Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 2719/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3947/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28.06.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Lebererkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1310 (Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl oder Alkylaryloxide) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Der am 1962 geborene Kläger war nach Abschluss seines Studiums zum Maschinenbauingenieur zunächst als Konstruktionsingenieur bei der Vereinigten K. AG beschäftigt. Im Januar 1988 nahm er bei der damaligen C.-G. AG in G.-W. eine Tätigkeit als Betriebsingenieur im Bereich der biologischen Abwasserreinigung auf und war dort zuständig für die Instandhaltung und Optimierung der Abwasserbehandlungsanlage. Diese wurde bis 1990 um eine Umkehrosmose-, Extraktions- und Nassoxidationsanlage erweitert, in denen verfahrensbedingt vor allem in den ersten Jahren bis 1992 in größerem Umfang polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane (PCDD/PCDF) entstanden. Bis 1992 war der Kläger ca. 20 bis 30 % seiner Arbeitszeit im Bereich der Extraktions- und Nassoxidationsanlage tätig, wobei es vorkommen konnte, dass er insbesondere bei geöffneter Anlage im Zusammenhang mit Störungsbehebungen und bei Revisionen entsprechenden Expositionen ausgesetzt war, nachdem Raumluftkonzentrationsmessungen für den Bereich der Nassoxidationsanlage eine Exposition mit PCDD/PCDF belegt hatten. Anschließend war der Kläger als Folge einer Veränderung der Organisationsstruktur lediglich noch ca. 10 % seiner Arbeitszeit vor Ort tätig. Ab 1998 war er schließlich als Projektmanager tätig, dabei im Wesentlichen mit Büroarbeiten beschäftigt und damit keinen entsprechenden Expositionen mehr ausgesetzt.
Im November 2009 informierte der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. die Beklagte darüber, dass der Kläger möglicherweise beruflichen Kontakt mit toxisch wirkenden Substanzen gehabt und Gesundheitsstörungen erlitten habe, um deren Abklärung er bitte. Die Beklagte zog medizinische Unterlagen vom werksärztlichen Dienst des Arbeitgebers des Klägers und seiner behandelnden Ärzte bei und veranlasste eine Stellungnahme ihres Präventionsdienstes, durch den eine Exposition mit PCDD/PCDF (Dioxinen) in dem oben dargelegten Umfang bestätigte wurde (vgl. Stellungnahme vom 06.04.2010, Bl. 52/53 VerwA). Sodann holte die Beklagte das Gutachten des Prof. Dr. R. , Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin im Universitätsklinikum E. , auf Grund Untersuchung des Klägers im Oktober 2010 ein, der ausführte, dass beim Kläger wiederholte Episoden (Juli 1990 bis Dezember 1992, Juli 2002, September 2005, September 2007 bis Oktober 2008) mit mäßig erhöhten Aktivitäten praktisch ausschließlich des Leber-enzyms GPT - auch während Zeiten ohne beruflicher Belastung - nachgewiesen seien, aktuell jedoch keine auf eine Leberschädigung hinweisenden Befunde vorlägen. Die Ursache der im Jahr 1990 erstmals beobachten erhöhten Leberwerte bleibe unklar. Einen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit erachtete Prof. Dr. R. eher für unwahrscheinlich. Soweit der behandelnde Hausarzt einen solchen wegen einer Reduktion der GPT-Aktivitäten während Urlaubszeiten bzw. innerbetrieblichen Umsetzungen herstellte, sah der Gutachter dies weder durch die dokumentierten Befunde belegt noch erachtete er dies angesichts der Halbwertzeiten der PCDD/PCDF von mehreren Jahren für schlüssig, da eine Expositionsunterbrechung von mehreren Wochen die GPT-Aktivität im Serum nicht im geringsten beeinflusst hätte.
Mit Bescheid vom 15.03.2011 lehnte die Beklagte es ab, Leberbeschwerden des Klägers als BK nach Nr. 1310 anzuerkennen. Zur Begründung führte sie unter Bezugnahme auf das Gutachten des Prof. Dr. R. im Wesentlichen aus, dass zwar den ärztlichen Berichten wiederholte Episoden mit mäßig erhöhten Leberenzymaktivitäten entnommen werden könnten, jedoch hätten die erhöhten Leberwerte auch außerhalb des Einwirkungszeitraums bestanden, weshalb auch aus dem zeitlichen Verlauf nicht auf eine berufliche Verursachung geschlossen werden könne. Eine Leberschädigung liege aktuell im Übrigen nicht vor. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2011 zurückgewiesen.
Am 23.05.2011 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Er hat die Ausführungen des Prof. Dr. R. in seinem Gutachten hinsichtlich einzelner Punkte ergänzt, erläutert, kommentiert bzw. kritisiert und verschiedene Abhandlungen in Bezug auf eine Dioxinvergiftung bzw. -belastung vorgelegt. Er hat die Auffassung vertreten, dass, selbst wenn keine Behandlung erforderlich sei und auch derzeit keine erhöhten Leberwerte festzustellen seien, gleichwohl nachgewiesen sei, dass von 1990 bis 1992 erhöhte GPT-Werte und danach um den Grenzwert liegende Werte gemessen worden seien, was zu einer Schädigung der Leber geführt habe. Diese bedinge eine Empfindlichkeit, wobei eine Überschreitung der Leberwerte nur auf Grund seiner leberschonenden Lebensweise verhindert werde.
Das SG hat Dr. H. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört, der über leicht erhöhte GPT-Werte in den Jahren 2008/2009, unauffällige Werte in den Jahren 2010 und 2011 sowie eine minimale Leberwerterhöhung am 03.02.2012 berichtet hat. Die Herkunft dessen habe er nicht klären können. Als empirisch wahrscheinlichste Ursache sehe er aktuell eine adipositas-bedingte gereizte Fettleber, wobei dem allerdings der jahrzehntelange Verlauf bei damals wohl normalem Körpergewicht entgegenstehe.
Mit Urteil vom 28.06.2012 hat das SG die Klage - im Wesentlichen gestützt auf das Gutachten des Prof. Dr. R. - abgewiesen. Soweit Dr. H. zuletzt erneut erhöhte Leberwerte festgestellt habe, spreche der Umstand, dass in den Jahren 2010 und 2011 keine erhöhten Leberwerte vorgelegen hätten, im Zusammenhang mit der Tatsache, dass der Kläger seit 1998 nur noch Bürotätigkeiten verrichte, gegen die Annahme, dass diese Werte Folge einer BK seien.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 16.08.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.09.2012, einem Montag, Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, dass er an einer berufsbedingten Leberschädigung leide und insbesondere weder die bestehende Adipositas noch der zwischenzeitlich vorliegende Diabetes mellitus als Erklärung für die abnormen Leberwerte in den 90er-Jahren angesehen werden könnten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28.06.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2011 zu verurteilen, eine Leberschädigung als Berufskrankheit nach Nr. 1310 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG das Gutachten des Internisten Dr. S. auf Grund Untersuchung des Klägers im Januar 2014 eingeholt. Der Sachverständige hat eine leichte Erhöhung des GPT-Wertes beschrieben und ausgeführt, dass den aktenkundigen isolierten Erhöhungen der GPT ohne entzündliche Mitreaktion der weiteren Lebertransaminasen kein Krankheitswert beizumessen sei. Die Ursache der Leberwerterhöhungen sei unklar; ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit könne nicht mit Wahrscheinlichkeit hergestellt werden, zumal Erhöhungen des Leberwertes GPT auch im Zeitraum September 2005 bis Januar 2009 dokumentiert seien, in dem keine Exposition mit PCDD/PCDF vorgelegen habe.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens durch Beschluss entscheidet, ist zulässig; die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 15.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte lehnte die Anerkennung einer BK nach Nr. 1310 der Anlage 1 zur BKV zu Recht ab. Es ist bereits nicht festzustellen, dass der Kläger im Sinne dieser BK an einer Erkrankung durch halogenierte Alkyl-, Aryl oder Alkylaryloxide leidet.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Vorliegen einer BK nach Nr. 1310 beim Kläger zu verneinen. Denn beim Kläger ist bereits keine Erkrankung festzustellen, die durch von dieser BK erfasste Einwirkungen verursacht worden sein kann. So können zwar die toxischen Effekte der vorliegend in Rede stehenden Dioxine PCDD und PCDF, denen der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit zeitweise ausgesetzt war, neben der Haut sowie des peripheren und zentralen Nervensystems auch die Leber betreffen und zu erhöhten Leberenzymaktivitäten und damit einer Lebererkrankung führen, hingegen ist das Vorliegen einer entsprechenden Lebererkrankung beim Kläger zu verneinen. Hierauf wies bereits Prof. Dr. R. hin und dies ergibt sich auch aus dem vom Senat auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachten des Dr. S ... Zwar hat der Sachverständige anlässlich seiner Untersuchung - wie die behandelnden Ärzte zeitweise auch schon zuvor - wiederum eine geringe Erhöhung des Leberwertes GPT objektiviert, jedoch hat er diese Erhöhung der GPT nicht mit dem Vorliegen einer Lebererkrankung gleichgesetzt. Er hat dies schlüssig und überzeugend damit begründet, dass der isolierten Erhöhung dieses Leberwertes ohne entzündliche Mitreaktion der weiteren Lebertransaminasen, insbesondere GOT, Gamma-GT, alkalische Phosphatase, die sich im Wesentlichen jeweils unauffällig gezeigt haben, kein Krankheitswert beizumessen ist und dem Vorliegen einer Lebererkrankung nicht gleichgesetzt werden kann. Da beim Kläger somit keine Lebererkrankung im Sinne der in BK Nr. 1310 festzustellen ist, haben es die Beklagte und ihr folgend das SG zutreffend abgelehnt, eine entsprechende Erkrankung als BK festzustellen.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren weiterhin einen Zusammenhang zwischen der Erhöhung des Leberwertes GPT mit seiner beruflichen Tätigkeit geltend macht, weist der Senat darauf hin, dass sich der Sachverständige Dr. S. insoweit der Einschätzung des Prof. Dr. R. angeschlossen und einen solchen Zusammenhang als rein "spekulativ" bezeichnet hat. Insoweit hat er - ähnlich wie zuvor schon Prof. Dr. R. - deutlich gemacht, dass eine überzeugende Zuordnung der beruflichen Tätigkeit als Ursache der Leberwerterhöhung schon vor dem Hintergrund des Umstandes nicht möglich sei, dass die Serumaktivitäten der Leberenzyme im September 2005, September 2007, Oktober 2008 und im Januar 2009 in ähnlicher Weise erhöht waren, wie zuvor schon im Zeitraum von 1990 bis 1992, obwohl in dieser Zeit gerade keine berufliche Exposition mit PCDD/PCDF vorgelegen hat. Damit fehlt es zwischen dem zeitweise erhöhten Leberwert und der beruflichen Exposition an einem ursächlichen Zusammenhang.
Soweit der Kläger geltend macht, dass weder das bestehende Übergewicht noch erhöhte Blutzuckerwerte für die in Rede stehende GPT-Erhöhungen verantwortlich seien, kann dahingestellt bleiben, ob diese Erkrankungen insoweit als Ursache ausscheiden. Denn auch bei Verneinung dessen folgt daraus nicht, dass dann die berufliche Exposition gegenüber PCDD/PCDF als Ursache der GPT-Erhöhungen anzusehen ist. Denn der Ursachenzusammenhang zwischen beruflicher Exposition und der geltend gemachten gesundheitlichen Folge muss positiv festgestellt werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Insbesondere gibt es keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache und einem rein zeitlichen Zusammenhang - der wie oben dargelegt allerdings zweifelhaft ist - die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, a.a.O.). Dies gilt auch und gerade im BK-Recht, wo angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler Erkrankungen, der Länge der zu berücksichtigenden Zeiträume und des Fehlens eines typischerweise durch berufliche Einwirkungen verursachten Krankheitsbildes bei vielen BKen sich letztlich oft nur die Frage nach einer wesentlichen Mitverursachung der Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen stellt. Aber auch hier gilt, dass es keinen Automatismus zur Bejahung des Ursachenzusammenhangs alleine auf Grund des Vorliegens entsprechender Einwirkungen und einer von der BK erfassten bzw. generell durch solche Einwirkungen hervorrufbaren Erkrankung gibt (BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 7/05 R).
Kann ein behaupteter Sachverhalt jedoch nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Nach alledem kann die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Lebererkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1310 (Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl oder Alkylaryloxide) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Der am 1962 geborene Kläger war nach Abschluss seines Studiums zum Maschinenbauingenieur zunächst als Konstruktionsingenieur bei der Vereinigten K. AG beschäftigt. Im Januar 1988 nahm er bei der damaligen C.-G. AG in G.-W. eine Tätigkeit als Betriebsingenieur im Bereich der biologischen Abwasserreinigung auf und war dort zuständig für die Instandhaltung und Optimierung der Abwasserbehandlungsanlage. Diese wurde bis 1990 um eine Umkehrosmose-, Extraktions- und Nassoxidationsanlage erweitert, in denen verfahrensbedingt vor allem in den ersten Jahren bis 1992 in größerem Umfang polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane (PCDD/PCDF) entstanden. Bis 1992 war der Kläger ca. 20 bis 30 % seiner Arbeitszeit im Bereich der Extraktions- und Nassoxidationsanlage tätig, wobei es vorkommen konnte, dass er insbesondere bei geöffneter Anlage im Zusammenhang mit Störungsbehebungen und bei Revisionen entsprechenden Expositionen ausgesetzt war, nachdem Raumluftkonzentrationsmessungen für den Bereich der Nassoxidationsanlage eine Exposition mit PCDD/PCDF belegt hatten. Anschließend war der Kläger als Folge einer Veränderung der Organisationsstruktur lediglich noch ca. 10 % seiner Arbeitszeit vor Ort tätig. Ab 1998 war er schließlich als Projektmanager tätig, dabei im Wesentlichen mit Büroarbeiten beschäftigt und damit keinen entsprechenden Expositionen mehr ausgesetzt.
Im November 2009 informierte der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. die Beklagte darüber, dass der Kläger möglicherweise beruflichen Kontakt mit toxisch wirkenden Substanzen gehabt und Gesundheitsstörungen erlitten habe, um deren Abklärung er bitte. Die Beklagte zog medizinische Unterlagen vom werksärztlichen Dienst des Arbeitgebers des Klägers und seiner behandelnden Ärzte bei und veranlasste eine Stellungnahme ihres Präventionsdienstes, durch den eine Exposition mit PCDD/PCDF (Dioxinen) in dem oben dargelegten Umfang bestätigte wurde (vgl. Stellungnahme vom 06.04.2010, Bl. 52/53 VerwA). Sodann holte die Beklagte das Gutachten des Prof. Dr. R. , Institut für Hygiene und Arbeitsmedizin im Universitätsklinikum E. , auf Grund Untersuchung des Klägers im Oktober 2010 ein, der ausführte, dass beim Kläger wiederholte Episoden (Juli 1990 bis Dezember 1992, Juli 2002, September 2005, September 2007 bis Oktober 2008) mit mäßig erhöhten Aktivitäten praktisch ausschließlich des Leber-enzyms GPT - auch während Zeiten ohne beruflicher Belastung - nachgewiesen seien, aktuell jedoch keine auf eine Leberschädigung hinweisenden Befunde vorlägen. Die Ursache der im Jahr 1990 erstmals beobachten erhöhten Leberwerte bleibe unklar. Einen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit erachtete Prof. Dr. R. eher für unwahrscheinlich. Soweit der behandelnde Hausarzt einen solchen wegen einer Reduktion der GPT-Aktivitäten während Urlaubszeiten bzw. innerbetrieblichen Umsetzungen herstellte, sah der Gutachter dies weder durch die dokumentierten Befunde belegt noch erachtete er dies angesichts der Halbwertzeiten der PCDD/PCDF von mehreren Jahren für schlüssig, da eine Expositionsunterbrechung von mehreren Wochen die GPT-Aktivität im Serum nicht im geringsten beeinflusst hätte.
Mit Bescheid vom 15.03.2011 lehnte die Beklagte es ab, Leberbeschwerden des Klägers als BK nach Nr. 1310 anzuerkennen. Zur Begründung führte sie unter Bezugnahme auf das Gutachten des Prof. Dr. R. im Wesentlichen aus, dass zwar den ärztlichen Berichten wiederholte Episoden mit mäßig erhöhten Leberenzymaktivitäten entnommen werden könnten, jedoch hätten die erhöhten Leberwerte auch außerhalb des Einwirkungszeitraums bestanden, weshalb auch aus dem zeitlichen Verlauf nicht auf eine berufliche Verursachung geschlossen werden könne. Eine Leberschädigung liege aktuell im Übrigen nicht vor. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2011 zurückgewiesen.
Am 23.05.2011 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Er hat die Ausführungen des Prof. Dr. R. in seinem Gutachten hinsichtlich einzelner Punkte ergänzt, erläutert, kommentiert bzw. kritisiert und verschiedene Abhandlungen in Bezug auf eine Dioxinvergiftung bzw. -belastung vorgelegt. Er hat die Auffassung vertreten, dass, selbst wenn keine Behandlung erforderlich sei und auch derzeit keine erhöhten Leberwerte festzustellen seien, gleichwohl nachgewiesen sei, dass von 1990 bis 1992 erhöhte GPT-Werte und danach um den Grenzwert liegende Werte gemessen worden seien, was zu einer Schädigung der Leber geführt habe. Diese bedinge eine Empfindlichkeit, wobei eine Überschreitung der Leberwerte nur auf Grund seiner leberschonenden Lebensweise verhindert werde.
Das SG hat Dr. H. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört, der über leicht erhöhte GPT-Werte in den Jahren 2008/2009, unauffällige Werte in den Jahren 2010 und 2011 sowie eine minimale Leberwerterhöhung am 03.02.2012 berichtet hat. Die Herkunft dessen habe er nicht klären können. Als empirisch wahrscheinlichste Ursache sehe er aktuell eine adipositas-bedingte gereizte Fettleber, wobei dem allerdings der jahrzehntelange Verlauf bei damals wohl normalem Körpergewicht entgegenstehe.
Mit Urteil vom 28.06.2012 hat das SG die Klage - im Wesentlichen gestützt auf das Gutachten des Prof. Dr. R. - abgewiesen. Soweit Dr. H. zuletzt erneut erhöhte Leberwerte festgestellt habe, spreche der Umstand, dass in den Jahren 2010 und 2011 keine erhöhten Leberwerte vorgelegen hätten, im Zusammenhang mit der Tatsache, dass der Kläger seit 1998 nur noch Bürotätigkeiten verrichte, gegen die Annahme, dass diese Werte Folge einer BK seien.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 16.08.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.09.2012, einem Montag, Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, dass er an einer berufsbedingten Leberschädigung leide und insbesondere weder die bestehende Adipositas noch der zwischenzeitlich vorliegende Diabetes mellitus als Erklärung für die abnormen Leberwerte in den 90er-Jahren angesehen werden könnten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28.06.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2011 zu verurteilen, eine Leberschädigung als Berufskrankheit nach Nr. 1310 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG das Gutachten des Internisten Dr. S. auf Grund Untersuchung des Klägers im Januar 2014 eingeholt. Der Sachverständige hat eine leichte Erhöhung des GPT-Wertes beschrieben und ausgeführt, dass den aktenkundigen isolierten Erhöhungen der GPT ohne entzündliche Mitreaktion der weiteren Lebertransaminasen kein Krankheitswert beizumessen sei. Die Ursache der Leberwerterhöhungen sei unklar; ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit könne nicht mit Wahrscheinlichkeit hergestellt werden, zumal Erhöhungen des Leberwertes GPT auch im Zeitraum September 2005 bis Januar 2009 dokumentiert seien, in dem keine Exposition mit PCDD/PCDF vorgelegen habe.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens durch Beschluss entscheidet, ist zulässig; die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 15.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte lehnte die Anerkennung einer BK nach Nr. 1310 der Anlage 1 zur BKV zu Recht ab. Es ist bereits nicht festzustellen, dass der Kläger im Sinne dieser BK an einer Erkrankung durch halogenierte Alkyl-, Aryl oder Alkylaryloxide leidet.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Vorliegen einer BK nach Nr. 1310 beim Kläger zu verneinen. Denn beim Kläger ist bereits keine Erkrankung festzustellen, die durch von dieser BK erfasste Einwirkungen verursacht worden sein kann. So können zwar die toxischen Effekte der vorliegend in Rede stehenden Dioxine PCDD und PCDF, denen der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit zeitweise ausgesetzt war, neben der Haut sowie des peripheren und zentralen Nervensystems auch die Leber betreffen und zu erhöhten Leberenzymaktivitäten und damit einer Lebererkrankung führen, hingegen ist das Vorliegen einer entsprechenden Lebererkrankung beim Kläger zu verneinen. Hierauf wies bereits Prof. Dr. R. hin und dies ergibt sich auch aus dem vom Senat auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachten des Dr. S ... Zwar hat der Sachverständige anlässlich seiner Untersuchung - wie die behandelnden Ärzte zeitweise auch schon zuvor - wiederum eine geringe Erhöhung des Leberwertes GPT objektiviert, jedoch hat er diese Erhöhung der GPT nicht mit dem Vorliegen einer Lebererkrankung gleichgesetzt. Er hat dies schlüssig und überzeugend damit begründet, dass der isolierten Erhöhung dieses Leberwertes ohne entzündliche Mitreaktion der weiteren Lebertransaminasen, insbesondere GOT, Gamma-GT, alkalische Phosphatase, die sich im Wesentlichen jeweils unauffällig gezeigt haben, kein Krankheitswert beizumessen ist und dem Vorliegen einer Lebererkrankung nicht gleichgesetzt werden kann. Da beim Kläger somit keine Lebererkrankung im Sinne der in BK Nr. 1310 festzustellen ist, haben es die Beklagte und ihr folgend das SG zutreffend abgelehnt, eine entsprechende Erkrankung als BK festzustellen.
Soweit der Kläger im Berufungsverfahren weiterhin einen Zusammenhang zwischen der Erhöhung des Leberwertes GPT mit seiner beruflichen Tätigkeit geltend macht, weist der Senat darauf hin, dass sich der Sachverständige Dr. S. insoweit der Einschätzung des Prof. Dr. R. angeschlossen und einen solchen Zusammenhang als rein "spekulativ" bezeichnet hat. Insoweit hat er - ähnlich wie zuvor schon Prof. Dr. R. - deutlich gemacht, dass eine überzeugende Zuordnung der beruflichen Tätigkeit als Ursache der Leberwerterhöhung schon vor dem Hintergrund des Umstandes nicht möglich sei, dass die Serumaktivitäten der Leberenzyme im September 2005, September 2007, Oktober 2008 und im Januar 2009 in ähnlicher Weise erhöht waren, wie zuvor schon im Zeitraum von 1990 bis 1992, obwohl in dieser Zeit gerade keine berufliche Exposition mit PCDD/PCDF vorgelegen hat. Damit fehlt es zwischen dem zeitweise erhöhten Leberwert und der beruflichen Exposition an einem ursächlichen Zusammenhang.
Soweit der Kläger geltend macht, dass weder das bestehende Übergewicht noch erhöhte Blutzuckerwerte für die in Rede stehende GPT-Erhöhungen verantwortlich seien, kann dahingestellt bleiben, ob diese Erkrankungen insoweit als Ursache ausscheiden. Denn auch bei Verneinung dessen folgt daraus nicht, dass dann die berufliche Exposition gegenüber PCDD/PCDF als Ursache der GPT-Erhöhungen anzusehen ist. Denn der Ursachenzusammenhang zwischen beruflicher Exposition und der geltend gemachten gesundheitlichen Folge muss positiv festgestellt werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Insbesondere gibt es keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache und einem rein zeitlichen Zusammenhang - der wie oben dargelegt allerdings zweifelhaft ist - die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, a.a.O.). Dies gilt auch und gerade im BK-Recht, wo angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler Erkrankungen, der Länge der zu berücksichtigenden Zeiträume und des Fehlens eines typischerweise durch berufliche Einwirkungen verursachten Krankheitsbildes bei vielen BKen sich letztlich oft nur die Frage nach einer wesentlichen Mitverursachung der Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen stellt. Aber auch hier gilt, dass es keinen Automatismus zur Bejahung des Ursachenzusammenhangs alleine auf Grund des Vorliegens entsprechender Einwirkungen und einer von der BK erfassten bzw. generell durch solche Einwirkungen hervorrufbaren Erkrankung gibt (BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 7/05 R).
Kann ein behaupteter Sachverhalt jedoch nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Nach alledem kann die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
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