Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 205/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 5014/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 10.10.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für den zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Anerkennung von Praktikumszeiten als Pflichtbeitragszeiten.
Der 1946 geborene Kläger absolvierte nach seiner Schulausbildung vom 16.04.1963 bis 30.09.1966 eine berufliche Ausbildung. Im Anschluss war er zunächst berufstätig. Vom 01.09.1967 bis 26.05.1970 besuchte er erneut die Schule und machte auf dem zweiten Bildungsweg Abitur. Danach durchlief er vom 01.10.1970 bis 09.04.1975 eine Hochschulausbildung (Verwaltungswissenschaften). Während seines Studiums absolvierte er bei der Stadt S. Verwaltungspraktika, und zwar vom 03.07.1972 bis 28.02.1973 (zu 100%), vom 01.03.1973 bis 31.03.1973 (zu 50%), vom 01.07.1973 bis 31.07.1973 (zu 100%), vom 01.08.1973 bis 30.09.1973 (zu 50%) und vom 18.02.1974 bis 15.03.1974 (zu 100%). Pflichtbeiträge wurden für diese Zeiten nicht abgeführt.
Mit Bescheid vom 04.08.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 01.10.2011 Regelaltersrente in Höhe von monatlich 1.841,55 EUR. Bei der Berechnung der Rentenhöhe berücksichtigte die Beklagte die Zeiten der Praktika nicht als Pflichtbeitragszeiten. Die Zeit vom 01.10.1970 bis 09.04.1975 wurde als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung anerkannt; Entgeltpunkte wurden dieser Zeit nicht zugeordnet.
Am 17.08.2011 legte der Kläger Widerspruch gegen den Rentenbescheid ein. Nachdem die Hochschulausbildung nicht (mehr) angerechnet werde, sei nunmehr seine berufliche Tätigkeit während der Ausbildung relevant. Die Arbeit bei der Stadt S. habe sowohl seinem Lebensunterhalt als auch seiner beruflichen Ausbildung gedient. Zudem bitte er um Prüfung, ob die Arbeitslosenzeit vom 10.04.1975 bis 18.03.1976 anerkannt werden könne.
Mit Bescheid vom 22.08.2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Praktikumszeiten als Beitragszeiten ab, da nach seinerzeit geltendem Recht als ordentlicher Student Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung bestanden habe. Der Bescheid werde nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Hinsichtlich der Zeit der Arbeitslosigkeit des Kläger erließ die Beklagte unter dem 14.09.2011 einen ablehnenden Bescheid.
Mit Rentenbescheid vom 17.10.2011 berechnete die Beklagte die Rentenhöhe neu (fortan monatlich 1.901,62 EUR). Der Grund für die Neuberechnung war die Anerkennung einer weiteren Anrechnungszeit vom 27.05.1970 bis 30.09.1970 als Zeit der Arbeitslosigkeit sowie die Berücksichtigung weiterer ausländischer Zeiten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, für die Zeiten der Praktika seien keine Beiträge entrichtet worden. Sie könnten deshalb nicht als Beitragszeiten anerkannt werden. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) seien Personen, die während der Dauer ihres Studiums als ordentlicher Student einer Hochschule gegen Entgelt beschäftigt gewesen seien, für die Dauer der Beschäftigung versicherungsfrei in der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen. Der Kläger sei in der fraglichen Zeit als ordentlicher Student einer Hochschule immatrikuliert gewesen. Nachweislich der vorgelegten Gehaltsunterlagen seien auch keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden. Die Tatsache, dass die Hochschulzeiten ohne Bewertung bei der Rentenberechnung blieben, könne zu keiner geänderten Sichtweise führen. Auch die geltend gemachte Zeit der Arbeitslosigkeit vom 10.04.1975 bis 15.06.1976 könne nicht anerkannt werden.
Am 26.01.2012 hat der Kläger beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und zur Begründung vortragen lassen, die Praktikumszeiten seien deshalb damals versicherungsfrei gewesen, weil es Arbeitnehmern mit längeren Ausbildungszeiten grundsätzlich nicht möglich gewesen sei, die zum Erwerb der Vollrente erforderlichen 44,44 Pflichtversicherungsjahre erreichen zu können. Dem wurde im Gegenzug dadurch Rechnung getragen, dass die Studienzeit als Anrechnungszeit berücksichtig worden sei. Die Berücksichtigung der Studienzeit sei nunmehr durch eine spätere gesetzgeberische Entscheidung aufgehoben worden. Dadurch sei der Kläger in seinen Grundrechten verletzt. Der vollständige Entzug von gesetzlich gesicherten Anwartschaften für die Studienzeit stelle keine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 GG dar. Die Nichtberücksichtigung der berufsbezogenen Arbeitszeiten während des Studiums führe zu einer doppelten Bestrafung des Klägers. Darüber hinaus liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vor und damit ein Verstoß gegen Art. 3 GG. Menschen, die über einen zweiten Bildungsweg zu einem Hochschulabschluss gelangten, würden benachteiligt. Wegen der langen Ausbildungszeiten habe er die Vollrente nicht erwerben können. Auch im Vergleich zu Beamten werde er ohne Rechtfertigung ungleich behandelt. Zudem liege ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vor. Er habe darauf vertrauen dürfen, dass sein Studium oder die Praktikumszeiten rentenversicherungsrechtlich berücksichtigt würden. Mit einer Gesetzesänderung und dem vollständigen Verlust von anrechnungsfähigen Beitragszeiten habe er nicht rechnen müssen. Auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei verletzt. Seine Interessen seien unzumutbar beeinträchtigt. Es könne ihm insbesondere nicht zum Nachteil gereichen, dass er damals keine Rentenversicherungsbeiträge habe abführen dürfen. Das Urteil des BSG vom 19.04.2011 (B 13 R 27/10 R) sei dem Kläger bekannt. Dieses sei aber verfassungsrechtlich nicht haltbar. Jedenfalls aber seien Anrechnungszeiten wegen Teilnahme an einer berufsbezogenen Bildungsmaßnahme anzuerkennen. Auch die Zeit der Arbeitslosigkeit vom 10.04.1975 bis 15.06.1976 sei als Anrechnungszeit zu berücksichtigen.
Das SG hat die Rechts- und Sachlage mit den Beteiligten am 24.04.2013 erörtert. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen. Der Kläger hat u.a. angegeben, es habe sich nicht um vorgeschriebene Praktika gehandelt. Er habe während der Semesterferien ganz normal gearbeitet.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 03.06.2013 die Anerkennung der Zeit vom 19.03.1976 bis 10.06.1976 als Anrechnungszeit abgelehnt. Auf den Widerspruch des Klägers hat die Beklagte mit Rentenbescheid vom 05.08.2013 die Rentenhöhe neu berechnet und dabei die Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit vom 19.03.1976 bis 15.06.1976 anerkannt.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.10.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und der Beklagten aufgrund der Teilabhilfe die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt.
Zur Begründung der Klageabweisung hat das SG ausgeführt, die Zeiten der Praktika seien keine Beitragszeiten, da Beiträge nicht gezahlt worden seien. Der Kläger habe während dieser Zeit studiert. In den Zeiten habe er als sog. Werkstudent gearbeitet. Diese seien nach § 4 AVG in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei gewesen. Mit Wirkung zum 01.10.1996 sei die Versicherungsfreiheit von Werkstudenten durch das Gesetz zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG) aufgehoben worden. Zum 01.01.1998 sei durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999 - RRG 1999) in § 5 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) die Versicherungsfreiheit bestimmter studentischer Praktika eingeführt worden. Eine Berücksichtigung der streitigen Zeiten als Beitragszeiten habe nicht deshalb zu erfolgen, weil für die Zeiten der Schul- bzw. Hochschulausbildung im Rahmen der Berechnung der Regelaltersrente des Klägers Entgeltpunkte nicht mehr berücksichtigt würden. Die Regelung des § 263 Abs. 3 SGB VI, dass Anrechnungszeiten wegen Schul- oder Hochschulausbildung bei einem Rentenbeginn ab Januar 2009 nicht mehr rentensteigernd bewertet werden, sei verfassungsgemäß (unter Verweis auf BSG Urt. v. 19.04.2011 - B 13 R 27/10 R, juris). Das SG schließe sich insoweit der Begründung in dem zitierten Urteil an. Der Umstand, dass Zeiten der Schul- bzw. Hochschulausbildung nicht mehr mit Entgeltpunkten bewertet würden, führe nicht dazu, dass versicherungsfreie Zeiten als Werkstudent nunmehr als Beitragszeiten anzurechnen wären. Grund für die Versicherungsfreiheit der Tätigkeit als Werkstudent sei die Beurteilung gewesen, dass es sich insoweit um dem Studium untergeordnete Tätigkeiten gehandelt habe (unter Verweis auf Kasseler Komm. SGB VI § 230 Rn. 18). An dieser Beurteilung ändere sich durch die fehlende Bewertung der Anrechnungszeiten wegen Schul- bzw. Hochschulausbildung mit Entgeltpunkten nichts. Anrechnungszeiten wegen Schul- oder Hochschulausbildung hätten im Übrigen etwa durch die Berücksichtigung als "nicht belegungsfähige Kalendermonate" im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung gemäß § 72 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 54 Abs. 4 SGB VI weiterhin Bedeutung für die gesetzliche Rente (unter Verweis auf BSG a.a.O.). Das Gericht halte die Regelung des § 263 Abs. 3 SGB VI bezüglich der Bewertung von Anrechnungszeiten wegen Schul- bzw. Hochschulausbildung auch insoweit für verfassungsgemäß, als nicht wegen der fehlenden rentensteigernden Berücksichtigung von Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung nunmehr Zeiten einer versicherungsfreien Tätigkeit als Werkstudent als Beitragszeit berücksichtigt würden.
Am 15.11.2013 hat der Kläger gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 16.10.2013 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt und zur Begründung nochmals seine Argumentation vortragen lassen. Ergänzend ist ausgeführt worden, es sei zwar zutreffend, dass in den streitbefangenen Zeiten keine Beiträge gezahlt worden seien. Dies habe aber nicht daran gelegen, dass der Kläger keine Beiträge habe abführen wollen. Er habe es vielmehr nicht dürfen. Er sei auf die damalige Erwerbstätigkeit angewiesen gewesen. Die alte Rechtslage sei verfassungskonform gewesen, da die Zeit des Studiums insgesamt rentensteigernd berücksichtigt worden sei. Dadurch, dass Anrechnungszeiten wegen Schul- oder Hochschulausbildung bei einem Rentenbeginn ab Januar 2009 nicht mehr rentensteigernd bewertet würden, komme es zu einem Entzug einer durch Art. 14 GG geschützten Rentenanwartschaft. Der Rechtsprechung könne zwar grundsätzlich gefolgt werden, soweit dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum eingeräumt werde. Dies dürfe jedoch nicht in bestehende Anwartschaften eingreifen, wenn dem Betroffenen wie hier trotz Erwerbstätigkeit eine Rentensteigerung versagt bleibe. Das SG habe nicht erkannt, dass der Kläger doppelt bestraft werde. Die Tätigkeit als Werkstudent habe dem Kläger das Studium überhaupt erst ermöglicht. Die angegriffene Regelung verstoße gegen Art. 14 GG. Der gesetzgeberische Spielraum für Inhalt und Schranken des Eigentumsschutzes werde verlassen, wenn die tatsächliche Arbeitsleistung nicht berücksichtigt werde. Hierin liege ein Verstoß gegen das dem Rentensystem immanenten Leistungsprinzip des Anwärters. Darüber hinaus verstoße es gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Als Werkstudent habe der Kläger darauf vertrauen dürfen, dass seine Ausbildungs- bzw. Studienzeit rentensteigernd berücksichtigt werde. Falle die ausbildungsbedingte Rentenanwartschaft weg, habe er zumindest den Anspruch darauf, dass seine aufgrund eigener Leistung erbrachte Tätigkeit rentensteigernd berücksichtigt werde. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für den Eingriff liege nicht vor. Jedenfalls sei eine Kürzung der Rentenanwartschaft aufgrund der Arbeitsleistung unverhältnismäßig. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 GG liege vor. Er werde im Vergleich zu vermögenden, reichen Studenten unterschiedlich behandelt und benachteiligt. Auch sei es nicht gerechtfertigt das Leistungsprinzip zwischen Studenten und Nichtstudenten unterschiedlich zu handhaben. Abschließend werde darauf hingewiesen, dass sich die Praktika für seinen späteren Beruf bewährt hätten. Die Praktika hätten letztlich einen integrativen Bestandteil des Studiums dargestellt, so dass diese Zeiten zumindest als Anrechnungszeiten aus Hochschulausbildung rentensteigernd zu berücksichtigen seien.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 10.10.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Rentenbescheides vom 04.08.2011 in der Gestalt der Bescheide vom 22.08.2011 und 17.10.2011 und des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2012 in der Fassung des Rentenbescheids vom 05.08.2013 zu verurteilen, die Zeiten vom 03.07.1972 bis 31.03.1973, vom 01.07.1973 bis 30.09.1973 und vom 18.02.1974 bis 15.03.1974 als Pflichtbeitragszeiten anzuerkennen, hilfsweise als Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung, und dem Kläger höhere Rente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, die streitigen Zeiträume seien bereits als Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung vorgemerkt. Hinsichtlich ihrer rentensteigernden Bewertung werde auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid verwiesen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers würden nicht geteilt. Es sei auch nicht ihre Aufgabe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Rentenbescheid vom 04.08.2011 in der Gestalt der Bescheide vom 22.08.2011 und 17.10.2011 und des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2012 in der Fassung des Rentenbescheids vom 05.08.2013 ist - soweit er hier zur Überprüfung stand - rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der Zeiten vom 03.07.1972 bis 31.03.1973, vom 01.07.1973 bis 30.09.1973 und vom 18.02.1974 bis 15.03.1974 als Pflichtbeitragszeiten und deshalb auch keinen Anspruch auf einen höheren Rentenzahlbetrag.
Das Klagebegehren scheitert schon daran, dass Pflichtbeitragszeiten per definitionem voraussetzen, dass Pflichtbeiträge gezahlt wurden oder jedenfalls als gezahlt gelten (s. § 55 Abs. 1 SGB VI). Vorliegend wurden in den Zeiten vom 03.07.1972 bis 31.03.1973, vom 01.07.1973 bis 30.09.1973 und vom 18.02.1974 bis 15.03.1974 unstreitig keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Solche gelten vorliegend auch nicht als gezahlt, da die in § 55 Abs. 1 S. 2 SGB VI genannten "besonderen Vorschriften" (z.B. § 247 Abs. 2a SGB VI für Zeiten einer beruflichen Ausbildung in der Zeit vom 01.06.1945 bis 30.06.1965; § 279e Abs. 1 SGB VI für Pflegezeiten) hier ersichtlich nicht einschlägig sind. Dass der Kläger - wie er vorträgt - damals gerne Beiträge gezahlt hätte, genügt nicht.
Eine über den Wortlaut des Gesetzes hinausgehende Auslegung im Sinn des Begehrens des Klägers ist aus der Sicht des Senats weder möglich noch etwa zur Vermeidung eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht erforderlich.
Soweit der Kläger argumentiert, die Änderung des § 74 SGB VI durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21.07.2004 (BGBl. I 1791) verstoße - jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation - gegen die Verfassung, wird übersehen, dass diese Regelung die Bewertung von Anrechnungszeiten betrifft. Es ist nicht ersichtlich, wie die behauptete Verfassungswidrigkeit des § 74 SGB VI dazu führen könnte, dass Pflichtbeiträge für die streitgegenständlichen Zeiten tatsächlich gezahlt wurden oder jedenfalls als gezahlt gelten. Der Gesetzgeber war auch nicht gehalten im Zuge der Änderung des § 74 SGB VI eine Regelung vorzusehen, wonach für Werkstudenten i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 4 AVG die Zahlung von Pflichtbeiträgen fingiert wird.
Das Grundrecht des Klägers aus Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht verletzt.
Gegenstand des Schutzes des Art. 14 GG sind der Anspruch oder die Anwartschaft, wie sie sich insgesamt aus der jeweiligen Gesetzeslage ergeben (BVerfGE 53, 257). Danach hatte der Kläger nach alter Rechtslage eine Rentenanwartschaft erworben, die durch die Änderung des § 74 SGB VI durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21.07.2004 (BGBl. I 1791) beeinträchtigt wurde. Dies gilt allerdings nur in Bezug auf die rentensteigernde Bewertung der Schul- und Hochschulzeiten als Anrechnungszeiten. Die Versicherungsfreiheit von Werkstudenten wurde schon mit dem Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG zum 01.10.1996 aufgehoben. Diese Rechtsänderung betraf indes nicht den Schutzbereich des Art. 14 GG, da hierdurch nicht in bereits erworbene Anwartschaften oder Ansprüche eingegriffen wurde. Die Versicherungsfreiheit für Altfälle blieb bestehen.
Der Eingriff in die Rechtsposition des Klägers mit der Änderung des § 74 SGB VI stellt eine verfassungsrechtlich zulässige gesetzgeberische Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums i.S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Die mit dieser Gesetzesänderung erfolgten Eingriffe in die Rentenanwartschaften dienen einem Gemeinwohlzweck und sind verhältnismäßig. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung den Ausführungen des BSG in den Urteilen vom 19.04.2011 (B 13 R 55/10 R, B 13 R 27/10 R, B 13 R 8/11 R; alle juris) an und verweist auf die dortigen Entscheidungsgründe. Anderes gilt auch nicht im Fall des Klägers. Der Vertrauensschutz in den Erhalt einer Rentenanwartschaft ist vorliegend nicht anders zu beurteilen als bei Versicherten, die in der damaligen Zeit nicht neben dem Studium her gearbeitet haben. Der Eingriff ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil die Praktikazeiten damals versicherungsfrei waren. Die Regelung des § 4 AVG, der die Versicherungsfreiheit für Tätigkeiten eines Werkstudenten vorsah, stand in keinerlei Zusammenhang zur rentensteigernden Bewertung der Hochschulzeiten. Entgegen der Auffassung des Klägers war die Bewertung der Anrechnungszeiten wegen eines Hochschulstudiums nicht die Gegenleistung für die Versicherungsfreiheit in Beschäftigungen, die neben dem Studium ausgeübt wurden. Es handelte sich vielmehr um ein Privileg für Studenten, um ihnen die Finanzierung des Studiums zu erleichtern. Zudem sah der damalige Gesetzgeber keine Veranlassung die Fälle des § 4 AVG der Zugehörigkeit zur Rentenversicherung zu unterwerfen, da es sich in der Regel nicht um "echte" Arbeitsverhältnisse handelte, weil solche Beschäftigungen vorübergehend, gelegentlich oder gegen geringfügiges Entgelt stattfanden (Zweng/Scheerer, Handbuch der Rentenversicherung, 2. Aufl. 1991, 12. Lfg., vor § 1228 RVO Ziff. 2a, unter Verweis auf die Gesetzesbegründung zum wortgleichen § 1228 RVO).
Auch Art. 3 GG ist nicht verletzt. Eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung gegenüber Versicherten, die nicht den zweiten Bildungsweg eingeschlagen haben, besteht nicht. Es fehlt schon an einer Ungleichbehandlung, da Hochschulzeiten unabhängig von ihrer zeitlichen Lage (direkt nach der Schulausbildung oder später) bei der Gesamtleistungsbewertung keine Berücksichtigung finden. Zudem übersieht der Kläger, dass er - im Gegenteil zu den Versicherten ohne zweiten Bildungsweg - mit seiner beruflichen Ausbildung Pflichtbeitragszeiten erworben hat. Auch im Vergleich zu "vermögenden, reichen Studenten", die nicht darauf angewiesen waren, neben dem Studium zu arbeiten, wird der Kläger nicht ungleich behandelt. Diese trifft die Neuregelung des § 74 SGB VI gleichermaßen. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG ergibt sich auch nicht mit Blick auf Pensionäre, die einem vollständig anderen Vergütungs- und Versorgungssystem unterliegen und damit von vorherein nicht mit Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar sind. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, woraus sich eine Verletzung von Art. 3 GG mit Blick auf "Nichtstudenten" ergeben soll. Im Gegenteil, der Kläger wurde mit der Regelung des § 4 AVG privilegiert, in dem ihm eine versicherungsfreie Beschäftigung neben seinem Studium ermöglicht wurde.
Auch mit seinem (sinngemäß gestellten) Hilfsantrag, die Zeiten als Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung gem. § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI anzuerkennen, da es sich bei den Praktika um integrative Bestandteile des Studiums gehandelt habe, kann der Kläger nicht durchdringen. Die streitgegenständlichen Zeiten sind bereits als Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung anerkannt.
Die Berufung des Klägers konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind für den zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Anerkennung von Praktikumszeiten als Pflichtbeitragszeiten.
Der 1946 geborene Kläger absolvierte nach seiner Schulausbildung vom 16.04.1963 bis 30.09.1966 eine berufliche Ausbildung. Im Anschluss war er zunächst berufstätig. Vom 01.09.1967 bis 26.05.1970 besuchte er erneut die Schule und machte auf dem zweiten Bildungsweg Abitur. Danach durchlief er vom 01.10.1970 bis 09.04.1975 eine Hochschulausbildung (Verwaltungswissenschaften). Während seines Studiums absolvierte er bei der Stadt S. Verwaltungspraktika, und zwar vom 03.07.1972 bis 28.02.1973 (zu 100%), vom 01.03.1973 bis 31.03.1973 (zu 50%), vom 01.07.1973 bis 31.07.1973 (zu 100%), vom 01.08.1973 bis 30.09.1973 (zu 50%) und vom 18.02.1974 bis 15.03.1974 (zu 100%). Pflichtbeiträge wurden für diese Zeiten nicht abgeführt.
Mit Bescheid vom 04.08.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 01.10.2011 Regelaltersrente in Höhe von monatlich 1.841,55 EUR. Bei der Berechnung der Rentenhöhe berücksichtigte die Beklagte die Zeiten der Praktika nicht als Pflichtbeitragszeiten. Die Zeit vom 01.10.1970 bis 09.04.1975 wurde als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung anerkannt; Entgeltpunkte wurden dieser Zeit nicht zugeordnet.
Am 17.08.2011 legte der Kläger Widerspruch gegen den Rentenbescheid ein. Nachdem die Hochschulausbildung nicht (mehr) angerechnet werde, sei nunmehr seine berufliche Tätigkeit während der Ausbildung relevant. Die Arbeit bei der Stadt S. habe sowohl seinem Lebensunterhalt als auch seiner beruflichen Ausbildung gedient. Zudem bitte er um Prüfung, ob die Arbeitslosenzeit vom 10.04.1975 bis 18.03.1976 anerkannt werden könne.
Mit Bescheid vom 22.08.2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Praktikumszeiten als Beitragszeiten ab, da nach seinerzeit geltendem Recht als ordentlicher Student Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung bestanden habe. Der Bescheid werde nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Hinsichtlich der Zeit der Arbeitslosigkeit des Kläger erließ die Beklagte unter dem 14.09.2011 einen ablehnenden Bescheid.
Mit Rentenbescheid vom 17.10.2011 berechnete die Beklagte die Rentenhöhe neu (fortan monatlich 1.901,62 EUR). Der Grund für die Neuberechnung war die Anerkennung einer weiteren Anrechnungszeit vom 27.05.1970 bis 30.09.1970 als Zeit der Arbeitslosigkeit sowie die Berücksichtigung weiterer ausländischer Zeiten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, für die Zeiten der Praktika seien keine Beiträge entrichtet worden. Sie könnten deshalb nicht als Beitragszeiten anerkannt werden. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) seien Personen, die während der Dauer ihres Studiums als ordentlicher Student einer Hochschule gegen Entgelt beschäftigt gewesen seien, für die Dauer der Beschäftigung versicherungsfrei in der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen. Der Kläger sei in der fraglichen Zeit als ordentlicher Student einer Hochschule immatrikuliert gewesen. Nachweislich der vorgelegten Gehaltsunterlagen seien auch keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden. Die Tatsache, dass die Hochschulzeiten ohne Bewertung bei der Rentenberechnung blieben, könne zu keiner geänderten Sichtweise führen. Auch die geltend gemachte Zeit der Arbeitslosigkeit vom 10.04.1975 bis 15.06.1976 könne nicht anerkannt werden.
Am 26.01.2012 hat der Kläger beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und zur Begründung vortragen lassen, die Praktikumszeiten seien deshalb damals versicherungsfrei gewesen, weil es Arbeitnehmern mit längeren Ausbildungszeiten grundsätzlich nicht möglich gewesen sei, die zum Erwerb der Vollrente erforderlichen 44,44 Pflichtversicherungsjahre erreichen zu können. Dem wurde im Gegenzug dadurch Rechnung getragen, dass die Studienzeit als Anrechnungszeit berücksichtig worden sei. Die Berücksichtigung der Studienzeit sei nunmehr durch eine spätere gesetzgeberische Entscheidung aufgehoben worden. Dadurch sei der Kläger in seinen Grundrechten verletzt. Der vollständige Entzug von gesetzlich gesicherten Anwartschaften für die Studienzeit stelle keine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 GG dar. Die Nichtberücksichtigung der berufsbezogenen Arbeitszeiten während des Studiums führe zu einer doppelten Bestrafung des Klägers. Darüber hinaus liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vor und damit ein Verstoß gegen Art. 3 GG. Menschen, die über einen zweiten Bildungsweg zu einem Hochschulabschluss gelangten, würden benachteiligt. Wegen der langen Ausbildungszeiten habe er die Vollrente nicht erwerben können. Auch im Vergleich zu Beamten werde er ohne Rechtfertigung ungleich behandelt. Zudem liege ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vor. Er habe darauf vertrauen dürfen, dass sein Studium oder die Praktikumszeiten rentenversicherungsrechtlich berücksichtigt würden. Mit einer Gesetzesänderung und dem vollständigen Verlust von anrechnungsfähigen Beitragszeiten habe er nicht rechnen müssen. Auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei verletzt. Seine Interessen seien unzumutbar beeinträchtigt. Es könne ihm insbesondere nicht zum Nachteil gereichen, dass er damals keine Rentenversicherungsbeiträge habe abführen dürfen. Das Urteil des BSG vom 19.04.2011 (B 13 R 27/10 R) sei dem Kläger bekannt. Dieses sei aber verfassungsrechtlich nicht haltbar. Jedenfalls aber seien Anrechnungszeiten wegen Teilnahme an einer berufsbezogenen Bildungsmaßnahme anzuerkennen. Auch die Zeit der Arbeitslosigkeit vom 10.04.1975 bis 15.06.1976 sei als Anrechnungszeit zu berücksichtigen.
Das SG hat die Rechts- und Sachlage mit den Beteiligten am 24.04.2013 erörtert. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen. Der Kläger hat u.a. angegeben, es habe sich nicht um vorgeschriebene Praktika gehandelt. Er habe während der Semesterferien ganz normal gearbeitet.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 03.06.2013 die Anerkennung der Zeit vom 19.03.1976 bis 10.06.1976 als Anrechnungszeit abgelehnt. Auf den Widerspruch des Klägers hat die Beklagte mit Rentenbescheid vom 05.08.2013 die Rentenhöhe neu berechnet und dabei die Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit vom 19.03.1976 bis 15.06.1976 anerkannt.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.10.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und der Beklagten aufgrund der Teilabhilfe die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt.
Zur Begründung der Klageabweisung hat das SG ausgeführt, die Zeiten der Praktika seien keine Beitragszeiten, da Beiträge nicht gezahlt worden seien. Der Kläger habe während dieser Zeit studiert. In den Zeiten habe er als sog. Werkstudent gearbeitet. Diese seien nach § 4 AVG in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei gewesen. Mit Wirkung zum 01.10.1996 sei die Versicherungsfreiheit von Werkstudenten durch das Gesetz zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG) aufgehoben worden. Zum 01.01.1998 sei durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999 - RRG 1999) in § 5 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) die Versicherungsfreiheit bestimmter studentischer Praktika eingeführt worden. Eine Berücksichtigung der streitigen Zeiten als Beitragszeiten habe nicht deshalb zu erfolgen, weil für die Zeiten der Schul- bzw. Hochschulausbildung im Rahmen der Berechnung der Regelaltersrente des Klägers Entgeltpunkte nicht mehr berücksichtigt würden. Die Regelung des § 263 Abs. 3 SGB VI, dass Anrechnungszeiten wegen Schul- oder Hochschulausbildung bei einem Rentenbeginn ab Januar 2009 nicht mehr rentensteigernd bewertet werden, sei verfassungsgemäß (unter Verweis auf BSG Urt. v. 19.04.2011 - B 13 R 27/10 R, juris). Das SG schließe sich insoweit der Begründung in dem zitierten Urteil an. Der Umstand, dass Zeiten der Schul- bzw. Hochschulausbildung nicht mehr mit Entgeltpunkten bewertet würden, führe nicht dazu, dass versicherungsfreie Zeiten als Werkstudent nunmehr als Beitragszeiten anzurechnen wären. Grund für die Versicherungsfreiheit der Tätigkeit als Werkstudent sei die Beurteilung gewesen, dass es sich insoweit um dem Studium untergeordnete Tätigkeiten gehandelt habe (unter Verweis auf Kasseler Komm. SGB VI § 230 Rn. 18). An dieser Beurteilung ändere sich durch die fehlende Bewertung der Anrechnungszeiten wegen Schul- bzw. Hochschulausbildung mit Entgeltpunkten nichts. Anrechnungszeiten wegen Schul- oder Hochschulausbildung hätten im Übrigen etwa durch die Berücksichtigung als "nicht belegungsfähige Kalendermonate" im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung gemäß § 72 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 54 Abs. 4 SGB VI weiterhin Bedeutung für die gesetzliche Rente (unter Verweis auf BSG a.a.O.). Das Gericht halte die Regelung des § 263 Abs. 3 SGB VI bezüglich der Bewertung von Anrechnungszeiten wegen Schul- bzw. Hochschulausbildung auch insoweit für verfassungsgemäß, als nicht wegen der fehlenden rentensteigernden Berücksichtigung von Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung nunmehr Zeiten einer versicherungsfreien Tätigkeit als Werkstudent als Beitragszeit berücksichtigt würden.
Am 15.11.2013 hat der Kläger gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 16.10.2013 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt und zur Begründung nochmals seine Argumentation vortragen lassen. Ergänzend ist ausgeführt worden, es sei zwar zutreffend, dass in den streitbefangenen Zeiten keine Beiträge gezahlt worden seien. Dies habe aber nicht daran gelegen, dass der Kläger keine Beiträge habe abführen wollen. Er habe es vielmehr nicht dürfen. Er sei auf die damalige Erwerbstätigkeit angewiesen gewesen. Die alte Rechtslage sei verfassungskonform gewesen, da die Zeit des Studiums insgesamt rentensteigernd berücksichtigt worden sei. Dadurch, dass Anrechnungszeiten wegen Schul- oder Hochschulausbildung bei einem Rentenbeginn ab Januar 2009 nicht mehr rentensteigernd bewertet würden, komme es zu einem Entzug einer durch Art. 14 GG geschützten Rentenanwartschaft. Der Rechtsprechung könne zwar grundsätzlich gefolgt werden, soweit dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum eingeräumt werde. Dies dürfe jedoch nicht in bestehende Anwartschaften eingreifen, wenn dem Betroffenen wie hier trotz Erwerbstätigkeit eine Rentensteigerung versagt bleibe. Das SG habe nicht erkannt, dass der Kläger doppelt bestraft werde. Die Tätigkeit als Werkstudent habe dem Kläger das Studium überhaupt erst ermöglicht. Die angegriffene Regelung verstoße gegen Art. 14 GG. Der gesetzgeberische Spielraum für Inhalt und Schranken des Eigentumsschutzes werde verlassen, wenn die tatsächliche Arbeitsleistung nicht berücksichtigt werde. Hierin liege ein Verstoß gegen das dem Rentensystem immanenten Leistungsprinzip des Anwärters. Darüber hinaus verstoße es gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Als Werkstudent habe der Kläger darauf vertrauen dürfen, dass seine Ausbildungs- bzw. Studienzeit rentensteigernd berücksichtigt werde. Falle die ausbildungsbedingte Rentenanwartschaft weg, habe er zumindest den Anspruch darauf, dass seine aufgrund eigener Leistung erbrachte Tätigkeit rentensteigernd berücksichtigt werde. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für den Eingriff liege nicht vor. Jedenfalls sei eine Kürzung der Rentenanwartschaft aufgrund der Arbeitsleistung unverhältnismäßig. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 GG liege vor. Er werde im Vergleich zu vermögenden, reichen Studenten unterschiedlich behandelt und benachteiligt. Auch sei es nicht gerechtfertigt das Leistungsprinzip zwischen Studenten und Nichtstudenten unterschiedlich zu handhaben. Abschließend werde darauf hingewiesen, dass sich die Praktika für seinen späteren Beruf bewährt hätten. Die Praktika hätten letztlich einen integrativen Bestandteil des Studiums dargestellt, so dass diese Zeiten zumindest als Anrechnungszeiten aus Hochschulausbildung rentensteigernd zu berücksichtigen seien.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 10.10.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Rentenbescheides vom 04.08.2011 in der Gestalt der Bescheide vom 22.08.2011 und 17.10.2011 und des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2012 in der Fassung des Rentenbescheids vom 05.08.2013 zu verurteilen, die Zeiten vom 03.07.1972 bis 31.03.1973, vom 01.07.1973 bis 30.09.1973 und vom 18.02.1974 bis 15.03.1974 als Pflichtbeitragszeiten anzuerkennen, hilfsweise als Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung, und dem Kläger höhere Rente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, die streitigen Zeiträume seien bereits als Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung vorgemerkt. Hinsichtlich ihrer rentensteigernden Bewertung werde auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid verwiesen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers würden nicht geteilt. Es sei auch nicht ihre Aufgabe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Rentenbescheid vom 04.08.2011 in der Gestalt der Bescheide vom 22.08.2011 und 17.10.2011 und des Widerspruchsbescheids vom 16.01.2012 in der Fassung des Rentenbescheids vom 05.08.2013 ist - soweit er hier zur Überprüfung stand - rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der Zeiten vom 03.07.1972 bis 31.03.1973, vom 01.07.1973 bis 30.09.1973 und vom 18.02.1974 bis 15.03.1974 als Pflichtbeitragszeiten und deshalb auch keinen Anspruch auf einen höheren Rentenzahlbetrag.
Das Klagebegehren scheitert schon daran, dass Pflichtbeitragszeiten per definitionem voraussetzen, dass Pflichtbeiträge gezahlt wurden oder jedenfalls als gezahlt gelten (s. § 55 Abs. 1 SGB VI). Vorliegend wurden in den Zeiten vom 03.07.1972 bis 31.03.1973, vom 01.07.1973 bis 30.09.1973 und vom 18.02.1974 bis 15.03.1974 unstreitig keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Solche gelten vorliegend auch nicht als gezahlt, da die in § 55 Abs. 1 S. 2 SGB VI genannten "besonderen Vorschriften" (z.B. § 247 Abs. 2a SGB VI für Zeiten einer beruflichen Ausbildung in der Zeit vom 01.06.1945 bis 30.06.1965; § 279e Abs. 1 SGB VI für Pflegezeiten) hier ersichtlich nicht einschlägig sind. Dass der Kläger - wie er vorträgt - damals gerne Beiträge gezahlt hätte, genügt nicht.
Eine über den Wortlaut des Gesetzes hinausgehende Auslegung im Sinn des Begehrens des Klägers ist aus der Sicht des Senats weder möglich noch etwa zur Vermeidung eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht erforderlich.
Soweit der Kläger argumentiert, die Änderung des § 74 SGB VI durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21.07.2004 (BGBl. I 1791) verstoße - jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation - gegen die Verfassung, wird übersehen, dass diese Regelung die Bewertung von Anrechnungszeiten betrifft. Es ist nicht ersichtlich, wie die behauptete Verfassungswidrigkeit des § 74 SGB VI dazu führen könnte, dass Pflichtbeiträge für die streitgegenständlichen Zeiten tatsächlich gezahlt wurden oder jedenfalls als gezahlt gelten. Der Gesetzgeber war auch nicht gehalten im Zuge der Änderung des § 74 SGB VI eine Regelung vorzusehen, wonach für Werkstudenten i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 4 AVG die Zahlung von Pflichtbeiträgen fingiert wird.
Das Grundrecht des Klägers aus Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht verletzt.
Gegenstand des Schutzes des Art. 14 GG sind der Anspruch oder die Anwartschaft, wie sie sich insgesamt aus der jeweiligen Gesetzeslage ergeben (BVerfGE 53, 257). Danach hatte der Kläger nach alter Rechtslage eine Rentenanwartschaft erworben, die durch die Änderung des § 74 SGB VI durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21.07.2004 (BGBl. I 1791) beeinträchtigt wurde. Dies gilt allerdings nur in Bezug auf die rentensteigernde Bewertung der Schul- und Hochschulzeiten als Anrechnungszeiten. Die Versicherungsfreiheit von Werkstudenten wurde schon mit dem Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG zum 01.10.1996 aufgehoben. Diese Rechtsänderung betraf indes nicht den Schutzbereich des Art. 14 GG, da hierdurch nicht in bereits erworbene Anwartschaften oder Ansprüche eingegriffen wurde. Die Versicherungsfreiheit für Altfälle blieb bestehen.
Der Eingriff in die Rechtsposition des Klägers mit der Änderung des § 74 SGB VI stellt eine verfassungsrechtlich zulässige gesetzgeberische Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums i.S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Die mit dieser Gesetzesänderung erfolgten Eingriffe in die Rentenanwartschaften dienen einem Gemeinwohlzweck und sind verhältnismäßig. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung den Ausführungen des BSG in den Urteilen vom 19.04.2011 (B 13 R 55/10 R, B 13 R 27/10 R, B 13 R 8/11 R; alle juris) an und verweist auf die dortigen Entscheidungsgründe. Anderes gilt auch nicht im Fall des Klägers. Der Vertrauensschutz in den Erhalt einer Rentenanwartschaft ist vorliegend nicht anders zu beurteilen als bei Versicherten, die in der damaligen Zeit nicht neben dem Studium her gearbeitet haben. Der Eingriff ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil die Praktikazeiten damals versicherungsfrei waren. Die Regelung des § 4 AVG, der die Versicherungsfreiheit für Tätigkeiten eines Werkstudenten vorsah, stand in keinerlei Zusammenhang zur rentensteigernden Bewertung der Hochschulzeiten. Entgegen der Auffassung des Klägers war die Bewertung der Anrechnungszeiten wegen eines Hochschulstudiums nicht die Gegenleistung für die Versicherungsfreiheit in Beschäftigungen, die neben dem Studium ausgeübt wurden. Es handelte sich vielmehr um ein Privileg für Studenten, um ihnen die Finanzierung des Studiums zu erleichtern. Zudem sah der damalige Gesetzgeber keine Veranlassung die Fälle des § 4 AVG der Zugehörigkeit zur Rentenversicherung zu unterwerfen, da es sich in der Regel nicht um "echte" Arbeitsverhältnisse handelte, weil solche Beschäftigungen vorübergehend, gelegentlich oder gegen geringfügiges Entgelt stattfanden (Zweng/Scheerer, Handbuch der Rentenversicherung, 2. Aufl. 1991, 12. Lfg., vor § 1228 RVO Ziff. 2a, unter Verweis auf die Gesetzesbegründung zum wortgleichen § 1228 RVO).
Auch Art. 3 GG ist nicht verletzt. Eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung gegenüber Versicherten, die nicht den zweiten Bildungsweg eingeschlagen haben, besteht nicht. Es fehlt schon an einer Ungleichbehandlung, da Hochschulzeiten unabhängig von ihrer zeitlichen Lage (direkt nach der Schulausbildung oder später) bei der Gesamtleistungsbewertung keine Berücksichtigung finden. Zudem übersieht der Kläger, dass er - im Gegenteil zu den Versicherten ohne zweiten Bildungsweg - mit seiner beruflichen Ausbildung Pflichtbeitragszeiten erworben hat. Auch im Vergleich zu "vermögenden, reichen Studenten", die nicht darauf angewiesen waren, neben dem Studium zu arbeiten, wird der Kläger nicht ungleich behandelt. Diese trifft die Neuregelung des § 74 SGB VI gleichermaßen. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG ergibt sich auch nicht mit Blick auf Pensionäre, die einem vollständig anderen Vergütungs- und Versorgungssystem unterliegen und damit von vorherein nicht mit Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar sind. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, woraus sich eine Verletzung von Art. 3 GG mit Blick auf "Nichtstudenten" ergeben soll. Im Gegenteil, der Kläger wurde mit der Regelung des § 4 AVG privilegiert, in dem ihm eine versicherungsfreie Beschäftigung neben seinem Studium ermöglicht wurde.
Auch mit seinem (sinngemäß gestellten) Hilfsantrag, die Zeiten als Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung gem. § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI anzuerkennen, da es sich bei den Praktika um integrative Bestandteile des Studiums gehandelt habe, kann der Kläger nicht durchdringen. Die streitgegenständlichen Zeiten sind bereits als Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung anerkannt.
Die Berufung des Klägers konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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