L 9 U 3234/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 3050/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3234/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen infolge eines Arbeitsunfalles vom 22.04.2005 im Zugunstenverfahren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Am 29.04.2005 zeigte Frau S. K. bei der Beklagten an, dass der am 21.06.1945 geborene Kläger, als mitarbeitender Familienangehöriger in ihrem landwirtschaftlichen Unternehmen am 22.04.2005 beim Absteigen vom Schlepper verunfallt sei. Der Kläger sei von der zweiten Treppe ausgerutscht und habe sich das rechte Knie und die linke Seite verletzt.

Laut Durchgangsarztbericht von Dr. W. vom 26.04.2005 stellte sich der Kläger am 25.04.2005 bei ihm vor und berichtete, dass er nach Vorarbeiten für die Saat mit einer landwirtschaftlichen Zugmaschine von dieser abgestiegen und dabei auf der erdigen Treppe ausgerutscht sei. Er habe sich das rechte Knie verdreht und sei auf das linke Bein gefallen. Nach dem Unfall habe er aufgehört zu arbeiten. Dr. W. stellte am rechten Knie eine mäßiggradige Ergussbildung, einen geringen Druckschmerz über dem inneren Kniegelenkspalt und eine fragliche vordere Instabilität fest. Die Extension/Flexion war im Umfang 0/0/100 Grad möglich. Hämatome fanden sich nicht. Die Vollbelastung war möglich. Das linke Kniegelenk war ebenfalls frei beweglich und wies keine Ergussbildung oder Bandinstabilität auf. Es bestand ein Druckschmerz über dem linken Außenknöchel ohne Schwellung oder Hämatom, eine freie Sprunggelenksbeweglichkeit, ein geringer Druckschmerz über der seitlichen Hüftregion links (ohne Schwellung oder Hämatomverfärbung und bei freier Hüftgelenksbeweglichkeit). Die durchgeführten Röntgenaufnahmen (insbesondere der linken Hüfte und beider Kniegelenke) zeigten keine Frakturnachweise, aber geringgradige arthrotische Veränderungen an den Hüften und Knien. Dr. W. diagnostizierte Prellungen im Bereich der linken Hüfte, des linken Kniegelenkes und des linken Außenknöchels sowie den Verdacht auf eine vordere Kreuzbandruptur im Bereich des rechten Knies. Veranlasst wurde daher eine Kernspintomographie vom 27.04.2005.

Laut Zwischenbericht von Dr. S. (Klinikum S.) vom 27.04.2005 sowie dem Bericht von Dr. H. über die Kernspintomographie des rechten Kniegelenks am gleichen Tag zeigte sich beim Kläger eine Gonarthrose bei ausgedehnter Innen- und Außenmeniskopathie bis Grad III. Es bestehe eine eher alte vordere Kreuzbandruptur, ein Gelenkerguss und eine Bakerzyste. Dr. S. diagnostizierte daher eine Kniedistorsion mit Aktivierung einer vorbestehenden Kniegelenksarthrose bei degenerativen Innen- und Außenmeniskusveränderungen und alter vorderer Kreuzbandruptur im Bereich des rechten Kniegelenkes.

Am 19.07.2005 erfolgte durch Dr. K. eine operative Teilresektion des Außen- und Innenmeniskus rechts. Bei der Operation stellte er sowohl am lateralen Femurkondylus als auch am Tibiaplateau Knorpelschäden Grad II bis III fest. Auch zeigte sich der Außenmeniskus im Vorderhorn zerrissen und ausgefranst mit eindeutig degenerativen Schäden. Veranlasst wurde daher eine Untersuchung im Pathologischen Institut S. Dr. H. berichtete unter dem 21.07.2005, dass die untersuchten Meniskusteilstücke vorbestehende degenerative Veränderungen sowie einen Riss mit beginnenden Zeichen der Reparation aufgewiesen hätten, die mit einem fünf Tage alten Riss vereinbar seien.

Am 31.08.2005 beantragte der Kläger die Gewährung einer Verletztenrente.

Die Beklagte zog eine Röntgenaufnahme vom 12.07.2004 des rechten Kniegelenks und den entsprechenden Befundbericht von Dr. B. selben Datums bei, wonach eine medialseits betonte Gonarthrose ohne Frakturnachweis vorlag.

Die Beklagte beauftragte Prof. Dr. S. (Diakoniekrankenhaus S.) mit der Erstattung eines unfallchirurgischen Zusammenhangsgutachtens. Bei der Befragung durch den Gutachter gab der Kläger an, dass er am Unfalltag auf dem Acker vom Schlepper herabgestiegen sei. Es habe kurz zuvor geregnet. Das Absteigen sei mit dem Rücken zum Schlepper gewandt erfolgt. Mit dem vorausgehenden rechten Fuß sei er auf dem zweiten Tritt abgerutscht und daraufhin auf den Ackerboden gefallen. Er sei zunächst mit den Füßen aufgekommen und anschließend nach vorne gefallen. Dabei sei er mit dem rechten Knie auf dem feuchten Ackerboden aufgekommen. Es sei sofort ein Schmerz über der Außen- und Innenseite des rechten Kniegelenks aufgetreten. Er sei anschließend selbstständig aufgestanden, wieder auf den Schlepper gestiegen und nach Hause gefahren. Das Röntgenbild vom 12.07.2004 sei aufgrund eines Sturzes gemacht worden. Vor dem streitigen Unfall sei er jedoch wieder vollkommen beschwerdefrei gewesen. In dem am 30.04.2006 erstatteten Gutachten diagnostizierte Prof. Dr. S. im Bereich des rechten Kniegelenks eine Gefügestörung des Innenmeniskus (Korbhenkelriss, Vorderhorn/Pars intermedia), eine Gefügestörung des Außenmeniskus (Schrägriss, Hinterhorn/Pars intermedia), einen höhergradigen Knorpelschaden mit Betonung des innenseitigen Gelenkkompartiments. Der feingewebliche Befund habe degenerative Umbauvorgänge der Menisken ergeben. Weiterhin sei eine Bakerzyste des rechten Kniegelenks an typischer Stelle nachgewiesen. Aktuell bestehe ein ausgeprägter Gelenkerguss als Ausdruck einer zum gutachterlichen Untersuchungszeitpunkt aktivierten Arthrose, ein endgradig eingeschränktes Streckdefizit des Kniegelenkes (Strecken/Beugen 0/10/115 ) und eine graduell eingeschränkte funktionelle Gebrauchsfähigkeit des rechten Beines, schwerpunktmäßig betreffend erschwerte Anwendungen (z.B. Spitzen-/Hackengang, Einbeinstand, Sprungverhalten, Laufschritt). Alltägliche Anwendungen seien hinsichtlich der Ausdauerfähigkeit tendenziell mittelgradig beeinträchtigt. Der bestehende höhergradige Schaden des Gelenkknorpels (schwerpunktmäßig betreffend das innenseitige Gelenkkompartiment) sei ohne vernünftigen Zweifel nicht Folge des Ereignisses vom 22.04.2005, sondern Folge natürlicher, alterungsbedingt schicksalsmäßiger Umbauvorgänge. Es habe sich ausschließlich das körpereigene Risiko verwirklicht. Die zunächst aufgrund der Kernspintomographie angenommene "eher alte" Kreuzbandruptur habe sich bei der Operation nicht bestätigt. Es sei daher davon auszugehen, dass kein wesentlicher Schaden am vorderen Kreuzband vorliege. Die Bakerzyste sei eine reaktive Folge des degenerativen Gelenkumbaus (Arthrose). Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit habe bereits vor, respektive zum Zeitpunkt des angeschuldigten Ereignisses ein fortgeschrittener, degenerativer Umbauprozess (Zermürbungsschaden) des Außen- und Innenmeniskus vorgelegen. Die unfallunabhängigen degenerativen Zermürbungsschäden der Menisken (Schadensanlage) seien in der Art beschaffen und leicht ansprechbar gewesen, dass es zur Auslösung der Gefügeschäden keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlichen Einwirkung bedurft habe, sondern der Schaden durch jede beliebige austauschbare Belastungsspitze des alltäglichen Lebens und zu einem größenordnungsgemäß vergleichbaren Zeitpunkt eingetreten wäre. Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sei daher das Ereignis vom 22.04.2005 nicht wesentliche Bedingung für die Gesundheitsschäden des Außen- und Innenmeniskus. Wesentliche Bedingung diesbezüglich seien schicksalsmäßige, alterungsbedingte Umbauvorgänge der betroffenen Strukturen. Eine Verschlimmerung eines bestehenden Gesundheitsschadens liege ebenfalls nicht vor. Weiterhin weist der Gutachter darauf hin, dass auch im Hinblick auf den Verletzungsmechanismus die Kausalitätsbeurteilung der Meniskusschäden, bezogen auf das angeschuldigte Ereignis viele Zweifel offenlasse. Ein gewaltsames Beugen des rechten Kniegelenkes bei gleichzeitigem Verdrehen des Ober- oder Unterschenkels (Drehsturz) könne, bezogen auf den konkreten Fall, aus den angegebenen Tatsachen nicht zweifelsfrei herausgearbeitet werden. Weiterhin widerspreche es dem Ursachenverständnis, dass bedingt durch ein und dasselbe Ereignis zeitgleich beide Menisken einen Schaden erleiden. Im Regelfall werde durch ein adäquates Ereignis, das einen Gefügeschaden an einem Meniskus herbeiführen könne, nur entweder der Innenmeniskus oder der Außenmeniskus geschädigt. Zudem sei nach der einschlägigen Literatur davon auszugehen, dass es bei einem direkten Trauma einen isolierten Meniskusriss ohne verletzungsspezifische Veränderungen an anderen Strukturen nicht gebe. Unfallbedingte Begleitverletzungen (blutiger Gelenkserguss, Kapselbandschäden, knöcherne Verletzungen) hätten sich nicht gefunden. Als Folge des Unfalles vom 22.04.2005 sei es mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Prellung respektive leichtgradigen Distorsion des rechten Kniegelenkes sowie einer Prellung im Bereich des linken Beines gekommen. Unter Hinwegdenkung des unfallunabhängigen Gesundheitsschadens und unter Zugrundelegung eines unkomplizierten Heilverlaufes wäre mit dem folgenlosen Ausheilen des unfallbedingten Schadens nach drei bis maximal sechs Wochen zu rechnen.

Mit Bescheid vom 11.09.2006 anerkannte die Beklagte den Vorfall vom 22.04.2005 als Versicherungsfall (Arbeitsunfall als mithelfender Familienangehöriger im Unternehmen der S. K.). Als Unfallfolgen anerkannte die Beklagte eine Prellung respektive leichte Distorsion beider Kniegelenke sowie Prellungen im Bereich des linken Beines. Die unfallbedingten Beschwerden seien innerhalb von drei (maximal sechs) Wochen nach dem Ereignis folgenlos ausgeheilt. Nicht anerkannt würden als Unfallfolge der bestehende hochgradige Gelenkknorpelschaden, der Teilverlust des Außen- und Innenmeniskus, die Bakerzyste und der Gelenkerguss als Ausdruck einer aktivierten Arthrose am rechten Kniegelenk. Grundvoraussetzung der Gewährung von Verletztenrente sei, dass eine zu entschädigende Minderung der Erwerbsfähigkeit über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall andaure. Da dies vorliegend nicht der Fall sei, müsse die Gewährung einer Rente abgelehnt werden.

Am 18.09.2006 legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2007 zurückwies.

Am 15.02.2007 erhob der Kläger Klage (S 11 U 564/07) zum Sozialgericht Ulm (SG). Zur Begründung seiner Klage gab der Kläger unter anderem an, dass er bei dem Unfallereignis mit dem rechten Fuß auf dem nassen, rutschigen Tritt ausgerutscht und dann zwischen das Lenkgestänge geraten sei. Der rechte Fuß habe festgesteckt und sei verdreht worden, und er sei mit der linken Körperhälfte zu Boden gefallen. Dies sei sehr schmerzhaft gewesen.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete Dr. K. am 14.12.2007 ein unfallchirurgisches Gutachten, in dem er beim Kläger eine Arthrose des rechten Kniegelenkes mit Bewegungseinschränkung und Minderung der Belastungsfähigkeit sowie Instabilitätsgefühl, eine fortgeschrittene Arthrose des linken Hüftgelenks mit deutlich eingeschränkter funktioneller Gebrauchsfähigkeit des linken Beines bei Beckentiefstand und Beinverkürzung, degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule bei rechtskonvexer thorakolumbaler Skoliose, eine initiale Arthrose des linken Kniegelenkes und eine initiale Arthrose des rechten Hüftgelenkes diagnostizierte. Keine der genannten Gesundheitsstörungen sei auf den Arbeitsunfall vom 22.04.2005 zurückzuführen. Er schließe sich dem Vorgutachten von Prof. Dr. S. ausdrücklich an. Die im Rahmen des Unfallereignisses aufgetretenen Beschwerden und die ihnen zugrunde liegenden degenerativen Veränderungen des rechten Kniegelenkes seien mit hoher Wahrscheinlichkeit Ausdruck der Schadensanlage infolge einer früheren Verletzung zumindest des vorderen Kreuzbandes. Die zum Zeitpunkt des Unfallereignisses bestehenden degenerativen Veränderungen, wie sie radiologisch, kernspintomographisch und operativ diagnostiziert worden seien, hätten mit Wahrscheinlichkeit durch ein alltäglich vorkommendes Ereignis, zum annähernd selben Zeitpunkt, eine ähnliche Beschwerdesymptomatik ausgelöst. Die Annahme einer Gelegenheitsursache sei im vorliegenden Fall daher gerechtfertigt.

Weiterhin legte der Kläger einen ärztlichen Bericht vor, den Dr. W. am 24.04.2007 für die private Unfallversicherung des Klägers erstellt hat. Darin gab dieser an, dass der Kläger schon vor dem Unfall an einer Gonarthrose gelitten habe. Der unfallunabhängige Anteil an der Gesundheitsschädigung und deren Folgen sei mit 50% zu bewerten.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2008 nahm der Kläger die Klage zurück.

Am 16.10.2008 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 11.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2007, da zu Unrecht davon ausgegangen worden sei, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nicht gegeben seien. Es sei zu keinem Zeitpunkt in die Bewertung mit aufgenommen worden, dass die gesundheitlichen Einschränkungen erst mit dem entsprechenden Unfallereignis aufgetreten seien. Seit dem Unfallereignis bestünden erhebliche Probleme im Bereich des rechten Knies und er sei komplett auf die Hilfe seiner Familie (Waschen, Baden, Anziehen, Auto fahren etc.) angewiesen.

Mit Bescheid vom 04.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2009 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 11.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2007 und die Anerkennung des Knieschadens rechts als Folge des Arbeitsunfalls vom 22.04.2005 ab. Die Voraussetzungen für die Rücknahme des Verwaltungsaktes nach § 44 SGB X lägen nicht vor.

Hiergegen hat der Kläger am 25.08.2009 Klage zum SG erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass er bis zum Unfallzeitpunkt vollständig gesund und uneingeschränkt arbeitsfähig gewesen sei und nunmehr vollständig auf die Hilfe seiner Familie angewiesen sei. Selbst das Zurücklegen kleiner Wege sei ihm nicht mehr möglich. Das im vorherigen Verfahren eingeholte Gutachten von Dr. K. habe nicht im Ansatz die Tatsache berücksichtigt, dass er erst seit dem streitgegenständlichen Unfallereignis gesundheitlich eingeschränkt, zuvor jedoch voll arbeitsfähig gewesen sei.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das SG Dr. A. mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Dr. A. hat in dem Gutachten vom 05.03.2010 ausgeführt, dass beim Kläger ein chronisches Hals- und Lendenwirbelsäulenschmerzsyndrom ohne neurologische Ausfälle, beginnende Abnutzungserscheinungen beider Hüftgelenke mit Einschränkungen der Innenrotation beidseits, ein chronisches Impingementsyndrom beider Schultergelenke ohne relevante Einschränkung der Abduktion und eine Arthrose des rechten Kniegelenkes mit Einschränkung der Beugefähigkeit auf 130 Grad sowie ein Zustand nach operativer Revision einer Außenmeniskus- und Innenmeniskusrissbildung mit reizlosen Narbenverhältnissen bestehe. Keine der genannten Gesundheitsstörungen sei mit Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 22.04.2005 zurückzuführen und diese seien auch nicht durch diesen verursacht worden. Dies entspreche auch der Beurteilung von Dr. K. sowie Prof. Dr. S. Aufgrund des Arbeitsunfalles vom 22.04.2005 bestehe keine Einschränkung.

Auf Antrag des Klägers hat das SG Dr. A. ergänzend zu dessen Einwand befragt, dass er vor dem streitgegenständlichen Unfallereignis völlig gesund gewesen sei und keinerlei gesundheitliche Probleme im verletzten Kniebereich gehabt habe. Unter dem 26.04.2010 hat der Gutachter mitgeteilt, dass der Kläger bei der Untersuchung bereits geschildert habe, dass er vor dem Arbeitsunfall nicht unter Beschwerden im betroffenen Kniegelenk gelitten habe. Laut Kernspintomographie und unter Heranziehung des Operationsberichtes vom 19.07.2005 sei es jedoch wahrscheinlich, dass die zum Zeitpunkt des Unfallereignisses bestehenden Veränderungen auch durch ein alltäglich vorkommendes Ereignis zum annähernd selben Zeitpunkt eine ähnliche Beschwerdesymptomatik ausgelöst hätten. Auch die diagnostizierte Kreuzbandverletzung habe schon vor dem Unfall bestanden.

Mit Urteil vom 29.05.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheides vom 11.09.2006 und Anerkennung weiterer Unfallfolgen habe. Für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles sei es erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei, diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Unfallereignis geführt habe und das Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht habe (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) sei keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern unter anderem für die Gewährung von Verletztenrente. Im Hinblick auf die Beweisanforderungen gelte, dass alle rechtserheblichen Tatsachen des Vollbeweises bedürfen, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden müssen. Dies betreffe die Frage nach der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (des Unfallereignisses) sowie des vorliegenden Gesundheitsschadens. Solche Tatsachen jedoch, die einen rechtlichen Ursachenzusammenhang begründen, müssten angesichts der hier typischen Beweisschwierigkeiten lediglich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Folgen eines Arbeitsunfalles lägen nur dann vor, wenn das Unfallereignis mit Wahrscheinlichkeit rechtlich wesentlich an der Entstehung der Gesundheitsstörung mitgewirkt habe. Nach der im Recht der Unfallversicherung geltenden Kausallehre von der wesentlichen Bedingung seien als Ursache und Mitursache im Rechtssinne nur die Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Die Beschwerden des Klägers im Bereich des rechten Kniegelenkes seien unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe nicht auf das Unfallereignis vom 22.04.2005 zurückzuführen. Dies hätten die Gutachter Prof. Dr. S., Dr. K. und Dr. A. übereinstimmend und schlüssig dargelegt. Im Hinblick auf die beim Kläger aufgetretenen Meniskusrisse sei bereits zweifelhaft, ob ein geeigneter Verletzungsmechanismus vorgelegen habe. Bemerkenswert sei insoweit, dass der Kläger einen Drehsturz, der grundsätzlich geeignet ist, isoliert die Menisken zu schädigen, erst im Rahmen des bereits durchgeführten Klageverfahrens - zwei Jahre und neun Monate nach dem Unfallereignis - behauptet habe. Dies könne jedoch letztlich dahinstehen, da entscheidend sei, dass insbesondere der Gutachter Prof. Dr. S. überzeugend dargelegt habe, dass bei dem Kläger erhebliche degenerative Veränderungen im Bereich des rechten Kniegelenks vor dem Unfallereignis vorgelegen haben. So habe der Gutachter zutreffend darauf hingewiesen, dass sich hinsichtlich des Meniskusschadens bereits aus dem Operationsbericht vom 19.07.2005 ergebe, dass der Außenmeniskus zerrissen und ausgefranst bei eindeutigen degenerativen Schäden war. Die vorgefundenen Umbauprozesse würden sich nicht innerhalb von wenigen Monaten entwickeln, sondern seien das Resultat einer vorbestehenden degenerativen Veränderung über Jahre hinweg. Wie der Gutachter weiter zutreffend ausgeführt habe, reiche ein enger zeitlicher Zusammenhang des Auftretens der Beschwerden mit dem Unfallereignis nicht aus, um mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die aufgetretenen Meniskusrisse in wesentlicher Weise durch das Unfallereignis verursacht worden seien. Die Menisken seien bei dem Unfallereignis bereits vorgeschädigt gewesen. Von einer unfallbedingten Schädigung sei daher nicht auszugehen. Der Gutachter habe ferner zutreffend ausgeführt, dass ausgehend von einer direkten Krafteinwirkung auf das Kniegelenk unfallbedingte Begleitverletzungen vorliegen müssten (blutiger Gelenkserguss, Kapselbandschäden, knöcherne Verletzungen), die nicht gefunden worden seien. In Übereinstimmung mit der unfallmedizinischen Literatur sei davon auszugehen, dass ein isolierter Riss ohne Begleitschäden insoweit nicht möglich sei. Im Übrigen sei auch unter Zugrundelegung eines Drehsturzes nicht nachvollziehbar, dass sowohl der Außenmeniskus als auch der Innenmeniskus geschädigt werde. Auch eine Verschlimmerung der bereits gegebenen degenerativen Vorschäden sei nicht anzunehmen. Soweit eine Bakerzyste und eine Kniegelenksarthrose festgestellt worden sei, hätten alle Gutachter bestätigt, dass insbesondere auch unter Zugrundelegung des radiologischen Befundberichts vom 12.07.2004 und des Operationsberichtes vom 19.07.2005 eine massive Veränderung im Bereich des rechten Kniegelenkes bereits vor dem Unfallereignis bestanden habe. Die Bakerzyste sei Ausdruck einer aktivierten Arthrose im Bereich des rechten Kniegelenks und sei bereits fünf Tage nach dem Unfallereignis festgestellt worden, sodass eindeutig weder die Arthrose noch die im Übrigen festgestellten Knorpelschäden Folgen des Unfallereignisses seien, sondern bereits ein fortgeschrittener Gelenkumbau zum Zeitpunkt des Unfalles stattgefunden habe. Es möge sein, dass der Kläger vor dem Unfall unter keinerlei Beschwerden gelitten habe. Auch wenn die Kniegelenksbeschwerden klinisch stumm gewesen seien, sei jedoch nachgewiesen, dass bereits degenerative Veränderungen vor dem Unfallereignis vorhanden gewesen seien. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die bestehenden Beeinträchtigungen des Klägers im Bereich des rechten Kniegelenks in wesentlicher Weise auf das Unfallereignis zurückzuführen seien, sei nicht gegeben.

Gegen das am 05.07.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.07.2012 Berufung eingelegt. Er hat an seinem bisherigen Vorbringen festgehalten und insbesondere darauf verwiesen, dass aufgrund der erheblichen Einwendungen der Klägerseite gegen das Gutachten von Dr. A. eine Begutachtung von Amts wegen hätte erfolgen müssen. Der Kläger sei vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen, zudem sei die linke Seite absolut beschwerdefrei. Da er mittlerweile 68 Jahre alt sei, weise die Beschwerdefreiheit auf der linken Seite darauf hin, dass die Beschwerden des rechten Kniegelenks unfallbedingt seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29. Mai 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2009 aufzuheben und unter Abänderung des Bescheides vom 11. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2007 die Arthrose des rechten Kniegelenks mit Bewegungseinschränkung, Minderung der Belastbarkeit und Instabilitätsgefühl als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 22. April 2005 festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, dass in insgesamt drei Sachverständigengutachten übereinstimmend festgestellt worden sei, dass die Beschwerden im Bereich des rechten Knies nicht auf das Unfallereignis vom 22.04.2005 zurückzuführen seien. Bereits der MRT-Befund vom 27.04.2005 (fünf Tage nach dem Unfall) habe eine Gonarthrose am rechten Knie und eine ausgedehnte Innen- und Außenmeniskopathie bis Grad III festgestellt. Dieser Befund habe sich bei der Arthroskopie am 19.07.2005 bestätigt.

Am 29.04.2014 hat die Berichterstatterin einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt und auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme und waren mit dieser Vorgehensweise einverstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Gegenstand des Verfahrens ist die Feststellung weiterer Unfallfolgen aufgrund des Arbeitsunfalls vom 22.04.2005 im Rahmen des Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R - m.w.N - (juris) und vom 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R -, BSGE 97, 54).

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das Landessozialgericht - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 24.07.2013 sowie nochmals im durchgeführten Erörterungstermin vom 29.04.2014 wurden die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde oder das Recht unrichtig angewandt wurde und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da der Bescheid vom 11.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2007 nicht rechtswidrig ist. Die Beklagte hat weder das Recht unrichtig angewandt, noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Versicherte haben gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger Anspruch auf die Anerkennung einer Unfallfolge wenn ein Gesundheitserstschaden durch den Versicherungsfall rechtlich wesentlich verursacht wurde (BSG Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - SozR 4-2700 § 11 Nr. 1). Hiernach hat der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung der Arthrose des rechten Kniegelenks mit Bewegungseinschränkung, Minderung der Belastbarkeit und Instabilitätsgefühl als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 22.04.2005.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die Anerkennung weiterer Unfallfolgen, insbesondere für die im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung geltende Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingungen dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die beim Kläger bestehenden Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenkes nicht durch das Unfallereignis vom 22.04.2005 verursacht worden sind. Auch der Senat vermag nicht festzustellen, dass der Arbeitsunfall des Klägers vom 22.04.2005 wesentliche Ursache bzw. Teilursache für die Arthrose des rechten Kniegelenks mit Bewegungseinschränkung, Minderung der Belastbarkeit und Instabilitätsgefühl des Klägers ist. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils im Einzelnen, auf der Grundlage der Gutachten von Prof. Dr. S., Dr. K. und Dr. A. dargelegt, welche Umstände gegen einen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall des Klägers am 22.04.2005 und den bestehenden Gesundheitsstörungen sowie Einschränkungen im Bereich des rechten Kniegelenkes sprechen. Alle drei Gutachter kamen aufgrund der erwiesenen degenerativen Vorschädigung des rechten Knies schlüssig und nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass die im rechten Kniegelenk bestehenden Gesundheitsstörungen durch das Unfallereignis weder rechtlich wesentlich verursacht noch verschlimmert wurden, da auch alltäglich vorkommende, ähnlich gelagerte Ereignisse in absehbarer Zeit die Krankheit zum Entstehen gebracht hätten.

Gutachten, die das Begehren des Klägers stützen könnten, liegen nicht vor. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Sachverhalt durch die drei vorliegenden Gutachten umfassend geklärt.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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