Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 2638/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 445/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.12.2012 wird zurückgewiesen, mit der Maßgabe, dass unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls am 20.06.2012 ab dem 01.07.2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren ist.
Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten auch für den zweiten Rechtszug zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Der 1959 geborene Kläger ist gelernter Bäcker und Konditor. Im Anschluss an die Lehre hat er zwei Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Danach war von 1983 bis 1994 als Küchenreiniger und Spüler versicherungspflichtig beschäftigt. Seiher ist er arbeitslos. Er bezieht Arbeitslosengeld II. Seit 1992 erhält der Kläger durch den "S. A. e.V." regelmäßig persönliche Betreuung und Beratung u.a. in allen finanziellen Angelegenheiten und bei der Gestaltung seiner Freizeit. Ihm wurde außerdem Wohnraum als ambulante persönliche Sozialhilfe zur Sesshaftmachung nach dem damaligen Bundessozialhilfegesetz zur Verfügung gestellt.
Der Versicherungsverlauf des Klägers weist in den letzten fünf Jahren vor dem 01.01.2010 durchgängig rentenrechtliche Pflichtbeitragszeiten auf. Seit 01.01.2005 ist der Kläger beim Jobcenter arbeitssuchend gemeldet und bezieht Arbeitslosengeld II. Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren ist erfüllt.
In den Jahren 2007 bis 2009 wurde der Kläger vom Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit mehrmals begutachtet. Im Gutachten vom 11.09.2008 wurde eine weniger als dreistündige Leistungsfähigkeit für die Dauer von voraussichtlich bis zu sechs Monaten festgestellt. Das nervenfachärztliche Gutachten von Dr. Sch. vom 31.08.2009 gelangte zu dem Ergebnis, dass der Kläger trotz seiner schizoiden Persönlichkeitsstörung Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Publikumsverkehr und Nachtschicht vollschichtig ausüben könne. Der Kläger sei in der Lage bei zumutbarer Willensanstrengung, eine Arbeitstätigkeit anzutreten und diese vollschichtig auszuüben.
Am 16.03.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Zur Begründung wurden eine seelische Minderbelastbarkeit, Beschwerden der Wirbelsäule im Bereich des Nackens und der Nierengegend, Rückenbeschwerden, Einschränkungen im Bereich der rechten Schulter nach einer Operation sowie Kopfschmerzen und Schwindel angegeben.
Die Beklagte zog medizinische Befundunterlagen bei und veranlasste eine Begutachtung durch ihren sozialmedizinischen Dienst. In ihrem Gutachten vom 29.04.2010 kam Dr. R., Fachärztin für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, zu den Diagnosen Verdacht auf kombinierte Persönlichkeitsstörung mit schizophrenen und ängstlichen Anteilen, Angabe von rezidivierenden belastungsabhängigen Schulterschmerzen rechts, aktuell ohne funktionelle Einschränkung bei Zustand nach Acromioplastik bei Impingementsyndrom der rechten Schulter 2004 und Angabe von chronisch rezidivierender Lumbago, aktuell ohne Funktionseinschränkungen oder Hinweise auf eine Wurzelreizsymptomatik. Damit könne der Kläger mittelschwere Tätigkeiten wie auch die letzte Tätigkeit als Spüler in einer Küche vollschichtig verrichten. Auszuschließen seien seelisch belastende Tätigkeiten mit hohem Konfliktpotenzial, Tätigkeiten im Publikumsverkehr, Tätigkeiten unter hohem Zeitdruck, Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten, Nachtschichten und Tätigkeiten mit sehr häufigen Überkopfarbeiten mit der rechten Schulter.
Mit Bescheid vom 22.06.2010 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Eine volle oder teilweise Erwerbsminderung liege nicht vor.
Hiergegen legte der Kläger am 24.06.2010 Widerspruch ein und rügte die von der Beklagten vorgenommene Beurteilung seines Leistungsvermögens. Die den Kläger betreuende Sozialpädagogin G. gab mit Schreiben vom 11.02.2011 eine Stellungnahme ab. Der Kläger erhalte seit 1992 Betreuungsleistungen u.a. bei den behördlichen Angelegenheiten, finanziellen Angelegenheiten und bei allen Angelegenheiten im Wohnen. Der Kläger habe motiviert werden können, sich in fachärztliche Behandlung zu begeben, wodurch sich sein Zustand stabilisiert habe. Dennoch benötige er krankheitsbedingt sehr viel Unterstützung, damit er in der Lage sei, seinen Alltag zu regeln. Er sei nicht in der Lage unter den Bedingungen des normalen Arbeitsmarktes drei Stunden täglich zu arbeiten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 17.06.2011 hat der Kläger beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und zur Begründung auf über 50 handbeschrifteten Seiten Papier vorgetragen, er sei entgegen der Ansicht der Beklagten erwerbsgemindert. Darüber hinaus hat er anwaltlich u.a. vortragen lassen, selbst wenn unzutreffend davon ausgegangen werde, das zeitliche Leistungsvermögen sei nicht unter sechs Stunden abgesunken, habe der Kläger Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Im Hinblick auf seine langjährige psychische Erkrankung und die damit einhergehenden Leistungseinschränkungen sei von einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung auszugehen. Zudem dürften aufgrund der langjährigen Arbeitslosigkeit sicherlich Anpassungsstörungen vorliegen. Der Kläger sei daher auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu betriebsüblichen Bedingungen nicht mehr leistungsfähig.
Das SG hat die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der Orthopäde Dr. H. hat unter dem 18.08.2011 berichtet, den Kläger wegen eines LWS-Syndroms, Schulterbeschwerden und beidseitiger Kniegelenksarthrose behandelt zu haben. Die Nervenärztin Dr. M. hat am 23.08.2011 angegeben, der Kläger befinde sich seit August 2007 regemäßig alle vier bis fünf Wochen in ihrer Behandlung. Sie habe beim Kläger eine Persönlichkeitsstörung im Sinne einer instabilen Persönlichkeit mit einer rezidivierenden depressiven Störung festgestellt. Eine psychische Stabilisierung sei durch Gespräche und die Gabe eines Antidepressivums nicht gelungen. Schon kleinste psychische Belastungen brächten den Kläger aus dem Gleichgewicht. Auf Druck reagiere er aggressiv. Immerhin sei es ihm gelungen, im normalen Alltag eine Tagesstruktur zu erzielen. Die sozialen Kontakte seien sehr begrenzt. Die erhobenen Befunde schränkten die Fähigkeit zur Verrichtung einer leichten körperlichen Berufstätigkeit erheblich ein, so dass dies höchstens drei Stunden möglich sei. Eine Psychotherapie sei nicht indiziert gewesen. Nach dem beigefügten Befundbericht des Psychotherapeuten Dr. M. vom 23.01.2008 habe beim Kläger keinerlei Introspektionsfähigkeit und Motivation vorgelegen, an sich etwas zu ändern. Die Hausärztin des Klägers Dr. W.-C. hat unter dem 05.09.2011 angegeben, der Kläger befinde sich seit 2000 in ihrer Behandlung. Nach ihren Feststellungen könne er ca. drei Stunden leichte Arbeiten verrichten.
Das SG hat sodann weiter Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Nach Untersuchung des Klägers am 20.06.2012 kommt Dr. D., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, in seinem Gutachten vom 21.06.2012 (mit ergänzender gutachterlicher Stellungnahme nach Aktenlage vom 03.09.2012) zu dem Ergebnis, beim Kläger bestünden eine schwergradige kombinierte Persönlichkeitsstörung mit schizoiden, anankastischen und ängstlich-vermeidenden Wesensanteilen sowie eine claustro- und sozialphobische Entwicklung. Eine depressive Stimmungslage habe sich im Rahmen der psychopathologischen Exploration nicht nachweisen lassen. Oberflächlich betrachtet wirke der Kläger affektiv weitgehend ausgeglichen und seine Schwingungsfähigkeit erhalten. Er berichte lediglich glaubhaft über phobische Ängste, die er in der Art einer sozialen Phobie und einer Claustrophobie schildere. Bedeutsamer sei aber die erheblich auffällige Persönlichkeitsstruktur. Dem Kläger falle es schwer, belastende Erlebnisse im zwischenmenschlichen Bereich adäquat innerpsychisch zu verarbeiten und sich im Kontakt mit anderen zu behaupten. Die Versuche in den letzten Jahren, die Symptomatik therapeutisch anzugehen, seien sämtlich gescheitert. Erfahrungsgemäß seien schwergradige kombinierte Persönlichkeitsstörungen mit den heutzutage zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten nicht entscheidend zu bessern. Insofern sei der bisherige Verlauf nicht überraschend. Dass eine schwergradige Störung vorliege, zeige nicht zuletzt die Biografie des Klägers. Wie ein roter Faden zögen sich seine Probleme im zwischenmenschlichen Bereich durch diese, auf welche sein berufliches Scheitern zurückzuführen sei. Bezeichnenderweise sei es in den letzten 18 Jahren nicht mehr gelungen, ihn beruflich zu reintegrieren. Er führe seit dem eine Vita minima ohne nennenswerte soziale Kontakte. Auch wenn er selbst es wohl aufgrund seiner fehlenden Fähigkeit zur Selbstkritik so darstelle, im Alltag gut zurecht zukommen, spreche die aktenkundige sozialpädagogische Stellungnahme eine andere Sprache. Man müsse deshalb davon ausgehen, dass der Kläger zu einer beruflichen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht in der Lage sei und dass diese Einschränkung seines beruflichen Leistungsvermögens Dauercharakter habe. Die beim Kläger festgestellten psychischen Leiden bestünden mindestens seit dem Jahr 1994. Sie seien seitdem chronifiziert und hätten möglicherweise auch im Schweregrad allmählich zugenommen. Das Leistungsbild bestehe vermutlich seit 2010 im heutigen Ausmaß. In den jungen Jahren verfügten derartige Patienten häufig noch über Kompensationsmechanismen, die es ihnen ermöglichten, ihre affektiven Defizite einigermaßen kontrollieren zu können. Wenn sich dann aber im Laufe des Lebens die subjektiv erlebten Kränkungen und Frustrationen anhäuften, komme oft der Zeitpunkt, an dem diese Mechanismen nicht mehr ausreichten. Dies sei vorliegend der Fall. In der Vergangenheit sei bei ihm vielfach der Versuch unternommen worden, die Symptomatik therapeutisch anzugehen. Diese Versuche seien gescheitert. Der gescheiterte Versuch einer Psychotherapie sei Ausdruck der Persönlichkeitsstörung und nicht etwa darauf zurückzuführen, dass der Kläger bewusst eine Introspektion verweigere. Gebessert habe sich lediglich der affektive Zustand. Diese Besserung sei aber nicht Ausdruck einer allgemeinen psychischen Stabilisierung, die sein berufliches Leistungsvermögen erhöhen würde, sondern wohl nur auf den Umstand zurückzuführen, dass der Kläger seit vielen Jahren eine Vita minima ohne ihn belastende äußere Stressfaktoren führe.
Der Ärztliche Dienst der Beklagten (Dr. N. - Stellungnahmen vom 30.07.2012 und 21.09.2012) hat eingewendet, im Vergleich zu dem Gutachten von Dr. Sch. würden keine neuen Befunde geliefert. Dr. Sch. habe aber nachvollziehbar ein vollschichtiges Leistungsvermögen festgestellt. Die sogenannten Persönlichkeitsstörungen seien Charaktervarianten. Der Charakter forme sich das gesamte Leben. Das festgestellte Störungsbild habe deshalb seine Ursache in der gesamten Charakterentwicklung. Der Versicherte habe sein auffälliges Verhalten somit bereits in das Erwerbsleben mit eingebracht. Er habe mit dieser Persönlichkeit produktiv gearbeitet. Trotz der Belastungen in der Kindheit habe der Kläger einen Realschulabschluss, eine Lehre absolviert, in diesem Beruf gearbeitet und "seinen Mann gestanden als Spüler in der Küche". Zu diesen Zeitpunkten habe die Persönlichkeitsstörung schon vorgelegen, so dass hieraus eine Leistungsminderung nicht abgeleitet werden könne. Dies entspräche auch dem psychopathologischen Normalbefund. Bei einem psychischen Normalbefund sei die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht als eingeschränkt anzusehen. Sicherlich sei der Kläger im Umgang kein einfacher Mensch, dennoch habe er mit diesen Wesensanteilen über Jahre gearbeitet. Die Leistungsfähigkeit, die der Versicherte anscheinend in seinem Privatleben, wenn er sich um sich selbst kümmern müsse, an den Tag lege, belegten eben, dass der Kläger könne, wenn er wolle. Wenn jemand seinen Interessen und Neigungen nachgehen könne, so seien diese Entscheidungen als willensnah einzustufen. Auch ein schwerwiegender Leidensdruck habe offenbar bislang nicht bestanden, da das Antidepressivum nur gering dosiert worden sei und eine Psychotherapie nicht stattgefunden habe. Das auffällige Interaktionsverhalten des Klägers begründe keine quantitative Leistungseinschränkung. Die eingeschränkte Vermittlungsfähigkeit wegen einer auffälligen Charaktervariante sei nicht Teil der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung.
Mit Urteil vom 17.12.2012 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 01.03.2010 bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Er habe Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze. Die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) lägen vor. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente seien erfüllt. Das SG sei auch davon überzeugt, dass der Kläger auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch in einem Umfang von unter drei Stunden täglich verrichten könne und damit voll erwerbsgemindert sei. Das SG stütze seine Überzeugung auf das Gutachten von Dr. D ... Dessen Gutachten sei in Kenntnis der von der Beklagten insoweit vorgebrachten Einwendungen nachvollziehbar und schlüssig. Dr. D. führe überzeugend aus, dass beim Kläger eine schwergradige kombinierte Persönlichkeitsstörung mit schizoiden, anankastischen und ängstlich-vermeidenden Wesensanteilen sowie eine claustro- und sozialphobische Entwicklung vorliege. Diese manifestiere sich unter anderem - wie auch die Beklagte einräume - in den umfangreichen, inhaltlich nicht immer adäquaten schriftlichen Stellungnahmen des Klägers nicht erst im gerichtlichen Verfahren. Dr. N. sei insoweit zuzugeben, dass der Kläger eine auffällige Charaktervariante bereits ins Erwerbsleben eingebracht habe. Insoweit sei allerdings zum einen zu berücksichtigen, dass er seinen erlernten Beruf als Bäcker und Konditor bereits nach wenigen Jahren aufgegeben habe, nachdem er den Betrieb seines damaligen Arbeitgebers, nach eigenen Angaben aus Wut über "maßlose Ausnutzung", in betrunkenem Zustand angezündet habe. Danach habe er noch bis 1994 als Spüler in einem Hotel gearbeitet und habe sich auch dort zahlreichen Schikanen ausgesetzt gefühlt. Seitdem bestehe Arbeitslosigkeit. Die Integrationsfähigkeit des Klägers in den allgemeinen Arbeitsmarkt erscheine von daher schon anhand der Erwerbsbiographie eingeschränkt. Zum anderen habe Dr. D. überzeugend dargelegt, dass gerade Patienten mit Persönlichkeitsstörungen wie der Kläger im Laufe des Lebens dekompensierten, so dass die psychische Belastbarkeit ab einem bestimmten Zeitpunkt derart eingeschränkt sein könne, dass wie beim Kläger auch eine rentenrelevante Leistungsminderung eintrete. Hierbei handele es sich nicht etwa, wie Dr. N. ausführe, um eine Frage der Vermittelbarkeit, sondern eine sozialmedizinisch bedeutsame Einschränkung der Fähigkeit zur Ausübung von Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Der Kläger benötige, was durch die Stellungnahme der betreuenden Sozialarbeiterin bestätigt werde, kontinuierliche sozialpädagogische Unterstützung. Er wohne bereits seit 1992 in projektbezogenem Wohnraum, in dem er seitdem entsprechend betreut werde. Der vom Sachverständigen erhobene Tagesablauf zeige sich teilweise unstrukturiert. Der Kläger verfüge über keinerlei soziale Kontakte und führe seit langer Zeit die vom Sachverständigen im Einzelnen beschriebene Vita minima. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass trotz der Persönlichkeitsstörung im Hinblick auf die Therapieversuche kein schwerwiegender Leidensdruck vorhanden sei. In der Vergangenheit habe der Kläger vielmehr - auch unterstützt durch die Sozialarbeiterin und die behandelnde Psychiaterin, verschiedentliche Therapieversuche unternommen. Eine höher dosierte medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva habe er nicht toleriert. Eine ambulante Psychotherapie sei an mangelnder Introspektionsfähigkeit gescheitert, die als Ausdruck seiner Persönlichkeitsstörung anzusehen sei.
Zu keiner anderen Beurteilung führe schließlich das - im Auftrag der Agentur für Arbeit erstellte - Gutachten des Nervenarztes Dr. Sch. vom 31.08.2009. Da das psychische Leiden des Klägers nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. D. im Schweregrad allmählich zugenommen habe und in dem jetzt von ihm festgestellten Umfang seit 2010 bestehe, könne bereits dahin stehen, ob Dr. Sch. dessen Leistungsvermögen 2009 zutreffend beurteilt habe. Zu berücksichtigen sei insoweit im Übrigen, dass der Kläger sich damals zu bestimmten Punkten nicht habe äußern wollen und nach den Ausführungen von Dr. D. zumindest in Teilen dazu neige, seine Möglichkeiten und Fähigkeiten zu beschönigen.
Da der Kläger somit nicht mehr imstande sei, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, bestehe volle Erwerbsminderung. Die volle Erwerbsminderung bestehe seit 2010 und habe Dauercharakter, so dass die Rente wie beantragt ab dem Antragsmonat unbefristet, d.h. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI), zu gewähren sei.
Am 29.01.2013 hat die Beklagte gegen das ihr am 11.01.2013 zugestellte Urteil Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zur Begründung vorgetragen, dem Kläger stehe keine Erwerbsminderungsrente ab dem 01.03.2010 bis zum Erreichen der Regelaltersrente zu. Der Eintritt einer Leistungsminderung im Jahr 2010 sei nicht hinreichend begründet. Auf die Ausführungen des Ärztlichen Dienstes werde verwiesen. Zudem habe das SG es versäumt, den Leistungsfall im Tenor genau zu benennen. In Ermangelung konkreter Anhaltpunkte hätte das Untersuchungsdatum (20.06.2012) gewählt werden müssen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.12.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Erwiderung hat der Kläger ausführen lassen, das Urteil des SG sei nicht zu beanstanden. Das SG habe überzeugend dargelegt, dass der Kläger jedenfalls seit 2010 auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch im Umfang von unter drei Stunden täglich ausüben könne. Eine Besserung sei nicht zu erwarten, so dass zutreffend eine Dauerrente zugesprochen worden sei. Ergänzend hat der Kläger die Sozialberichte des Vereins "S. A. e.V." aus den Jahren 1994 bis 2012 vorgelegt.
Das LSG hat ein weiteres nervenfachärztliches Gutachten eingeholt. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie K. C. M. hat bei der Begutachtung des Klägers am 10.09.2013 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit schizoiden, querulatorischen und emotional instabilen Anteilen, Autismus-Spektrum-Störung im Sinne eines Asperger-Syndroms (differenzialdiagnostisch), Migräne (anamnestisch), angegebene Wirbelsäulenbeschwerden ohne neurologischen Hinweis auf eine Nervenwurzelkompression oder Nervenwurzelirritation oder eine wesentliche Bewegungseinschränkung und Zustand nach operativer Behandlung eines Impingementsyndroms der rechten Schulter sowie chonropathia patellae (fachfremd). Im Vordergrund stünde die Persönlichkeitsstörung. Der Kläger sei in seiner Kontaktfähigkeit und seiner Empathiefähigkeit erheblich eingeschränkt. Es sei möglich, dass hier zumindest anteilig Elemente einer Störung aus dem Autismus-Spektrum eine Rolle spielten. Eine abschließende Abklärung sei aus sozialmedizinscher Sicht nicht erforderlich, da die Symptome dieselben seien. Eine depressive Herabgestimmtheit habe er bei der Untersuchung nicht feststellen können. Aus den Akten ergebe sich auch kein Anhaltspunkt für eine rezidivierende depressive Störung, auch kein Anhalt für eine bipolare Störung. Der Antrieb des Klägers sei gut, die Tagesstruktur erhalten. Er sei nach seinen Angaben jeden Tag mit der Bahn unterwegs, um Städte zu besichtigen. Der Kläger interessiere sich rege für das Tagesgeschehen. Auch hier bestünde allerdings eine ungewöhnlich direkte Bezugnahme von Gelesenem oder im Fernsehen Gesehenem auf die eigene Situation, ohne kritische Hinterfragung. Dies habe durchaus eine psychopathologische Bedeutung. Er sehe sich in seinem ganzen Leben ausschließlich in der Opferrolle. Er sei sicher oft Opfer geworden, könne aber nicht kritisch seine eigene Verantwortung in seinem Leben und für sein Leben sehen. Die körperliche Untersuchung sei unauffällig gewesen.
Rein körperlich sei der Kläger in der Lage leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auch acht Stunden täglich auszuüben. Durch die Persönlichkeitsstörung mit erheblicher Beeinträchtigung der Kontaktfähigkeit und der Empathiefähigkeit sei allerdings die Fähigkeit des Klägers, mit anderen Menschen zusammen zu arbeiten, ganz erheblich eingeschränkt. Es bestünde eine sehr hohe Kränkungsempfindlichkeit. Er sei in seiner Weltsicht, seinen Ansichten, seiner Wahrnehmung seiner selbst und in seiner Kritikfähigkeit eingeschränkt. Die Fähigkeit des Klägers mit anderen Menschen kollegial zusammenzuarbeiten, sei ganz wesentlich reduziert. Es bestünde ein sehr hohes Risiko zwischenmenschlicher Konflikte. Mit Dr. N. gehe er zwar davon aus, dass die hierfür ursächliche Persönlichkeitsstörung in das Erwerbsleben mit eingebracht worden sei. Es sei auch zutreffend, dass er damit bis 1994 berufstätig gewesen sei. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass der Kläger nun doch seit 19 Jahren nicht mehr berufstätig gewesen sei. Dies habe sicherlich nicht die Persönlichkeitsstörung an sich verschlimmert. Der Kläger habe allerdings durch das Fehlen einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nur noch oberflächliche Kontakte zu anderen Menschen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass dieses mangelnde Training seine Möglichkeiten, seine Defizite im Bereich der Empathiefähigkeit und des Umgangs mit seinen Aggressionen zu kompensieren, weiter reduziert habe. Der Kläger könne deshalb nur an einem Nischenarbeitsplatz tätig werden, den er überwiegend, ohne wesentliche kollegiale Zusammenarbeit mit anderen Menschen, ausfüllen könne. Möglich sei dies in einem Bereich, in dem der Kläger einen überschaubaren kleinen Verantwortungsbereich hätte, in dem er eine regelmäßige Tätigkeit, ohne Zeitdruck, ausüben könne. Es gebe hier sicherlich nur sehr eingeschränkte Bereiche, in denen der Kläger überhaupt, bei auch reduziertem Anpassungsvermögen und reduzierter Umstellungsfähigkeit, einsetzbar wäre. In Betracht kämen beispielsweise Reinigungstätigkeiten in einem Park oder eine Tätigkeit als Zeitungsausträger. Es sei ein Grenzfall, ob überhaupt noch ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angenommen werden könne. Dies vor allem in Hinblick darauf, was er nicht zu beurteilen habe, ob überhaupt realistisch Arbeitsplätze vorhanden seien, die der Kläger ausfüllen könne.
Ein exaktes Datum des Beginns der festgestellten Leistungseinschränkung lasse sich nicht festlegen. Seit der Begutachtung durch Dr. Sch. im Jahr 2009 sei eine eindeutige Veränderung der gesundheitlichen Situation des Klägers nicht nachgewiesen. Die Ausführungen von Dr. Sch. und auch von Dr. M. seien wenig plastisch bzw. ausführlich. Er gehe davon aus, dass die Persönlichkeitsstörung mit in das Erwerbsleben eingebracht worden sei und sich deren Auswirkungen durch die nun fast zwanzigjährige Arbeitslosigkeit und der daraus resultierenden Zurückgezogenheit insoweit verstärkt hätten, als seine Konfliktfähigkeit hierdurch weiter reduziert worden sei. Die fehlende Veränderungsbereitschaft des Klägers sei Bestandteil seiner psychischen Störung und nicht oder zumindest nur sehr eingeschränkt der willentlichen Steuerung zugänglich. Eine Änderung sei auch zukünftig sehr unwahrscheinlich.
Der Ärztliche Dienst der Beklagten (Dr. N. - Stellungnahme vom 17.10.2013) hat Einwendungen gegen das Gutachten erhoben. Es handele sich nicht um eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens, sondern der Vermittelbarkeit. Der körperliche und psychopathologische Untersuchungsbefund sei unauffällig. Eine quantitative Leistungsminderung lasse sich daher nicht ableiten. Es blieben die Persönlichkeitsanteile des Klägers, die ihn über das ganz Leben begleiteten. Die beschriebene Kontaktstörung habe ihn aber nicht daran gehindert, Vertrauen zu seiner Therapeutin zu fassen. Es bestünden also Ressourcen, Beziehungen einzugehen. Auch werde eine ausgeprägte Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit beschrieben. Er "fröne" ausgiebig seinen Hobbies und Neigungen. Er habe ein hohes Interesse an aktuellen politischen Ereignissen und einen sehr großen Bewegungsdrang. Es sei anscheinend schon vorgekommen, dass er Begegnungen mit Personen gehabt habe, die er kenne. Sogar ein humorvoller Aspekt werde deutlich, da er angegeben habe, dass ihm das Lachen schwer falle, auch wenn er einen guten Witz höre. Dann sei es ein irgendwie verrutschtes Lachen. Dies belege, dass der Versicherte nicht ganz konfliktfrei sei, wie es jeder Mensch in seinem Leben kennenlerne. Aber Situationen mit Humor zu begegnen sei auch eine gesunde Leistung. Anscheinend lasse er nicht viele Menschen an sich heran, räume aber ein, dass es schon Straßenbekanntschaften gebe. Insgesamt liege keine Krankheitsentität vor, die an der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit hindern würde. Trotz jahrelanger Arbeitslosigkeit sei ihm nicht die Tagesstruktur verloren gegangen. Die aus den Schriftsätzen des Klägers abgeleitete erhöhte Kränkbarkeit könne nicht nachvollzogen werden. Es sei auch Natur eines Rechtsstreits unterschiedliche Auffassungen zu vertreten. Dabei komme es auch vor, dass eine Prozesspartei emotional um ihre Rechte kämpfe und sich auch mal einer Wortwahl bediene, die sozial unangemessen sei. Hinsichtlich des vom Gutachter beschriebenen erhöhten Risikos für zwischenmenschliche Konflikte falle auf, dass in der Begutachtungssituation kein Konflikt aufgetreten sei. Dem Kläger gelinge es offenbar durchaus, sich unter Kontrolle zu halten. Insofern stehe zu vermuten, dass mit einer zumutbaren Willensanstrengung mögliche verbal aggressive Strebungen durchaus kontrolliert werden könnten. Nicht verständlich sei, warum der Kläger nur an einem Nischenarbeitsplatz tätig werden könne. Dies begründe der Gutachter mit der 19jährigen Arbeitslosigkeit. Es sei nicht ersichtlich, warum das quantitative Leistungsvermögen eingeschränkt sein solle, nur weil der Versicherte einer regelmäßigen Arbeit entwöhnt sei. Das Defizit an Empathiefähigkeit könne ebenfalls keine quantitative Leistungseinschränkung begründen. Auch Straftäter könnten durchaus voll erwerbsfähig sein. Natürlich sei verständlich, dass nach 19jähriger Arbeitslosigkeit "gewisse" Einschränkungen des Anpassungsvermögens und der Umstellungsfähigkeit bestünden. Dies seien aber nur qualitative Einschränkungen. Demnach sei auch dem Gutachter zu folgen, wenn er hier beispielsweise Reinigungsarbeiten in einem Park oder eine Tätigkeit als Zeitungsausträger als Verweisungsberufe benenne.
Das LSG hat den Gutachter zur ergänzenden Stellungnahme aufgefordert. Der Nervenarzt M. hat unter dem 22.02.2014 angegeben, die Einwände von Dr. N. änderten seine Einschätzung nicht. Soweit Dr. N. das Interesse des Klägers für aktuelle politische Entwicklungen anspreche, offenbare sich aus den Darstellungen des Klägers gerade keine eigenständige Meinungsbildung. Der Kläger suche sich sehr gezielt einseitige Berichte, die sein Weltbild stützen. In seinen Kommentaren spiegele sich eine Selbstüberschätzung, er vergleiche sich etwa mit Edward Snowden, was er sicherlich ernst meine. Die Darstellungen, die sich in den Gerichtsakten befänden, entsprächen nicht Darstellungen wie sie in Gerichtsverfahren sonst häufig vorkämen. Der Unterschied sei, dass dies beim Kläger nicht nur die Emotionalität und Sichtweise in einem speziellen Gerichtsverfahren sei, sondern seine allgemeine Ansicht und seine allgemeine Reaktionsweise in fast allen Fragen seines täglichen Lebens seit Jahren, die er nicht selbstkritisch hinterfragen könne und auch von anderen nicht hinterfragen lasse. Er habe auch kein Unrechtsbewusstsein, er sehe sich selbst nicht in der Verantwortung für sein Leben. Die Beschäftigung mit den politischen Themen diene dem Kläger nicht um seine eigenen politischen Interessen wahrzunehmen. Sie diene dem inneren Zwang folgend dem Zweck für sich zu beweisen, dass die ganze Welt voller Unrecht ist und er diesem Unrecht immer nur als Opfer ausgesetzt gewesen sei, und sich zurecht außerhalb der Gesetze gewehrt habe, da es für ihn keine andere Möglichkeit gebe. In der Untersuchungssituation sei tatsächlich kein Konflikt aufgetreten. Ein solcher wäre aber mit Sicherheit aufgetreten, wenn er (der Gutachter) an irgendeiner Stelle die Äußerungen des Klägers kritisch in Frage gestellt hätte. Vermutlich würde er weggelaufen, wenn dies nicht möglich sei, wahrscheinlich aggressiv reagieren. Der Kläger könne sich unter Kontrolle halten, so lange man ihm seine Ansichten lasse und ihn in Ruhe lasse und keine Anforderungen an ihn stelle. Dies dürfte aber an den meisten Arbeitsstellen und sobald er mit anderen Menschen zusammenarbeiten müsse nicht der Fall sein. Die Persönlichkeitsstörung sei eingebracht in das Erwerbsleben. Die Auswirkungen hätte sich aber durch die lange Arbeitslosigkeit und die daraus resultierende Zurückgezogenheit insoweit verstärkt, als seine Konfliktfähigkeit hierdurch weiter reduziert worden sei. Die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sei weiter zurückgegangen. Er erlebe seine gesamte Umwelt als feindlich. Das Erleben und die Auswirkungen seiner Sichtweisen seien nahe an einem wahnhaften Geschehen. Die Diagnose an sich begründe beim Kläger kein quantitativ vermindertes Leistungsvermögen. Es bestünden in der Summe aber Einschränkungen in der Fähigkeit mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten, und sich an die Spielregeln an einem Arbeitsplatz zu halten, die realistisch nur eine Tätigkeit auf einem Nischenarbeitsplatz zuließen.
Der Ärztliche Dienst der Beklagten (Dr. N. - Stellungnahme vom 10.03.2014) hat hierauf nochmals erwidert und ist im Ergebnis bei seiner Auffassung geblieben, dass sich eine quantitative Leistungseinschränkung nicht ableiten ließe. Die potentielle Aggressionsbereitschaft, die nicht nachgewiesen sei, könne durchaus vom Kläger kontrolliert werden. Die Argumentation hinsichtlich des politischen Interesses des Klägers sei relativ schwach, da wohl jeder Mensch in der einen oder anderen Form sehr gezielt einseitige Berichte auswähle, die sein Weltbild stützten. Es müsse jedem einzelnen überlassen bleiben, inwieweit er sich politisch oder sozial engagiere. Die Äußerungen des Klägers zu aktuellen Themen seien auch für den Unterzeichner durchaus nachvollziehbar. Soweit er sich gegen Ersatzkäse wende, werde ein französischer Biobauer, der den Käse aus unbehandelter Milch herstelle, empfohlen. Zudem führe sozial unverträgliches Verhalten nicht zu einer Minderung der quantitativen Leistungsfähigkeit. Dem Gutachter sei sicherlich beizupflichten, dass die lange Zeit der Arbeitslosigkeit zu einer eingeschränkten Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit geführt habe. Hierbei handele es sich aber nur um eine qualitative Leistungseinschränkung. Wenn die subjektiven politischen Sichtweisen dazu führten, dass Erwerbsunfähigkeit angenommen werde, so müsse man bei Vorliegen eines Mitgliedsausweises einer extremistischen Partei von vornherein Erwerbsunfähigkeit annehmen, da mit nicht unerheblichem Konfliktpotenzial des Betroffenen mit der durchschnittlichen bürgerlichen Gesellschaft zu rechnen sei.
Die Berichterstatterin hat mit den Beteiligten am 14.02.2014 die Rechts- und Sachlage erörtert. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen. Die Beklagte hat daraufhin noch mitgeteilt, dass ihr persönlicher Eindruck, den sie vom Kläger im Erörterungstermin gewonnen habe, ihre Auffassung bestätige. Er sei hellwach gewesen, zum Sachverhalt voll informiert, höflich und in keiner Weise beleidigend oder nicht in der Lage, die Autorität des Gerichts nicht anzuerkennen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 22.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente auf Dauer, allerdings aufgrund eines Leistungsfalls am 20.06.2012 erst ab dem 01.07.2012. Der Tenor des Urteils des SG war entsprechend abzuändern.
Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung ergeben sich aus § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungs-gesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I 554). Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen voller Erwerbsminderung liegen vor. Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) ist erfüllt. In dem um Anrechnungszeiten nach § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VI verlängerten Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalls am 20.06.2012 sind drei Jahre mit Pflichtbeitragszeiten belegt (§ 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 1 SGB VI). Diese Beurteilung wird auch von der Beklagten geteilt (Auskunft vom 20.08.2014).
Der Kläger ist zur Überzeugung des Senats voll erwerbsgemindert. Der Senat stützt seine Überzeugung auf das Gutachten des Nervenarztes K. C. M ... Der Gutachter gelangt schlüssig und nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass zwar keine quantitative Leistungsminderung vorliegt, aber die Erwerbsfähigkeit derart eingeschränkt ist, dass von einem verschlossenen Arbeitsmarkt auszugehen ist.
Die für das Leistungsvermögen maßgebliche Gesundheitsstörung liegt auf nervenärztlichem Fachgebiet. Der Kläger leidet unter einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit schizoiden, querulatorischen und emotional instabilen Anteilen. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Nervenfacharztes M ... Dabei handelt es sich entgegen der Ansicht des Ärztlichen Dienstes der Beklagten nicht lediglich um eine "Charaktervariante" ohne Krankheitswert. Persönlichkeitsstörungen sind Krankheiten (s. F60 bis 799 der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD)). Jeder der nervenfachärztlichen Gutachter, selbst Dr. Sch., diagnostizierte beim Kläger eine Persönlichkeitsstörung und nicht lediglich eine "Charaktervariante". Ob - wie der Gutachter M. - vermutet, auch anteilige Elemente einer Störung aus dem Autismus-Spektrum im Sinne eines Asperger-Syndroms eine Rolle spielen, kann dahin gestellt bleiben. Nach den Ausführungen des Gutachters sind die Symptome dieselben. Nur auf diese - und nicht auf die exakte Diagnose - kommt es aber bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit an.
Infolge dieser Gesundheitsstörung ist der Kläger zwar nicht daran gehindert sechs Stunden täglich eine Tätigkeit zu verrichten. Allerdings ist es ihm nicht möglich, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu arbeiten. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist vorliegend nicht allein die Vermittelbarkeit und damit der Pflichtenkreis der Arbeitsverwaltung betroffen. Erwerbsunfähigkeit liegt auch vor, wenn der Leistungsgeminderte einen seinem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz nicht finden kann, weil es solche Arbeitsplätze nicht gibt (GS Beschl. v. 11.12.1969 - GS 2/68 - BSGE 30, 192, 200). Dies kann (u.a.) daraus resultieren, dass der Versicherte wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung in einem Betrieb nicht einsetzbar ist (vgl. BSG Urt. v. 30.11.1982 - 4 RJ 1/82 - SozR 2200 § 1246 Nr. 104). So liegt der Fall hier. Der Kläger ist nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem Betrieb einsetzbar. Die Persönlichkeitsstörung des Klägers hat eine erhebliche Beeinträchtigung der Kontraktfähigkeit und Empathiefähigkeit zur Folge. Der Gutachter M. hat für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass dadurch die Fähigkeit des Klägers, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten und sich an die Spielregeln eines Arbeitsplatzes zu halten, ganz erheblich eingeschränkt ist. Es besteht eine sehr hohe Kränkungsempfindlichkeit und damit einhergehend ein sehr hohes Risiko zwischenmenschlicher Konflikte. Der Kläger kann sich - krankheitsbedingt - nur unter Kontrolle halten, so lange ihm nicht widersprochen, er in Ruhe gelassen wird und keine Anforderungen an ihn gestellt werden. Letzteres spricht nach Überzeugung des Senats gegen die Ausübung jedweder Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, da keine gegen Entgelt verrichtete Tätigkeit denkbar ist, die an den Arbeitnehmer keinerlei Anforderungen stellt. Auch aus Sicht des Gutachters ist fraglich, ob überhaupt noch eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeübt kann. Es liegt nahe, dass der Kläger nur noch in geschützten Räumen einer Werkstatt für Behinderte tätig sein kann. Jedenfalls aber können Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter den üblichen Bedingungen nicht ausgeübt werden. Wie der Gutachter nachvollziehbar ausführt, kommen nur regelmäßige Arbeiten ohne wesentliche kollegiale Zusammenarbeit, ohne Zeitdruck und mit überschaubarem kleinem Verantwortungsbereich in Betracht. Der Gutachter spricht insoweit von Nischenarbeitsplätzen und macht damit deutlich, dass Arbeitsplätze unter üblichen Arbeitsbedingungen ausscheiden.
Die Ausführungen des Ärztlichen Dienstes der Beklagten überzeugen den Senat demgegenüber nicht. Es wird zum einen verkannt, dass unstreitig keine quantitative Leistungseinschränkung vorliegt und es vielmehr um die Fähigkeit des Klägers geht, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes Arbeiten zu verrichten. Zum anderen tragen die Einwände von Dr. N. nicht. Der Nervenarzt M. hat die Einwände in seiner ergänzenden Stellungnahme nachvollziehbar entkräftet. Soweit von Dr. N. ein intaktes Interessenspektrum gesehen wird, weil sich der Kläger rege für das Tagesgeschehen und politische Themen interessiert, hat der Gutachter M. schlüssig dargelegt, dass es sich nicht um ein "normales" politisches Interesse handelt. Es kommt hierin vielmehr seine Krankheit zum Ausdruck, indem diese Beschäftigung dem Kläger dazu dient "dem inneren Zwang folgend" sich zu beweisen, dass die ganze Welt voller Unrecht ist. Auch die in das Gerichtsverfahren eingebrachten Schreiben des Klägers entsprechen nicht Darstellungen, wie sie üblicherweise in Gerichtsverfahren vorkommen. Der Umfang und die Art der Schreiben haben augenfällig pathologischen Gehalt. Ebenso gehört es zum Krankheitsbild, dass eine Psychotherapie mangels Introspektionsfähigkeit nicht stattfinden konnte. Dies ist entgegen der Auffassung von Dr. N. nicht Ausdruck mangelnden Leidensdrucks. Hinsichtlich der erhaltenen Tagesstruktur, in der Dr. N. einen Grund für die Annahme von Erwerbsfähigkeit sieht, wird verkannt, dass der Kläger seit Jahrzehnten Unterstützung vom "S. A. e.V." erhält. Der Kläger ist nicht selbständig, sondern nur mit Unterstützung Dritter in der Lage, seinen Alltag zu bewältigen. Es kann vor diesem Hintergrund auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seinen Hobbies und Neigungen "ausgiebig fröne". Die Selbstdarstellung des Klägers, insbesondere in Bezug auf die Freizeitgestaltung, kann aufgrund seiner fehlenden Selbstkritik ohnehin nur eingeschränkt als Beurteilungsgrundlage dienen. Schließlich bedarf es zur Überzeugung des Senats auch nicht des Nachweises einer Konfliktsituation, bevor eine Erwerbsminderung angenommen werden kann. Der Gutachter M. hat vielmehr anhand des Krankheitsbildes und der Biographie des Klägers verständlich aufgezeigt, dass es in den beschriebenen Situationen dazu kommen wird, dass der Kläger flieht oder aggressiv reagiert. Beides ist mit den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes nicht vereinbar.
Auch das Gutachten von Dr. Sch. überzeugt den Senat nicht. Eine Begründung für seine Leistungseinschätzung liefert der Gutachter nicht. Das Gutachten von Dr. D. steht der Leistungseinschätzung des Nervenarztes M. im Ergebnis schließlich nicht entgegen.
Da der Kläger somit nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem Betrieb einsetzbar ist, wäre mindestens eine Verweisungstätigkeit zu benennen (vgl. BSG Urt. v. 31.03.1993 - 13 RJ 65/91, juris; BSG Urt. v. 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R, juris; BSG Urt. v. 10.07.2012 - B 13 R 40/12 B, juris). Schon wenn ernsthafte Zweifel bestehen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist, muss die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit erfolgen, die nicht nur zu dem Vergleich von Leistungsfähigkeit und Anforderungsprofil führt, sondern auch zu der individuellen Prüfung, ob dem Versicherten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist oder nicht (vgl. BSG Urt. v. 23.05.2006 - B 13 RJ 38/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr. 9; BSG Urt. v. 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R, BSGE 109, 189; BSG Beschl. v. 10.07.2012 - B 13 R 40/12 B, juris). Ein solcher Verweisungsberuf wurde von der Beklagten nicht benannt und kann zur Überzeugung des Senats auch nicht benannt werden, da es Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die der Kläger ausüben könnte, nicht gibt. Die vom Gutachter genannten und vom Ärztlichen Dienst der Beklagten aufgegriffenen Tätigkeiten eines Abfallaufsammlers im Park und Zeitungsausträgers sind keine vollwertigen Tätigkeiten, auf die Versicherte verwiesen werden könnten.
Der Annahme einer Erwerbsminderung steht nicht entgegen, dass die Persönlichkeitsstörung des Klägers "mit in das Erwerbsleben eingebracht" wurde. Grundsätzlich werden Versicherte mit allen Krankheiten, Gebrechen, Behinderungen, Wesenseigentümlichkeiten, Sozialisations- und Bildungsdefiziten in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen, und es gibt keinen Ausschluss aus der Versicherung wegen so genannter "eingebrachter" Leiden, Behinderungen oder sonstiger Defizite, es sei denn, es hat bereits bei Eintritt in die Rentenversicherung Erwerbsunfähigkeit bestanden (BSG Urt. v. 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R, SozR 4-2600 § 44 Nr. 1; BSG Urt. v. 27.10.1966 - 5 RKn 132/64 - BSGE 25, 227; BSG Urt. v. 28.03.1979 - 4 RJ 35/78, juris; BSG Urt. v. 30.11.1983 - 4 RJ 109/82, juris). Allein durch das Erfordernis der Mindestbeitragszeit von fünf Jahren für die vorzeitigen Versichertenrenten wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bzw. wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung erfolgt eine vom Gesetz vorgesehene faktische "Erprobung", nach deren Ablauf ein "Herabsinken" der beruflichen Leistungsfähigkeit insgesamt zum Eintritt der genannten Versicherungsfälle führen kann (BSG Urt. v. 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R, SozR 4-2600 § 44 Nr. 1). Kommen bei einem regulär Versicherten im Verlaufe des Erwerbslebens weitere Leistungseinschränkungen hinzu oder nimmt nur mit zunehmendem Alter die Kompensationsfähigkeit "eingebrachter" Leiden bis zur Erwerbsunfähigkeit ab, bzw. kommt es zu einem für das "eingebrachte" Leiden typischem Leistungsabbau in einem bestimmten Lebensalter, spielt es für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit keine Rolle, wann und in welcher Reihenfolge die einzelnen ggf. "eingebrachten" Defizite und Leistungseinschränkungen aufgetreten sind (BSG Urt. v. 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R, SozR 4-2600 § 44 Nr. 1). Vorliegend lag zwar nach den Angaben des Gerichtsgutachtens schon zu Beginn des Erwerbslebens des Klägers eine Persönlichkeitsstörung vor. Es fehlen jedoch Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger deshalb schon von Beginn an, d.h. bei Eintritt in die Rentenversicherung, erwerbsgemindert war. Er hat vielmehr eine Ausbildung absolviert und war von 1981 bis 1994 erwerbstätig. Zudem hat der Gutachter nachvollziehbar dargelegt, dass sich die Konfliktfähigkeit des Klägers infolge seiner ab 1994 durchgängigen, langjährigen Arbeitslosigkeit und der damit verbundenen Zurückgezogenheit weiter - bis hin zu einer relevanten Erwerbsminderung - reduziert hat.
Ein Leistungsfall vor dem Tag der Begutachtung bei Dr. D. am 20.06.2012 ist allerdings nicht nachgewiesen. Der Nervenarzt M. konnte ein exaktes Datum, seit wann die Leistungseinschränkung vorliegt, nicht benennen. Das Gutachten von Dr. Sch. aus dem Jahr 2009 liefert keinen Anknüpfungspunkt, da es relativ kurz gehalten ist und wenig plastisch die damaligen Lebensumstände des Klägers schildert. Auch die Angaben der Nervenärztin Dr. M. sind für die Annahme eines früheren Leistungsfalls zu wenig ausführlich.
Die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist auf Dauer bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze zu gewähren. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§ 102 Abs. 2 S. 5 SGB VI). Persönlichkeitsstörungen sind zwar grundsätzlich behandelbar. Vorliegend ist jedoch eine Behandlung mittels Psychotherapie und höherer Medikamentendosis schon in der Vergangenheit an der fehlenden Introspektionsfähigkeit des Klägers gescheitert. Mit dem Gutachter M. hält es der Senat deshalb für sehr fraglich, ob sich die notwendige Veränderungsmotivation noch herstellen lässt, zumal eine Integration des Klägers in ein stationäres Behandlungssetting nicht gelingen dürfte. Insgesamt ist der Senat deshalb davon überzeugt, dass es (äußerst) unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers behoben werden kann. Der Anspruch auf Rente besteht auch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage. Eine Fallkonstellation, in der ein Restleistungsvermögen noch vorliegt, das lediglich wegen der Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht verwertet werden kann, liegt nicht vor. Die Unfähigkeit des Klägers, durch Arbeit Einkommen zu erzielen beruht nicht auf der Schwankungen unterworfenen jeweiligen Lage des Arbeitsmarktes, sondern darauf, dass ihm der allgemeine Arbeitsmarkt aus gesundheitlichen Gründen verschlossen ist. Das Fehlen von Verweisungstätigkeiten dient im Zusammenhang mit einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung ausschließlich dem Nachweis, dass der Kläger vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist (vgl. dazu LSG S-H Urt. v. 05.04.2001 - L 7 RJ 144/99; BSG Urt. v. 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R, juris - Rn. 34; BSG Urt. v. 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R, juris - Rn. 30).
Die Berufung der Beklagten konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten auch für den zweiten Rechtszug zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Der 1959 geborene Kläger ist gelernter Bäcker und Konditor. Im Anschluss an die Lehre hat er zwei Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Danach war von 1983 bis 1994 als Küchenreiniger und Spüler versicherungspflichtig beschäftigt. Seiher ist er arbeitslos. Er bezieht Arbeitslosengeld II. Seit 1992 erhält der Kläger durch den "S. A. e.V." regelmäßig persönliche Betreuung und Beratung u.a. in allen finanziellen Angelegenheiten und bei der Gestaltung seiner Freizeit. Ihm wurde außerdem Wohnraum als ambulante persönliche Sozialhilfe zur Sesshaftmachung nach dem damaligen Bundessozialhilfegesetz zur Verfügung gestellt.
Der Versicherungsverlauf des Klägers weist in den letzten fünf Jahren vor dem 01.01.2010 durchgängig rentenrechtliche Pflichtbeitragszeiten auf. Seit 01.01.2005 ist der Kläger beim Jobcenter arbeitssuchend gemeldet und bezieht Arbeitslosengeld II. Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren ist erfüllt.
In den Jahren 2007 bis 2009 wurde der Kläger vom Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit mehrmals begutachtet. Im Gutachten vom 11.09.2008 wurde eine weniger als dreistündige Leistungsfähigkeit für die Dauer von voraussichtlich bis zu sechs Monaten festgestellt. Das nervenfachärztliche Gutachten von Dr. Sch. vom 31.08.2009 gelangte zu dem Ergebnis, dass der Kläger trotz seiner schizoiden Persönlichkeitsstörung Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Publikumsverkehr und Nachtschicht vollschichtig ausüben könne. Der Kläger sei in der Lage bei zumutbarer Willensanstrengung, eine Arbeitstätigkeit anzutreten und diese vollschichtig auszuüben.
Am 16.03.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Zur Begründung wurden eine seelische Minderbelastbarkeit, Beschwerden der Wirbelsäule im Bereich des Nackens und der Nierengegend, Rückenbeschwerden, Einschränkungen im Bereich der rechten Schulter nach einer Operation sowie Kopfschmerzen und Schwindel angegeben.
Die Beklagte zog medizinische Befundunterlagen bei und veranlasste eine Begutachtung durch ihren sozialmedizinischen Dienst. In ihrem Gutachten vom 29.04.2010 kam Dr. R., Fachärztin für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, zu den Diagnosen Verdacht auf kombinierte Persönlichkeitsstörung mit schizophrenen und ängstlichen Anteilen, Angabe von rezidivierenden belastungsabhängigen Schulterschmerzen rechts, aktuell ohne funktionelle Einschränkung bei Zustand nach Acromioplastik bei Impingementsyndrom der rechten Schulter 2004 und Angabe von chronisch rezidivierender Lumbago, aktuell ohne Funktionseinschränkungen oder Hinweise auf eine Wurzelreizsymptomatik. Damit könne der Kläger mittelschwere Tätigkeiten wie auch die letzte Tätigkeit als Spüler in einer Küche vollschichtig verrichten. Auszuschließen seien seelisch belastende Tätigkeiten mit hohem Konfliktpotenzial, Tätigkeiten im Publikumsverkehr, Tätigkeiten unter hohem Zeitdruck, Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten, Nachtschichten und Tätigkeiten mit sehr häufigen Überkopfarbeiten mit der rechten Schulter.
Mit Bescheid vom 22.06.2010 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Eine volle oder teilweise Erwerbsminderung liege nicht vor.
Hiergegen legte der Kläger am 24.06.2010 Widerspruch ein und rügte die von der Beklagten vorgenommene Beurteilung seines Leistungsvermögens. Die den Kläger betreuende Sozialpädagogin G. gab mit Schreiben vom 11.02.2011 eine Stellungnahme ab. Der Kläger erhalte seit 1992 Betreuungsleistungen u.a. bei den behördlichen Angelegenheiten, finanziellen Angelegenheiten und bei allen Angelegenheiten im Wohnen. Der Kläger habe motiviert werden können, sich in fachärztliche Behandlung zu begeben, wodurch sich sein Zustand stabilisiert habe. Dennoch benötige er krankheitsbedingt sehr viel Unterstützung, damit er in der Lage sei, seinen Alltag zu regeln. Er sei nicht in der Lage unter den Bedingungen des normalen Arbeitsmarktes drei Stunden täglich zu arbeiten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 17.06.2011 hat der Kläger beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und zur Begründung auf über 50 handbeschrifteten Seiten Papier vorgetragen, er sei entgegen der Ansicht der Beklagten erwerbsgemindert. Darüber hinaus hat er anwaltlich u.a. vortragen lassen, selbst wenn unzutreffend davon ausgegangen werde, das zeitliche Leistungsvermögen sei nicht unter sechs Stunden abgesunken, habe der Kläger Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Im Hinblick auf seine langjährige psychische Erkrankung und die damit einhergehenden Leistungseinschränkungen sei von einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung auszugehen. Zudem dürften aufgrund der langjährigen Arbeitslosigkeit sicherlich Anpassungsstörungen vorliegen. Der Kläger sei daher auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu betriebsüblichen Bedingungen nicht mehr leistungsfähig.
Das SG hat die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der Orthopäde Dr. H. hat unter dem 18.08.2011 berichtet, den Kläger wegen eines LWS-Syndroms, Schulterbeschwerden und beidseitiger Kniegelenksarthrose behandelt zu haben. Die Nervenärztin Dr. M. hat am 23.08.2011 angegeben, der Kläger befinde sich seit August 2007 regemäßig alle vier bis fünf Wochen in ihrer Behandlung. Sie habe beim Kläger eine Persönlichkeitsstörung im Sinne einer instabilen Persönlichkeit mit einer rezidivierenden depressiven Störung festgestellt. Eine psychische Stabilisierung sei durch Gespräche und die Gabe eines Antidepressivums nicht gelungen. Schon kleinste psychische Belastungen brächten den Kläger aus dem Gleichgewicht. Auf Druck reagiere er aggressiv. Immerhin sei es ihm gelungen, im normalen Alltag eine Tagesstruktur zu erzielen. Die sozialen Kontakte seien sehr begrenzt. Die erhobenen Befunde schränkten die Fähigkeit zur Verrichtung einer leichten körperlichen Berufstätigkeit erheblich ein, so dass dies höchstens drei Stunden möglich sei. Eine Psychotherapie sei nicht indiziert gewesen. Nach dem beigefügten Befundbericht des Psychotherapeuten Dr. M. vom 23.01.2008 habe beim Kläger keinerlei Introspektionsfähigkeit und Motivation vorgelegen, an sich etwas zu ändern. Die Hausärztin des Klägers Dr. W.-C. hat unter dem 05.09.2011 angegeben, der Kläger befinde sich seit 2000 in ihrer Behandlung. Nach ihren Feststellungen könne er ca. drei Stunden leichte Arbeiten verrichten.
Das SG hat sodann weiter Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Nach Untersuchung des Klägers am 20.06.2012 kommt Dr. D., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, in seinem Gutachten vom 21.06.2012 (mit ergänzender gutachterlicher Stellungnahme nach Aktenlage vom 03.09.2012) zu dem Ergebnis, beim Kläger bestünden eine schwergradige kombinierte Persönlichkeitsstörung mit schizoiden, anankastischen und ängstlich-vermeidenden Wesensanteilen sowie eine claustro- und sozialphobische Entwicklung. Eine depressive Stimmungslage habe sich im Rahmen der psychopathologischen Exploration nicht nachweisen lassen. Oberflächlich betrachtet wirke der Kläger affektiv weitgehend ausgeglichen und seine Schwingungsfähigkeit erhalten. Er berichte lediglich glaubhaft über phobische Ängste, die er in der Art einer sozialen Phobie und einer Claustrophobie schildere. Bedeutsamer sei aber die erheblich auffällige Persönlichkeitsstruktur. Dem Kläger falle es schwer, belastende Erlebnisse im zwischenmenschlichen Bereich adäquat innerpsychisch zu verarbeiten und sich im Kontakt mit anderen zu behaupten. Die Versuche in den letzten Jahren, die Symptomatik therapeutisch anzugehen, seien sämtlich gescheitert. Erfahrungsgemäß seien schwergradige kombinierte Persönlichkeitsstörungen mit den heutzutage zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten nicht entscheidend zu bessern. Insofern sei der bisherige Verlauf nicht überraschend. Dass eine schwergradige Störung vorliege, zeige nicht zuletzt die Biografie des Klägers. Wie ein roter Faden zögen sich seine Probleme im zwischenmenschlichen Bereich durch diese, auf welche sein berufliches Scheitern zurückzuführen sei. Bezeichnenderweise sei es in den letzten 18 Jahren nicht mehr gelungen, ihn beruflich zu reintegrieren. Er führe seit dem eine Vita minima ohne nennenswerte soziale Kontakte. Auch wenn er selbst es wohl aufgrund seiner fehlenden Fähigkeit zur Selbstkritik so darstelle, im Alltag gut zurecht zukommen, spreche die aktenkundige sozialpädagogische Stellungnahme eine andere Sprache. Man müsse deshalb davon ausgehen, dass der Kläger zu einer beruflichen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht in der Lage sei und dass diese Einschränkung seines beruflichen Leistungsvermögens Dauercharakter habe. Die beim Kläger festgestellten psychischen Leiden bestünden mindestens seit dem Jahr 1994. Sie seien seitdem chronifiziert und hätten möglicherweise auch im Schweregrad allmählich zugenommen. Das Leistungsbild bestehe vermutlich seit 2010 im heutigen Ausmaß. In den jungen Jahren verfügten derartige Patienten häufig noch über Kompensationsmechanismen, die es ihnen ermöglichten, ihre affektiven Defizite einigermaßen kontrollieren zu können. Wenn sich dann aber im Laufe des Lebens die subjektiv erlebten Kränkungen und Frustrationen anhäuften, komme oft der Zeitpunkt, an dem diese Mechanismen nicht mehr ausreichten. Dies sei vorliegend der Fall. In der Vergangenheit sei bei ihm vielfach der Versuch unternommen worden, die Symptomatik therapeutisch anzugehen. Diese Versuche seien gescheitert. Der gescheiterte Versuch einer Psychotherapie sei Ausdruck der Persönlichkeitsstörung und nicht etwa darauf zurückzuführen, dass der Kläger bewusst eine Introspektion verweigere. Gebessert habe sich lediglich der affektive Zustand. Diese Besserung sei aber nicht Ausdruck einer allgemeinen psychischen Stabilisierung, die sein berufliches Leistungsvermögen erhöhen würde, sondern wohl nur auf den Umstand zurückzuführen, dass der Kläger seit vielen Jahren eine Vita minima ohne ihn belastende äußere Stressfaktoren führe.
Der Ärztliche Dienst der Beklagten (Dr. N. - Stellungnahmen vom 30.07.2012 und 21.09.2012) hat eingewendet, im Vergleich zu dem Gutachten von Dr. Sch. würden keine neuen Befunde geliefert. Dr. Sch. habe aber nachvollziehbar ein vollschichtiges Leistungsvermögen festgestellt. Die sogenannten Persönlichkeitsstörungen seien Charaktervarianten. Der Charakter forme sich das gesamte Leben. Das festgestellte Störungsbild habe deshalb seine Ursache in der gesamten Charakterentwicklung. Der Versicherte habe sein auffälliges Verhalten somit bereits in das Erwerbsleben mit eingebracht. Er habe mit dieser Persönlichkeit produktiv gearbeitet. Trotz der Belastungen in der Kindheit habe der Kläger einen Realschulabschluss, eine Lehre absolviert, in diesem Beruf gearbeitet und "seinen Mann gestanden als Spüler in der Küche". Zu diesen Zeitpunkten habe die Persönlichkeitsstörung schon vorgelegen, so dass hieraus eine Leistungsminderung nicht abgeleitet werden könne. Dies entspräche auch dem psychopathologischen Normalbefund. Bei einem psychischen Normalbefund sei die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht als eingeschränkt anzusehen. Sicherlich sei der Kläger im Umgang kein einfacher Mensch, dennoch habe er mit diesen Wesensanteilen über Jahre gearbeitet. Die Leistungsfähigkeit, die der Versicherte anscheinend in seinem Privatleben, wenn er sich um sich selbst kümmern müsse, an den Tag lege, belegten eben, dass der Kläger könne, wenn er wolle. Wenn jemand seinen Interessen und Neigungen nachgehen könne, so seien diese Entscheidungen als willensnah einzustufen. Auch ein schwerwiegender Leidensdruck habe offenbar bislang nicht bestanden, da das Antidepressivum nur gering dosiert worden sei und eine Psychotherapie nicht stattgefunden habe. Das auffällige Interaktionsverhalten des Klägers begründe keine quantitative Leistungseinschränkung. Die eingeschränkte Vermittlungsfähigkeit wegen einer auffälligen Charaktervariante sei nicht Teil der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung.
Mit Urteil vom 17.12.2012 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 01.03.2010 bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Er habe Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze. Die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) lägen vor. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente seien erfüllt. Das SG sei auch davon überzeugt, dass der Kläger auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch in einem Umfang von unter drei Stunden täglich verrichten könne und damit voll erwerbsgemindert sei. Das SG stütze seine Überzeugung auf das Gutachten von Dr. D ... Dessen Gutachten sei in Kenntnis der von der Beklagten insoweit vorgebrachten Einwendungen nachvollziehbar und schlüssig. Dr. D. führe überzeugend aus, dass beim Kläger eine schwergradige kombinierte Persönlichkeitsstörung mit schizoiden, anankastischen und ängstlich-vermeidenden Wesensanteilen sowie eine claustro- und sozialphobische Entwicklung vorliege. Diese manifestiere sich unter anderem - wie auch die Beklagte einräume - in den umfangreichen, inhaltlich nicht immer adäquaten schriftlichen Stellungnahmen des Klägers nicht erst im gerichtlichen Verfahren. Dr. N. sei insoweit zuzugeben, dass der Kläger eine auffällige Charaktervariante bereits ins Erwerbsleben eingebracht habe. Insoweit sei allerdings zum einen zu berücksichtigen, dass er seinen erlernten Beruf als Bäcker und Konditor bereits nach wenigen Jahren aufgegeben habe, nachdem er den Betrieb seines damaligen Arbeitgebers, nach eigenen Angaben aus Wut über "maßlose Ausnutzung", in betrunkenem Zustand angezündet habe. Danach habe er noch bis 1994 als Spüler in einem Hotel gearbeitet und habe sich auch dort zahlreichen Schikanen ausgesetzt gefühlt. Seitdem bestehe Arbeitslosigkeit. Die Integrationsfähigkeit des Klägers in den allgemeinen Arbeitsmarkt erscheine von daher schon anhand der Erwerbsbiographie eingeschränkt. Zum anderen habe Dr. D. überzeugend dargelegt, dass gerade Patienten mit Persönlichkeitsstörungen wie der Kläger im Laufe des Lebens dekompensierten, so dass die psychische Belastbarkeit ab einem bestimmten Zeitpunkt derart eingeschränkt sein könne, dass wie beim Kläger auch eine rentenrelevante Leistungsminderung eintrete. Hierbei handele es sich nicht etwa, wie Dr. N. ausführe, um eine Frage der Vermittelbarkeit, sondern eine sozialmedizinisch bedeutsame Einschränkung der Fähigkeit zur Ausübung von Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Der Kläger benötige, was durch die Stellungnahme der betreuenden Sozialarbeiterin bestätigt werde, kontinuierliche sozialpädagogische Unterstützung. Er wohne bereits seit 1992 in projektbezogenem Wohnraum, in dem er seitdem entsprechend betreut werde. Der vom Sachverständigen erhobene Tagesablauf zeige sich teilweise unstrukturiert. Der Kläger verfüge über keinerlei soziale Kontakte und führe seit langer Zeit die vom Sachverständigen im Einzelnen beschriebene Vita minima. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass trotz der Persönlichkeitsstörung im Hinblick auf die Therapieversuche kein schwerwiegender Leidensdruck vorhanden sei. In der Vergangenheit habe der Kläger vielmehr - auch unterstützt durch die Sozialarbeiterin und die behandelnde Psychiaterin, verschiedentliche Therapieversuche unternommen. Eine höher dosierte medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva habe er nicht toleriert. Eine ambulante Psychotherapie sei an mangelnder Introspektionsfähigkeit gescheitert, die als Ausdruck seiner Persönlichkeitsstörung anzusehen sei.
Zu keiner anderen Beurteilung führe schließlich das - im Auftrag der Agentur für Arbeit erstellte - Gutachten des Nervenarztes Dr. Sch. vom 31.08.2009. Da das psychische Leiden des Klägers nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. D. im Schweregrad allmählich zugenommen habe und in dem jetzt von ihm festgestellten Umfang seit 2010 bestehe, könne bereits dahin stehen, ob Dr. Sch. dessen Leistungsvermögen 2009 zutreffend beurteilt habe. Zu berücksichtigen sei insoweit im Übrigen, dass der Kläger sich damals zu bestimmten Punkten nicht habe äußern wollen und nach den Ausführungen von Dr. D. zumindest in Teilen dazu neige, seine Möglichkeiten und Fähigkeiten zu beschönigen.
Da der Kläger somit nicht mehr imstande sei, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, bestehe volle Erwerbsminderung. Die volle Erwerbsminderung bestehe seit 2010 und habe Dauercharakter, so dass die Rente wie beantragt ab dem Antragsmonat unbefristet, d.h. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI), zu gewähren sei.
Am 29.01.2013 hat die Beklagte gegen das ihr am 11.01.2013 zugestellte Urteil Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zur Begründung vorgetragen, dem Kläger stehe keine Erwerbsminderungsrente ab dem 01.03.2010 bis zum Erreichen der Regelaltersrente zu. Der Eintritt einer Leistungsminderung im Jahr 2010 sei nicht hinreichend begründet. Auf die Ausführungen des Ärztlichen Dienstes werde verwiesen. Zudem habe das SG es versäumt, den Leistungsfall im Tenor genau zu benennen. In Ermangelung konkreter Anhaltpunkte hätte das Untersuchungsdatum (20.06.2012) gewählt werden müssen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.12.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Erwiderung hat der Kläger ausführen lassen, das Urteil des SG sei nicht zu beanstanden. Das SG habe überzeugend dargelegt, dass der Kläger jedenfalls seit 2010 auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch im Umfang von unter drei Stunden täglich ausüben könne. Eine Besserung sei nicht zu erwarten, so dass zutreffend eine Dauerrente zugesprochen worden sei. Ergänzend hat der Kläger die Sozialberichte des Vereins "S. A. e.V." aus den Jahren 1994 bis 2012 vorgelegt.
Das LSG hat ein weiteres nervenfachärztliches Gutachten eingeholt. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie K. C. M. hat bei der Begutachtung des Klägers am 10.09.2013 folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit schizoiden, querulatorischen und emotional instabilen Anteilen, Autismus-Spektrum-Störung im Sinne eines Asperger-Syndroms (differenzialdiagnostisch), Migräne (anamnestisch), angegebene Wirbelsäulenbeschwerden ohne neurologischen Hinweis auf eine Nervenwurzelkompression oder Nervenwurzelirritation oder eine wesentliche Bewegungseinschränkung und Zustand nach operativer Behandlung eines Impingementsyndroms der rechten Schulter sowie chonropathia patellae (fachfremd). Im Vordergrund stünde die Persönlichkeitsstörung. Der Kläger sei in seiner Kontaktfähigkeit und seiner Empathiefähigkeit erheblich eingeschränkt. Es sei möglich, dass hier zumindest anteilig Elemente einer Störung aus dem Autismus-Spektrum eine Rolle spielten. Eine abschließende Abklärung sei aus sozialmedizinscher Sicht nicht erforderlich, da die Symptome dieselben seien. Eine depressive Herabgestimmtheit habe er bei der Untersuchung nicht feststellen können. Aus den Akten ergebe sich auch kein Anhaltspunkt für eine rezidivierende depressive Störung, auch kein Anhalt für eine bipolare Störung. Der Antrieb des Klägers sei gut, die Tagesstruktur erhalten. Er sei nach seinen Angaben jeden Tag mit der Bahn unterwegs, um Städte zu besichtigen. Der Kläger interessiere sich rege für das Tagesgeschehen. Auch hier bestünde allerdings eine ungewöhnlich direkte Bezugnahme von Gelesenem oder im Fernsehen Gesehenem auf die eigene Situation, ohne kritische Hinterfragung. Dies habe durchaus eine psychopathologische Bedeutung. Er sehe sich in seinem ganzen Leben ausschließlich in der Opferrolle. Er sei sicher oft Opfer geworden, könne aber nicht kritisch seine eigene Verantwortung in seinem Leben und für sein Leben sehen. Die körperliche Untersuchung sei unauffällig gewesen.
Rein körperlich sei der Kläger in der Lage leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auch acht Stunden täglich auszuüben. Durch die Persönlichkeitsstörung mit erheblicher Beeinträchtigung der Kontaktfähigkeit und der Empathiefähigkeit sei allerdings die Fähigkeit des Klägers, mit anderen Menschen zusammen zu arbeiten, ganz erheblich eingeschränkt. Es bestünde eine sehr hohe Kränkungsempfindlichkeit. Er sei in seiner Weltsicht, seinen Ansichten, seiner Wahrnehmung seiner selbst und in seiner Kritikfähigkeit eingeschränkt. Die Fähigkeit des Klägers mit anderen Menschen kollegial zusammenzuarbeiten, sei ganz wesentlich reduziert. Es bestünde ein sehr hohes Risiko zwischenmenschlicher Konflikte. Mit Dr. N. gehe er zwar davon aus, dass die hierfür ursächliche Persönlichkeitsstörung in das Erwerbsleben mit eingebracht worden sei. Es sei auch zutreffend, dass er damit bis 1994 berufstätig gewesen sei. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass der Kläger nun doch seit 19 Jahren nicht mehr berufstätig gewesen sei. Dies habe sicherlich nicht die Persönlichkeitsstörung an sich verschlimmert. Der Kläger habe allerdings durch das Fehlen einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nur noch oberflächliche Kontakte zu anderen Menschen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass dieses mangelnde Training seine Möglichkeiten, seine Defizite im Bereich der Empathiefähigkeit und des Umgangs mit seinen Aggressionen zu kompensieren, weiter reduziert habe. Der Kläger könne deshalb nur an einem Nischenarbeitsplatz tätig werden, den er überwiegend, ohne wesentliche kollegiale Zusammenarbeit mit anderen Menschen, ausfüllen könne. Möglich sei dies in einem Bereich, in dem der Kläger einen überschaubaren kleinen Verantwortungsbereich hätte, in dem er eine regelmäßige Tätigkeit, ohne Zeitdruck, ausüben könne. Es gebe hier sicherlich nur sehr eingeschränkte Bereiche, in denen der Kläger überhaupt, bei auch reduziertem Anpassungsvermögen und reduzierter Umstellungsfähigkeit, einsetzbar wäre. In Betracht kämen beispielsweise Reinigungstätigkeiten in einem Park oder eine Tätigkeit als Zeitungsausträger. Es sei ein Grenzfall, ob überhaupt noch ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angenommen werden könne. Dies vor allem in Hinblick darauf, was er nicht zu beurteilen habe, ob überhaupt realistisch Arbeitsplätze vorhanden seien, die der Kläger ausfüllen könne.
Ein exaktes Datum des Beginns der festgestellten Leistungseinschränkung lasse sich nicht festlegen. Seit der Begutachtung durch Dr. Sch. im Jahr 2009 sei eine eindeutige Veränderung der gesundheitlichen Situation des Klägers nicht nachgewiesen. Die Ausführungen von Dr. Sch. und auch von Dr. M. seien wenig plastisch bzw. ausführlich. Er gehe davon aus, dass die Persönlichkeitsstörung mit in das Erwerbsleben eingebracht worden sei und sich deren Auswirkungen durch die nun fast zwanzigjährige Arbeitslosigkeit und der daraus resultierenden Zurückgezogenheit insoweit verstärkt hätten, als seine Konfliktfähigkeit hierdurch weiter reduziert worden sei. Die fehlende Veränderungsbereitschaft des Klägers sei Bestandteil seiner psychischen Störung und nicht oder zumindest nur sehr eingeschränkt der willentlichen Steuerung zugänglich. Eine Änderung sei auch zukünftig sehr unwahrscheinlich.
Der Ärztliche Dienst der Beklagten (Dr. N. - Stellungnahme vom 17.10.2013) hat Einwendungen gegen das Gutachten erhoben. Es handele sich nicht um eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens, sondern der Vermittelbarkeit. Der körperliche und psychopathologische Untersuchungsbefund sei unauffällig. Eine quantitative Leistungsminderung lasse sich daher nicht ableiten. Es blieben die Persönlichkeitsanteile des Klägers, die ihn über das ganz Leben begleiteten. Die beschriebene Kontaktstörung habe ihn aber nicht daran gehindert, Vertrauen zu seiner Therapeutin zu fassen. Es bestünden also Ressourcen, Beziehungen einzugehen. Auch werde eine ausgeprägte Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit beschrieben. Er "fröne" ausgiebig seinen Hobbies und Neigungen. Er habe ein hohes Interesse an aktuellen politischen Ereignissen und einen sehr großen Bewegungsdrang. Es sei anscheinend schon vorgekommen, dass er Begegnungen mit Personen gehabt habe, die er kenne. Sogar ein humorvoller Aspekt werde deutlich, da er angegeben habe, dass ihm das Lachen schwer falle, auch wenn er einen guten Witz höre. Dann sei es ein irgendwie verrutschtes Lachen. Dies belege, dass der Versicherte nicht ganz konfliktfrei sei, wie es jeder Mensch in seinem Leben kennenlerne. Aber Situationen mit Humor zu begegnen sei auch eine gesunde Leistung. Anscheinend lasse er nicht viele Menschen an sich heran, räume aber ein, dass es schon Straßenbekanntschaften gebe. Insgesamt liege keine Krankheitsentität vor, die an der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit hindern würde. Trotz jahrelanger Arbeitslosigkeit sei ihm nicht die Tagesstruktur verloren gegangen. Die aus den Schriftsätzen des Klägers abgeleitete erhöhte Kränkbarkeit könne nicht nachvollzogen werden. Es sei auch Natur eines Rechtsstreits unterschiedliche Auffassungen zu vertreten. Dabei komme es auch vor, dass eine Prozesspartei emotional um ihre Rechte kämpfe und sich auch mal einer Wortwahl bediene, die sozial unangemessen sei. Hinsichtlich des vom Gutachter beschriebenen erhöhten Risikos für zwischenmenschliche Konflikte falle auf, dass in der Begutachtungssituation kein Konflikt aufgetreten sei. Dem Kläger gelinge es offenbar durchaus, sich unter Kontrolle zu halten. Insofern stehe zu vermuten, dass mit einer zumutbaren Willensanstrengung mögliche verbal aggressive Strebungen durchaus kontrolliert werden könnten. Nicht verständlich sei, warum der Kläger nur an einem Nischenarbeitsplatz tätig werden könne. Dies begründe der Gutachter mit der 19jährigen Arbeitslosigkeit. Es sei nicht ersichtlich, warum das quantitative Leistungsvermögen eingeschränkt sein solle, nur weil der Versicherte einer regelmäßigen Arbeit entwöhnt sei. Das Defizit an Empathiefähigkeit könne ebenfalls keine quantitative Leistungseinschränkung begründen. Auch Straftäter könnten durchaus voll erwerbsfähig sein. Natürlich sei verständlich, dass nach 19jähriger Arbeitslosigkeit "gewisse" Einschränkungen des Anpassungsvermögens und der Umstellungsfähigkeit bestünden. Dies seien aber nur qualitative Einschränkungen. Demnach sei auch dem Gutachter zu folgen, wenn er hier beispielsweise Reinigungsarbeiten in einem Park oder eine Tätigkeit als Zeitungsausträger als Verweisungsberufe benenne.
Das LSG hat den Gutachter zur ergänzenden Stellungnahme aufgefordert. Der Nervenarzt M. hat unter dem 22.02.2014 angegeben, die Einwände von Dr. N. änderten seine Einschätzung nicht. Soweit Dr. N. das Interesse des Klägers für aktuelle politische Entwicklungen anspreche, offenbare sich aus den Darstellungen des Klägers gerade keine eigenständige Meinungsbildung. Der Kläger suche sich sehr gezielt einseitige Berichte, die sein Weltbild stützen. In seinen Kommentaren spiegele sich eine Selbstüberschätzung, er vergleiche sich etwa mit Edward Snowden, was er sicherlich ernst meine. Die Darstellungen, die sich in den Gerichtsakten befänden, entsprächen nicht Darstellungen wie sie in Gerichtsverfahren sonst häufig vorkämen. Der Unterschied sei, dass dies beim Kläger nicht nur die Emotionalität und Sichtweise in einem speziellen Gerichtsverfahren sei, sondern seine allgemeine Ansicht und seine allgemeine Reaktionsweise in fast allen Fragen seines täglichen Lebens seit Jahren, die er nicht selbstkritisch hinterfragen könne und auch von anderen nicht hinterfragen lasse. Er habe auch kein Unrechtsbewusstsein, er sehe sich selbst nicht in der Verantwortung für sein Leben. Die Beschäftigung mit den politischen Themen diene dem Kläger nicht um seine eigenen politischen Interessen wahrzunehmen. Sie diene dem inneren Zwang folgend dem Zweck für sich zu beweisen, dass die ganze Welt voller Unrecht ist und er diesem Unrecht immer nur als Opfer ausgesetzt gewesen sei, und sich zurecht außerhalb der Gesetze gewehrt habe, da es für ihn keine andere Möglichkeit gebe. In der Untersuchungssituation sei tatsächlich kein Konflikt aufgetreten. Ein solcher wäre aber mit Sicherheit aufgetreten, wenn er (der Gutachter) an irgendeiner Stelle die Äußerungen des Klägers kritisch in Frage gestellt hätte. Vermutlich würde er weggelaufen, wenn dies nicht möglich sei, wahrscheinlich aggressiv reagieren. Der Kläger könne sich unter Kontrolle halten, so lange man ihm seine Ansichten lasse und ihn in Ruhe lasse und keine Anforderungen an ihn stelle. Dies dürfte aber an den meisten Arbeitsstellen und sobald er mit anderen Menschen zusammenarbeiten müsse nicht der Fall sein. Die Persönlichkeitsstörung sei eingebracht in das Erwerbsleben. Die Auswirkungen hätte sich aber durch die lange Arbeitslosigkeit und die daraus resultierende Zurückgezogenheit insoweit verstärkt, als seine Konfliktfähigkeit hierdurch weiter reduziert worden sei. Die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sei weiter zurückgegangen. Er erlebe seine gesamte Umwelt als feindlich. Das Erleben und die Auswirkungen seiner Sichtweisen seien nahe an einem wahnhaften Geschehen. Die Diagnose an sich begründe beim Kläger kein quantitativ vermindertes Leistungsvermögen. Es bestünden in der Summe aber Einschränkungen in der Fähigkeit mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten, und sich an die Spielregeln an einem Arbeitsplatz zu halten, die realistisch nur eine Tätigkeit auf einem Nischenarbeitsplatz zuließen.
Der Ärztliche Dienst der Beklagten (Dr. N. - Stellungnahme vom 10.03.2014) hat hierauf nochmals erwidert und ist im Ergebnis bei seiner Auffassung geblieben, dass sich eine quantitative Leistungseinschränkung nicht ableiten ließe. Die potentielle Aggressionsbereitschaft, die nicht nachgewiesen sei, könne durchaus vom Kläger kontrolliert werden. Die Argumentation hinsichtlich des politischen Interesses des Klägers sei relativ schwach, da wohl jeder Mensch in der einen oder anderen Form sehr gezielt einseitige Berichte auswähle, die sein Weltbild stützten. Es müsse jedem einzelnen überlassen bleiben, inwieweit er sich politisch oder sozial engagiere. Die Äußerungen des Klägers zu aktuellen Themen seien auch für den Unterzeichner durchaus nachvollziehbar. Soweit er sich gegen Ersatzkäse wende, werde ein französischer Biobauer, der den Käse aus unbehandelter Milch herstelle, empfohlen. Zudem führe sozial unverträgliches Verhalten nicht zu einer Minderung der quantitativen Leistungsfähigkeit. Dem Gutachter sei sicherlich beizupflichten, dass die lange Zeit der Arbeitslosigkeit zu einer eingeschränkten Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit geführt habe. Hierbei handele es sich aber nur um eine qualitative Leistungseinschränkung. Wenn die subjektiven politischen Sichtweisen dazu führten, dass Erwerbsunfähigkeit angenommen werde, so müsse man bei Vorliegen eines Mitgliedsausweises einer extremistischen Partei von vornherein Erwerbsunfähigkeit annehmen, da mit nicht unerheblichem Konfliktpotenzial des Betroffenen mit der durchschnittlichen bürgerlichen Gesellschaft zu rechnen sei.
Die Berichterstatterin hat mit den Beteiligten am 14.02.2014 die Rechts- und Sachlage erörtert. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen. Die Beklagte hat daraufhin noch mitgeteilt, dass ihr persönlicher Eindruck, den sie vom Kläger im Erörterungstermin gewonnen habe, ihre Auffassung bestätige. Er sei hellwach gewesen, zum Sachverhalt voll informiert, höflich und in keiner Weise beleidigend oder nicht in der Lage, die Autorität des Gerichts nicht anzuerkennen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 22.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.05.2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente auf Dauer, allerdings aufgrund eines Leistungsfalls am 20.06.2012 erst ab dem 01.07.2012. Der Tenor des Urteils des SG war entsprechend abzuändern.
Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung ergeben sich aus § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungs-gesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I 554). Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen voller Erwerbsminderung liegen vor. Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) ist erfüllt. In dem um Anrechnungszeiten nach § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VI verlängerten Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalls am 20.06.2012 sind drei Jahre mit Pflichtbeitragszeiten belegt (§ 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 1 SGB VI). Diese Beurteilung wird auch von der Beklagten geteilt (Auskunft vom 20.08.2014).
Der Kläger ist zur Überzeugung des Senats voll erwerbsgemindert. Der Senat stützt seine Überzeugung auf das Gutachten des Nervenarztes K. C. M ... Der Gutachter gelangt schlüssig und nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass zwar keine quantitative Leistungsminderung vorliegt, aber die Erwerbsfähigkeit derart eingeschränkt ist, dass von einem verschlossenen Arbeitsmarkt auszugehen ist.
Die für das Leistungsvermögen maßgebliche Gesundheitsstörung liegt auf nervenärztlichem Fachgebiet. Der Kläger leidet unter einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit schizoiden, querulatorischen und emotional instabilen Anteilen. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Nervenfacharztes M ... Dabei handelt es sich entgegen der Ansicht des Ärztlichen Dienstes der Beklagten nicht lediglich um eine "Charaktervariante" ohne Krankheitswert. Persönlichkeitsstörungen sind Krankheiten (s. F60 bis 799 der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD)). Jeder der nervenfachärztlichen Gutachter, selbst Dr. Sch., diagnostizierte beim Kläger eine Persönlichkeitsstörung und nicht lediglich eine "Charaktervariante". Ob - wie der Gutachter M. - vermutet, auch anteilige Elemente einer Störung aus dem Autismus-Spektrum im Sinne eines Asperger-Syndroms eine Rolle spielen, kann dahin gestellt bleiben. Nach den Ausführungen des Gutachters sind die Symptome dieselben. Nur auf diese - und nicht auf die exakte Diagnose - kommt es aber bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit an.
Infolge dieser Gesundheitsstörung ist der Kläger zwar nicht daran gehindert sechs Stunden täglich eine Tätigkeit zu verrichten. Allerdings ist es ihm nicht möglich, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu arbeiten. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist vorliegend nicht allein die Vermittelbarkeit und damit der Pflichtenkreis der Arbeitsverwaltung betroffen. Erwerbsunfähigkeit liegt auch vor, wenn der Leistungsgeminderte einen seinem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz nicht finden kann, weil es solche Arbeitsplätze nicht gibt (GS Beschl. v. 11.12.1969 - GS 2/68 - BSGE 30, 192, 200). Dies kann (u.a.) daraus resultieren, dass der Versicherte wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung in einem Betrieb nicht einsetzbar ist (vgl. BSG Urt. v. 30.11.1982 - 4 RJ 1/82 - SozR 2200 § 1246 Nr. 104). So liegt der Fall hier. Der Kläger ist nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem Betrieb einsetzbar. Die Persönlichkeitsstörung des Klägers hat eine erhebliche Beeinträchtigung der Kontraktfähigkeit und Empathiefähigkeit zur Folge. Der Gutachter M. hat für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass dadurch die Fähigkeit des Klägers, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten und sich an die Spielregeln eines Arbeitsplatzes zu halten, ganz erheblich eingeschränkt ist. Es besteht eine sehr hohe Kränkungsempfindlichkeit und damit einhergehend ein sehr hohes Risiko zwischenmenschlicher Konflikte. Der Kläger kann sich - krankheitsbedingt - nur unter Kontrolle halten, so lange ihm nicht widersprochen, er in Ruhe gelassen wird und keine Anforderungen an ihn gestellt werden. Letzteres spricht nach Überzeugung des Senats gegen die Ausübung jedweder Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, da keine gegen Entgelt verrichtete Tätigkeit denkbar ist, die an den Arbeitnehmer keinerlei Anforderungen stellt. Auch aus Sicht des Gutachters ist fraglich, ob überhaupt noch eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeübt kann. Es liegt nahe, dass der Kläger nur noch in geschützten Räumen einer Werkstatt für Behinderte tätig sein kann. Jedenfalls aber können Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter den üblichen Bedingungen nicht ausgeübt werden. Wie der Gutachter nachvollziehbar ausführt, kommen nur regelmäßige Arbeiten ohne wesentliche kollegiale Zusammenarbeit, ohne Zeitdruck und mit überschaubarem kleinem Verantwortungsbereich in Betracht. Der Gutachter spricht insoweit von Nischenarbeitsplätzen und macht damit deutlich, dass Arbeitsplätze unter üblichen Arbeitsbedingungen ausscheiden.
Die Ausführungen des Ärztlichen Dienstes der Beklagten überzeugen den Senat demgegenüber nicht. Es wird zum einen verkannt, dass unstreitig keine quantitative Leistungseinschränkung vorliegt und es vielmehr um die Fähigkeit des Klägers geht, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes Arbeiten zu verrichten. Zum anderen tragen die Einwände von Dr. N. nicht. Der Nervenarzt M. hat die Einwände in seiner ergänzenden Stellungnahme nachvollziehbar entkräftet. Soweit von Dr. N. ein intaktes Interessenspektrum gesehen wird, weil sich der Kläger rege für das Tagesgeschehen und politische Themen interessiert, hat der Gutachter M. schlüssig dargelegt, dass es sich nicht um ein "normales" politisches Interesse handelt. Es kommt hierin vielmehr seine Krankheit zum Ausdruck, indem diese Beschäftigung dem Kläger dazu dient "dem inneren Zwang folgend" sich zu beweisen, dass die ganze Welt voller Unrecht ist. Auch die in das Gerichtsverfahren eingebrachten Schreiben des Klägers entsprechen nicht Darstellungen, wie sie üblicherweise in Gerichtsverfahren vorkommen. Der Umfang und die Art der Schreiben haben augenfällig pathologischen Gehalt. Ebenso gehört es zum Krankheitsbild, dass eine Psychotherapie mangels Introspektionsfähigkeit nicht stattfinden konnte. Dies ist entgegen der Auffassung von Dr. N. nicht Ausdruck mangelnden Leidensdrucks. Hinsichtlich der erhaltenen Tagesstruktur, in der Dr. N. einen Grund für die Annahme von Erwerbsfähigkeit sieht, wird verkannt, dass der Kläger seit Jahrzehnten Unterstützung vom "S. A. e.V." erhält. Der Kläger ist nicht selbständig, sondern nur mit Unterstützung Dritter in der Lage, seinen Alltag zu bewältigen. Es kann vor diesem Hintergrund auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seinen Hobbies und Neigungen "ausgiebig fröne". Die Selbstdarstellung des Klägers, insbesondere in Bezug auf die Freizeitgestaltung, kann aufgrund seiner fehlenden Selbstkritik ohnehin nur eingeschränkt als Beurteilungsgrundlage dienen. Schließlich bedarf es zur Überzeugung des Senats auch nicht des Nachweises einer Konfliktsituation, bevor eine Erwerbsminderung angenommen werden kann. Der Gutachter M. hat vielmehr anhand des Krankheitsbildes und der Biographie des Klägers verständlich aufgezeigt, dass es in den beschriebenen Situationen dazu kommen wird, dass der Kläger flieht oder aggressiv reagiert. Beides ist mit den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes nicht vereinbar.
Auch das Gutachten von Dr. Sch. überzeugt den Senat nicht. Eine Begründung für seine Leistungseinschätzung liefert der Gutachter nicht. Das Gutachten von Dr. D. steht der Leistungseinschätzung des Nervenarztes M. im Ergebnis schließlich nicht entgegen.
Da der Kläger somit nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem Betrieb einsetzbar ist, wäre mindestens eine Verweisungstätigkeit zu benennen (vgl. BSG Urt. v. 31.03.1993 - 13 RJ 65/91, juris; BSG Urt. v. 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R, juris; BSG Urt. v. 10.07.2012 - B 13 R 40/12 B, juris). Schon wenn ernsthafte Zweifel bestehen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist, muss die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit erfolgen, die nicht nur zu dem Vergleich von Leistungsfähigkeit und Anforderungsprofil führt, sondern auch zu der individuellen Prüfung, ob dem Versicherten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist oder nicht (vgl. BSG Urt. v. 23.05.2006 - B 13 RJ 38/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr. 9; BSG Urt. v. 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R, BSGE 109, 189; BSG Beschl. v. 10.07.2012 - B 13 R 40/12 B, juris). Ein solcher Verweisungsberuf wurde von der Beklagten nicht benannt und kann zur Überzeugung des Senats auch nicht benannt werden, da es Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die der Kläger ausüben könnte, nicht gibt. Die vom Gutachter genannten und vom Ärztlichen Dienst der Beklagten aufgegriffenen Tätigkeiten eines Abfallaufsammlers im Park und Zeitungsausträgers sind keine vollwertigen Tätigkeiten, auf die Versicherte verwiesen werden könnten.
Der Annahme einer Erwerbsminderung steht nicht entgegen, dass die Persönlichkeitsstörung des Klägers "mit in das Erwerbsleben eingebracht" wurde. Grundsätzlich werden Versicherte mit allen Krankheiten, Gebrechen, Behinderungen, Wesenseigentümlichkeiten, Sozialisations- und Bildungsdefiziten in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen, und es gibt keinen Ausschluss aus der Versicherung wegen so genannter "eingebrachter" Leiden, Behinderungen oder sonstiger Defizite, es sei denn, es hat bereits bei Eintritt in die Rentenversicherung Erwerbsunfähigkeit bestanden (BSG Urt. v. 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R, SozR 4-2600 § 44 Nr. 1; BSG Urt. v. 27.10.1966 - 5 RKn 132/64 - BSGE 25, 227; BSG Urt. v. 28.03.1979 - 4 RJ 35/78, juris; BSG Urt. v. 30.11.1983 - 4 RJ 109/82, juris). Allein durch das Erfordernis der Mindestbeitragszeit von fünf Jahren für die vorzeitigen Versichertenrenten wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bzw. wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung erfolgt eine vom Gesetz vorgesehene faktische "Erprobung", nach deren Ablauf ein "Herabsinken" der beruflichen Leistungsfähigkeit insgesamt zum Eintritt der genannten Versicherungsfälle führen kann (BSG Urt. v. 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R, SozR 4-2600 § 44 Nr. 1). Kommen bei einem regulär Versicherten im Verlaufe des Erwerbslebens weitere Leistungseinschränkungen hinzu oder nimmt nur mit zunehmendem Alter die Kompensationsfähigkeit "eingebrachter" Leiden bis zur Erwerbsunfähigkeit ab, bzw. kommt es zu einem für das "eingebrachte" Leiden typischem Leistungsabbau in einem bestimmten Lebensalter, spielt es für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit keine Rolle, wann und in welcher Reihenfolge die einzelnen ggf. "eingebrachten" Defizite und Leistungseinschränkungen aufgetreten sind (BSG Urt. v. 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R, SozR 4-2600 § 44 Nr. 1). Vorliegend lag zwar nach den Angaben des Gerichtsgutachtens schon zu Beginn des Erwerbslebens des Klägers eine Persönlichkeitsstörung vor. Es fehlen jedoch Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger deshalb schon von Beginn an, d.h. bei Eintritt in die Rentenversicherung, erwerbsgemindert war. Er hat vielmehr eine Ausbildung absolviert und war von 1981 bis 1994 erwerbstätig. Zudem hat der Gutachter nachvollziehbar dargelegt, dass sich die Konfliktfähigkeit des Klägers infolge seiner ab 1994 durchgängigen, langjährigen Arbeitslosigkeit und der damit verbundenen Zurückgezogenheit weiter - bis hin zu einer relevanten Erwerbsminderung - reduziert hat.
Ein Leistungsfall vor dem Tag der Begutachtung bei Dr. D. am 20.06.2012 ist allerdings nicht nachgewiesen. Der Nervenarzt M. konnte ein exaktes Datum, seit wann die Leistungseinschränkung vorliegt, nicht benennen. Das Gutachten von Dr. Sch. aus dem Jahr 2009 liefert keinen Anknüpfungspunkt, da es relativ kurz gehalten ist und wenig plastisch die damaligen Lebensumstände des Klägers schildert. Auch die Angaben der Nervenärztin Dr. M. sind für die Annahme eines früheren Leistungsfalls zu wenig ausführlich.
Die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist auf Dauer bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze zu gewähren. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§ 102 Abs. 2 S. 5 SGB VI). Persönlichkeitsstörungen sind zwar grundsätzlich behandelbar. Vorliegend ist jedoch eine Behandlung mittels Psychotherapie und höherer Medikamentendosis schon in der Vergangenheit an der fehlenden Introspektionsfähigkeit des Klägers gescheitert. Mit dem Gutachter M. hält es der Senat deshalb für sehr fraglich, ob sich die notwendige Veränderungsmotivation noch herstellen lässt, zumal eine Integration des Klägers in ein stationäres Behandlungssetting nicht gelingen dürfte. Insgesamt ist der Senat deshalb davon überzeugt, dass es (äußerst) unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers behoben werden kann. Der Anspruch auf Rente besteht auch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage. Eine Fallkonstellation, in der ein Restleistungsvermögen noch vorliegt, das lediglich wegen der Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht verwertet werden kann, liegt nicht vor. Die Unfähigkeit des Klägers, durch Arbeit Einkommen zu erzielen beruht nicht auf der Schwankungen unterworfenen jeweiligen Lage des Arbeitsmarktes, sondern darauf, dass ihm der allgemeine Arbeitsmarkt aus gesundheitlichen Gründen verschlossen ist. Das Fehlen von Verweisungstätigkeiten dient im Zusammenhang mit einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung ausschließlich dem Nachweis, dass der Kläger vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist (vgl. dazu LSG S-H Urt. v. 05.04.2001 - L 7 RJ 144/99; BSG Urt. v. 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R, juris - Rn. 34; BSG Urt. v. 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R, juris - Rn. 30).
Die Berufung der Beklagten konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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