Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KR 55/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Gegenstandswert wird auf 899,51 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten hinsichtlich der Erstattung von Kosten voll stationärer Krankenhausbehandlung.
Die Forderung der Klägerin war zunächst Gegenstand eines Rechtsstreits der mit umgekehrtem Rubrum unter dem Az.: S 17 KR 335/13 anhängig gewesen ist. In jenem Verfahren hat die Kammer die jetzige Klägerin zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 899,51 EUR verurteilt, da sie diesen Betrag unzulässiger Weise mit einer weiteren unstreitigen Forderung des Krankenhauses verrechnet hatte. Das Urteil der Kammer vom 23.01.2014 ist durch die Klägerin nicht angefochten worden und rechtskräftig.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.01.2014 hat die Klägerin Widerklage erhoben und zunächst einen Zahlbetrag von 610,44 EUR geltend gemacht. Das Gericht hat den Rechtsstreit getrennt und hinsichtlich der Widerklage unter dem Az.: S 17 KR 55/14 fortgeführt.
Die Klägerin verbleibt bei ihrem Vortag und ihrer Auffassung, nach den Feststellungen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) sei eine Krankenhausbehandlung nicht erforderlich gewesen und daher der Rechnungsbetrag durch die Beklagte zu erstatten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr aus Anlass der Behandlung des Versicherten U. L , geb. am 00.00.0000, EUR 899,51 zu erstatten. Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Klage sei unzulässig, da das gemäß § 17 c Abs. 4 b KHG erforderliche Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt worden sei. Darüber hinaus sei die Forderung in Ansehung der Rechtsprechung des BSG verwirkt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie die beigezogene Streitakte S 17 KR 335/13, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung der Kammer war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unzulässig. Die Beteiligten haben das nach § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG erforderliche Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt.
Nach dieser Vorschrift ist bei Klagen, mit denen nach Durchführung einer Abrechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1 SGB V eine streitig gebliebene Vergütung gefordert wird, vor der Klageerhebung das Schlichtungsverfahren nach § 17 c Abs. 4 KHG durchzuführen, wenn der Wert der Forderung 2.000,00 Euro nicht übersteigt. Vgl. hierzu und zu den nachfolgenden Ausführungen eingehend auch SG Gelsenkirchen, 13.03.2014, S 11 KR 452/13, dem sich die Kammer bereits in mehreren Entscheidungen angeschlossen hat.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG sind erfüllt. Streitig ist eine Vergütung, die den Betrag von 2.000,00 Euro nicht übersteigt. Die Neuregelung ist zum 01.08.2013 in Kraft getreten. Die hiesige (Wider-) Klage ist erst am 23.01.2014, d. h., nach Inkrafttreten der Vorschrift erhoben worden.
Eine Übergangsregelung für "Altfälle" hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Die Regelung des § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG umfasst daher auch Klagen, in denen die Vergütung für eine Behandlung im Streit steht, die vor dem 01.08.2013 begonnen hat. Die Ausführungen des Bundessozialgerichtes (BSG) in dem Urteil vom 22.06.2010 (B 1 KR 29/09 R) im Zusammenhang mit der Aufwandspauschale sind insoweit auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. In dieser Entscheidung hat sich das Bundessozialgericht mit der Frage befasst, ob die in § 275 Abs. 1 c Satz 3 SGB V normierte Pflicht der Krankenkasse, im Falle einer erfolglosen Abrechnungsprüfung dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale zu zahlen, auch für Behandlungen gilt, die vor dem Inkrafttreten der Vorschrift begonnen haben. Es ging nicht um eine prozessuale Regelung, sondern um eine Regelung des materiellen Sozialrechts. Da es sich bei § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG um keine materielle, sondern um eine prozessuale Regelung handelt, die den Zugang zum gerichtlichen Verfahren normiert, liegt hier keine Konstellation vor, die dem vom BSG beurteilten Fall entspricht.
Die Neuregelung ist mangels abweichender Anordnung ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens anzuwenden, d.h., dass für alle nach dem 31.07.2013 im sachlichen Anwendungsbereich des § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG zu erhebenden Klagen das Schlichtungsverfahren obligatorisch vor der Klageerhebung durchzuführen ist. Soweit der Bundesrat in der BR-Drs. 493/13 vom 05.07.2003 geltend macht, er befürchte, dass erhebliche Umsetzungsprobleme entstehen würden, ändert dies an der Rechtsauffassung der Kammer nichts. Das Gesetz ist dennoch (ohne Übergangsregelung) beschlossen worden und in Kraft getreten. Schließlich spricht auch Sinn und Zweck der streitigen Norm für ein sofortiges Inkrafttreten ohne Übergangsregelungen. Nach Vorstellung des Gesetzgebers soll das obligatorische Schlichtungsverfahren der Entlastung der Sozialgerichte dienen (BT-Drs. 17/13947, S. 40). Wenn die Regelung des § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG lediglich Klagen erfassen würde, deren streitgegenständlicher Vergütungsanspruch erst nach dem 31.07.2013 entstanden ist, träten die von dem Gesetzgeber beabsichtigten Entlastungseffekte erst mit großer Verzögerung ein. In der Praxis klagen Krankenhäuser streitig gebliebene Vergütungsforderung und Krankenkassen erkannte Rückforderungen oft erst lange nach der Behandlung ein, nicht selten kurz vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist. Daher gäbe es in den nächsten Jahren kaum Entlastung der Sozialgerichte, da in den nächsten Jahren kaum Klagen von der Neuregelung erfasst würden. Dies ist gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers (so auch Weiß/Romeyke, NZS 2013, Seite 733 ff.). Um der Regelung des § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG die volle Wirksamkeit zu verschaffen, die von dem Gesetzgeber gewollt war, ist sie somit ab dem 01.08.2013 auch dann anzuwenden, wenn die streitige Behandlung vor diesem Zeitpunkt begann (SG Karlsruhe, 24.02.2014, S 5 KR 4463/13; SG Gelsenkirchen, 04.03.2014, S 41 KR 419/13).
Die Regelung des § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG ist auch verfassungsgemäß. Die zwingende Notwendigkeit, bei Forderungen unterhalb von 2.000,00 Euro vor Klageerhebung das Schlichtungsverfahren durchzuführen, verstößt nicht gegen die Rechtsschutzgarantie des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG). Grundsätzlich steht jedem, der durch öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, hiernach der Rechtsweg offen. Damit wird sowohl der Zugang zum Gericht als auch die Wirksamkeit des Rechtsschutzes gewährleistet (BSG, 02.07.2013, B 1 KR 18/12 R). Der Rechtsweg muss allerdings nicht ohne weitere Voraussetzungen offen stehen. Vielmehr hat der Gesetzgeber, dem die Ausgestaltung des Rechtsweges obliegt, einen weiten Spielraum; er darf auch restriktive Voraussetzungen normieren. Verfassungsrechtlich zulässig ist z.B. das Erfordernis eines Vorverfahrens, jedenfalls solange es den Rechtsschutz nicht unzumutbar erschwert (Sachs, Grundgesetz, 6. Auflage, Artikel 19 Rdnr. 139).
Gemessen hieran begegnet die Regelung des § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG, die den Zugang zum Sozialgericht bei Vergütungsforderung bis zu 2.000,- Euro an die vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens knüpft, grundsätzlich keinen Bedenken.
Soweit vorgetragen wird, es bestehe kein (arbeitsfähiger) Schlichtungsausschuss und es gebe damit nicht die Möglichkeit, ein Schlichtungsverfahren zu durchlaufen, teilt das Gericht diese Auffassung nicht. In Nordrhein-Westfalen existiert bereits seit dem Jahre 2004 ein Schlichtungsausschuss nach § 17 c Abs. 4 KHG (siehe Vereinbarung über die Bildung des Schlichtungsausschusses nach § 17 c Abs. 4 KHG in Nordrhein-Westfalen; Schlichtungsvereinbarung). Diese Schlichtungsvereinbarung wurde 2004 zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KHG NW) sowie den Verbänden der Krankenkassen geschlossen. Ausweislich der Präambel dieser Schlichtungsvereinbarung ist der gebildete Schlichtungsausschuss für die Schlichtung nach § 17 c Abs. 4 KHG zuständig. Die genannte Schlichtungsvereinbarung enthält zudem einen § 12 (In-Kraft-Treten und Kündigung) in folgendem Wortlaut:
Diese Vereinbarung tritt am 01.12.2004 in Kraft und kann mit einer Frist von 3 Monaten zum Jahresende von den Vertragspartnern gekündigt werden. Bis zur Neuvereinbarung gilt die Vereinbarung weiter. Kommt eine Neuvereinbarung 6 Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht zustande, entscheidet auf Antrag eines Vertragspartners das für den Krankenhausbereich zuständige Ministerium auf der Landesebene nach Anhörung der Vertragspartner.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG ist vor Klageerhebung das Schlichtungsverfahren nach Abs. 4 (nicht: Abs. 4 b) durchzuführen. Zuständig ist nach Auffassung des Gerichtes entsprechend der bereits existierende Ausschuss, welcher mit der oben zitierten Schlichtungsvereinbarung begründet wurde. Es bedarf somit in Nordrhein-Westfalen keines neuen und ggfs. erst zu gründenden Ausschusses.
Soweit die KHG NW in einem Rundschreiben vom 31.07.2013 erklärt, dass in einem Sondierungsgespräch mit den Vertretern der Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen gemeinsam festgestellt worden sei, dass der Schlichtungsausschuss nach § 17 c KHG (alt) sowie die diesbezüglich vereinbarte Verfahrensordnung nicht für die neuen Aufgaben des Schlichtungsausschusses nach § 17 c Abs. 4 KHG (neu) geeignet sei und auf das neue Verfahren angepasst werden müsse, so führt dies nach Auffassung des Gerichtes nicht dazu, dass ein Schlichtungsverfahren nicht eingeleitet werden kann. Dem Gericht ist völlig klar, dass die gesetzliche Neuregelung dazu führen wird, dass sich der nordrhein-westfälische Schlichtungsausschuss, in dem es bereits entsprechende Regelungen nach § 17 c Abs. 4 KHG seit 2004 gibt, seit dem 01.08.2013 mit deutlich mehr Fällen befassen muss als nach der bis zum 31.07.2013 geltenden Rechtslage; aufgrund dessen mag es derzeit bei der Bearbeitung vorübergehend zu Verzögerungen kommen. Dies berechtigt die Klägerin jedoch nicht, von der Einleitung eines Schlichtungsverfahrens abzusehen und unmittelbar Klage zu erheben. Vielmehr sind die Verzögerungen, die sich aus den personellen und organisatorischen Anlaufschwierigkeiten des Schlichtungsausschusses ergeben, von der Klägerin einstweilen hinzunehmen. Auch ein ggfs. lange dauerndes Schlichtungsverfahren zieht keinen Rechtsverlust für die Klägerin nach sich. Die Einleitung des Schlichtungsverfahrens hemmt die Verjährung (siehe BSG, 17.12.2013, B 1 KR 59/12 R).
Das Gericht weist ausdrücklich darauf hin, dass sowohl die Krankenhäuser als auch die Krankenkassen, vertreten durch ihre Verbände, es in der Hand haben, den Schlichtungsausschuss, der für das Verfahren benötigt wird, arbeitsfähig zu machen. Es würde indes gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn genau diese Beteiligte durch eine lange Verzögerung es in der Hand hätten, durch faktisches Nichtstun in Bezug auf die Organisation eines Schlichtungsausschusses, das Schlichtungsverfahren zu unterlaufen.
Soweit in einem Rundschreiben des VDEK, Landesvertretung Nordrhein-Westfalen, Geschäftsstelle Westfalen-Lippe vom 31.07.2013 erklärt wird, dass die bisherige Vereinbarung über die Bildung des Schlichtungsausschusses nach § 17 c Abs. 4 KHG (alt) gegenstandslos geworden sei, kann diesem aus den vorstehenden Gründen nicht gefolgt werden. Zudem ist dem Rundschreiben zu entnehmen, dass hilfsweise eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen worden sei. Bezüglich dieser vermeintlichen außerordentlichen Kündigung wird auf die Regelung des § 12 der Schlichtungsvereinbarung verwiesen. Die Schlichtungsvereinbarung ermöglicht zunächst keine außerordentliche Kündigung. Des Weiteren ist dem § 12 der Vereinbarung zu entnehmen, dass diese auch nach Kündigung weiter Bestand hat, bis eine neue Vereinbarung geschlossen wird. Zudem würde auch eine Kündigung zum Zwecke der Umgehung des Schlichtungsverfahrens gegen Treu und Glauben verstoßen; auf die obigen Ausführungen zum Schlichtungsausschuss NRW wird verwiesen.
Die Kammer wird in ihrer Auffassung auch durch die gesetzgeberische Entwicklung bestärkt. Durch Art. 16a des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz – GKV-FQWG) vom 21.07.2014 (BGBl. I, 1133) ist die Regelung nicht etwa – wie vom Bundesrat beantragt – aufgehoben sondern § 17c Abs. 4 KHG mit Wirkung ab dem 25.07.2014 um folgende Sätze ergänzt worden: "Kommt keine Vereinbarung zustande, entscheidet die Schiedsstelle nach § 18a Absatz 1 auf Antrag einer Vertragspartei. Wenn bis zum 31. August 2014 kein Schlichtungsausschuss anrufbar ist, ist die Aufgabe des Schlichtungsausschusses bis zu seiner Bildung übergangsweise von der Schiedsstelle nach § 18a Absatz 1 wahrzunehmen. Für diese Zeit kann die Schiedsstelle nach § 18a Absatz 1 unter Berücksichtigung der Vorgaben von Satz 3 einen vorläufigen Schlichtungsausschuss einrichten."
Da es im vorliegenden Fall an einer Durchführung des Schlichtungsverfahrens fehlt, ist die Klage als unzulässig abzuweisen, da spätestens zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen müssen. Das Gericht brauchte das Verfahren auch nicht auszusetzen, bis das noch nicht durchgeführte Vorverfahren abgeschlossen ist. Denn das Schlichtungsverfahren nach § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG ist hier nicht nur nicht abgeschlossen, sondern noch nicht einmal eingeleitet. In der Erhebung einer Klage liegt ggfs. die Einlegung eines Widerspruchs, nicht aber die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens. Eine solche Annahme verbietet sich hier insbesondere schon deshalb, da die Klägerin gerade kein Schlichtungsverfahren durchführen will, sondern dieses zurzeit nicht als notwendig erachtet. Vgl. in diesem Sinne auch SG Berlin, 25.03.2014, S 182 KR 2450/13.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Gegenstandswert richtet sich gemäß § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz nach dem Wert des von der Klägerin verfolgten Zahlungsanspruchs.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten hinsichtlich der Erstattung von Kosten voll stationärer Krankenhausbehandlung.
Die Forderung der Klägerin war zunächst Gegenstand eines Rechtsstreits der mit umgekehrtem Rubrum unter dem Az.: S 17 KR 335/13 anhängig gewesen ist. In jenem Verfahren hat die Kammer die jetzige Klägerin zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 899,51 EUR verurteilt, da sie diesen Betrag unzulässiger Weise mit einer weiteren unstreitigen Forderung des Krankenhauses verrechnet hatte. Das Urteil der Kammer vom 23.01.2014 ist durch die Klägerin nicht angefochten worden und rechtskräftig.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.01.2014 hat die Klägerin Widerklage erhoben und zunächst einen Zahlbetrag von 610,44 EUR geltend gemacht. Das Gericht hat den Rechtsstreit getrennt und hinsichtlich der Widerklage unter dem Az.: S 17 KR 55/14 fortgeführt.
Die Klägerin verbleibt bei ihrem Vortag und ihrer Auffassung, nach den Feststellungen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) sei eine Krankenhausbehandlung nicht erforderlich gewesen und daher der Rechnungsbetrag durch die Beklagte zu erstatten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr aus Anlass der Behandlung des Versicherten U. L , geb. am 00.00.0000, EUR 899,51 zu erstatten. Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Klage sei unzulässig, da das gemäß § 17 c Abs. 4 b KHG erforderliche Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt worden sei. Darüber hinaus sei die Forderung in Ansehung der Rechtsprechung des BSG verwirkt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie die beigezogene Streitakte S 17 KR 335/13, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung der Kammer war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unzulässig. Die Beteiligten haben das nach § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG erforderliche Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt.
Nach dieser Vorschrift ist bei Klagen, mit denen nach Durchführung einer Abrechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1 SGB V eine streitig gebliebene Vergütung gefordert wird, vor der Klageerhebung das Schlichtungsverfahren nach § 17 c Abs. 4 KHG durchzuführen, wenn der Wert der Forderung 2.000,00 Euro nicht übersteigt. Vgl. hierzu und zu den nachfolgenden Ausführungen eingehend auch SG Gelsenkirchen, 13.03.2014, S 11 KR 452/13, dem sich die Kammer bereits in mehreren Entscheidungen angeschlossen hat.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG sind erfüllt. Streitig ist eine Vergütung, die den Betrag von 2.000,00 Euro nicht übersteigt. Die Neuregelung ist zum 01.08.2013 in Kraft getreten. Die hiesige (Wider-) Klage ist erst am 23.01.2014, d. h., nach Inkrafttreten der Vorschrift erhoben worden.
Eine Übergangsregelung für "Altfälle" hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Die Regelung des § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG umfasst daher auch Klagen, in denen die Vergütung für eine Behandlung im Streit steht, die vor dem 01.08.2013 begonnen hat. Die Ausführungen des Bundessozialgerichtes (BSG) in dem Urteil vom 22.06.2010 (B 1 KR 29/09 R) im Zusammenhang mit der Aufwandspauschale sind insoweit auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. In dieser Entscheidung hat sich das Bundessozialgericht mit der Frage befasst, ob die in § 275 Abs. 1 c Satz 3 SGB V normierte Pflicht der Krankenkasse, im Falle einer erfolglosen Abrechnungsprüfung dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale zu zahlen, auch für Behandlungen gilt, die vor dem Inkrafttreten der Vorschrift begonnen haben. Es ging nicht um eine prozessuale Regelung, sondern um eine Regelung des materiellen Sozialrechts. Da es sich bei § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG um keine materielle, sondern um eine prozessuale Regelung handelt, die den Zugang zum gerichtlichen Verfahren normiert, liegt hier keine Konstellation vor, die dem vom BSG beurteilten Fall entspricht.
Die Neuregelung ist mangels abweichender Anordnung ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens anzuwenden, d.h., dass für alle nach dem 31.07.2013 im sachlichen Anwendungsbereich des § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG zu erhebenden Klagen das Schlichtungsverfahren obligatorisch vor der Klageerhebung durchzuführen ist. Soweit der Bundesrat in der BR-Drs. 493/13 vom 05.07.2003 geltend macht, er befürchte, dass erhebliche Umsetzungsprobleme entstehen würden, ändert dies an der Rechtsauffassung der Kammer nichts. Das Gesetz ist dennoch (ohne Übergangsregelung) beschlossen worden und in Kraft getreten. Schließlich spricht auch Sinn und Zweck der streitigen Norm für ein sofortiges Inkrafttreten ohne Übergangsregelungen. Nach Vorstellung des Gesetzgebers soll das obligatorische Schlichtungsverfahren der Entlastung der Sozialgerichte dienen (BT-Drs. 17/13947, S. 40). Wenn die Regelung des § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG lediglich Klagen erfassen würde, deren streitgegenständlicher Vergütungsanspruch erst nach dem 31.07.2013 entstanden ist, träten die von dem Gesetzgeber beabsichtigten Entlastungseffekte erst mit großer Verzögerung ein. In der Praxis klagen Krankenhäuser streitig gebliebene Vergütungsforderung und Krankenkassen erkannte Rückforderungen oft erst lange nach der Behandlung ein, nicht selten kurz vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist. Daher gäbe es in den nächsten Jahren kaum Entlastung der Sozialgerichte, da in den nächsten Jahren kaum Klagen von der Neuregelung erfasst würden. Dies ist gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers (so auch Weiß/Romeyke, NZS 2013, Seite 733 ff.). Um der Regelung des § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG die volle Wirksamkeit zu verschaffen, die von dem Gesetzgeber gewollt war, ist sie somit ab dem 01.08.2013 auch dann anzuwenden, wenn die streitige Behandlung vor diesem Zeitpunkt begann (SG Karlsruhe, 24.02.2014, S 5 KR 4463/13; SG Gelsenkirchen, 04.03.2014, S 41 KR 419/13).
Die Regelung des § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG ist auch verfassungsgemäß. Die zwingende Notwendigkeit, bei Forderungen unterhalb von 2.000,00 Euro vor Klageerhebung das Schlichtungsverfahren durchzuführen, verstößt nicht gegen die Rechtsschutzgarantie des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG). Grundsätzlich steht jedem, der durch öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, hiernach der Rechtsweg offen. Damit wird sowohl der Zugang zum Gericht als auch die Wirksamkeit des Rechtsschutzes gewährleistet (BSG, 02.07.2013, B 1 KR 18/12 R). Der Rechtsweg muss allerdings nicht ohne weitere Voraussetzungen offen stehen. Vielmehr hat der Gesetzgeber, dem die Ausgestaltung des Rechtsweges obliegt, einen weiten Spielraum; er darf auch restriktive Voraussetzungen normieren. Verfassungsrechtlich zulässig ist z.B. das Erfordernis eines Vorverfahrens, jedenfalls solange es den Rechtsschutz nicht unzumutbar erschwert (Sachs, Grundgesetz, 6. Auflage, Artikel 19 Rdnr. 139).
Gemessen hieran begegnet die Regelung des § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG, die den Zugang zum Sozialgericht bei Vergütungsforderung bis zu 2.000,- Euro an die vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens knüpft, grundsätzlich keinen Bedenken.
Soweit vorgetragen wird, es bestehe kein (arbeitsfähiger) Schlichtungsausschuss und es gebe damit nicht die Möglichkeit, ein Schlichtungsverfahren zu durchlaufen, teilt das Gericht diese Auffassung nicht. In Nordrhein-Westfalen existiert bereits seit dem Jahre 2004 ein Schlichtungsausschuss nach § 17 c Abs. 4 KHG (siehe Vereinbarung über die Bildung des Schlichtungsausschusses nach § 17 c Abs. 4 KHG in Nordrhein-Westfalen; Schlichtungsvereinbarung). Diese Schlichtungsvereinbarung wurde 2004 zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KHG NW) sowie den Verbänden der Krankenkassen geschlossen. Ausweislich der Präambel dieser Schlichtungsvereinbarung ist der gebildete Schlichtungsausschuss für die Schlichtung nach § 17 c Abs. 4 KHG zuständig. Die genannte Schlichtungsvereinbarung enthält zudem einen § 12 (In-Kraft-Treten und Kündigung) in folgendem Wortlaut:
Diese Vereinbarung tritt am 01.12.2004 in Kraft und kann mit einer Frist von 3 Monaten zum Jahresende von den Vertragspartnern gekündigt werden. Bis zur Neuvereinbarung gilt die Vereinbarung weiter. Kommt eine Neuvereinbarung 6 Monate nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht zustande, entscheidet auf Antrag eines Vertragspartners das für den Krankenhausbereich zuständige Ministerium auf der Landesebene nach Anhörung der Vertragspartner.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG ist vor Klageerhebung das Schlichtungsverfahren nach Abs. 4 (nicht: Abs. 4 b) durchzuführen. Zuständig ist nach Auffassung des Gerichtes entsprechend der bereits existierende Ausschuss, welcher mit der oben zitierten Schlichtungsvereinbarung begründet wurde. Es bedarf somit in Nordrhein-Westfalen keines neuen und ggfs. erst zu gründenden Ausschusses.
Soweit die KHG NW in einem Rundschreiben vom 31.07.2013 erklärt, dass in einem Sondierungsgespräch mit den Vertretern der Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen gemeinsam festgestellt worden sei, dass der Schlichtungsausschuss nach § 17 c KHG (alt) sowie die diesbezüglich vereinbarte Verfahrensordnung nicht für die neuen Aufgaben des Schlichtungsausschusses nach § 17 c Abs. 4 KHG (neu) geeignet sei und auf das neue Verfahren angepasst werden müsse, so führt dies nach Auffassung des Gerichtes nicht dazu, dass ein Schlichtungsverfahren nicht eingeleitet werden kann. Dem Gericht ist völlig klar, dass die gesetzliche Neuregelung dazu führen wird, dass sich der nordrhein-westfälische Schlichtungsausschuss, in dem es bereits entsprechende Regelungen nach § 17 c Abs. 4 KHG seit 2004 gibt, seit dem 01.08.2013 mit deutlich mehr Fällen befassen muss als nach der bis zum 31.07.2013 geltenden Rechtslage; aufgrund dessen mag es derzeit bei der Bearbeitung vorübergehend zu Verzögerungen kommen. Dies berechtigt die Klägerin jedoch nicht, von der Einleitung eines Schlichtungsverfahrens abzusehen und unmittelbar Klage zu erheben. Vielmehr sind die Verzögerungen, die sich aus den personellen und organisatorischen Anlaufschwierigkeiten des Schlichtungsausschusses ergeben, von der Klägerin einstweilen hinzunehmen. Auch ein ggfs. lange dauerndes Schlichtungsverfahren zieht keinen Rechtsverlust für die Klägerin nach sich. Die Einleitung des Schlichtungsverfahrens hemmt die Verjährung (siehe BSG, 17.12.2013, B 1 KR 59/12 R).
Das Gericht weist ausdrücklich darauf hin, dass sowohl die Krankenhäuser als auch die Krankenkassen, vertreten durch ihre Verbände, es in der Hand haben, den Schlichtungsausschuss, der für das Verfahren benötigt wird, arbeitsfähig zu machen. Es würde indes gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn genau diese Beteiligte durch eine lange Verzögerung es in der Hand hätten, durch faktisches Nichtstun in Bezug auf die Organisation eines Schlichtungsausschusses, das Schlichtungsverfahren zu unterlaufen.
Soweit in einem Rundschreiben des VDEK, Landesvertretung Nordrhein-Westfalen, Geschäftsstelle Westfalen-Lippe vom 31.07.2013 erklärt wird, dass die bisherige Vereinbarung über die Bildung des Schlichtungsausschusses nach § 17 c Abs. 4 KHG (alt) gegenstandslos geworden sei, kann diesem aus den vorstehenden Gründen nicht gefolgt werden. Zudem ist dem Rundschreiben zu entnehmen, dass hilfsweise eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen worden sei. Bezüglich dieser vermeintlichen außerordentlichen Kündigung wird auf die Regelung des § 12 der Schlichtungsvereinbarung verwiesen. Die Schlichtungsvereinbarung ermöglicht zunächst keine außerordentliche Kündigung. Des Weiteren ist dem § 12 der Vereinbarung zu entnehmen, dass diese auch nach Kündigung weiter Bestand hat, bis eine neue Vereinbarung geschlossen wird. Zudem würde auch eine Kündigung zum Zwecke der Umgehung des Schlichtungsverfahrens gegen Treu und Glauben verstoßen; auf die obigen Ausführungen zum Schlichtungsausschuss NRW wird verwiesen.
Die Kammer wird in ihrer Auffassung auch durch die gesetzgeberische Entwicklung bestärkt. Durch Art. 16a des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz – GKV-FQWG) vom 21.07.2014 (BGBl. I, 1133) ist die Regelung nicht etwa – wie vom Bundesrat beantragt – aufgehoben sondern § 17c Abs. 4 KHG mit Wirkung ab dem 25.07.2014 um folgende Sätze ergänzt worden: "Kommt keine Vereinbarung zustande, entscheidet die Schiedsstelle nach § 18a Absatz 1 auf Antrag einer Vertragspartei. Wenn bis zum 31. August 2014 kein Schlichtungsausschuss anrufbar ist, ist die Aufgabe des Schlichtungsausschusses bis zu seiner Bildung übergangsweise von der Schiedsstelle nach § 18a Absatz 1 wahrzunehmen. Für diese Zeit kann die Schiedsstelle nach § 18a Absatz 1 unter Berücksichtigung der Vorgaben von Satz 3 einen vorläufigen Schlichtungsausschuss einrichten."
Da es im vorliegenden Fall an einer Durchführung des Schlichtungsverfahrens fehlt, ist die Klage als unzulässig abzuweisen, da spätestens zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen müssen. Das Gericht brauchte das Verfahren auch nicht auszusetzen, bis das noch nicht durchgeführte Vorverfahren abgeschlossen ist. Denn das Schlichtungsverfahren nach § 17 c Abs. 4 b Satz 3 KHG ist hier nicht nur nicht abgeschlossen, sondern noch nicht einmal eingeleitet. In der Erhebung einer Klage liegt ggfs. die Einlegung eines Widerspruchs, nicht aber die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens. Eine solche Annahme verbietet sich hier insbesondere schon deshalb, da die Klägerin gerade kein Schlichtungsverfahren durchführen will, sondern dieses zurzeit nicht als notwendig erachtet. Vgl. in diesem Sinne auch SG Berlin, 25.03.2014, S 182 KR 2450/13.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Der Gegenstandswert richtet sich gemäß § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz nach dem Wert des von der Klägerin verfolgten Zahlungsanspruchs.
Rechtskraft
Aus
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