L 11 KR 2536/14 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 1376/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2536/14 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.05.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Der am 14.04.1947 geborene Antragsgegner hat am 02.04.2012 den Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung bei der Antragsgegnerin erklärt und ist dort seit dem 01.06.2012 als freiwilliges Mitglied versichert. Vorausgegangen war die Kündigung der bei der AOK Baden-Württemberg bestehenden freiwilligen Krankenversicherung. Die Mitgliedschaft zur AOK endete mit dem 31.05.2012 (Kündigungsbestätigung vom 30.05.2012).

Der Antragsgegner bezieht eine Altersente in Höhe von 162,06 Euro, die er auch bei seiner Anmeldung angab. Weitere Einkünfte wurden nicht angegeben. Die Antragsgegnerin erließ aufgrund der Angaben am 05.06.2012 einen Beitragsbescheid aus der gesetzlichen Mindestbemessungsgrundlage. Im Juli 2012 erhielt die Antragstellerin Kenntnis davon, dass der Antragsteller Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bzw. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes erhielt. Die Antragsgegnerin bat den Antragsteller wiederholt um Übersendung der entsprechenden Bescheide, was der Antragsteller ablehnte und mehrfach mitteilte, er werde weder jetzt noch in Zukunft "irgendwelchen freiwilligen Datenerhebungen" zustimmen (vgl zB Bl 34 Verwaltungsakte). In der Folge setzte die Antragsgegnerin dann mit Bescheid vom 04.09.2013 (Bl 44 Verwaltungsakte) die Beiträge ab Mai 2013 nach der Höchststufe fest. Hiergegen schlossen sich Widerspruchs- und Klageverfahren, Vollstreckungsmaßnahmen (22.11.2013 Bankkontenpfändung durch die Antragsgegnerin) und gerichtliche Eilverfahren mit Herstellung der aufschiebenden Wirkung an (SG Karlsruhe, S 6 KR 611/14 ER).

Der Antragsgegner kündigte die freiwillige Krankenversicherung bei der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 04.12.2013 auf den 28.02.2014 (Bl 165 Verwaltungsakte).

Die Antragsgegnerin wies in der Kündigungsbestätigung auf das Ruhen der Leistung nach § 16 Abs 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hin (vgl Bl 158, 176 Verwaltungsakte), weshalb die vom Antragssteller als neue Krankenkasse (KrK) gewünschte BKK VerbundPlus dem Antragsteller mitteilte, dass sie keine Gesundheitskarte ausstellen werde (Bl 137 Verwaltungsakte).

Mit Schreiben vom 03.12.2013 und 19.03.2014 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass die Kündigung erst rechtskräftig werde, wenn eine Mitgliedsbescheinigung der neuen KrK vorliege. Die Kündigung sei daher unwirksam (Bl 166 Verwaltungsakte). Die Mitgliedschaft bestehe ohne Unterbrechung weiter fort (Bl 7 SG-Akte).

Die BKKVerbundPlus teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 04.03.2014 mit, sie habe seine Mitgliedschaft gelöscht, nachdem sie die Rücknahme seiner Mitgliedschaftserklärung erhalten habe (Bl 3 der Gerichtsakte im Verfahren vor dem SG Karlsruhe [SG], S 2 KR 992/14).

Mit Bescheiden vom 11.03.2014 (Bl 4 SG-Akte S 2 KR 992/14) berechnete die Antragsgegnerin die Beiträge ab dem 01.07.2013 neu.

Das Sozialamt Karlsruhe beglich am 03.04.2014 die Beitragsrückstände und übernahm auch die laufenden Beiträge (Bl 12, 23 SG-Akte).

Mit dem beim SG am 23.04.2014 eingegangenen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat der Antragsteller vorgebracht, er werde von der Antragsgegnerin genötigt und schikaniert und habe keine Möglichkeit bei einer anderen KrK Mitglied zu werden. Er hat die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, ihm eine "neutrale" Kündigungsbestätigung (ohne Hinweis auf das Ruhen der Leistung nach § 16 SGB V) auszustellen. Er hat den Bescheid des Sozialamtes der Stadt Karlsruhe vom 10.04.2014 über die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vorgelegt.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Mit Bescheid vom 28.04.2014 (Bl 244 Verwaltungsakte) hat sie das Ruhen der Leistungen mit Wirkung vom 03.04.2014 zurückgenommen.

Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 16.05.2014 abgelehnt. Die Kündigung zum 28.02.2014 sei entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht wirksam geworden, da kein Nachweis der Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse gegenüber der Antragsgegnerin durch Vorlage einer Mitgliedsbescheinigung innerhalb der Kündigungsfrist erfolgt sei. Werde dieser Nachweis - wie vorliegend - nicht fristgerecht vorgelegt, bleibe die Mitgliedschaft bei der bisherigen Krankenkasse (der Antragsgegnerin) bestehen. Eine besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) liege nicht vor. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren diene vorläufigen Regelungen. Die bei einer solchen Fallgestaltung zu fordernden strengen Voraussetzungen für die Bejahung eines Anordnungsgrundes seien nicht gegeben. Es erscheine für den Antragsteller im Hinblick auf die sonst zu erwartenden Nachteile nicht unzumutbar, die Erteilung einer Kündigungsbestätigung durch die Krankenkasse im Rahmen eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens zu klären und während dieser Zeit zunächst weiter Mitglied bei der Antragsgegnerin zu bleiben. Unmittelbar Nachteile, die dem Antragsteller bei weiterem Verbleiben in der von ihm nicht mehr gewünschten Krankenkasse drohten, seien nicht ersichtlich. Der Antragsteller genieße, nachdem die Antragsgegnerin den Bescheid über das Ruhen der Leistungen am 28.04.2014 aufgehoben habe, wieder vollen Versicherungsschutz mit gesamtem Leistungsumfang. Für die Zukunft sei der vom Antragsteller angestrebte Wechsel grundsätzlich ohne Weiteres möglich, zumal die Antragsgegnerin den Bescheid über das Ruhen der Leistungen mit Bescheid vom 28.04.2014 aufgehoben habe.

Gegen den ihm am 05.06.2014 mittels Postzustellungsurkunde zugestellten Beschluss des SG hat der Antragsgegner am 12.06.2014 Beschwerde beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er halte an seiner Kündigung fest; diese sei wirksam. Die Antragsgegnerin nötige/erpresse ihn nunmehr seit einem Jahr und setze ihn einem Psychoterror aus. Er sei nunmehr seit dem 01.03.2014 nicht krankenversichert. Es sei für ihn unzumutbar, weiter Mitglied bei der Antragsgegnerin zu bleiben. Er habe überdies das Sozialamt Karlsruhe angewiesen, keine Beiträge mehr an die Antragsgegnerin zu zahlen.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.05.2014 aufzuheben und die Antrags-gegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine "neutrale" Kündigungsbestätigung auszustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat ihre Akten vorgelegt und sich nicht weiter zur Sache geäußert.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und auf die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.

Nach § 86 Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige An-ordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen (Regelungsanordnung, § 86b Abs 2 S 2 SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich eine wenigstens summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm. § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl BVerfG 25.07.1996, 1 BvR 638/96, NVwZ 1997, 479; BVerfG 12.05.2005, 1 BvR 569/05, NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, weil etwa eine vollständige Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden unter Berücksichtigung insbesondere der grundrechtlichen Belange des Antragstellers. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung.

Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass vorliegend keine Eilbedürftigkeit i.S. eines Anordnungsgrundes besteht. Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes setzt voraus, dass für den Antragsteller ein wesentlicher Nachteil abgewandt werden soll. Der Antragsteller ist jedoch weiterhin bei der Antragsgegnerin krankenversichert und genießt vollumfänglichen Krankenversicherungsschutz. Der Senat weist die Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück, die er sich nach eigener Prüfung zu eigen macht (§ 142 Abs 2 S 3 SGG).

Soweit der Antragsteller in der Beschwerdebegründung (Schriftsatz v. 10.06.2014) darauf hinweist, er habe beim Sozialamt Karlsruhe veranlasst, dass keine Versicherungsbeiträge an die Antragsgegnerin mehr abgeführt werden, folgt hieraus kein Anordnungsgrund, denn es ist keine gerichtliche Entscheidung erforderlich, um dies wieder zu ändern und die rechtzeitige Beitragszahlung sicherzustellen.

Ebenso zutreffend hat das SG ausgeführt, dass sich die Kündigung des Antragstellers auf den 28.02.2014 erledigt hat. Der Wechsel einer Krankenkasse während des Versicherungsverhältnisses geschieht in einem gestuften Verfahren, das Mitwirkungsakte sowohl des Versicherten als auch der gekündigten und der gewählten neuen Krankenkasse erfordert (vgl hierzu BSG 02.12.2004, B 12 KR 23/04 R, SozR 4-2500 § 175 Nr 1). Nach § 175 Abs 4 S 2 SGB V ist eine Kündigung der Mitgliedschaft ist zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats möglich, gerechnet von dem Monat, in dem das Mitglied die Kündigung erklärt. Die Krankenkasse hat dem Mitglied unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung eine Kündigungsbestätigung auszustellen (§ 175 Abs 4 S 3 SGB V). Die Kündigung wird nur wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedsbescheinigung oder das Bestehen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall nachweist (§ 175 Abs 4 S 4 SGB V). Wird dieser Nachweis, wie vorliegend, nicht fristgerecht vorgelegt, bleibt die Mitgliedschaft bei der bisherigen Krankenkasse bestehen, wie das SG zutreffend ausgeführt hat (vgl Senatsbeschluss vom 06.12.2012, L 11 KR 4671/12 ER-B, juris Rn 20; Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Juni 2012, § 175 SGB V Rn 44; Sonnhoff in Hauck/Noftz, Kommentar SGB V, § 175 Rn 42).

Der Antragsteller hat jederzeit die Möglichkeit, ein neues Verfahren zum Wechsel der KrK einzuleiten. Gerichtlicher Eilrechtsschutz ist hierfür nicht erforderlich. Auch insoweit ist es Sache des Antragstellers, beim Sozialamt der Stadt Karlsruhe die Weiterzahlung der Beiträge sicherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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