L 11 KR 2021/14 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 2118/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2021/14 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.04.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Krankengeld von der Antragsgegnerin über den 16.03.2014 hinaus.

Der 1958 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Er war vom 02.07.2013 bis 16.03.2014 arbeitsunfähig erkrankt. Vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bezog der Antragsteller Arbeitslosengeld (Alg). Ab 13.08.2013 gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Krankengeld. Seit dem 17.03.2014 bezieht er wieder Alg (Bl 54 SG-Akte, Bl 6 Senatsakte).

Mit Schreiben vom 14.01.2014 (Bl 9 SG-Akte) teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass im Falle fortbestehender Arbeitsunfähigkeit Krankengeld längstens bis zum 19.03.2014 gezahlt werden könne. Für Zeiten nach dem 19.03.2014 sei die Höchstanspruchsdauer des Krankengeldes erschöpft.

Mit bei der Antragsgegnerin am 27.01.2014 eingegangenem Schreiben erhob der Antragsteller Widerspruch und machte geltend, dass durch eine am 02.07.2013 aufgetretene Nervenwurzelkompression eine neue eigenständige Blockfrist ausgelöst worden sei und daher ein neuer Krankengeldanspruch erst am 30.12.2014 erschöpft sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2014 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers zurück (Bl 7 SG-Akte). Sie führte aus, dass keine neue Erkrankung hinzugetreten sei, die eine neue Blockfrist ausgelöst habe. Dies habe auch der MDK am 02.09.2013 und am 01.10.2013 nach persönlicher Untersuchung ausdrücklich bestätigt. Mithin sei der Krankengeldanspruch bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich am 19.03.2014 erschöpft.

Am 02.04.2014 hat der Antragsteller Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, Krankengeld über den 16.03.2014 hinaus zu zahlen. Die Blockfristen seien fehlerhaft berechnet worden. Eilbedürftigkeit sei gegeben sei, da er nach Ende des Alg-Bezuges Ende Oktober 2014 ggf auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen sein könnte.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten und hat den Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Wegen des Alg-Bezugs fehle es ohnehin am Anordnungsgrund.

Mit Beschluss vom 17.04.2014 hat das SG den Antrag ua wegen fehlender Eilbedürftigkeit abgelehnt.

Gegen den ihm am 19.04.2014 mittels Postzustellungsurkunde zugestellten Beschluss des SG hat der Antragsteller am 07.05.2014 Beschwerde beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und sein Begehren weiterverfolgt. Ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen hat er eine Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt. Er sei vom SG mit Schreiben vom 14.04.2014 gebeten worden, sich zu einem Schreiben der Antragsgegnerin vom 11.04.2014 und zur Frage des Anordnungsgrundes binnen 2 Wochen zu äußern und Bescheide über den Bezug von Sozialleistungen seit März 2014 vorzulegen. Vor Fristablauf und vor seiner endgültigen Äußerung habe das SG jedoch schon entschieden.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.04.2014 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, über den 17.03.2014 hinaus Krankengeld zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.

Nach § 86 Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige An-ordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen (Regelungsanordnung, § 86b Abs 2 S 2 SGG).

Vorliegend begehrt der Antragsteller die Gewährung von Krg über den 17.03.2014 hinaus. Damit richtet sich die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes auf den Erlass einer Regelungsanordnung. Dies verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung).

Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl BVerfG [Kammer], 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S 1236 f). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, aaO, mwN); die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl BVerfG [Kammer], 22.11.2002, aaO, S 1237; 29.11.2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365). Der hier streitgegenständliche Anspruch auf Krankengeld gehört nicht zu den existenziell bedeutsamen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies folgt schon daraus, dass nicht jeder gesetzlich Krankenversicherte einen solchen Anspruch hat (vgl § 44 Abs 1 Satz 2 SGB V). Geboten und ausreichend ist damit eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage (st Rspr des Senats, vgl Beschlüsse vom 20.02.2012, L 11 KR 289/12 ER-B; 19.08.2010, L 11 KR 3364/10 ER-B, juris; 22.12.2009, L 11 KR 5547/09 ER-B, und vom 16.10.2008, L 11 KR 4447/08 ER-B, juris). Krg kann zudem im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes frühestens ab Eingang des Antrags beim SG zugesprochen werden. Eine Verpflichtung zur Bewilligung von Krg im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes für die Zeit davor scheidet grundsätzlich aus (Senatsbeschlüsse vom 20.02.2012, L 11 KR 289/12; 29.03.2010, L 11 KR 1448/10 ER-B).

Ausgehend hiervon hat das SG den Erlass der einstweiligen Anordnung zu Recht wegen fehlender Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) abgelehnt. Der hier streitgegenständliche Anspruch auf Krg gehört nicht zu den existenziell bedeutsamen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Für den Erlass einer auf die (vorläufige) Zahlung von Krankengeld gerichtete einstweilige Anordnung fehlt es an einem Anordnungsgrund, wenn der Versicherte (Antragsteller) seinen Lebensunterhalt durch Arbeitslosengeld sicherstellen kann (Senatsbeschluss v. 19.08.2010, L 11 KR 3364/10 ER-B). Der Antragsteller bezieht nach eigenem Vortrag seit 17.03.2014 laufend Arbeitslosengeld, weshalb ein Anordnungsgrund nicht vorliegt.

Auch die gerügte Verletzung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.

Beruht eine gerichtliche Entscheidung auf Tatsachen und Beweismitteln, zu denen der Betroffene sich nicht äußern konnte, ist diese Entscheidung wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art 103 Abs 1 GG aufzuheben (vgl. BVerfGE 89, 381 (392) mwN). Dabei genügt es, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Gewährung rechtlichen Gehörs zu einer anderen Entscheidung geführt hätte (vgl BVerfGE 7, 95 (99); 60, 247 (249); 86, 133 (147)). Vermag der Betroffene demgegenüber nicht darzulegen, dass die Umstände, zu denen kein rechtliches Gehör gewährt wurde, für die Entscheidung ursächlich waren, so dass auch die Gewährung rechtlichen Gehörs zu keinem abweichenden Ergebnis führen könnte, kommt eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung hingegen nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 62, 392 (396); 105, 252 (264)).

Bereits in der Antragsschrift (S. 4, Bl 4 SG-Akte) hat der Antragsteller sich zur Frage des Anordnungsgrundes geäußert und seine Sicht der Dinge dargelegt, ohne dass sich diesbezüglich im weiteren Verfahrensablauf Änderungen ergeben haben. Mit Schreiben vom 10.04.2014 (Bl 52 SG-Akte), beim SG am 15.04.2014 eingegangen, hat der Antragsteller Nachweise über den Bezug von Alg vorgelegt. Damit hatte sich die Aufforderung des SG vom 14.04.2014 erledigt. Der Antragsteller hatte bereits von selbst auf den entsprechenden Vortrag der Antragsgegnerin reagiert und zu dem entscheidungserheblichen Grund der Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) vorgetragen, bevor ihn die entsprechende Verfügung des SG erreicht hat. Darüber hinaus hat auch das Schreiben der Antragsgegnerin vom 11.04.2014 keine neuen, bislang nicht angesprochenen entscheidungserheblichen Sachverhalte enthalten.

Folgerichtig hat der Antragsgegner selbst mit einem weiteren Schreiben vom 16.04.2014 an das SG - dem Senat vorgelegt mit der Beschwerdebegründung (Bl 6 Senatsakte) - auch mitgeteilt, er habe mit Schreiben vom 10.04.2014 die erbetenen Unterlagen bereits übersandt. Dort ist zwar eine nachfolgende weitere Stellungnahme angekündigt, jedoch ist auch in der Beschwerdebegründung kein neuer, bislang unberücksichtigter Sachvortrag erfolgt. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 11.04.2014 hat nur die bereits vorgebrachten Ansicht der Antragsgegnerin wiederholt, die der Antragsteller bereits kannte und zu der er sich bereits mehrfach geäußert hatte. Schließlich hat auch das SG seine Entscheidung nicht in irgendeiner Weise auf einen Sachverhalt gestützt, zu dem der Antragsteller sich nicht zuvor geäußert hatte.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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