Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SB 3069/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4057/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches (Merkzeichen) außergewöhnliche Gehbehinderung (aG) streitig.
Der 1933 geborene Kläger stellte erstmals am 21.02.2011 einen Antrag nach dem Schwerbehindertenrecht. Mit Bescheid vom 18.04.2011 stellte das Landratsamt O. - Integration und Versorgung - (LRA) den Grad der Behinderung (GdB) mit 30 seit 01.09.2010 fest. An Funktionsbeeinträchtigungen wurden berücksichtigt: Herzmuskelerkrankung, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck. Die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen Polyarthrose, Funktionsbehinderung des Kniegelenks hätten nicht nachgewiesen werden können.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte außerdem eine erhebliche Gehbehinderung geltend. Wegen der Venen sei er stationär in der chirurgischen Abteilung im Kreiskrankenhaus E. behandelt worden. Das LRA zog den Bericht der Chirurgischen Abteilung der St. A.-V.-Klinik E. über die stationäre Behandlung des Klägers vom 10.03. bis 06.04.2011 bei. Mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22.07.2011 wurden die vorliegenden Arztberichte ausgewertet. Für die Beeinträchtigungen "Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Krampfadern, chronisch-venöse Insuffizienz, wiederkehrende Beingeschwüre, Gebrauchseinschränkung beider Beine" wurde ein Teil-GdB von 70 und für die Beeinträchtigungen "Herzmuskelerkrankung, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck" wurde ein Teil-GdB von 30 zugrunde gelegt. Der Gesamt-GdB wurde mit 80 bewertet.
Mit Teil-Abhilfebescheid vom 01.08.2011 stellte das LRA fest, dass der GdB 80 seit 01.01.2009 beträgt. Zur Inanspruchnahme entsprechender Nachteilsausgleiche wurden die gesundheitlichen Merkmale für G (erhebliche Gehbehinderung) und B (Notwendigkeit ständiger Begleitung) festgestellt.
Mit dem Teil-Abhilfebescheid erklärte sich der Kläger nicht einverstanden und beantragte den Erlass eines Widerspruchsbescheides.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2011 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Darin ist ausgeführt, der Kläger begehre insbesondere noch die Feststellung des Merkzeichens aG (außergewöhnliche Gehbehinderung). Die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich aG seien in der Person des Klägers aber nicht erfüllt.
Dagegen erhob der Kläger am 14.09.2011 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) mit dem Begehren, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich aG seit 12.07.2012 festzustellen. Zur Begründung machte er geltend, bereits für die Funktionseinschränkungen der unteren Gliedmaßen liege ein Teil-GdB von 70 vor. Hierdurch werde die Gehfähigkeit erheblich eingeschränkt. Zudem werde die Belastbarkeit durch die Herzerkrankung weiter reduziert.
Das SG hörte die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen.
Der Kardiologe Dr. K. teilte dem SG mit (Aussage vom 23.12.2011), beim Kläger liege eine Kardiomyopathie vor. Eine Gehstrecke von 2 km sei möglich.
Dr. N. - Oberarzt der St. A.-V.-Klinik E. - berichtete am 28.12.2011, die Behinderung durch die Herzinsuffizienz sei als mittelschwer einzuordnen. Bezüglich einer Gehbehinderung könne keine Aussage gemacht werden, da der Kläger bei ihnen Bettruhe gehabt habe.
Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. F. gab mit Schreiben vom 09.01.2012 an, beim Kläger liege eine arterielle Verschlusskrankheit und eine schwere chronisch-venöse Insuffizienz mit massiven rezidivierenden schweren Ulceracruris beidseits vor, was sich auf die Gehfähigkeit auswirke. Die Gehstrecke betrage seines Erachtens 80 bis 100 m.
Dr. R. - Leitender Oberarzt von der St. A.-V.-Klinik E. berichtete mit Schreiben vom 26.01.2012, wegen chronisch-venöser Insuffizienz sei der Kläger erstmals am 09.03.2011 behandelt worden und im Anschluss stationär vom 10.03. bis 06.04.2011. Die Wegstrecke, die der Kläger nach der Operation habe bewältigen können, habe ca. 500 m betragen. Der Kläger sei aber angehalten worden, täglich sich zu mobilisieren und damit die Wegstrecke zu vergrößern. Das Gehtraining sei während des stationären Aufenthaltes auf Stationsebene erfolgt. Inwieweit dieses Gehtraining auch in der häuslichen Umgebung weitergeführt worden und die Gehstrecke gesteigert worden sei, entziehe sich seiner Kenntnis. Eine außergewöhnliche Gehbehinderung liege seines Erachtens beim Kläger nicht vor.
In der mündlichen Verhandlung vom 19.07.2012 legte der Kläger das Schreiben des Dr. F. vom 12.07.2012 vor, in dem ausgeführt wird, der Gesundheitszustand des Klägers habe sich im letzten halben Jahr deutlich verschlechtert und die Gehstrecke sei deutlich vermindert. Jetzt sei eine Gehstrecke von unter 20 m zu attestieren. Auf Fragen des Vorsitzenden gab der Kläger an, er benutze normalerweise einen Stock, der Stock befinde sich aber zu Hause. Er sei mit dem Taxi hierher gefahren und der Taxifahrer habe ihn dann hier hereingeführt.
Mit Urteil vom 19.07.2012 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, beim Kläger lägen die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches aG nicht vor. Der Kläger gehöre nicht zu den Schwerbehinderten mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und er sei auch nicht diesem Personenkreis gleichzustellen. Wie sich aus dem Bericht des Oberarztes Dr. R. ergebe, habe der Kläger nach der Operation eine Wegstrecke von ca. 500 m zurücklegen können. Auch der behandelnde Hausarzt Dr. F. habe am 09.01.2012 mitgeteilt, dass die Gehstrecke des Klägers noch 80 bis 100 m betrage. Hinsichtlich der Gesundheitsstörungen von Seiten des Herzens schließe sich die Kammer der Auffassung von Dr. B. des Sozialmedizinischen Dienstes des Beklagten an, wonach die Herzleistungsminderung keinen limitierenden Faktor für das Gehvermögen darstelle. Auch der behandelnde Internist Dr. K. habe dargelegt, dass sich die Erkrankung des Herzens nicht auf die Gehfähigkeit auswirke. Auch der persönliche Eindruck, den die Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 19.07.2012 vom Kläger gewonnen habe, spreche gegen das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. So sei es dem Kläger möglich gewesen, ohne fremde Hilfe oder ein orthopädisches Hilfsmittel an der Verhandlung teilzunehmen. Nach seiner eigenen Aussage besitze er normalerweise einen Stock, der sich aber am Tag der mündlichen Verhandlung zu Hause befunden habe. Der Kläger habe ohne weitere Hilfsmittel und ohne Hilfe Dritter den Gerichtssaal betreten und verlassen können. Das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Attest des Dr. F. vom 12.07.2012 vermöge nicht zu überzeugen. Dr. F. habe zwar angegeben, mittlerweile läge die Gehstrecke unter 20 m, aber weitere Gesundheitsstörung habe er hierbei nicht genannt. Welche Gesundheitsstörungen sich konkret verschlechtert hätten, habe er auch nicht angegeben.
Gegen das - dem Bevollmächtigten des Klägers am 10.09.2012 zugestellte - Urteil hat der Kläger am 25.09.2012 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter und trägt ergänzend vor, der Taxifahrer, der ihn zur mündlichen Verhandlung zum SG gebracht habe, habe seinen Stock zu Hause vergessen. Der Taxifahrer habe nämlich vergessen, seine Krücken in den Kofferraum zu legen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. Juli 2012 aufzuheben sowie den Bescheid vom 18. April 2011 in Gestalt des Teil-Abhilfe-Bescheides vom 1. August 2011 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2011 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) ab 12. Juli 2012 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Auf Anfrage des Senats an die Chirurgische Abteilung der St. A.-V.-Klinik E. , ob seit Erstattung des Befundberichts vom 06.01.2012 für das Sozialgericht Ulm durch Dr. R. eine wesentliche Verschlimmerung eingetreten sei, hat Dr. R. am 19.08.2013 mitgeteilt, dass er keine Auskunft geben könne, da er sich im Ruhestand befinde. Anschließend hat Dr. G. - Leitender Oberarzt der Chirurgischen Abteilung der St. A.-V.-Klinik E. am 16.10.2013 dem Senat mitgeteilt, der Kläger habe sich seit der Erstattung des Befundberichtes vom 06.01.2012 am 29.02.2012 und am 02.03.2012 in ihrer ambulanten Behandlung und stationär vom 10.04. bis 13.04.2012 befunden. Am 11.04.2013 sei der Kläger an seinen Varizen links operiert worden. Eine erneute stationäre Behandlung habe in der Visceralchirurgie vom 22.03. bis 27.03.2013 stattgefunden. Ob es zu einer wesentlichen Verschlimmerung des Gesundheitszustandes nach dem 26.01.2012 gekommen sei, sei anhand der Akten nicht zu beurteilen. Auch eine entsprechende Aussage über die zumutbare Gehstrecke könne anhand der Akten nicht gemacht werden.
Der Senat hat Dr. B. Z. - Internist, Diabetologe -, A. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat am 27.01.2014 mitgeteilt, er habe den Kläger vom 04.08. bis 25.12.2013 wegen seiner Füße behandelt. Bei der Erstvorstellung habe eine claudicatio intermittens nach einer Gehstrecke von 350 m links mehr als rechts vorgelegen. Der Kläger sei in der Lage, mit Gehstöcken bzw. einem Rollator eine Gehstrecke von 100 bis 300 m zurückzulegen.
Dagegen wandte der Bevollmächtigte des Klägers ein, in der sachverständigen Zeugenaussage habe Dr. Z. die in seinem Schriftsatz vom 02.12.2013 übersandten Arztbriefe vom 18.10.2013 beschriebene Befundverschlechterung nicht berücksichtigt. Die genannte Wegstrecke von 100 bis 300 m mit Gehstöcken bzw. Rollator dürfte daher erheblich zu groß bemessen sein. Dr. Z. sei daher erneut dazu anzuhören.
Einen Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG hat der Kläger nicht gestellt (Frist dazu bis 25.04.2014).
Der Bevollmächtigte des Klägers hat den vorläufigen Entlassbrief des O. Klinikums vom 07.11.2013 und ein ärztliches Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. U. F. vom 11.04.2014 vorgelegt. Darin ist ausgeführt: Dem Patienten ist es aufgrund seiner Gehbehinderung nicht möglich, längere Strecken (unter 50 Meter) ohne Gehstützen zurückzulegen. Die Gehbehinderung wird kontinuierlich schlechter und wird ein Dauerzustand sein.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Akten des SG Ulm und der Senatsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" zu.
Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist nur, ob beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" vorliegen. Soweit der Beklagte im Bescheid vom 01.08.2011 außerdem entschieden hat, dass der GdB 80 beträgt, hat der Kläger hiergegen keinen Rechtsbehelf eingelegt, weshalb der Bescheid insoweit (teilweise) bestandskräftig geworden ist. Dem entspricht auch der Berufungsantrag des Klägers.
Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "aG" ist § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) i.V.m. §§ 1 Abs. 4 und 3 Abs. 1 Nr. 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25.07.1991, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 02.12.2006 (BGBl. I S. 2742). Danach ist das Merkzeichen "aG" festzustellen, wenn der behinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist.
Eine derartige straßenverkehrsrechtliche Vorschrift ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) vom 26.01.2001 (BAnz S. 1419, berichtigt S. 5206), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVwV vom 10.04.2006 (BAnz S. 2968). Nach Abschnitt II Nr. 1 der VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO sind als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können, oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem zuvor genannten Personenkreis gleichzustellen sind.
Der Kläger gehört - unstreitig - nicht zu dem ausdrücklich genannten Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten.
Der Kläger kann dem genannten Personenkreis auch nicht gleichgestellt werden, da seine Gehfähigkeit nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nicht nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in der VwV genannten Personen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Dies steht für den Senat aufgrund der zu den Akten gelangten (zahlreichen) ärztlichen Unterlagen und der vom SG und dem Senat durchgeführten Ermittlungen fest.
Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3 3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB.
Die Anlage VG zur VersMedV ist rechtlich allerdings nicht beachtlich. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten weder § 30 Abs. 16 BVG, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilsausgleich "aG" (wie auch "G") sind damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile des Senats vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 - vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08 -, beide veröffentlicht in juris und im Internet: www.sozialgerichtsbarkeit.de). Rechtsgrundlage sind daher allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen und die hierzu in ständiger Rechtsprechung zulässig anzuwendenden Verwaltungsvorschriften.
Ein Betroffener ist danach gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Nr. 11 Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwV-StVO aufgeführten schwerbehinderten Menschen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 23). Hierbei ist zu beachten, dass die maßgebenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschrift nicht darauf abstellen, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur noch mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung - praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an - erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG SozR 3 3250 § 69 Nr. 1 und Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R -, juris).
Bei Anlegung dieser Maßstäbe kann der Kläger dem genannten Personenkreis nicht gleichgestellt werden.
Dass sich der Kläger nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann, ist den zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und den vom SG und vom Senat durchgeführten Ermittlungen nicht zu entnehmen. Eine solche Einschränkung des Gehvermögens des Klägers wird von den den Kläger behandelnden Ärzten nicht beschrieben. Dies wird im Übrigen vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Dass der Kläger - nach seinen Angaben - einen Gehstock, eine Krücke bzw. einen Rollator zum Gehen benötigt, erfüllt die Voraussetzung der Möglichkeit der Fortbewegung nur mit fremder Hilfe nicht. Hiervon ist nur auszugehen, wenn der Kläger sich nur noch mit Hilfe einer dritten Person fortbewegen könnte (Urteil des erkennenden Senats vom 23.11.2007 - L 8 SB 697/07 -, unveröffentlicht), was jedoch nicht zutrifft.
Die Gehfähigkeit des Klägers ist zur Überzeugung des Senats auch nicht auf das Schwerste so weit eingeschränkt, dass er sich praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an nur mit großer Anstrengung fortbewegen kann.
Die für den Nachteilsausgleich "aG" geforderte große körperliche Anstrengung ist nach der Rechtsprechung des BSG dann gegeben, wenn die Wegstreckenlimitierung darauf beruht, dass der Betroffene bereits nach kurzer Wegstrecke erschöpft ist und er neue Kräfte sammeln muss, bevor er weitergehen kann. Dass der betroffene Gehbehinderte nach einer bestimmten Strecke eine Pause machen muss, ist allerdings lediglich Indiz für eine Erschöpfung. Für den Nachteilsausgleich "aG" reichen irgendwelche Erschöpfungszustände zudem nicht aus (BSG Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R -). Vielmehr müssen sie in ihrer Intensität mit den Erschöpfungszuständen gleichwertig sein, die bei den ausdrücklich genannten außergewöhnlich Gehbehinderten auftreten. Gradmesser hierfür kann die Intensität des Schmerzes oder der Luftnot nach dem Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke sein. Ein solches Erschöpfungsbild lässt sich u.a. aus der Dauer der erforderlichen Pause sowie den Umständen herleiten, unter denen der Betroffene nach der Pause seinen Weg fortsetzt. Nur kurzes Pausieren mit anschließendem Fortsetzen des Weges ohne zusätzliche Probleme ist im Hinblick auf den von den Vergleichsgruppen gebildeten Maßstab zumutbar (BSG, a.a.O.).
Nach dem Ergebnis der vom SG und vom Senat durchgeführten Ermittlungen ist beim Kläger die für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" geforderte große körperliche Anstrengung beim Gehen nicht erfüllt. Wie sich aus dem Bericht des Leitenden Oberarztes Dr. R. von der St. A.-V.-Klinik E. vom 26.01.2012, der vom SG als sachverständiger Zeuge gehört worden ist, ergibt, betrug die Wegstrecke, die der Kläger nach der Operation bewältigen konnte ca. 500 Meter. In diesem Zusammenhang hat Dr. R. darauf hingewiesen, dass der Kläger nach der Operation dazu angehalten worden ist, täglich sich zu mobilisieren und damit die Wegstrecke zu vergrößern. Ob der Kläger dieses Gehtraining, zu dem er von ärztlicher Seite angehalten worden ist, durchgeführt hat und damit die Gehstrecke von 500 Metern tatsächlich hat vergrößern können, konnte Dr. R. naturgemäß nicht mitteilen. Dies kann auch dahinstehen und der Senat geht davon aus, dass der Kläger jedenfalls nach der Operation ca. 500 Meter gehen konnte. Soweit der Kläger geltend macht, inzwischen sei eine Verschlechterung im Gesundheitszustand eingetreten, weshalb die Gehstrecke von 500 Metern sich verringert habe, ist darauf hinzuweisen, dass eine Verschlechterung in den objektiven Befunden des Klägers nicht nachgewiesen ist. Unabhängig davon hat auch die Anfrage des Senats bei der St. A.-V.-Klinik E. zu keinem anderen Ergebnis geführt. Dr. R. , der als sachverständiger Zeuge die Auskunft vom 26.01.2012 gegenüber dem SG erteilt hatte, konnte auf Anfrage des Senats keine näheren Angaben machen, da er zwischenzeitlich nicht mehr berufstätig, sondern im Ruhestand ist. Sein Nachfolger Dr. G. konnte anhand der Akten die Frage, ob es zu einer wesentlichen Verschlimmerung des Gesundheitszustandes nach dem 26.01.2012 gekommen ist, nicht beurteilen. Der behandelnde Hausarzt des Klägers Dr. F. hat dem SG am 09.01.2012 mitgeteilt, dass die Gehstrecke des Klägers noch 80 bis 100 Meter betrage. Da sich die Erkrankung des Herzens nach der Beurteilung des behandelnden Internisten Dr. K. nicht auf die Gehstrecke auswirkt, konnte daher das SG aufgrund seiner Ermittlungen zutreffend davon ausgehen, dass der Kläger zumutbar eine Wegstrecke von entweder bis zu 500 Metern (so Dr. R. im Januar 2012) oder jedenfalls bis zu 80 Metern (so Dr. F. im Januar 2012) zurücklegen konnte. Da sich aufgrund der im Berufungsverfahren eingegangenen Arztberichte eine wesentliche Änderung im Sinne der Verschlimmerung der die Gehfähigkeit beeinflussenden Befunde nicht ergeben hat, ist nach Auffassung des Senats weiter von dieser zumutbaren Gehstrecke auszugehen. Dies wird im Ergebnis auch bestätigt durch Dr. Z. - Internist, Diabetologe -, den der Senat als sachverständigen Zeugen gehört hat. Dr. Z. hat mit Schreiben vom 27.01.2014 mitgeteilt, dass die Erstvorstellung des Klägers in der Fußsprechstunde erfolgt sei und dass nach Angaben des Klägers eine claudicatio intermittens nach einer Gehstrecke von 350 Metern links mehr als rechts eingetreten sei. Hieraus entnimmt der Senat, dass der Kläger dort die Angaben gemacht hat, dass er jedenfalls eine Gehstrecke bis 350 Metern ohne Beschwerden einer claudicatio intermittens hat zurücklegen können. Nach Beurteilung von Dr. Z. ist der Kläger in der Lage, mit Gehstöcken bzw. einem Rollator eine Gehstrecke von 100 bis 300 Metern zurückzulegen. Ob die zumutbare Gehstrecke des Klägers nun 500 Meter (Dr. R. vom 26.01.2012), 100 bis 300 Meter (Dr. Z. vom 27.01.2014) oder 80 bis 100 Meter (Dr. F. vom 09.01.2012) beträgt, kann letztendlich dahinstehen, da selbst bei der Zurücklegung der geringsten Wegstrecke von 80 Metern hieraus nicht zur Überzeugung des Senats abgeleitet werden kann, dass die Gehfähigkeit des Klägers in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt wäre und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Nr. 11 Abschnitt 2 Nr. 1 Satz 2, erster Halbsatz VwV - StVO aufgeführten schwerbehinderten Menschen fortbewegen kann. Dem entspricht - im Ergebnis - auch der eigene Vortrag des Klägers, wonach er nicht darauf abgehoben hat, sich praktisch von den ersten Schritten außerhalb des Kraftfahrzeuges an nur noch mit großer Anstrengung fortbewegen zu können. Allein der Umstand, dass er möglicherweise von den ersten Schritten an sich nicht ohne Stock bzw. Krücken bzw. Rollator fortbewegen kann, führt - wie oben ausgeführt - zu keinem anderen Ergebnis, denn im Rahmen der Prüfung des Nachteilsausgleiches "aG" ist es dem Betreffenden jeweils zumutbar, derartige Hilfsmittel beim Gehen zu benutzen. Soweit der Kläger zuletzt auch das ärztliche Attest seines behandelnden Allgemeinarztes Dr. F. vom 11.04.2014 vorgelegt hat, wonach er längere Strecken (unter 50 m) nicht ohne Gehstützen zurücklegen kann, kann der Kläger damit nicht die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "aG" damit erfüllen.
Anlass für weitere Ermittlungen sieht der Senat nicht. Soweit der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 04.02.2014 vorgetragen hat, er gehe davon aus, dass Dr. Z. die in seinem Arztbrief vom 18.10.2013 beschriebene Befundverschlechterung nicht berücksichtigt habe, weist der Senat darauf hin, dass Dr. Z. den Kläger auch noch nach dem 18.10.2013 behandelt hat und zwar bis zum 25.12.2013, wie sich dies aus seinem Befundbericht vom 27.01.2014 ergibt. Die sachverständige Zeugenanhörung vom 27.01.2014 ist daher aktueller als sein Befundbericht vom 18.10.2013. Der Senat geht auch davon aus, dass Dr. Z. seinen eigenen Bericht vom 18.10.2013 mitberücksichtigt hat. Im Übrigen ist im Befundbericht vom 18.10.2013 die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) mit "aktuell Stadium III" beschrieben worden und in der sachverständigen Zeugenaussage vom 27.01.2014 ist sie mit Stadium II a beurteilt worden. Dieses Stadium II a hat auch am 07.08.2013 vorgelegen, wie sich dies aus der Dopplersonographie vom 07.08.2013 aus dem Arztbericht des Dr. Z. vom 18.10.2013 ergibt. Damit hat es sich offenbar um eine Befundverschlechterung in der Zeit vom 07.08.2013 bis 18.10.2013 gehandelt. Diese hat aber keine 6 Monate angehalten, da sie am 25.12.2013 wieder abgeheilt war, wie sich dies aus der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. Z. vom 27.01.2014 entnehmen lässt und was mit dem im Entlassungsbericht des O.Klinikums vom 07.11.2013 dargestellten Beschwerdeverlauf mit regredientem Befund nach erfolgreicher stationärer Behandlung zu vereinbaren ist. Letztlich hatte Dr. Z. Gelegenheit, den Kläger nach der stationären Behandlung im November 2013 bei seiner Vorsprache im Dezember 2013 zu untersuchen und die genannte Diagnose zu stellen. Diese vorübergehende Verschlechterung kann daher nicht berücksichtigt werden; sie schränkt die Gehfähigkeit des Klägers auch nicht auf Dauer wesentlich ein. Maßgebend hierfür ist nicht, dass die Gesundheitsstörung periphere arterielle Verschlusskrankheit auf Dauer besteht, sondern der hieraus resultierende Ausprägungsgrad der Beeinträchtigung auf die Gehfähigkeit. Der dargestellte schwankende Verlauf der Verschlusskrankheit an den Beinen mit möglicherweise zeitweiser Einschränkung der Gehfähigkeit im Umfang, der das begehrte Merkzeichen rechtfertigen würde, steht der nach jeweils erfolgreicher Behandlung wieder erlangte besserer Funktionszustand entgegen, so dass bereits das Merkmal einer dauerhaften Einschränkung nicht erfüllt ist.
Anlass, Dr. Z. hierzu erneut zu hören, sieht der Senat daher nicht. Die nach der Terminsanberaumung unsubstantiiert behauptete Verschlechterung des Gesundheitszustandes (Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 17.07.2014), wonach der Kläger mittlerweile schwarze Füße wegen seines Herzschadens habe, hat den Senat ebenso wenig veranlasst, weitere Ermittlungen aufzunehmen. Die Herzerkrankung wirkt sich nicht auf die Gehstrecke aus, wie oben dargelegt. Eine vorübergehende, der Therapie zugänglich Ulcus-Bildung begründet keine Einschränkung auf Dauer. Ob und inwieweit nekrotisches Gewebe vorliegt, ist für den Senat nicht ersichtlich geworden. Der richterlichen Auflage, über die behauptete notfallmäßige stationäre Behandlung im April 2014 (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 28.04.2014) den ärztlichen Befundbericht vorzulegen, ist der Kläger nicht nachgekommen und hat erst kurz vor dem Termin erklärt (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 17.07.2014), er werde weitere Befunde nicht vorlegen. Aus diesem Prozessverhalten schließt der Senat, dass eine tatsächliche dauerhafte Verschlechterung nicht eingetreten ist. Für den Senat ist auch nicht erkennbar geworden, dass die durch die Verschlusskrankheit aktuell verursachte Gehbeeinträchtigung – deren zuletzt im Juli 2014 behauptete Verschlechterung unterstellt – nicht einer operativen oder sonstigen therapeutischen Maßnahme zugänglich ist und als dauerhaft für wenigstens 6 Monate zu unterstellen wäre.
Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben und sie war mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches (Merkzeichen) außergewöhnliche Gehbehinderung (aG) streitig.
Der 1933 geborene Kläger stellte erstmals am 21.02.2011 einen Antrag nach dem Schwerbehindertenrecht. Mit Bescheid vom 18.04.2011 stellte das Landratsamt O. - Integration und Versorgung - (LRA) den Grad der Behinderung (GdB) mit 30 seit 01.09.2010 fest. An Funktionsbeeinträchtigungen wurden berücksichtigt: Herzmuskelerkrankung, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck. Die vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen Polyarthrose, Funktionsbehinderung des Kniegelenks hätten nicht nachgewiesen werden können.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte außerdem eine erhebliche Gehbehinderung geltend. Wegen der Venen sei er stationär in der chirurgischen Abteilung im Kreiskrankenhaus E. behandelt worden. Das LRA zog den Bericht der Chirurgischen Abteilung der St. A.-V.-Klinik E. über die stationäre Behandlung des Klägers vom 10.03. bis 06.04.2011 bei. Mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22.07.2011 wurden die vorliegenden Arztberichte ausgewertet. Für die Beeinträchtigungen "Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Krampfadern, chronisch-venöse Insuffizienz, wiederkehrende Beingeschwüre, Gebrauchseinschränkung beider Beine" wurde ein Teil-GdB von 70 und für die Beeinträchtigungen "Herzmuskelerkrankung, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck" wurde ein Teil-GdB von 30 zugrunde gelegt. Der Gesamt-GdB wurde mit 80 bewertet.
Mit Teil-Abhilfebescheid vom 01.08.2011 stellte das LRA fest, dass der GdB 80 seit 01.01.2009 beträgt. Zur Inanspruchnahme entsprechender Nachteilsausgleiche wurden die gesundheitlichen Merkmale für G (erhebliche Gehbehinderung) und B (Notwendigkeit ständiger Begleitung) festgestellt.
Mit dem Teil-Abhilfebescheid erklärte sich der Kläger nicht einverstanden und beantragte den Erlass eines Widerspruchsbescheides.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2011 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Darin ist ausgeführt, der Kläger begehre insbesondere noch die Feststellung des Merkzeichens aG (außergewöhnliche Gehbehinderung). Die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich aG seien in der Person des Klägers aber nicht erfüllt.
Dagegen erhob der Kläger am 14.09.2011 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) mit dem Begehren, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich aG seit 12.07.2012 festzustellen. Zur Begründung machte er geltend, bereits für die Funktionseinschränkungen der unteren Gliedmaßen liege ein Teil-GdB von 70 vor. Hierdurch werde die Gehfähigkeit erheblich eingeschränkt. Zudem werde die Belastbarkeit durch die Herzerkrankung weiter reduziert.
Das SG hörte die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen.
Der Kardiologe Dr. K. teilte dem SG mit (Aussage vom 23.12.2011), beim Kläger liege eine Kardiomyopathie vor. Eine Gehstrecke von 2 km sei möglich.
Dr. N. - Oberarzt der St. A.-V.-Klinik E. - berichtete am 28.12.2011, die Behinderung durch die Herzinsuffizienz sei als mittelschwer einzuordnen. Bezüglich einer Gehbehinderung könne keine Aussage gemacht werden, da der Kläger bei ihnen Bettruhe gehabt habe.
Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. F. gab mit Schreiben vom 09.01.2012 an, beim Kläger liege eine arterielle Verschlusskrankheit und eine schwere chronisch-venöse Insuffizienz mit massiven rezidivierenden schweren Ulceracruris beidseits vor, was sich auf die Gehfähigkeit auswirke. Die Gehstrecke betrage seines Erachtens 80 bis 100 m.
Dr. R. - Leitender Oberarzt von der St. A.-V.-Klinik E. berichtete mit Schreiben vom 26.01.2012, wegen chronisch-venöser Insuffizienz sei der Kläger erstmals am 09.03.2011 behandelt worden und im Anschluss stationär vom 10.03. bis 06.04.2011. Die Wegstrecke, die der Kläger nach der Operation habe bewältigen können, habe ca. 500 m betragen. Der Kläger sei aber angehalten worden, täglich sich zu mobilisieren und damit die Wegstrecke zu vergrößern. Das Gehtraining sei während des stationären Aufenthaltes auf Stationsebene erfolgt. Inwieweit dieses Gehtraining auch in der häuslichen Umgebung weitergeführt worden und die Gehstrecke gesteigert worden sei, entziehe sich seiner Kenntnis. Eine außergewöhnliche Gehbehinderung liege seines Erachtens beim Kläger nicht vor.
In der mündlichen Verhandlung vom 19.07.2012 legte der Kläger das Schreiben des Dr. F. vom 12.07.2012 vor, in dem ausgeführt wird, der Gesundheitszustand des Klägers habe sich im letzten halben Jahr deutlich verschlechtert und die Gehstrecke sei deutlich vermindert. Jetzt sei eine Gehstrecke von unter 20 m zu attestieren. Auf Fragen des Vorsitzenden gab der Kläger an, er benutze normalerweise einen Stock, der Stock befinde sich aber zu Hause. Er sei mit dem Taxi hierher gefahren und der Taxifahrer habe ihn dann hier hereingeführt.
Mit Urteil vom 19.07.2012 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, beim Kläger lägen die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches aG nicht vor. Der Kläger gehöre nicht zu den Schwerbehinderten mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und er sei auch nicht diesem Personenkreis gleichzustellen. Wie sich aus dem Bericht des Oberarztes Dr. R. ergebe, habe der Kläger nach der Operation eine Wegstrecke von ca. 500 m zurücklegen können. Auch der behandelnde Hausarzt Dr. F. habe am 09.01.2012 mitgeteilt, dass die Gehstrecke des Klägers noch 80 bis 100 m betrage. Hinsichtlich der Gesundheitsstörungen von Seiten des Herzens schließe sich die Kammer der Auffassung von Dr. B. des Sozialmedizinischen Dienstes des Beklagten an, wonach die Herzleistungsminderung keinen limitierenden Faktor für das Gehvermögen darstelle. Auch der behandelnde Internist Dr. K. habe dargelegt, dass sich die Erkrankung des Herzens nicht auf die Gehfähigkeit auswirke. Auch der persönliche Eindruck, den die Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 19.07.2012 vom Kläger gewonnen habe, spreche gegen das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. So sei es dem Kläger möglich gewesen, ohne fremde Hilfe oder ein orthopädisches Hilfsmittel an der Verhandlung teilzunehmen. Nach seiner eigenen Aussage besitze er normalerweise einen Stock, der sich aber am Tag der mündlichen Verhandlung zu Hause befunden habe. Der Kläger habe ohne weitere Hilfsmittel und ohne Hilfe Dritter den Gerichtssaal betreten und verlassen können. Das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Attest des Dr. F. vom 12.07.2012 vermöge nicht zu überzeugen. Dr. F. habe zwar angegeben, mittlerweile läge die Gehstrecke unter 20 m, aber weitere Gesundheitsstörung habe er hierbei nicht genannt. Welche Gesundheitsstörungen sich konkret verschlechtert hätten, habe er auch nicht angegeben.
Gegen das - dem Bevollmächtigten des Klägers am 10.09.2012 zugestellte - Urteil hat der Kläger am 25.09.2012 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter und trägt ergänzend vor, der Taxifahrer, der ihn zur mündlichen Verhandlung zum SG gebracht habe, habe seinen Stock zu Hause vergessen. Der Taxifahrer habe nämlich vergessen, seine Krücken in den Kofferraum zu legen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. Juli 2012 aufzuheben sowie den Bescheid vom 18. April 2011 in Gestalt des Teil-Abhilfe-Bescheides vom 1. August 2011 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2011 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) ab 12. Juli 2012 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Auf Anfrage des Senats an die Chirurgische Abteilung der St. A.-V.-Klinik E. , ob seit Erstattung des Befundberichts vom 06.01.2012 für das Sozialgericht Ulm durch Dr. R. eine wesentliche Verschlimmerung eingetreten sei, hat Dr. R. am 19.08.2013 mitgeteilt, dass er keine Auskunft geben könne, da er sich im Ruhestand befinde. Anschließend hat Dr. G. - Leitender Oberarzt der Chirurgischen Abteilung der St. A.-V.-Klinik E. am 16.10.2013 dem Senat mitgeteilt, der Kläger habe sich seit der Erstattung des Befundberichtes vom 06.01.2012 am 29.02.2012 und am 02.03.2012 in ihrer ambulanten Behandlung und stationär vom 10.04. bis 13.04.2012 befunden. Am 11.04.2013 sei der Kläger an seinen Varizen links operiert worden. Eine erneute stationäre Behandlung habe in der Visceralchirurgie vom 22.03. bis 27.03.2013 stattgefunden. Ob es zu einer wesentlichen Verschlimmerung des Gesundheitszustandes nach dem 26.01.2012 gekommen sei, sei anhand der Akten nicht zu beurteilen. Auch eine entsprechende Aussage über die zumutbare Gehstrecke könne anhand der Akten nicht gemacht werden.
Der Senat hat Dr. B. Z. - Internist, Diabetologe -, A. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat am 27.01.2014 mitgeteilt, er habe den Kläger vom 04.08. bis 25.12.2013 wegen seiner Füße behandelt. Bei der Erstvorstellung habe eine claudicatio intermittens nach einer Gehstrecke von 350 m links mehr als rechts vorgelegen. Der Kläger sei in der Lage, mit Gehstöcken bzw. einem Rollator eine Gehstrecke von 100 bis 300 m zurückzulegen.
Dagegen wandte der Bevollmächtigte des Klägers ein, in der sachverständigen Zeugenaussage habe Dr. Z. die in seinem Schriftsatz vom 02.12.2013 übersandten Arztbriefe vom 18.10.2013 beschriebene Befundverschlechterung nicht berücksichtigt. Die genannte Wegstrecke von 100 bis 300 m mit Gehstöcken bzw. Rollator dürfte daher erheblich zu groß bemessen sein. Dr. Z. sei daher erneut dazu anzuhören.
Einen Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG hat der Kläger nicht gestellt (Frist dazu bis 25.04.2014).
Der Bevollmächtigte des Klägers hat den vorläufigen Entlassbrief des O. Klinikums vom 07.11.2013 und ein ärztliches Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. U. F. vom 11.04.2014 vorgelegt. Darin ist ausgeführt: Dem Patienten ist es aufgrund seiner Gehbehinderung nicht möglich, längere Strecken (unter 50 Meter) ohne Gehstützen zurückzulegen. Die Gehbehinderung wird kontinuierlich schlechter und wird ein Dauerzustand sein.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Akten des SG Ulm und der Senatsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" zu.
Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist nur, ob beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" vorliegen. Soweit der Beklagte im Bescheid vom 01.08.2011 außerdem entschieden hat, dass der GdB 80 beträgt, hat der Kläger hiergegen keinen Rechtsbehelf eingelegt, weshalb der Bescheid insoweit (teilweise) bestandskräftig geworden ist. Dem entspricht auch der Berufungsantrag des Klägers.
Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "aG" ist § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) i.V.m. §§ 1 Abs. 4 und 3 Abs. 1 Nr. 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25.07.1991, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 02.12.2006 (BGBl. I S. 2742). Danach ist das Merkzeichen "aG" festzustellen, wenn der behinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist.
Eine derartige straßenverkehrsrechtliche Vorschrift ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) vom 26.01.2001 (BAnz S. 1419, berichtigt S. 5206), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVwV vom 10.04.2006 (BAnz S. 2968). Nach Abschnitt II Nr. 1 der VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO sind als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können, oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem zuvor genannten Personenkreis gleichzustellen sind.
Der Kläger gehört - unstreitig - nicht zu dem ausdrücklich genannten Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten.
Der Kläger kann dem genannten Personenkreis auch nicht gleichgestellt werden, da seine Gehfähigkeit nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nicht nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in der VwV genannten Personen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Dies steht für den Senat aufgrund der zu den Akten gelangten (zahlreichen) ärztlichen Unterlagen und der vom SG und dem Senat durchgeführten Ermittlungen fest.
Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3 3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB.
Die Anlage VG zur VersMedV ist rechtlich allerdings nicht beachtlich. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten weder § 30 Abs. 16 BVG, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilsausgleich "aG" (wie auch "G") sind damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile des Senats vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 - vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08 -, beide veröffentlicht in juris und im Internet: www.sozialgerichtsbarkeit.de). Rechtsgrundlage sind daher allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen und die hierzu in ständiger Rechtsprechung zulässig anzuwendenden Verwaltungsvorschriften.
Ein Betroffener ist danach gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Nr. 11 Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwV-StVO aufgeführten schwerbehinderten Menschen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 23). Hierbei ist zu beachten, dass die maßgebenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschrift nicht darauf abstellen, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur noch mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung - praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an - erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG SozR 3 3250 § 69 Nr. 1 und Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R -, juris).
Bei Anlegung dieser Maßstäbe kann der Kläger dem genannten Personenkreis nicht gleichgestellt werden.
Dass sich der Kläger nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann, ist den zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen und den vom SG und vom Senat durchgeführten Ermittlungen nicht zu entnehmen. Eine solche Einschränkung des Gehvermögens des Klägers wird von den den Kläger behandelnden Ärzten nicht beschrieben. Dies wird im Übrigen vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Dass der Kläger - nach seinen Angaben - einen Gehstock, eine Krücke bzw. einen Rollator zum Gehen benötigt, erfüllt die Voraussetzung der Möglichkeit der Fortbewegung nur mit fremder Hilfe nicht. Hiervon ist nur auszugehen, wenn der Kläger sich nur noch mit Hilfe einer dritten Person fortbewegen könnte (Urteil des erkennenden Senats vom 23.11.2007 - L 8 SB 697/07 -, unveröffentlicht), was jedoch nicht zutrifft.
Die Gehfähigkeit des Klägers ist zur Überzeugung des Senats auch nicht auf das Schwerste so weit eingeschränkt, dass er sich praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an nur mit großer Anstrengung fortbewegen kann.
Die für den Nachteilsausgleich "aG" geforderte große körperliche Anstrengung ist nach der Rechtsprechung des BSG dann gegeben, wenn die Wegstreckenlimitierung darauf beruht, dass der Betroffene bereits nach kurzer Wegstrecke erschöpft ist und er neue Kräfte sammeln muss, bevor er weitergehen kann. Dass der betroffene Gehbehinderte nach einer bestimmten Strecke eine Pause machen muss, ist allerdings lediglich Indiz für eine Erschöpfung. Für den Nachteilsausgleich "aG" reichen irgendwelche Erschöpfungszustände zudem nicht aus (BSG Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R -). Vielmehr müssen sie in ihrer Intensität mit den Erschöpfungszuständen gleichwertig sein, die bei den ausdrücklich genannten außergewöhnlich Gehbehinderten auftreten. Gradmesser hierfür kann die Intensität des Schmerzes oder der Luftnot nach dem Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke sein. Ein solches Erschöpfungsbild lässt sich u.a. aus der Dauer der erforderlichen Pause sowie den Umständen herleiten, unter denen der Betroffene nach der Pause seinen Weg fortsetzt. Nur kurzes Pausieren mit anschließendem Fortsetzen des Weges ohne zusätzliche Probleme ist im Hinblick auf den von den Vergleichsgruppen gebildeten Maßstab zumutbar (BSG, a.a.O.).
Nach dem Ergebnis der vom SG und vom Senat durchgeführten Ermittlungen ist beim Kläger die für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" geforderte große körperliche Anstrengung beim Gehen nicht erfüllt. Wie sich aus dem Bericht des Leitenden Oberarztes Dr. R. von der St. A.-V.-Klinik E. vom 26.01.2012, der vom SG als sachverständiger Zeuge gehört worden ist, ergibt, betrug die Wegstrecke, die der Kläger nach der Operation bewältigen konnte ca. 500 Meter. In diesem Zusammenhang hat Dr. R. darauf hingewiesen, dass der Kläger nach der Operation dazu angehalten worden ist, täglich sich zu mobilisieren und damit die Wegstrecke zu vergrößern. Ob der Kläger dieses Gehtraining, zu dem er von ärztlicher Seite angehalten worden ist, durchgeführt hat und damit die Gehstrecke von 500 Metern tatsächlich hat vergrößern können, konnte Dr. R. naturgemäß nicht mitteilen. Dies kann auch dahinstehen und der Senat geht davon aus, dass der Kläger jedenfalls nach der Operation ca. 500 Meter gehen konnte. Soweit der Kläger geltend macht, inzwischen sei eine Verschlechterung im Gesundheitszustand eingetreten, weshalb die Gehstrecke von 500 Metern sich verringert habe, ist darauf hinzuweisen, dass eine Verschlechterung in den objektiven Befunden des Klägers nicht nachgewiesen ist. Unabhängig davon hat auch die Anfrage des Senats bei der St. A.-V.-Klinik E. zu keinem anderen Ergebnis geführt. Dr. R. , der als sachverständiger Zeuge die Auskunft vom 26.01.2012 gegenüber dem SG erteilt hatte, konnte auf Anfrage des Senats keine näheren Angaben machen, da er zwischenzeitlich nicht mehr berufstätig, sondern im Ruhestand ist. Sein Nachfolger Dr. G. konnte anhand der Akten die Frage, ob es zu einer wesentlichen Verschlimmerung des Gesundheitszustandes nach dem 26.01.2012 gekommen ist, nicht beurteilen. Der behandelnde Hausarzt des Klägers Dr. F. hat dem SG am 09.01.2012 mitgeteilt, dass die Gehstrecke des Klägers noch 80 bis 100 Meter betrage. Da sich die Erkrankung des Herzens nach der Beurteilung des behandelnden Internisten Dr. K. nicht auf die Gehstrecke auswirkt, konnte daher das SG aufgrund seiner Ermittlungen zutreffend davon ausgehen, dass der Kläger zumutbar eine Wegstrecke von entweder bis zu 500 Metern (so Dr. R. im Januar 2012) oder jedenfalls bis zu 80 Metern (so Dr. F. im Januar 2012) zurücklegen konnte. Da sich aufgrund der im Berufungsverfahren eingegangenen Arztberichte eine wesentliche Änderung im Sinne der Verschlimmerung der die Gehfähigkeit beeinflussenden Befunde nicht ergeben hat, ist nach Auffassung des Senats weiter von dieser zumutbaren Gehstrecke auszugehen. Dies wird im Ergebnis auch bestätigt durch Dr. Z. - Internist, Diabetologe -, den der Senat als sachverständigen Zeugen gehört hat. Dr. Z. hat mit Schreiben vom 27.01.2014 mitgeteilt, dass die Erstvorstellung des Klägers in der Fußsprechstunde erfolgt sei und dass nach Angaben des Klägers eine claudicatio intermittens nach einer Gehstrecke von 350 Metern links mehr als rechts eingetreten sei. Hieraus entnimmt der Senat, dass der Kläger dort die Angaben gemacht hat, dass er jedenfalls eine Gehstrecke bis 350 Metern ohne Beschwerden einer claudicatio intermittens hat zurücklegen können. Nach Beurteilung von Dr. Z. ist der Kläger in der Lage, mit Gehstöcken bzw. einem Rollator eine Gehstrecke von 100 bis 300 Metern zurückzulegen. Ob die zumutbare Gehstrecke des Klägers nun 500 Meter (Dr. R. vom 26.01.2012), 100 bis 300 Meter (Dr. Z. vom 27.01.2014) oder 80 bis 100 Meter (Dr. F. vom 09.01.2012) beträgt, kann letztendlich dahinstehen, da selbst bei der Zurücklegung der geringsten Wegstrecke von 80 Metern hieraus nicht zur Überzeugung des Senats abgeleitet werden kann, dass die Gehfähigkeit des Klägers in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt wäre und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Nr. 11 Abschnitt 2 Nr. 1 Satz 2, erster Halbsatz VwV - StVO aufgeführten schwerbehinderten Menschen fortbewegen kann. Dem entspricht - im Ergebnis - auch der eigene Vortrag des Klägers, wonach er nicht darauf abgehoben hat, sich praktisch von den ersten Schritten außerhalb des Kraftfahrzeuges an nur noch mit großer Anstrengung fortbewegen zu können. Allein der Umstand, dass er möglicherweise von den ersten Schritten an sich nicht ohne Stock bzw. Krücken bzw. Rollator fortbewegen kann, führt - wie oben ausgeführt - zu keinem anderen Ergebnis, denn im Rahmen der Prüfung des Nachteilsausgleiches "aG" ist es dem Betreffenden jeweils zumutbar, derartige Hilfsmittel beim Gehen zu benutzen. Soweit der Kläger zuletzt auch das ärztliche Attest seines behandelnden Allgemeinarztes Dr. F. vom 11.04.2014 vorgelegt hat, wonach er längere Strecken (unter 50 m) nicht ohne Gehstützen zurücklegen kann, kann der Kläger damit nicht die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "aG" damit erfüllen.
Anlass für weitere Ermittlungen sieht der Senat nicht. Soweit der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 04.02.2014 vorgetragen hat, er gehe davon aus, dass Dr. Z. die in seinem Arztbrief vom 18.10.2013 beschriebene Befundverschlechterung nicht berücksichtigt habe, weist der Senat darauf hin, dass Dr. Z. den Kläger auch noch nach dem 18.10.2013 behandelt hat und zwar bis zum 25.12.2013, wie sich dies aus seinem Befundbericht vom 27.01.2014 ergibt. Die sachverständige Zeugenanhörung vom 27.01.2014 ist daher aktueller als sein Befundbericht vom 18.10.2013. Der Senat geht auch davon aus, dass Dr. Z. seinen eigenen Bericht vom 18.10.2013 mitberücksichtigt hat. Im Übrigen ist im Befundbericht vom 18.10.2013 die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) mit "aktuell Stadium III" beschrieben worden und in der sachverständigen Zeugenaussage vom 27.01.2014 ist sie mit Stadium II a beurteilt worden. Dieses Stadium II a hat auch am 07.08.2013 vorgelegen, wie sich dies aus der Dopplersonographie vom 07.08.2013 aus dem Arztbericht des Dr. Z. vom 18.10.2013 ergibt. Damit hat es sich offenbar um eine Befundverschlechterung in der Zeit vom 07.08.2013 bis 18.10.2013 gehandelt. Diese hat aber keine 6 Monate angehalten, da sie am 25.12.2013 wieder abgeheilt war, wie sich dies aus der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. Z. vom 27.01.2014 entnehmen lässt und was mit dem im Entlassungsbericht des O.Klinikums vom 07.11.2013 dargestellten Beschwerdeverlauf mit regredientem Befund nach erfolgreicher stationärer Behandlung zu vereinbaren ist. Letztlich hatte Dr. Z. Gelegenheit, den Kläger nach der stationären Behandlung im November 2013 bei seiner Vorsprache im Dezember 2013 zu untersuchen und die genannte Diagnose zu stellen. Diese vorübergehende Verschlechterung kann daher nicht berücksichtigt werden; sie schränkt die Gehfähigkeit des Klägers auch nicht auf Dauer wesentlich ein. Maßgebend hierfür ist nicht, dass die Gesundheitsstörung periphere arterielle Verschlusskrankheit auf Dauer besteht, sondern der hieraus resultierende Ausprägungsgrad der Beeinträchtigung auf die Gehfähigkeit. Der dargestellte schwankende Verlauf der Verschlusskrankheit an den Beinen mit möglicherweise zeitweiser Einschränkung der Gehfähigkeit im Umfang, der das begehrte Merkzeichen rechtfertigen würde, steht der nach jeweils erfolgreicher Behandlung wieder erlangte besserer Funktionszustand entgegen, so dass bereits das Merkmal einer dauerhaften Einschränkung nicht erfüllt ist.
Anlass, Dr. Z. hierzu erneut zu hören, sieht der Senat daher nicht. Die nach der Terminsanberaumung unsubstantiiert behauptete Verschlechterung des Gesundheitszustandes (Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 17.07.2014), wonach der Kläger mittlerweile schwarze Füße wegen seines Herzschadens habe, hat den Senat ebenso wenig veranlasst, weitere Ermittlungen aufzunehmen. Die Herzerkrankung wirkt sich nicht auf die Gehstrecke aus, wie oben dargelegt. Eine vorübergehende, der Therapie zugänglich Ulcus-Bildung begründet keine Einschränkung auf Dauer. Ob und inwieweit nekrotisches Gewebe vorliegt, ist für den Senat nicht ersichtlich geworden. Der richterlichen Auflage, über die behauptete notfallmäßige stationäre Behandlung im April 2014 (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 28.04.2014) den ärztlichen Befundbericht vorzulegen, ist der Kläger nicht nachgekommen und hat erst kurz vor dem Termin erklärt (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 17.07.2014), er werde weitere Befunde nicht vorlegen. Aus diesem Prozessverhalten schließt der Senat, dass eine tatsächliche dauerhafte Verschlechterung nicht eingetreten ist. Für den Senat ist auch nicht erkennbar geworden, dass die durch die Verschlusskrankheit aktuell verursachte Gehbeeinträchtigung – deren zuletzt im Juli 2014 behauptete Verschlechterung unterstellt – nicht einer operativen oder sonstigen therapeutischen Maßnahme zugänglich ist und als dauerhaft für wenigstens 6 Monate zu unterstellen wäre.
Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben und sie war mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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