L 11 KR 2385/14 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 1158/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2385/14 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29.04.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der am 1940 geborene Antragsteller bezog ab dem 01.02.2003 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit von der Deutschen Rentenversicherung Bund und ist vom 01.04.2004 bis 31.12.2009 freiwillig bei der Antragsgegnerin krankenversichert gewesen. Wegen Beitragsrückständen kam es bereits 2005 und 2006 zu mehreren Zahlungsvereinbarungen zwischen den Beteiligten. Ab dem 01.05.2007 wurde der Antragsteller von der Agentur für Arbeit B. versehentlich in den Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch aufgenommen und der Antragsgegnerin als pflichtversichert gemeldet. 2008 stornierte die Agentur für Arbeit die Anmeldung bei der Antragsgegnerin wieder.

Mit Bescheid vom 09.01.2009 setzte die Antragsgegnerin die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit ab dem 01.05.2007 neu fest und berücksichtigte dabei die Altersrente des Antragstellers. Sie teilte dem Antragsteller auch mit, dass die Beitragsrückstände sich auf insgesamt 4.221,29 EUR belaufen würden. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2009 als unbegründet zurückgewiesen.

Auf die hiergegen erhobene Klage des Antragstellers bei dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) hat das SG mit Urteil vom 08.02.2011, S 9 KR 4231/09, die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als die Antragsgegnerin auch Beiträge zur Pflegeversicherung festgesetzt hatte. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Rechtsmittel gegen das Urteil des SG wurden nicht eingelegt.

Mit Schreiben vom 28.03.2014 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass sie in der Umsetzung des Urteils des SG vom 08.02.2011 die angefochtenen Bescheide abgeändert habe und dem Antragsteller Beiträge zur Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis 31.12.2009 in Höhe von 601,12 EUR erlasse. Über den noch bestehenden Gesamtrückstand werde er noch gesondert informiert.

Gegen dieses Schreiben hat der Antragsteller Widerspruch erhoben und am 04.04.2014 beim SG einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Das SG habe sämtliche Bescheide der Antragsgegnerin aufgehoben. Es bestehe keine Forderung gegen ihn. Die Antragsgegnerin betreibe die Zwangsvollstreckung.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Sie hat auf das rechtskräftige Urteil des SG Bezug genommen. Ihre Bescheide seien nur soweit aufgehoben worden, als Beiträge zur Pflegeversicherung festgesetzt worden seien; im Übrigen seien sie bestandskräftig. Es werde die Zwangsvollstreckung auf zivilrechtlicher Grundlage betrieben.

Mit Beschluss vom 29.04.2014 hat das SG den Antrag abgelehnt. Der Bescheid vom 28.03.2014 sei rechtmäßig; die Anordnung der aufschiebenden Wirkung komme nicht in Betracht. Im Übrigen sei der Bescheid vom 09.01.2009 bestandskräftig.

Am 19.05.2014 beantragte die Antragsgegnerin beim Amtsgericht B. die Zwangsbeitreibung nach §§ 4 Abs 1, 66 Abs 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm §§ 704 ff Zivilprozessordnung (ZPO). Der Gerichtsvollzieher bestimmte Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft.

Gegen den ihm am 03.05.2014 mittels Postzustellungsurkunde zugestellten Beschluss des SG hat der Antragsteller am 27.05.2014 Beschwerde beim SG eingelegt und ebenfalls am 27.05.2014 mit einem gesonderten Schreiben beim SG einen neuen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz "bis zur endgültigen Entscheidung des Landessozialgerichts" gestellt, wiederum gerichtet auf Einstellung der Vollstreckung (Az beim SG S 14 KR 1784/14 ER, mit Beschluss vom 05.06.2014 abgelehnt; die Beschwerde des Antragstellers ist vom Senat mit Beschluss vom heutigen Tag, L 11 KR 2800/14 ER-B, wegen anderweitiger Rechtshängigkeit zurückgewiesen worden).

Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 29.04.2014 ist dem Landessozialgericht Baden-Württemberg am 30.05.2014 vorgelegt worden. Der Antragsteller hat zur Begründung vorgetragen, es sei für ihn nicht nachvollziehbar, weshalb nach mehreren Jahren die Zwangsvollstreckung eingeleitet werde. Da er über keine Vermögenswerte verfüge, gehe die Vollstreckung ohnehin ins Leere. Außerdem habe der Gesetzgeber beschlossen, dass rückständige Beiträge nicht mehr zu zahlen seien.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß

den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29.04.2014 aufzuheben und die Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid vom 09.01.2009 vorläufig einzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Beschwerde für nicht begründet.

Der Senat hat die Akten des Amtsgerichts B. beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die Akten des AG Bruchsal (11 M 553/14) und die Akten des SG im Verfahren S 14 KR 1784/14 ER und des Senats im Verfahren L 11 KR 2800/14 ER-B Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und nicht nach § 172 Abs 3 Nr 1 SGG in der seit 11.08.2010 geltenden Fassung des Art 6 Drittes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 05.08.2010 (BGBl I S 1127) ausgeschlossen.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Soweit sich der Antragsteller gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.03.2014 wendet, ist der Antrag von vorneherein unzulässig gewesen, denn dieser Bescheid enthält in Umsetzung des Urteils des SG vom 08.02.2011 ausschließlich den Antragsteller begünstigende Regelung des Erlasses der Beiträge zur Pflegeversicherung. Eine belastende Regelung enthält der Bescheid nicht. Mangels Beschwer hätte das SG den Antrag insoweit schon wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig verwerfen können.

Soweit der Antragsteller sich gegen die Einleitung der Zwangsvollstreckung durch die Antragsgegnerin wendet, ist die Beschwerde nicht begründet. Der Antragsteller hat bereits im Schreiben vom 02.04.2014, beim SG am 04.04.2014 eingegangen, hinreichend deutlich gemacht, dass sein Begehren darauf gerichtet ist, die von der Antragsgegnerin eingeleitete Vollstreckung zu beenden, weshalb sein Antrag nach dem Grundsatz der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) vom Senat entsprechend gefasst wurde.

Gemäß § 86b Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 der Vorschrift vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 ZPO). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242).

Ein Anordnungsanspruch liegt nicht vor.

Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, dass die Zwangsvollstreckung seitens der Antragsgegnerin vorläufig eingestellt wird (§ 198 SGG iVm § 769 ZPO). Der Antragsteller hat keine Rechtsbehelfe gegen das Urteil des SG vom 08.02.2011 eingelegt, weshalb der Beitragsbescheid vom 09.01.2009 insoweit bestandskräftig ist, als die Antragsgegnerin Beiträge zur Krankenversicherung festgesetzt hat. Materielle Einwendungen im Sinne einer Vollstreckungsabwehrklage (§ 202 SGG iVm § 767 ZPO) hat er nicht erhoben, sie sind auch nicht ersichtlich. Die Auffassung des Antragstellers, dass das SG im Urteil vom 08.02.2011 die angefochtenen Bescheide vollständig aufgehoben hat, ist unrichtig.

Schließlich hat sich der Antragsteller mit seinem Antrag auch nicht gegen die Art und Weise der Vollstreckung gewandt (§ 766 ZPO, sog Vollstreckungserinnerung, für die ohnehin das Amtsgericht Bruchsal als Vollstreckungsgericht zuständig wäre, da die Antragsgegnerin als Vollstreckungsart die Beitreibung durch den Gerichtsvollzieher gewählt hat, vgl § 66 Absätze 3 und 4 SGB X, §§ 15a Abs 3, 16 Abs 3 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz iVm § 766 ZPO; Roos in: von Wulffen, SGB X, § 66 RdNr 18; vgl Senatsbeschluss vom 10.12.2012, L 11 KR 4071/12 ER-B).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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