März 2011 nicht mehr als 38 Minuten täglich und erreicht damit nicht den für die Pflegestufe I erforderlichen Wert von mindestens 46 Minuten täglich. Auch dies entnimmt der Senat den Gutachten der Frau R.-H. vom 5. Mai 2011 und der Frau S. vom 1. August 2011, dem vom SG eingeholten Sachverständigengutachten der Frau B. vom 4. September 2012 und dem Sachverständigengutachten des Herrn Bi. vom 21. Februar 2014 sowie dessen ergänzender Stellungnahme vom 17. April 2014. Denn die in diesen (Sachverständigen-)Gutachten genannten Zeiten des Hilfebedarfs für die einzelnen Verrichtungen sind unter Berücksichtigung der Orientierungswerte der Begutachtungs-Richtlinie plausibel. So beträgt beispielsweise der Orientierungswert bei einer Ganzkörperwäsche für die vollständige Übernahme dieser Verrichtung 20 bis 25 Minuten täglich (Abschnitt F 4.1 Nr. 1 Begutachtungs-Richtlinie). Da der Kläger einen großen Teil der Körperpflege noch selbstständig durchführen kann, weil er zum Beispiel zum Waschen des Gesichts, des vorderen Oberkörperbereichs sowie der Arme und Hände noch in der Lage ist, ist insbesondere der vom Sachverständigen Bi. angenommene Zeitaufwand für die erforderliche Hilfe von 16 Minuten plausibel. Entsprechendes gilt für alle weiteren Verrichtungen, bei denen der Kläger der Hilfe bedarf. Dass der Kläger für die von ihm selbst durchführbaren Grundpflegeverrichtungen mehr Zeit benötigt, ist nicht relevant, da es allein auf den Zeitaufwand der erforderlichen Hilfe ankommt. Soweit der Kläger zuletzt vorträgt, er glaube, dass er drei Mal täglich (und nicht wie vom Sachverständigen Bi. angenommen zwei Mal täglich) zu Stuhlgang neige, ist dies für den Senat nicht plausibel. Wie der Sachverständige Bi. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17. April 2014 für den Senat schlüssig und überzeugend ausgeführt hat, ist eine Stuhlganghäufigkeit von zwei Mal täglich realitätsgerecht, zumal der Kläger selbst gegenüber allen Gutachtern und Sachverständigen eine solche angegeben hat und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger an einer mit erhöhtem Stuhldrang einhergehenden Erkrankung leidet. Das deutlich erhöhte Körpergewicht (bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Bi. 140 kg) haben dabei insbesondere die Sachverständigen Frau B. und Herr Bi. als pflegeerschwerenden Faktor berücksichtigt. So hat beispielsweise der Sachverständige Bi. für einen Duschvorgang (Orientierungswert für die vollständige Übernahme nach Abschnitt F 4.1 Nr. 2 Begutachtungsrichtlinie 15 bis 20 Minuten) aufgrund der Übergewichtigkeit des Klägers trotz der vorhandenen Eigenressourcen (zum Waschen des Gesichts, der Arme und des vorderen Oberkörpers ist der Kläger selbstständig in der Lage) einen Hilfebedarf von 19 Minuten angesetzt. Ein starkes Schwitzen an heißen Tagen im Sommer mit der Folge von erhöhtem Hilfebedarf für das Duschen ist nicht berücksichtigungsfähig, weil dieser erhöhte Hilfebedarf nicht dauerhaft besteht. Entsprechendes gilt für den vom Kläger geltend gemachten Hilfebedarf aufgrund eines gelegentlichen Einnässens.
Ein Zeitbedarf für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung kann nicht berücksichtigt werden. Hinsichtlich dieser Verrichtung hat das BSG bereits mehrmals entschieden, dass Hilfeleistungen auf Wegen außerhalb der Wohnung nur in begrenztem Maße im Bereich der Mobilität zu berücksichtigen sind, weil sie in der Regel anderen Lebensbereichen zuzuordnen sind (BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R -, vom 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R -, vom 10. Oktober 2000 - B 3 P 15/99 R -, vom 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - und vom 28. Mai 2003 - B 3 P 6/02 R -, jeweils in juris sowie Beschluss vom 18. August 2011 - B 3 P 10/11 B -, nicht veröffentlicht; Senatsurteile vom 16. Dezember 2005 - L 4 P 1937/01 -, in juris und vom 19. April 2013 - L 4 P 3839/07 -, nicht veröffentlicht). Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG, Urteile vom 24. Juni 1998 - B 3 P 4/97 R - und vom 6. August 1998 - B 3 P 17/97 R -, in juris m.w.N.). Diese Voraussetzung ist unter anderem nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche oder das Aufsuchen ärztlich verordneter Behandlungen gegeben ist. Diese Voraussetzung ist beim Kläger nicht erfüllt. Arztbesuche oder Heilmittelanwendungen außer Haus nimmt der Kläger nicht mindestens ein Mal wöchentlich wahr. Nach seinen eigenen Angaben besucht er im Durchschnitt ein bis zwei Mal im Monat einen Arzt. Auch Apothekenbesuche können nicht berücksichtigt werden, weil diese nicht mindestens ein Mal wöchentlich erforderlich sind und es auch der Anwesenheit des Klägers nicht bedarf. Erst Recht ist ein Hilfebedarf bei täglichen Spaziergängen aus den genannten Gründen nicht zu berücksichtigen (hierzu BSG, Urteile vom 10. Oktober 2000 - B 3 P 15/99 R - und vom 12. November 2003 - B 3 P 5/02 R -, beide in juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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