Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 7727/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1982/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. März 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Die am 09.11.1958 geborene Klägerin durchlief nach ihren Angaben von September 1975 bis Februar 1978 eine Ausbildung zur Elektronik-Facharbeiterin und war von Februar 1978 bis August 1978 als Kontrollkraft, von September 1981 bis Oktober 1984 als Arbeitsökonomin und von Oktober 1984 bis März 2002 als Sachbearbeiterin berufstätig. Ab 15.06.2002 nahm sie bei der E. G. GmbH in D. eine Tätigkeit als Sachbearbeiterin auf.
Der Allgemeinmediziner Dr. S. zeigte bei der Beklagten mit Schreiben vom 11.01.2009 den Verdacht auf eine Berufskrankheit an. Er führte aus, bei der Klägerin habe sich durch Kontakt mit Lacken eine multiple chemische Sensibilität entwickelt. Die Klägerin habe einen Arbeitsplatz in einem Großraumbüro neben einer Werkstatt, in der sich eine Spritzkabine befinde, in der Lackierarbeiten durchgeführt würden. Bei Kontakt der Klägerin mit Geruchsstoffen oder Lösungsmitteldämpfen träten starke Kreislaufreaktionen mit Herzrasen, Dyspnoe, Speichelfluss, Husten und Brennen im Mund auf. Die Beschwerden hätten sich im letzten Jahr deutlich verstärkt. In dem beigefügten Arztbrief vom 12.11.2008 führte der Lungen- und Bronchialheilkundler Dr. S. aus, im Vordergrund stehe eine Fructose-, Laktose- und Gluten-Unverträglichkeit sowie insbesondere eine Unverträglichkeit auf Parfüm und Lösungsmitteldämpfe.
Dr. W. vertrat in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 20.01.2009 die Ansicht, aus arbeitsmedizinischer Sicht bestehe kein begründeter Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit.
Sodann legte die Klägerin den Befundbericht des Dr. S. vom 08.12.2008 vor, in dem eine chronische Erkrankung durch Exposition mit Nitrolacken und Lösungsmittelgemischen aufgeführt und der Verdacht auf eine toxische Enzephalopathie mit einem Reactive-Airways-Dysfunction-Syndrom (RADS) und einer vaskulären Hyperaktivität als Folgekrankheiten geäußert wurde.
Auf Anfrage der Beklagten führte die E. G. GmbH in D. unter dem 25.03.2009 aus, die Klägerin sei als Büroangestellte in den Betriebsteilen/Arbeitsbereichen Empfang, Verwaltung und Sekretariat berufstätig. Gesundheitsgefährdende Einwirkungen lägen nicht vor. Dr. W. blieb in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 14.05.2009 bei der Einschätzung, es liege kein begründeter Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit vor. Sodann zog die Beklagte das Leistungsverzeichnis der BKK Fahr bei.
Der Präventionsdienst der Beklagten führte in der Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 08.06.2009 aus, die Klägerin arbeite am Empfang beziehungsweise im Sekretariat des Betriebes. In ihrem Arbeitsraum befänden sich eine allgemein übliche Einrichtung an Büromöbeln sowie elektrischen Geräten wie Computer, Bildschirm, Drucker und Laminiergerät. Durch die Geräte bedingt sei die Klägerin dabei gegenüber Tonern des Druckers sowie nach ihren Angaben Ausgasungen des Laminiergeräts ausgesetzt. Als wesentliche Ursache für ihre Erkrankung würden jedoch Lösungsmitteldämpfe durch das Lackieren von Schaltschränken in den Räumen des Betriebes genannt. Der Betrieb kaufe allgemein die Schaltschränke fertig ein, um sie dann zu bestücken. Bei Sonderwünschen würden eigene Schaltschränke hergestellt und auch im Betrieb lackiert. Diese Lackierarbeiten fänden im Durchschnitt ein- bis zweimal pro Woche an bis zu zwei bis vier Stunden statt. Zum Lackieren stehe ein Lackierraum mit einer guten technischen Absauganlage bereit. Zum Trocknen verblieben die lackierten Schränke meist in der Lackierkabine, würden aber öfter mal vor dem Raum in der sogenannten Schlosserei zum Austrocknen aufbewahrt. In der Werkstatt würden an den Schaltschränken auch ab und an Farbausbesserungsarbeiten direkt mit Spraydosen durchgeführt. Der Lackierbereich sei etwa 20 Meter vom Großraumbüro und der Eingang zum Empfang sei wiederum circa 12 bis 14 Meter entfernt. Die zwei getrennten Gebäudetrakte Werkstatt und Büro würden von einer meist geschlossenen Tür verbunden. Bei den verwendeten Lacken handele es sich um schwach lösungsmittelhaltige Lacke unterschiedlicher Art. Es sei unstrittig, dass Lackgerüche durch die Lackierarbeiten bis in den Großraumbüro-Bereich hinein festzustellen gewesen seien. Aufgrund der Lage und Entfernung des Empfangsbereiches seien jedoch keine nachweisbaren Konzentrationen zu erwarten. Zusammenfassend wurde ausgeführt, die Klägerin habe während der beruflichen Tätigkeit keinen direkten Kontakt zu Lösungsmitteln und sei auch keinen Lösungsmitteldämpfen gegenüber direkt exponiert. Durch die im Betrieb in unregelmäßigen Abständen stattfindenden Lackierarbeiten sei sie durch den Geruch, der auch im Großraumbüro wahrnehmbar gewesen sei, und wenn überhaupt, dann durch Minimalst-Konzentrationen gegenüber Lösungsmitteln exponiert.
Mit Bescheid vom 22.07.2009 lehnte die Beklagte die Feststellung der Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV ab. Die bei der Klägerin festgestellte Erkrankung sei nicht ursächlich auf ihre berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Zwar seien Lackgerüche bis hinein in das Großraumbüro festzustellen. Bei den verwendeten Lacken handele es sich aber nur um schwach lösungsmittelhaltige Lacke. Ferner seien aufgrund der Lage und Entfernung des Empfangsbereiches keine nachweisbaren Konzentrationen zu erwarten. Außerdem habe die Klägerin selbst keinen direkten Kontakt zu Lösungsmitteln. Den hiergegen am 30.07.2009 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte, nachdem Dr. W. in der gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 29.07.2009 eine Feststellung der Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV nicht vorgeschlagen hatte, mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2009 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 17.11.2009 Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben.
Sie hat vorgetragen, die vom Präventionsdienst der Beklagten vorgenommene Arbeitsplatzschilderung entspreche nicht ansatzweise den tatsächlichen Gegebenheiten. Es sei häufig in erheblichem Maße lackiert worden. Aufgrund der besonderen räumlichen Verhältnisse und der vorhandenen Luftströmungen und aufgrund der Tatsache, dass regelmäßig lackiert worden sei, habe oft ein starker Geruch nach lösungsmittelhaltigen Lacken bestanden. Diese seien im Übrigen auch nicht nur schwach lösungsmittelhaltig. Hierzu hat der Präventionsdienst der Beklagten unter dem 11.03.2010 ausgeführt, die durch die Entfernung zum Lackierbereich zu erwartenden Lösungsmittelkonzentrationen lägen erfahrungsgemäß jenseits der Nachweisgrenze. Die Lüftungsmöglichkeiten bestünden in erster Linie in einer technischen Absauganlage im Lackierraum. An den Vorraum, in dem lackierte Teile zum Trocknen abgestellt worden seien, schließe sich ein überaus großer Werkstattbereich mit vielfältigen Lüftungsmöglichkeiten in Form von Fenstern und Türen nach außen an. Dass dabei alle Lösungsmitteldämpfe durch Werkstatt und Büro bis in den Eingangsbereich gezogen sein sollen, sei äußerst unwahrscheinlich.
Daraufhin hat die Klägerin ausgeführt, sie sei nicht ganztags an ihrem Arbeitsplatz gesessen. Sie habe arbeitsbedingt mehrfach in die Werkstatt gehen beziehungsweise diese durchqueren müssen, um zum Warenein- und ausgang zu gelangen. Auch müsse die in der Werkstatt befindliche Stechuhr zweimal täglich betätigt werden. Um in das Großraumbüro zu gelangen, müsse man immer durch die Werkstatt gehen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass das Großraumbüro, in dem sie gearbeitet habe, drei Treppenstufen über der Werkstatt liege. Außerdem sei das Rolltor in der Werkstatt fast immer geöffnet. Der Empfangsbereich, in dem sie gearbeitet habe, sei früher noch ohne Glasscheiben versehen gewesen. Ferner müsse berücksichtigt werden, dass im Großraumbüro zahlreiche Kopierer, mehrere Laserdrucker, ein Faxgerät und ein Laminiergerät stünden. Der Präventionsdienst der Beklagten ist in seiner Stellungnahme vom 09.06.2010 bei seiner Beurteilung geblieben.
Die Klägerin hat sodann Auskünfte diverser Kollegen vorgelegt. O. R. hat unter dem 17.11.2010 angegeben, es habe in der Werkstatt und im angrenzenden Büro sehr stark und über längere Zeit nach Farbe und Lösungsmitteln gerochen. R. J. hat mit Schreiben vom 19.11.2010 ausgeführt, selbst bei abgetrockneten Schränken sei nach Tagen noch ein leichter Lösungsmittelgeruch wahrnehmbar gewesen. U. L. hat unter dem 19.11.2010 dargelegt, in der gesamten Werkstatt sei ein Farbgeruch wahrnehmbar gewesen. L. S. hat am 21.11.2010 ausgeführt, nach dem Lackieren habe es tagelang in der Schlosserei und in der Werkstatt gestunken. J. F. hat unter dem 24.11.2010 Angaben zu den Lackierarbeiten gemacht. Der Präventionsdienst der Beklagten ist in seiner Stellungnahme vom 11.01.2011 dennoch bei seiner Einschätzung geblieben.
Die Klägerin hat eingewandt, eine sorgfältige und umfassende Ermittlung ihrer Arbeitsplatzverhältnisse sei bislang nicht erfolgt. Sodann hat der Präventionsdienst der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 31.03.2011 dargelegt, der Betrieb sei nun von ihm am 25.03.2011 erneut aufgesucht worden. Zu den im Betrieb ausgeführten Lackierarbeiten gebe es handschriftliche Aufzeichnungen des Lackierers. Im Jahr 2004 sei beispielsweise rund 30mal über das Jahr hinweg lackiert worden. Die Umfänge hätten zwischen 15 Minuten und maximal 2 Stunden betragen. Dieser Umfang sei über den zu betrachtenden Zeitraum für die Jahre 2002 bis 2008 repräsentativ. Zusammenfassend könne gesagt werden, dass die Angaben in der bisherigen Stellungnahme nichts anderes wiedergäben.
Die Klägerin hat eingewandt, es müssten insbesondere die Belege des Betriebes hinsichtlich der tatsächlich durchgeführten Lackierarbeiten beigezogen werden. Der Präventionsdienst der Beklagten hat unter dem 06.06.2011 ausgeführt, die Aufzeichnungen des im Betrieb der Klägerin tätigen Lackierers seien eingesehen und auch quantitativ überprüft worden. Sodann hat der Präventionsdienst der Beklagten unter dem 24.01.2012 den Bericht über die Gefahrstoffmessung vom 16.11.2011 vorgelegt. Danach seien Lösungsmittel-Konzentrationen in Bezug auf Butanon in Höhe von 0,230 mg/m3 (Grenzwert 600 mg/m3), n-Butylacetat in Höhe von 0,100 mg/m3 (Grenzwert 480 mg/m3), Ethylbenzol in Höhe von 0,014 mg/m3 (Grenzwert 400 mg/m3), 1,2,4-Trimethylbenzol in Höhe von 0,020 mg/m3 (Grenzwert 100 mg/m3) und Xylole in Höhe von 0,057 mg/m3 (Grenzwert 440 mg/m3) gemessen worden. All diese Konzentrationen hätten mithin unter 1 % der jeweiligen Grenzwerte gelegen. Ferner hätten alle anderen analysierten Gefahrstoffe unterhalb der analytischen Bestimmungsgrenze beziehungsweise die Konzentrationen unterhalb des jeweiligen Innenraumarbeitsplatz-Referenzwertes gelegen. Im beigefügten Messbericht ist erläutert worden, die Summe der in der Innenraumluft nachgewiesenen flüchtigen organischen Substanzen werde als Toto-Volatile-Organic-Compounds (TVOC) bezeichnet. Die TVOC-Konzentration habe 0,8 mg/m3 betragen. Ein TVOC-Wert von über 0,3 bis unter 1 mg/m3 sei hygienisch noch unbedenklich. Verstärkte Lüftungsmaßnahmen würden empfohlen. Hierzu hat die Beklagte ausgeführt, da nach dem Messbericht aus arbeitsmedizinischer Sicht alle Körpermittelwerte unter 1 % des Arbeitsplatzgrenzwertes gelegen hätten, liege kein Vollbeweis der arbeitstechnischen Exposition zu Lösungsmitteln vor. Aus medizinischer Sicht lägen die Werte weit unter der Geruchsschwelle und weit unter einer Gesundheitsgefährdung. Dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigungen seien aus medizinischer Sicht nicht zu erwarten. Innenraumwerte seien Vorsorgewerte, die zum Schutz der Bevölkerung statistisch ermittelt und nicht gesundheitsbasiert abgeleitet würden. Eine Berufskrankheiten-spezifische Grenzwertüberschreitung liege somit nicht vor. Zudem spreche weiterhin gegen die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV, dass die Klägerin nicht in neurologischer oder psychiatrischer Behandlung gewesen sei. Eine Erkrankung im Sinne dieser Berufskrankheit sei bislang nicht diagnostiziert worden.
Die Klägerin hat eingewandt, der nunmehr vorgelegte Messbericht betreffe nicht die früheren Arbeitsverhältnisse zum Zeitpunkt ihrer Beschäftigung.
Mit Urteil vom 13.03.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Dr. W. habe beratungsärztlich zurecht ausgeführt, dass die von Dr. Schwinger geäußerten Diagnosen im Hinblick auf die Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV sowie überhaupt auf alle Berufskrankheiten irrelevant seien und keine Diagnose vorliege, die eine Berufskrankheit darstelle. Angesichts dieser Sachlage könne offenbleiben, ob überhaupt eine ausreichende Exposition mit gefährdenden Stoffen am Arbeitsplatz der Klägerin gegeben sei. Dies erscheine allerdings nach den umfangreichen Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten sehr zweifelhaft.
Gegen das ihr am 12.04.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 07.05.2013 Berufung eingelegt. Weshalb das Sozialgericht sich ausschließlich auf die beratungsärztliche Stellungnahme der Dr. W. beziehe und trotz ihres ausführlichen Sachvortrags keine eigenen Ermittlungen angestellt habe, sei nicht nachvollziehbar. Die Frage der haftungsbegründenden Kausalität bleibe unbeantwortet.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. März 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2009 aufzuheben und die Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat ausgeführt, typisch für eine neurotoxische Polyneuropathie seien symmetrisch-distale, arm- und beinbetonte, sensomotorische Ausfälle mit strumpf- beziehungsweise handschuhförmiger Verteilung. Eine toxische Enzephalopathie äußere sich durch diffuse Störungen in der Hirnfunktion. Konzentrations- und Merkschwächen, Auffassungsschwierigkeiten, Denkstörungen, Persönlichkeitsveränderungen oft mit Antriebsarmut, Reizbarkeit und Affektionsstörungen stünden im Vordergrund. Keines dieser Symptome oder Beschwerdebilder und schon gar nicht derartige Diagnosen hätten die von der Klägerin aufgesuchten Ärzte beschrieben beziehungsweise gestellt. Hierauf habe Dr. W. in ihrer Stellungnahme zu Recht hingewiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch das Gericht ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist nicht begründet.
Die auf die Feststellung einer Berufskrankheit gerichtete Klage ist zulässig, aber unbegründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf die Feststellung der Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV hat.
Anzuwenden sind die Vorschriften des zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), da der Versicherungsfall als Folge der seit dem Jahr 2002 ausgeübten Berufstätigkeit und damit unter Geltung des SGB VII geltend gemacht wird (§ 212 Abs. 1 SGB VII).
Rechtsgrundlage sind die §§ 7 und 9 SGB VII in Verbindung mit der BKV.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII).
Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
Aus diesen gesetzlichen Vorgaben hat die Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - juris; zuletzt BSG, Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 11/12 R - juris) die folgenden Grundsätze entwickelt:
Für die Feststellung einer Erkrankung als Berufskrankheit ist erforderlich, dass die Verrichtungen des Versicherten einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtungen zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und dass diese Einwirkungen eine Krankheit des Versicherten verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).
Die versicherte Tätigkeit, die Verrichtungen, die Einwirkungen und die Krankheit müssen als rechtserhebliche Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen.
Für die Einwirkungskausalität und die haftungsbegründende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen die berufliche Verursachung spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Bei der Anwendung dieser Beweismaßstäbe ist zu beachten, dass für die tatsächlichen Grundlagen der Wertentscheidung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, soweit es sich nicht um den Kausalverlauf als solchen handelt, also insbesondere für Art und Ausmaß der schädigungsgeeigneten Einwirkung als wichtiges Kriterium für die Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität, der volle Nachweis zu erbringen ist.
Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob die Einwirkungen wesentlich waren. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jede/s andere alltäglich vorkommende Ereignis oder Einwirkung zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG, Urteil vom 09.05.2005 - B 2 U 1/05 R - juris; BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind vorliegend die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV nicht gegeben.
Die Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV setzt das Vorliegen einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische voraus.
Vorliegend fehlt es bereits an dem Nachweis dafür, dass die Klägerin an einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie leidet. So hat der Lungen- und Bronchialheilkundler Dr. S. in seinem Arztbrief vom 12.11.2008 lediglich eine im Vordergrund stehende Fructose-, Laktose- und Gluten-Unverträglichkeit sowie insbesondere eine Unverträglichkeit auf Parfüm und Lösungsmitteldämpfe dargelegt. Zwar hat Dr. S. in seinem Bericht vom 08.12.2008 eine chronische Erkrankung durch Exposition mit Nitrolacken und Lösungsmittelgemischen aufgeführt und den Verdacht auf eine toxische Enzephalopathie mit einem Reactive-Airways-Dysfunction-Syndrom (RADS) und einer vaskulären Hyperaktivität als Folgekrankheiten geäußert. Der bloße Verdacht auf das Vorliegen einer Diagnose reicht aber im Unfallversicherungsrecht gerade nicht. Vielmehr ist der Nachweis einer entsprechenden Erkrankung erforderlich. Ein solcher Nachweis ergibt sich auch nicht aus den Darlegungen des Allgemeinmediziners Dr. S. in seinem Schreiben vom 11.01.2009, indem er lediglich eine sich in starken Kreislaufreaktionen mit Herzrasen, Dyspnoe, Speichelfluss, Husten und Brennen im Mund äußernde multiple chemische Sensibilität beschrieben hat. Denn für das Krankheitsbild einer toxischen Polyneuropathie sind symmetrisch-distale, arm- und beinbetonte, sensible motorische oder sensomotorische Ausfälle mit strumpf- beziehungsweise handschuhförmiger Verteilung typisch. Ferner äußert sich eine toxische Enzephalopathie durch diffuse Störungen in der Hirnfunktion, wobei Konzentrations- und Merkschwächen, Auffassungsschwierigkeiten, Denkstörungen, Persönlichkeitsveränderungen oft mit Antriebsarmut, Reizbarkeit und Affektionsstörungen im Vordergrund stehen (Merkblatt zu Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV; siehe Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 1317, S. 1 ff.). Diese Symptome und Beschwerdebilder lassen sich den ärztlichen Unterlagen aber nicht entnehmen. Auch ist in den vorgelegten Arztberichten weder eine Polyneuropathie noch eine Enzephalopathie diagnostiziert worden. Hinzukommt, dass eine fachneurologisch oder -psychiatrische Behandlung nicht dokumentiert ist. Zutreffend hat daher Dr. W. in ihren beratungsärztlichen Stellungnahmen vom 20.01.2009 und 14.05.2009 einen begründeten Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit nicht gesehen.
Im Fall der Klägerin ist es darüber hinaus nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die bei ihren Verrichtungen als Sachbearbeiterin bei der E. G. GmbH in Ditzingen erfolgten Einwirkungen eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie verursachen können. Mithin würde es schon an der haftungsbegründenden Kausalität zwischen den beruflichen Einwirkungen und dem in der Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV beschriebenen Krankheitsbildern fehlen. Dass es schon an den arbeitstechnischen Voraussetzungen fehlt, ergibt sich aus den umfangreichen Stellungnahmen des Präventionsdienstes der Beklagten, insbesondere seinem Bericht über die Gefahrstoffmessung vom 16.11.2011. Danach haben die Lösungsmittel-Konzentrationen in Bezug auf Butanon, n-Butylacetat, Ethylbenzol, 1,2,4-Trimethylbenzol und Xylole deutlich unter 1 % der jeweiligen Grenzwerte und alle anderen analysierten Gefahrstoffe unterhalb der analytischen Bestimmungsgrenze beziehungsweise deren Konzentrationen unterhalb der jeweiligen Innenraumarbeitsplatz-Referenzwerte gelegen. Ferner hat nach dem Messbericht die Konzentration der Summe der in der Innenraumluft nachgewiesenen flüchtigen organischen Substanzen nur 0,8 mg/m3 betragen, so dass hygienische Unbedenklichkeit vorgelegen hat. Mithin ist der Vollbeweis einer für das Auftreten einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie relevanten Exposition gegen Lösungsmittel nicht gegeben. Der Senat hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Messungen zu zweifeln.
Nach alledem liegen weder die Krankheitsbilder noch die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Anerkennung einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische als Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV vor.
Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Die am 09.11.1958 geborene Klägerin durchlief nach ihren Angaben von September 1975 bis Februar 1978 eine Ausbildung zur Elektronik-Facharbeiterin und war von Februar 1978 bis August 1978 als Kontrollkraft, von September 1981 bis Oktober 1984 als Arbeitsökonomin und von Oktober 1984 bis März 2002 als Sachbearbeiterin berufstätig. Ab 15.06.2002 nahm sie bei der E. G. GmbH in D. eine Tätigkeit als Sachbearbeiterin auf.
Der Allgemeinmediziner Dr. S. zeigte bei der Beklagten mit Schreiben vom 11.01.2009 den Verdacht auf eine Berufskrankheit an. Er führte aus, bei der Klägerin habe sich durch Kontakt mit Lacken eine multiple chemische Sensibilität entwickelt. Die Klägerin habe einen Arbeitsplatz in einem Großraumbüro neben einer Werkstatt, in der sich eine Spritzkabine befinde, in der Lackierarbeiten durchgeführt würden. Bei Kontakt der Klägerin mit Geruchsstoffen oder Lösungsmitteldämpfen träten starke Kreislaufreaktionen mit Herzrasen, Dyspnoe, Speichelfluss, Husten und Brennen im Mund auf. Die Beschwerden hätten sich im letzten Jahr deutlich verstärkt. In dem beigefügten Arztbrief vom 12.11.2008 führte der Lungen- und Bronchialheilkundler Dr. S. aus, im Vordergrund stehe eine Fructose-, Laktose- und Gluten-Unverträglichkeit sowie insbesondere eine Unverträglichkeit auf Parfüm und Lösungsmitteldämpfe.
Dr. W. vertrat in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 20.01.2009 die Ansicht, aus arbeitsmedizinischer Sicht bestehe kein begründeter Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit.
Sodann legte die Klägerin den Befundbericht des Dr. S. vom 08.12.2008 vor, in dem eine chronische Erkrankung durch Exposition mit Nitrolacken und Lösungsmittelgemischen aufgeführt und der Verdacht auf eine toxische Enzephalopathie mit einem Reactive-Airways-Dysfunction-Syndrom (RADS) und einer vaskulären Hyperaktivität als Folgekrankheiten geäußert wurde.
Auf Anfrage der Beklagten führte die E. G. GmbH in D. unter dem 25.03.2009 aus, die Klägerin sei als Büroangestellte in den Betriebsteilen/Arbeitsbereichen Empfang, Verwaltung und Sekretariat berufstätig. Gesundheitsgefährdende Einwirkungen lägen nicht vor. Dr. W. blieb in ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 14.05.2009 bei der Einschätzung, es liege kein begründeter Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit vor. Sodann zog die Beklagte das Leistungsverzeichnis der BKK Fahr bei.
Der Präventionsdienst der Beklagten führte in der Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 08.06.2009 aus, die Klägerin arbeite am Empfang beziehungsweise im Sekretariat des Betriebes. In ihrem Arbeitsraum befänden sich eine allgemein übliche Einrichtung an Büromöbeln sowie elektrischen Geräten wie Computer, Bildschirm, Drucker und Laminiergerät. Durch die Geräte bedingt sei die Klägerin dabei gegenüber Tonern des Druckers sowie nach ihren Angaben Ausgasungen des Laminiergeräts ausgesetzt. Als wesentliche Ursache für ihre Erkrankung würden jedoch Lösungsmitteldämpfe durch das Lackieren von Schaltschränken in den Räumen des Betriebes genannt. Der Betrieb kaufe allgemein die Schaltschränke fertig ein, um sie dann zu bestücken. Bei Sonderwünschen würden eigene Schaltschränke hergestellt und auch im Betrieb lackiert. Diese Lackierarbeiten fänden im Durchschnitt ein- bis zweimal pro Woche an bis zu zwei bis vier Stunden statt. Zum Lackieren stehe ein Lackierraum mit einer guten technischen Absauganlage bereit. Zum Trocknen verblieben die lackierten Schränke meist in der Lackierkabine, würden aber öfter mal vor dem Raum in der sogenannten Schlosserei zum Austrocknen aufbewahrt. In der Werkstatt würden an den Schaltschränken auch ab und an Farbausbesserungsarbeiten direkt mit Spraydosen durchgeführt. Der Lackierbereich sei etwa 20 Meter vom Großraumbüro und der Eingang zum Empfang sei wiederum circa 12 bis 14 Meter entfernt. Die zwei getrennten Gebäudetrakte Werkstatt und Büro würden von einer meist geschlossenen Tür verbunden. Bei den verwendeten Lacken handele es sich um schwach lösungsmittelhaltige Lacke unterschiedlicher Art. Es sei unstrittig, dass Lackgerüche durch die Lackierarbeiten bis in den Großraumbüro-Bereich hinein festzustellen gewesen seien. Aufgrund der Lage und Entfernung des Empfangsbereiches seien jedoch keine nachweisbaren Konzentrationen zu erwarten. Zusammenfassend wurde ausgeführt, die Klägerin habe während der beruflichen Tätigkeit keinen direkten Kontakt zu Lösungsmitteln und sei auch keinen Lösungsmitteldämpfen gegenüber direkt exponiert. Durch die im Betrieb in unregelmäßigen Abständen stattfindenden Lackierarbeiten sei sie durch den Geruch, der auch im Großraumbüro wahrnehmbar gewesen sei, und wenn überhaupt, dann durch Minimalst-Konzentrationen gegenüber Lösungsmitteln exponiert.
Mit Bescheid vom 22.07.2009 lehnte die Beklagte die Feststellung der Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV ab. Die bei der Klägerin festgestellte Erkrankung sei nicht ursächlich auf ihre berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Zwar seien Lackgerüche bis hinein in das Großraumbüro festzustellen. Bei den verwendeten Lacken handele es sich aber nur um schwach lösungsmittelhaltige Lacke. Ferner seien aufgrund der Lage und Entfernung des Empfangsbereiches keine nachweisbaren Konzentrationen zu erwarten. Außerdem habe die Klägerin selbst keinen direkten Kontakt zu Lösungsmitteln. Den hiergegen am 30.07.2009 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte, nachdem Dr. W. in der gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 29.07.2009 eine Feststellung der Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV nicht vorgeschlagen hatte, mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2009 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 17.11.2009 Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben.
Sie hat vorgetragen, die vom Präventionsdienst der Beklagten vorgenommene Arbeitsplatzschilderung entspreche nicht ansatzweise den tatsächlichen Gegebenheiten. Es sei häufig in erheblichem Maße lackiert worden. Aufgrund der besonderen räumlichen Verhältnisse und der vorhandenen Luftströmungen und aufgrund der Tatsache, dass regelmäßig lackiert worden sei, habe oft ein starker Geruch nach lösungsmittelhaltigen Lacken bestanden. Diese seien im Übrigen auch nicht nur schwach lösungsmittelhaltig. Hierzu hat der Präventionsdienst der Beklagten unter dem 11.03.2010 ausgeführt, die durch die Entfernung zum Lackierbereich zu erwartenden Lösungsmittelkonzentrationen lägen erfahrungsgemäß jenseits der Nachweisgrenze. Die Lüftungsmöglichkeiten bestünden in erster Linie in einer technischen Absauganlage im Lackierraum. An den Vorraum, in dem lackierte Teile zum Trocknen abgestellt worden seien, schließe sich ein überaus großer Werkstattbereich mit vielfältigen Lüftungsmöglichkeiten in Form von Fenstern und Türen nach außen an. Dass dabei alle Lösungsmitteldämpfe durch Werkstatt und Büro bis in den Eingangsbereich gezogen sein sollen, sei äußerst unwahrscheinlich.
Daraufhin hat die Klägerin ausgeführt, sie sei nicht ganztags an ihrem Arbeitsplatz gesessen. Sie habe arbeitsbedingt mehrfach in die Werkstatt gehen beziehungsweise diese durchqueren müssen, um zum Warenein- und ausgang zu gelangen. Auch müsse die in der Werkstatt befindliche Stechuhr zweimal täglich betätigt werden. Um in das Großraumbüro zu gelangen, müsse man immer durch die Werkstatt gehen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass das Großraumbüro, in dem sie gearbeitet habe, drei Treppenstufen über der Werkstatt liege. Außerdem sei das Rolltor in der Werkstatt fast immer geöffnet. Der Empfangsbereich, in dem sie gearbeitet habe, sei früher noch ohne Glasscheiben versehen gewesen. Ferner müsse berücksichtigt werden, dass im Großraumbüro zahlreiche Kopierer, mehrere Laserdrucker, ein Faxgerät und ein Laminiergerät stünden. Der Präventionsdienst der Beklagten ist in seiner Stellungnahme vom 09.06.2010 bei seiner Beurteilung geblieben.
Die Klägerin hat sodann Auskünfte diverser Kollegen vorgelegt. O. R. hat unter dem 17.11.2010 angegeben, es habe in der Werkstatt und im angrenzenden Büro sehr stark und über längere Zeit nach Farbe und Lösungsmitteln gerochen. R. J. hat mit Schreiben vom 19.11.2010 ausgeführt, selbst bei abgetrockneten Schränken sei nach Tagen noch ein leichter Lösungsmittelgeruch wahrnehmbar gewesen. U. L. hat unter dem 19.11.2010 dargelegt, in der gesamten Werkstatt sei ein Farbgeruch wahrnehmbar gewesen. L. S. hat am 21.11.2010 ausgeführt, nach dem Lackieren habe es tagelang in der Schlosserei und in der Werkstatt gestunken. J. F. hat unter dem 24.11.2010 Angaben zu den Lackierarbeiten gemacht. Der Präventionsdienst der Beklagten ist in seiner Stellungnahme vom 11.01.2011 dennoch bei seiner Einschätzung geblieben.
Die Klägerin hat eingewandt, eine sorgfältige und umfassende Ermittlung ihrer Arbeitsplatzverhältnisse sei bislang nicht erfolgt. Sodann hat der Präventionsdienst der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 31.03.2011 dargelegt, der Betrieb sei nun von ihm am 25.03.2011 erneut aufgesucht worden. Zu den im Betrieb ausgeführten Lackierarbeiten gebe es handschriftliche Aufzeichnungen des Lackierers. Im Jahr 2004 sei beispielsweise rund 30mal über das Jahr hinweg lackiert worden. Die Umfänge hätten zwischen 15 Minuten und maximal 2 Stunden betragen. Dieser Umfang sei über den zu betrachtenden Zeitraum für die Jahre 2002 bis 2008 repräsentativ. Zusammenfassend könne gesagt werden, dass die Angaben in der bisherigen Stellungnahme nichts anderes wiedergäben.
Die Klägerin hat eingewandt, es müssten insbesondere die Belege des Betriebes hinsichtlich der tatsächlich durchgeführten Lackierarbeiten beigezogen werden. Der Präventionsdienst der Beklagten hat unter dem 06.06.2011 ausgeführt, die Aufzeichnungen des im Betrieb der Klägerin tätigen Lackierers seien eingesehen und auch quantitativ überprüft worden. Sodann hat der Präventionsdienst der Beklagten unter dem 24.01.2012 den Bericht über die Gefahrstoffmessung vom 16.11.2011 vorgelegt. Danach seien Lösungsmittel-Konzentrationen in Bezug auf Butanon in Höhe von 0,230 mg/m3 (Grenzwert 600 mg/m3), n-Butylacetat in Höhe von 0,100 mg/m3 (Grenzwert 480 mg/m3), Ethylbenzol in Höhe von 0,014 mg/m3 (Grenzwert 400 mg/m3), 1,2,4-Trimethylbenzol in Höhe von 0,020 mg/m3 (Grenzwert 100 mg/m3) und Xylole in Höhe von 0,057 mg/m3 (Grenzwert 440 mg/m3) gemessen worden. All diese Konzentrationen hätten mithin unter 1 % der jeweiligen Grenzwerte gelegen. Ferner hätten alle anderen analysierten Gefahrstoffe unterhalb der analytischen Bestimmungsgrenze beziehungsweise die Konzentrationen unterhalb des jeweiligen Innenraumarbeitsplatz-Referenzwertes gelegen. Im beigefügten Messbericht ist erläutert worden, die Summe der in der Innenraumluft nachgewiesenen flüchtigen organischen Substanzen werde als Toto-Volatile-Organic-Compounds (TVOC) bezeichnet. Die TVOC-Konzentration habe 0,8 mg/m3 betragen. Ein TVOC-Wert von über 0,3 bis unter 1 mg/m3 sei hygienisch noch unbedenklich. Verstärkte Lüftungsmaßnahmen würden empfohlen. Hierzu hat die Beklagte ausgeführt, da nach dem Messbericht aus arbeitsmedizinischer Sicht alle Körpermittelwerte unter 1 % des Arbeitsplatzgrenzwertes gelegen hätten, liege kein Vollbeweis der arbeitstechnischen Exposition zu Lösungsmitteln vor. Aus medizinischer Sicht lägen die Werte weit unter der Geruchsschwelle und weit unter einer Gesundheitsgefährdung. Dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigungen seien aus medizinischer Sicht nicht zu erwarten. Innenraumwerte seien Vorsorgewerte, die zum Schutz der Bevölkerung statistisch ermittelt und nicht gesundheitsbasiert abgeleitet würden. Eine Berufskrankheiten-spezifische Grenzwertüberschreitung liege somit nicht vor. Zudem spreche weiterhin gegen die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV, dass die Klägerin nicht in neurologischer oder psychiatrischer Behandlung gewesen sei. Eine Erkrankung im Sinne dieser Berufskrankheit sei bislang nicht diagnostiziert worden.
Die Klägerin hat eingewandt, der nunmehr vorgelegte Messbericht betreffe nicht die früheren Arbeitsverhältnisse zum Zeitpunkt ihrer Beschäftigung.
Mit Urteil vom 13.03.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Dr. W. habe beratungsärztlich zurecht ausgeführt, dass die von Dr. Schwinger geäußerten Diagnosen im Hinblick auf die Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV sowie überhaupt auf alle Berufskrankheiten irrelevant seien und keine Diagnose vorliege, die eine Berufskrankheit darstelle. Angesichts dieser Sachlage könne offenbleiben, ob überhaupt eine ausreichende Exposition mit gefährdenden Stoffen am Arbeitsplatz der Klägerin gegeben sei. Dies erscheine allerdings nach den umfangreichen Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten sehr zweifelhaft.
Gegen das ihr am 12.04.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 07.05.2013 Berufung eingelegt. Weshalb das Sozialgericht sich ausschließlich auf die beratungsärztliche Stellungnahme der Dr. W. beziehe und trotz ihres ausführlichen Sachvortrags keine eigenen Ermittlungen angestellt habe, sei nicht nachvollziehbar. Die Frage der haftungsbegründenden Kausalität bleibe unbeantwortet.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. März 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2009 aufzuheben und die Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat ausgeführt, typisch für eine neurotoxische Polyneuropathie seien symmetrisch-distale, arm- und beinbetonte, sensomotorische Ausfälle mit strumpf- beziehungsweise handschuhförmiger Verteilung. Eine toxische Enzephalopathie äußere sich durch diffuse Störungen in der Hirnfunktion. Konzentrations- und Merkschwächen, Auffassungsschwierigkeiten, Denkstörungen, Persönlichkeitsveränderungen oft mit Antriebsarmut, Reizbarkeit und Affektionsstörungen stünden im Vordergrund. Keines dieser Symptome oder Beschwerdebilder und schon gar nicht derartige Diagnosen hätten die von der Klägerin aufgesuchten Ärzte beschrieben beziehungsweise gestellt. Hierauf habe Dr. W. in ihrer Stellungnahme zu Recht hingewiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch das Gericht ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist nicht begründet.
Die auf die Feststellung einer Berufskrankheit gerichtete Klage ist zulässig, aber unbegründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf die Feststellung der Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV hat.
Anzuwenden sind die Vorschriften des zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), da der Versicherungsfall als Folge der seit dem Jahr 2002 ausgeübten Berufstätigkeit und damit unter Geltung des SGB VII geltend gemacht wird (§ 212 Abs. 1 SGB VII).
Rechtsgrundlage sind die §§ 7 und 9 SGB VII in Verbindung mit der BKV.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII).
Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
Aus diesen gesetzlichen Vorgaben hat die Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - juris; zuletzt BSG, Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 11/12 R - juris) die folgenden Grundsätze entwickelt:
Für die Feststellung einer Erkrankung als Berufskrankheit ist erforderlich, dass die Verrichtungen des Versicherten einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtungen zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und dass diese Einwirkungen eine Krankheit des Versicherten verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).
Die versicherte Tätigkeit, die Verrichtungen, die Einwirkungen und die Krankheit müssen als rechtserhebliche Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen.
Für die Einwirkungskausalität und die haftungsbegründende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen die berufliche Verursachung spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Bei der Anwendung dieser Beweismaßstäbe ist zu beachten, dass für die tatsächlichen Grundlagen der Wertentscheidung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, soweit es sich nicht um den Kausalverlauf als solchen handelt, also insbesondere für Art und Ausmaß der schädigungsgeeigneten Einwirkung als wichtiges Kriterium für die Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität, der volle Nachweis zu erbringen ist.
Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob die Einwirkungen wesentlich waren. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jede/s andere alltäglich vorkommende Ereignis oder Einwirkung zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG, Urteil vom 09.05.2005 - B 2 U 1/05 R - juris; BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind vorliegend die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV nicht gegeben.
Die Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV setzt das Vorliegen einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische voraus.
Vorliegend fehlt es bereits an dem Nachweis dafür, dass die Klägerin an einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie leidet. So hat der Lungen- und Bronchialheilkundler Dr. S. in seinem Arztbrief vom 12.11.2008 lediglich eine im Vordergrund stehende Fructose-, Laktose- und Gluten-Unverträglichkeit sowie insbesondere eine Unverträglichkeit auf Parfüm und Lösungsmitteldämpfe dargelegt. Zwar hat Dr. S. in seinem Bericht vom 08.12.2008 eine chronische Erkrankung durch Exposition mit Nitrolacken und Lösungsmittelgemischen aufgeführt und den Verdacht auf eine toxische Enzephalopathie mit einem Reactive-Airways-Dysfunction-Syndrom (RADS) und einer vaskulären Hyperaktivität als Folgekrankheiten geäußert. Der bloße Verdacht auf das Vorliegen einer Diagnose reicht aber im Unfallversicherungsrecht gerade nicht. Vielmehr ist der Nachweis einer entsprechenden Erkrankung erforderlich. Ein solcher Nachweis ergibt sich auch nicht aus den Darlegungen des Allgemeinmediziners Dr. S. in seinem Schreiben vom 11.01.2009, indem er lediglich eine sich in starken Kreislaufreaktionen mit Herzrasen, Dyspnoe, Speichelfluss, Husten und Brennen im Mund äußernde multiple chemische Sensibilität beschrieben hat. Denn für das Krankheitsbild einer toxischen Polyneuropathie sind symmetrisch-distale, arm- und beinbetonte, sensible motorische oder sensomotorische Ausfälle mit strumpf- beziehungsweise handschuhförmiger Verteilung typisch. Ferner äußert sich eine toxische Enzephalopathie durch diffuse Störungen in der Hirnfunktion, wobei Konzentrations- und Merkschwächen, Auffassungsschwierigkeiten, Denkstörungen, Persönlichkeitsveränderungen oft mit Antriebsarmut, Reizbarkeit und Affektionsstörungen im Vordergrund stehen (Merkblatt zu Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV; siehe Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 1317, S. 1 ff.). Diese Symptome und Beschwerdebilder lassen sich den ärztlichen Unterlagen aber nicht entnehmen. Auch ist in den vorgelegten Arztberichten weder eine Polyneuropathie noch eine Enzephalopathie diagnostiziert worden. Hinzukommt, dass eine fachneurologisch oder -psychiatrische Behandlung nicht dokumentiert ist. Zutreffend hat daher Dr. W. in ihren beratungsärztlichen Stellungnahmen vom 20.01.2009 und 14.05.2009 einen begründeten Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit nicht gesehen.
Im Fall der Klägerin ist es darüber hinaus nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die bei ihren Verrichtungen als Sachbearbeiterin bei der E. G. GmbH in Ditzingen erfolgten Einwirkungen eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie verursachen können. Mithin würde es schon an der haftungsbegründenden Kausalität zwischen den beruflichen Einwirkungen und dem in der Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV beschriebenen Krankheitsbildern fehlen. Dass es schon an den arbeitstechnischen Voraussetzungen fehlt, ergibt sich aus den umfangreichen Stellungnahmen des Präventionsdienstes der Beklagten, insbesondere seinem Bericht über die Gefahrstoffmessung vom 16.11.2011. Danach haben die Lösungsmittel-Konzentrationen in Bezug auf Butanon, n-Butylacetat, Ethylbenzol, 1,2,4-Trimethylbenzol und Xylole deutlich unter 1 % der jeweiligen Grenzwerte und alle anderen analysierten Gefahrstoffe unterhalb der analytischen Bestimmungsgrenze beziehungsweise deren Konzentrationen unterhalb der jeweiligen Innenraumarbeitsplatz-Referenzwerte gelegen. Ferner hat nach dem Messbericht die Konzentration der Summe der in der Innenraumluft nachgewiesenen flüchtigen organischen Substanzen nur 0,8 mg/m3 betragen, so dass hygienische Unbedenklichkeit vorgelegen hat. Mithin ist der Vollbeweis einer für das Auftreten einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie relevanten Exposition gegen Lösungsmittel nicht gegeben. Der Senat hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Messungen zu zweifeln.
Nach alledem liegen weder die Krankheitsbilder noch die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Anerkennung einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische als Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV vor.
Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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