L 2 AS 1029/13 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 22 AS 7150/11
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 1029/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Kläger und Beschwerdeführer wenden sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Halle, mit dem dieses ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein dort anhängiges Klageverfahren abgelehnt hat.

In der Sache wenden sich die Kläger gegen die Höhe der Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) für einen Zeitraum vom 1. November 2008 bis zum 31. März 2009 als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Die Kläger zu 1. und 2. sind miteinander verheiratet und leben mit ihren Kindern (den Klägern zu 3. und 4.) zusammen in einer angemieteten Wohnung. Sie beziehen als Mitglieder einer von ihnen gebildeten Bedarfsgemeinschaft ab Anfang 2005 Alg II. Für den Zeitraum vom 1. November 2008 bis zum 31. März 2009 bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 7. November 2008 vorläufig Leistungen in einer Gesamthöhe von monatlich 286,90 EUR. Dabei berücksichtigte der Beklagte bedarfsminderndes Einkommen des Klägers zu 1. und zwar einmal eine Verletztenrente und zum anderen Einkommen aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit. Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung berücksichtigte der Beklagte entsprechend der tatsächlichen Aufwendungshöhe. Die Bewilligung erfolgte vorläufig im Hinblick auf die nicht feststehende Höhe des Erwerbseinkommens. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf Blatt 758 ff. der Verwaltungsakten verwiesen. Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger am 16. November 2011 Widerspruch mit der Begründung, es liege eine "Unterzahlung" vor. In der Folgezeit ergingen dann mehrere Änderungsbescheide für den Bewilligungszeitraum vom 1. November 2008 bis zum 31. März 2009. Unter Berücksichtigung nachgewiesener Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung bewilligte der Beklagte den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 22. April 2009 vorläufige Leistungen in einer Gesamthöhe von monatlich 580,75 EUR. Nach Auswertung der eingereichten betriebswirtschaftlichen Auswertungen bewilligte der Beklagte die Leistungen für den streitigen Zeitraum mit Bescheid vom 3. August 2009 endgültig in einer Gesamthöhe von monatlich 407,48 EUR unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen bereinigten Einkommens (Einkommen des Klägers zu 1. aus der Erwerbstätigkeit und an diesen gezahlter Existenzgründungszuschuss sowie die Unfallrente) von 1.1015,74 EUR. Hieraus ergab sich rechnerisch im Vergleich zur vorangegangenen vorläufigen Bewilligung ein zu viel gezahlter Betrag in einer Gesamthöhe von insgesamt 866,35 EUR, dessen Erstattung der Beklagte mit verschiedenen Bescheiden von den Klägern anteilig forderte. Im laufenden Widerspruchsverfahren teilten die Kläger mit, dass die Unfallrente für den Kläger zu 1. im streitigen Zeitraum nicht mehr gezahlt worden sei. Der Rententräger habe die laufenden Zahlungen nach Überweisung einer Abfindung in Höhe von 46.943,20 EUR bereits am 15. Mai 2006 eingestellt. Der Beklagte berechnete die Leistungsansprüche der Kläger daraufhin neu ohne Berücksichtigung der Unfallrente als Einkommen. Nur für den Monat November 2008 berücksichtigte er noch vorhandenes Vermögen aus der Abfindungszahlung und errechnete keinen Leistungsanspruch. Für die Monate Dezember 2008 bis März 2009 bewilligte der Beklagte jeweils Leistungsansprüche in einer Gesamthöhe von 633,60 EUR (Bescheid vom 22. September 2010). Im Hinblick auf diese Berechnung hob der Beklagte die gegenüber den Klägern ergangenen Rückforderungsbescheide auf. Den Widerspruch der Kläger wies der Beklagte im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2011 bei Anerkennung eines Anspruchs auf Erstattung der notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens zu 4/5 zurück.

Die Kläger haben am 27. Dezember 2011 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben, wobei sie zunächst durch Rechtsanwalt A. aus N. vertreten wurden. Eine Begründung der Klage erfolgte nicht. Mit der Klageerhebung haben die Kläger den Antrag gestellt, ihnen PKH für das Klageverfahren zu bewilligen. Nachdem der bisherige Prozessbevollmächtigte mitgeteilt hatte, die Kläger nicht mehr zu vertreten, bestellte sich mit Schriftsatz vom 29. Mai 2012 deren jetziger Prozessbevollmächtigter für diese und beantragte, ihn im Rahmen der Bewilligung von PKH beizuordnen. Eine Darstellung des Streitverhältnisses kündigte er für die Zeit nach erfolgter Akteneinsicht an, worauf ihm am 7. Juni 2012 die Verwaltungsakten zur Einsichtnahme übersandt wurden. Im der Folgezeit forderte das Sozialgericht den Prozessbevollmächtigen der Kläger mehrfach zur Klagebegründung auf. Mit einem gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Schreiben vom 13. November 2012 wies das Sozialgericht den Prozessbevollmächtigen der Kläger darauf hin, dass es trotz mehrfacher Aufforderung noch immer an einer Darstellung des Streitverhältnisses unter Angabe von Beweismitteln fehle. Es werde Gelegenheit gegeben, sich bis zum 10. Dezember 2012 zu einer beabsichtigten Ablehnung des PKH-Antrags zu äußern. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger teilte mit Schreiben vom 2. September 2013 mit, es sei "selbstverständlich noch mit einer Einreichung einer Klagebegründung zu rechnen". Darauf forderte das Sozialgericht ihn nochmals unter Fristsetzung bis zum 29. September 2013 mit einem Schreiben vom 4. September 2013 zur Einreichung einer Klagebegründung auf. Die Einreichung einer Klägerbegründung oder Ausführungen zur Darstellung des Streitverhältnisses erfolgten in der Folgezeit nicht.

Mit Beschluss vom 1. November 2013 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung ausgeführt. Im konkreten Fall seien die hinreichenden Erfolgsaussichten nicht dargelegt. Es bestehe keine Verpflichtung des Gerichts, ohne konkrete Anhaltspunkte "ins Blaue" hinein zu ermitteln. Es sei insbesondere nicht erkennbar, ob die Kläger die Anrechnung des Erwerbseinkommens der Höhe nach und wenn ja, aus welchen Gründen rügten.

Gegen den am 8. November 2013 zugestellten Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger für diese am 2. Dezember 2013 Beschwerde erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, mit der Beschwerde werde das Ziel verfolgt, dass der ablehnende Beschluss des Sozialgerichts aufgehoben und den Klägern Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren unter seiner Beiordnung bewilligt werde.

Der Beklagte hat sich in diesem Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, das Prozesskostenhilfebeiheft und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 1. November 2013 ist unbegründet. Das Sozialgericht Halle hat im Ergebnis zu Recht die Bewilligung von PKH wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt.

Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhalten Beteiligte auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können, die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird den Beteiligten auf ihren Antrag hin ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO).

Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einer Klage einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist. Prozesskostenhilfe kommt hingegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 R – zitiert nach juris, Rn. 26). Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Dem genügt das Gesetz in § 114 ZPO, indem es die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vorsieht, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 7. Dezember 2012 – 1 BvR 1263/11 – zitiert nach juris, Rn. 12). Die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dürfen dabei nicht überspannt werden.

Auch unter Berücksichtigung der oben aufgezeigten Grundsätze, die den Beteiligten, die die Kosten hierfür nicht selbst aufbringen können, eine Rechtsverfolgung so wie bemittelten Personen zugänglich machen sollen, hat das Sozialgericht im Ergebnis zu Recht die hinreichenden Erfolgsaussichten verneint. Dabei hat es auch zu Recht berücksichtigt, dass trotz des im sozialgerichtlichen Verfahrens bestehenden Amtsermittlungsgrundsatzes bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten Berücksichtigung findet, wenn nicht im Ansatz zumindest grob angegeben wird, aus welchen Gründen und auf welcher tatsächlichen Grundlage eine angegriffene Leistungsbewilligung für rechtswidrig und belastend gehalten wird.

Ein vollständiger und damit bewilligungsreifer Antrag auf PKH setzt unter anderem gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 117 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) die Darstellung des Streitverhältnisses unter Angabe der Beweismittel voraus. Daraus folgt die Obliegenheit der Beteiligten, die PKH beantragen, zu einer solchen Darstellung des Streitverhältnisses. Das BVerfG hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, eine Prüfung der Erfolgsaussichten für die PKH-Bewilligung sei dem Gericht nur möglich, wenn ihm eine substantiierte Darstellung des Streitverhältnisses vorgelegt werde. Dies setzte voraus, dass derjenige, der Prozesskostenhilfe begehre, den Sachverhalt schildere und wenigstens "im Kern" deutlich mache, auf welche rechtliche Beanstandungen er seine Klage stütze (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. April 2010 – 1 BvR 362/10, zitiert nach juris). Diese Ausführungen betreffen direkt nur die Frage der Bewilligungsreife, die ohne eine Darstellung des Streitverhältnisses in der Regel nicht vorliegt. Sie lassen aber auch den Schluss darauf zu, dass ohne die erforderliche Darstellung des Streitverhältnisses - jedenfalls dann, wenn eine solche trotz mehrfacher Aufforderungen durch das Gericht nicht erfolgt – Erfolgsaussichten auch ohne weitere Amtsermittlungen verneint werden können. Dies gilt nach Auffassung des Senats zumindest dann, wenn Erfolgsaussichten nicht aufgrund des Vortrags im Vorverfahren erkennbar sind und sofern nicht schon eine erste Durchsicht der angefochtenen Bescheide bzw. der Verwaltungsakten eine fehlerhafte und belastende Bescheidung nahelegt. Eine so infolge des fehlenden Vortrags begrenzte Prüfung durch das Sozialgericht berücksichtigt im gebotenen Umfang den im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatz. Dieser gebietet es, dass das Sozialgericht auch ohne Klagebegründung den aktenkundigen Sachverhalt zu Kenntnis nimmt und berücksichtigt (vgl. dazu Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 31. Juli 2014 – L 3 AL 71/13 B PKH, zitiert nach juris).

Im konkreten Fall hatten die Kläger gegen die vorläufige Leistungsbewilligung für den streitigen Zeitraum vom 1. November 2008 bis zum 31. März 2009 mit Bescheid vom 7. November 2008 Widerspruch erhoben und zur Begründung ohne weitere Ausführungen nur eine "Unterdeckung" angeführt. Im Hinblick darauf, dass der Beklagte in der Folgezeit mit mehreren Änderungsbescheiden die Leistungsberechnung im Verhältnis zur ersten Bewilligung im Ergebnis "nach oben" korrigierte und zum einen das Erwerbseinkommen auf der Grundlage der eingereichten betriebswirtschaftlichen Auswertung berücksichtigte und zum anderen auch keine Unfallrente mehr anrechnete, oblag es den anwaltlich vertretenen Klägern, im Klageverfahren zumindest "im Kern" anzugeben, welche Elemente der Leistungsberechnung sie noch für fehlerhaft hielten bzw. warum sie von zu geringen Leistungen ausgingen. Im Hinblick auf die Leistungsversagung für November 2008 oblag es den Klägern - sofern sie diese angreifen wollten – im Klageverfahren zumindest grob nachvollziehbar vorzutragen, dass die nicht unerhebliche Zahlung aus der Abfindung soweit verbracht war, dass kein anzurechnendes Vermögen mehr vorhanden war. Offensichtliche Fehler der Leistungsbewilligung durch die im Widerspruchsverfahren ergangenen Änderungsbescheide sind nicht erkennbar.

Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten, § 73a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde zum BSG angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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