Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
33
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 33/32 AL 3090/02
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der angefochtene Bescheid vom 08.07.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2002 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte hat der Klägerin die zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 08.04. bis 28.04.2002 und die Erstattung der in dieser Zeit an die Klägerin erbrachten Leistungen im Hinblick auf eine Tätigkeit der Klägerin als Informandin für den X. Rundfunk.
Die Klägerin meldete sich nach Beschäftigungen bei den Firmen C., D. und E. in den Jahren 1999 bis 2001 am 21.06.2001 arbeitslos. Mit Bescheid vom 03.09.2001 wurde ihr daraufhin Arbeitslosengeld für 360 Tage ab dem 21.06.2001 gewährt. Nach einem Umzug der Klägerin von B-Stadt nach A-Stadt und erneuter Arbeitslosmeldung am 24.09.2001 in A-Stadt wurde ihr mit Bescheid vom 29.11.2001 Arbeitslosengeld für noch 258 Tage ab 01.10.2001 wiederbewilligt.
Aufgrund eines unter dem 10.04.2002 gezeichneten Vertrages war die Klägerin ab 08.04.2002 als so genannte Informandin beim X. Rundfunk im Bereich Ausländerredaktion in B-Stadt zum Zwecke der Information tätig. Der Informandin sollte nach dem Vertrag Gelegenheit gegeben werden, die im Bereich Ausländerredaktion anfallenden Aufgaben - soweit möglich auch durch angemessene Mitarbeit - kennen zu lernen. in § 1 wurde zur Vertragsdauer festgehalten, das Vertragsverhältnis könne von beiden Seiten jederzeit ohne Einhaltung einer Frist beendet werden. Nach § 3 des Vertrags gewährte der X. Rundfunk der Klägerin je Anwesenheitstag eine Beihilfe in Höhe von 8,00 Euro brutto. Das Vertragsende war zunächst für den 21.04.2002 vorgesehen; das Informandenverhältnis wurde allerdings dann bis zum 28.04.2002 verlängert. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Informandenvertrag (BI. 40 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Die Beklagte erhielt durch eine so genannte Überschneidungsmitteilung vom 25.05.2002 Kenntnis von der Informandentätigkeit.
Sie hob daraufhin mit dem angefochtenen Bescheid vom 08.07.2002 die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 08.04.2002 bis 28.04.2002 auf. Zur Begründung führte sie aus, die von der Klägerin ausgeübte Beschäftigung sei versicherungspflichtig gewesen. Sie sei daher nicht arbeitslos gewesen und habe somit keinen Leistungsanspruch gehabt (§§ 118, 119 SGB III - Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Die Entscheidung beruhe auf § 48 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III. Die Klägerin sei ihrer Anzeigepflicht nicht nachgekommen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB X). Für die von der Aufhebung betroffene Zeit habe sie 395,64 Euro ohne Rechtsanspruch erhalten. Dieser Betrag sei von ihr nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.
Der Widerspruch der Klägerin vom 12.08.2002 blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21.08.2002).
Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 06.09.2002, eingegangen bei Gericht am 11.09.2002, Klage erhoben. Zur Begründung hat sie insbesondere vorgetragen, sie sei beim X. Rundfunk lediglich als Informandin tätig gewesen. Sie habe gehen können wann immer sie gewollt habe. Insbesondere habe mit dem X. Rundfunk Einigkeit bestanden, dass sie jederzeit die Tätigkeit hätte einstellen können, wenn sie eine Arbeitsstelle oder ähnliches gefunden hätte. Sie ist der Auffassung, bei ihrer Tätigkeit habe es sich nicht einmal um ein Praktikum, geschweige denn um ein Arbeitsverhältnis gehandelt. Auch habe sie der Beklagten zur Verfügung gestanden. Ihre Arbeitslosigkeit sei daher nicht entfallen.
Sie hat daher beantragt,
den Bescheid vom 08.07.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält daran fest, dass die Klägerin ein mehr als 15 Stunden wöchentlich umfassendes Beschäftigungsverhältnis eingegangen sei. Dem stehe nicht entgegen, dass der Zweck des Vertragsverhältnisses die Information der Klägerin gewesen sei. Auch der X. Rundfunk habe ein Interesse an der Tätigkeit der Klägerin gehabt, was man schon daran sehe, dass die Klägerin u.a. Interviews gemacht habe, die auch für eine Verwertung im Rahmen des Programms des X. Rundfunks vorgesehen gewesen seien.
Die Kammer hat eine Auskunft des X. Rundfunks eingeholt; wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des X. Rundfunks vom 31.07.2003 (BI. 38ff. der Gerichtsakte) verwiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der zur Klägerin geführten Leistungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) zulässig, insbesondere form und fristgerecht sowie nach Durchführung des notwendigen Vorverfahrens beim zuständigen Sozialgericht erhoben (§§ 8, 51 Abs. 1 Nr. 4, 54 Abs. 1 S. 1, 78 Abs. 1 S. 1, 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 90), und begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, da weder die Beschäftigungslosigkeit noch die Verfügbarkeit der Klägerin entfallen war.
Die Beklagte ist im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass eine Aufhebung gegebenenfalls auf §§ 330 Abs. 3 SGB III i.V.m. § 48 Abs. 1 S. 2 Nrn. 2 oder 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu stützen gewesen wäre: Die Bewilligung von Arbeitslosengeld war nämlich zunächst unstreitig rechtmäßig, die Voraussetzungen der §§ 117ff. SGB III lagen vor; eine Aufhebung kam daher nur im Hinblick auf die Tätigkeit beim X. Rundfunk in Betracht.
Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X (i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III) für eine rückwärtige Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld lagen jedoch nicht vor.
Nach § 330 Abs. 3 SGB III ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zwingend auch mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn die in § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X genannten Voraussetzungen vorliegen. Nach dessen hier allein in Betracht kommenden Nummern 2 und 4 muss die Beklagte einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt aufheben, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2) oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetz zum Ruhen gekommen oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4).
Schon zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse ist es jedoch nicht gekommen. Eine Änderung der Verhältnisse ist nur dann wesentlich, wenn unter den veränderten Umständen die Leistung nicht mehr hätte bewilligt werden dürfen, konkret also, wenn durch die Tätigkeit der Klägerin beim X. Rundfunk die Beschäftigungslosigkeit und/oder Verfügbarkeil und damit die Arbeitslosigkeit entfallen wäre.
Die Klägerin war jedoch auch während ihrer Tätigkeit weiter arbeitslos: Arbeitslos ist, wer zum einen beschäftigungslos ist und zum anderen eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche), § 118 Abs. 1 SGB III. Neben dem Umstand, dass der Arbeitslose alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden, § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, setzt die Beschäftigungssuche die Verfügbarkeit nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 für die Beklagte voraus.
Die Klägerin war zunächst weiter beschäftigungslos. In einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 118 SGB III steht nur derjenige, der seine Arbeitskraft in persönlicher Abhängigkeit einem Dritten unterstellt (vgl. Gagel-Steinmeyer, Komm. z. SGB III, § 118, Rn. 25). Um ein diesen Kriterien genügendes Beschäftigungsverhältnis handelte es sich bei der Tätigkeit der Klägerin für den X. Rundfunk nicht. Es diente nicht dazu, dass die Klägerin ihre Arbeitskraft dem X. Rundfunk zur Verfügung stellte. Ausweislich des Vertragszwecks - wobei die Kammer keinerlei Anlass sah, an der Ernsthaftigkeit des entsprechenden Vertragswillens zu zweifeln oder hier eine Scheinabsprache zu sehen - diente der Vertrag der Information der Klägerin. Der Umstand, dass diese Einblicke nach Möglichkeit auch durch Mitarbeit gewinnen sollte und dabei auch für den X. Rundfunk verwertbares Material angefallen sein mag, ändert daran nichts. Dies ist nach Überzeugung der Kammer allein dem Umstand geschuldet gewesen, dass durch eine aktive Betätigung der Klägerin der Informationszweck nach Auffassung der Vertragsparteien offenbar besser erfüllt werden konnte, was in den Formulierungen des Vertrages denn auch deutlich zum Ausdruck kommt. Kennzeichnend ist insofern auch, dass die Klägerin in § 2 des Vertrages (nur) deswegen verpflichtet wurde, die betrieblichen Arbeitszeiten einzuhalten und den Anweisungen der hierzu befugten Personen Folge zu leisten, um Störungen des Betriebsablaufs zu vermeiden. Daraus lässt sich gerade nicht die für eine Beschäftigungsverhältnis typische Weisungsunterworfenheit hinsichtlich der Arbeitsleistung und deren Randbedingungen entnehmen. Auch kann in der Aufwandsentschädigung von 8,- EUR pro Tag, die die Klägerin erhalten hat, nach Auffassung der Kammer ein Entgelt keinesfalls gesehen werden. Die Entgeltlichkeit der Tätigkeit ist zwar kein notwendiges Kriterium für die Annahme einer Beschäftigung, ihr Fehlen aber doch ein weiteres Indiz, dass gegen die Annahme eines Beschäftigungsverhältnis spricht (vgl. nur Gagel-Steinmeyer, Komm. z. SGB III, § 118, Rn. 26).
Dementsprechend hat auch das Bundessozialgericht (BSG) die Problematik, die beim Absolvieren eines Praktikums im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit des Betreffenden entsteht, weniger am Gesichtspunkt der (fehlenden) Beschäftigungslosigkeit als an dem der (fehlenden) Verfügbarkeil festgemacht (vgl. nur BSG v. 27.07.1989, Az.: 11 RAr 7/88). Auch die Verfügbarkeit der Klägerin ist jedoch nicht entfallen.
Das BSG hat in der genannten Entscheidung ausgeführt, jedenfalls bei kurzfristigen Praktikantenzeiten [es handelte sich in dem vom BSG zu beurteilenden Fall um zwei Praktikantenzeiten von insgesamt unter zwei Monaten] begründe die Bereitschaft, im Falle einer Arbeitsmöglichkeit das Praktikum zu verschieben bzw. abzubrechen, Verfügbarkeit. Die Kammer schließt sich dieser Rechtsprechung an. Hintergrund ist, dass unstreitig ein Arbeitsloser während seiner Arbeitslosigkeit nicht zur vollkommenen Untätigkeit verurteilt ist, sondern seine kulturellen, caritativen, sportlichen und gesundheitlichen Interessen betätigen darf. Besondere Probleme ergeben sich zwar im Bereich der Bildungsmaßnahmen (so auch Gagel-Steinmeyer, Komm. z. SGB III, § 119, Rn. 109): So hat der 7. Senat des BSG in diesem Zusammenhang ausgeführt, eine Betätigung stehe jedenfalls dann im Gegensatz zu den Anforderungen der objektiven Verfügbarkeit, wenn sie auf längere Dauer angelegt und planvoll gestaltet sei sowie derart betrieben werde, dass sie die für eine Berufstätigkeit erforderliche Zeit vollständig in Anspruch nehme, die mithin für jeden Tag, an dem sie stattfinde, die Möglichkeit ausschließe, berufstätig zu sein (vgl. BSG v. 28.10.1987, Az.: 7 RAr 80/86 und die Nw. bei Gagel-Steinmeyer, a.a.O., § 120, Rn ... 62). Die Kammer geht dennoch bereits auf der Grundlage dieser Rechtsprechung nicht davon aus, die Verfügbarkeil der Klägerin sei entfallen, da die Informantentätigkeit der Klägerin nur über drei Wochen ging, also kaum als auf längere Dauer angelegt angesehen werden kann. Überdies weist Steinmeyer (a.a.O., Rn. 63) zurecht darauf hin, dass diese Rechtsprechung nicht zu erklären vermöge, aus welchen Gründen ein Studium (bzw. hier eine der Entwicklung der eigenen Qualifikation dienende Betätigung) die Verfügbarkeil ausschließe, eine den Arbeitslosen zeitlich ebenso in Anspruch nehmende Tätigkeit, die seinen kulturellen, karitativen, sportlichen oder gesundheitlichen Interessen entspreche, demgegenüber nicht. Aus diesem Grunde ist jedenfalls dem 11. Senat darin zu folgen, dass, wie bereits ausgeführt, die Verfügbarkeit durch kurzzeitige Praktika nicht als ausgeschlossen erachtet werden kann, wenn ein Aufgabewille für den Fall eines Arbeitsangebots nachgewiesen werden kann. Die objektive Verfügbarkeil ist daher gegeben, wenn der Arbeitslose jederzeit ohne größere Nachteile die Teilnahme an der Maßnahme beenden kann und ein entsprechender Wille für den Fall eines Arbeitsangebotes auch erkennbar ist (vgl. in diesem Sinne auch Niesel, Komm. z. SGB III, § 119, Rn. 30)
Das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem X. Rundfunk war erkennbar darauf ausgelegt, beiden Seiten die jederzeitige Beendigung zu ermöglichen. Dementsprechend hat der X. Rundfunk in seiner Auskunft vom 31.07.2003 auch betont, dass die Klägerin ihr Erscheinen jederzeit und ohne negative Konsequenzen hätte beenden können. Es ist auch keinerlei faktische Bindung für die Klägerin erkennbar, die sich in anderen Fällen etwa aus einer bedeutenden Kurs- oder Studiengebühr oder aus einem besonderen Interesse, eine bereits fortgeschrittene Ausbildung zu einem Abschluss zu bringen oder gar mit einer formellen Qualifikation zu beenden, ergeben mag. Dementsprechend hatte die Kammer, nicht zuletzt angesichts der ohnehin ausgesprochen kurzen Dauer des Informandenverhältnisses, keinen Zweifel, dass die Klägerin, wie sie bekundet hat, tatsächlich jederzeit bereit gewesen wäre, dieses abzubrechen, um ihren Obliegenheiten gegenüber der Beklagten zu genügen.
Im Übrigen kann es aus Sicht der Kammer auch nicht im Interesse der Beklagten sein, Bemühungen wie die der Klägerin, sich Zugang zu Unternehmen und Berufsbereichen zu verschaffen, dort Erfahrungen zu sammeln und dadurch ihre Vermittlungschancen zu erhöhen, allzu enge Grenzen zu setzen.
Im Ergebnis steht ein kurzzeitiges Praktikum, wenn es nicht als unentgeltliches Probearbeitsverhältnis ausgestaltet ist, sondern - wie hier - in erster Linie der Information des Praktikanten dient, der Annahme fortbestehender Arbeitslosigkeit nicht entgegen. Die Arbeitslosigkeit ist daher durch die Betätigung der Klägerin beim X. Rundfunk nicht entfallen. Für die Frage, ob die subjektiven Voraussetzungen für eine rückwärtige Aufhebung der Leistungsbewilligung vorgelegen haben, fehlt es daher von vornherein an einem Bezugspunkt. Daher ist nur darauf hinzuweisen, dass aus Sicht der •Kammer auch insoweit erhebliche Zweifel bestehen, selbst wenn man entgegen der Auffassung der Kammer vom Wegfall der Arbeitslosigkeit ausgehen wollte.
Im Ergebnis war der angefochtene Bescheid rechtswidrig, weil weder die Beschäftigungslosigkeit noch die Verfügbarkeil entfallen waren. Die Arbeitslosigkeit bestand auch während der Betätigung für den X. Rundfunk fort. Zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse ist es nicht gekommen. Der Aufhebungsbescheid der Beklagten verletzte die Klägerin daher in ihren Rechten. Er war daher ebenso aufzuheben wie die Erstattungsentscheidung, der es an einer Grundlage fehlte. Der Klage war in vollem Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
2. Die Beklagte hat der Klägerin die zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 08.04. bis 28.04.2002 und die Erstattung der in dieser Zeit an die Klägerin erbrachten Leistungen im Hinblick auf eine Tätigkeit der Klägerin als Informandin für den X. Rundfunk.
Die Klägerin meldete sich nach Beschäftigungen bei den Firmen C., D. und E. in den Jahren 1999 bis 2001 am 21.06.2001 arbeitslos. Mit Bescheid vom 03.09.2001 wurde ihr daraufhin Arbeitslosengeld für 360 Tage ab dem 21.06.2001 gewährt. Nach einem Umzug der Klägerin von B-Stadt nach A-Stadt und erneuter Arbeitslosmeldung am 24.09.2001 in A-Stadt wurde ihr mit Bescheid vom 29.11.2001 Arbeitslosengeld für noch 258 Tage ab 01.10.2001 wiederbewilligt.
Aufgrund eines unter dem 10.04.2002 gezeichneten Vertrages war die Klägerin ab 08.04.2002 als so genannte Informandin beim X. Rundfunk im Bereich Ausländerredaktion in B-Stadt zum Zwecke der Information tätig. Der Informandin sollte nach dem Vertrag Gelegenheit gegeben werden, die im Bereich Ausländerredaktion anfallenden Aufgaben - soweit möglich auch durch angemessene Mitarbeit - kennen zu lernen. in § 1 wurde zur Vertragsdauer festgehalten, das Vertragsverhältnis könne von beiden Seiten jederzeit ohne Einhaltung einer Frist beendet werden. Nach § 3 des Vertrags gewährte der X. Rundfunk der Klägerin je Anwesenheitstag eine Beihilfe in Höhe von 8,00 Euro brutto. Das Vertragsende war zunächst für den 21.04.2002 vorgesehen; das Informandenverhältnis wurde allerdings dann bis zum 28.04.2002 verlängert. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Informandenvertrag (BI. 40 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Die Beklagte erhielt durch eine so genannte Überschneidungsmitteilung vom 25.05.2002 Kenntnis von der Informandentätigkeit.
Sie hob daraufhin mit dem angefochtenen Bescheid vom 08.07.2002 die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 08.04.2002 bis 28.04.2002 auf. Zur Begründung führte sie aus, die von der Klägerin ausgeübte Beschäftigung sei versicherungspflichtig gewesen. Sie sei daher nicht arbeitslos gewesen und habe somit keinen Leistungsanspruch gehabt (§§ 118, 119 SGB III - Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Die Entscheidung beruhe auf § 48 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III. Die Klägerin sei ihrer Anzeigepflicht nicht nachgekommen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB X). Für die von der Aufhebung betroffene Zeit habe sie 395,64 Euro ohne Rechtsanspruch erhalten. Dieser Betrag sei von ihr nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.
Der Widerspruch der Klägerin vom 12.08.2002 blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21.08.2002).
Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 06.09.2002, eingegangen bei Gericht am 11.09.2002, Klage erhoben. Zur Begründung hat sie insbesondere vorgetragen, sie sei beim X. Rundfunk lediglich als Informandin tätig gewesen. Sie habe gehen können wann immer sie gewollt habe. Insbesondere habe mit dem X. Rundfunk Einigkeit bestanden, dass sie jederzeit die Tätigkeit hätte einstellen können, wenn sie eine Arbeitsstelle oder ähnliches gefunden hätte. Sie ist der Auffassung, bei ihrer Tätigkeit habe es sich nicht einmal um ein Praktikum, geschweige denn um ein Arbeitsverhältnis gehandelt. Auch habe sie der Beklagten zur Verfügung gestanden. Ihre Arbeitslosigkeit sei daher nicht entfallen.
Sie hat daher beantragt,
den Bescheid vom 08.07.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält daran fest, dass die Klägerin ein mehr als 15 Stunden wöchentlich umfassendes Beschäftigungsverhältnis eingegangen sei. Dem stehe nicht entgegen, dass der Zweck des Vertragsverhältnisses die Information der Klägerin gewesen sei. Auch der X. Rundfunk habe ein Interesse an der Tätigkeit der Klägerin gehabt, was man schon daran sehe, dass die Klägerin u.a. Interviews gemacht habe, die auch für eine Verwertung im Rahmen des Programms des X. Rundfunks vorgesehen gewesen seien.
Die Kammer hat eine Auskunft des X. Rundfunks eingeholt; wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des X. Rundfunks vom 31.07.2003 (BI. 38ff. der Gerichtsakte) verwiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der zur Klägerin geführten Leistungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) zulässig, insbesondere form und fristgerecht sowie nach Durchführung des notwendigen Vorverfahrens beim zuständigen Sozialgericht erhoben (§§ 8, 51 Abs. 1 Nr. 4, 54 Abs. 1 S. 1, 78 Abs. 1 S. 1, 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 90), und begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, da weder die Beschäftigungslosigkeit noch die Verfügbarkeit der Klägerin entfallen war.
Die Beklagte ist im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass eine Aufhebung gegebenenfalls auf §§ 330 Abs. 3 SGB III i.V.m. § 48 Abs. 1 S. 2 Nrn. 2 oder 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu stützen gewesen wäre: Die Bewilligung von Arbeitslosengeld war nämlich zunächst unstreitig rechtmäßig, die Voraussetzungen der §§ 117ff. SGB III lagen vor; eine Aufhebung kam daher nur im Hinblick auf die Tätigkeit beim X. Rundfunk in Betracht.
Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X (i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III) für eine rückwärtige Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld lagen jedoch nicht vor.
Nach § 330 Abs. 3 SGB III ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zwingend auch mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn die in § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X genannten Voraussetzungen vorliegen. Nach dessen hier allein in Betracht kommenden Nummern 2 und 4 muss die Beklagte einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt aufheben, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2) oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetz zum Ruhen gekommen oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4).
Schon zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse ist es jedoch nicht gekommen. Eine Änderung der Verhältnisse ist nur dann wesentlich, wenn unter den veränderten Umständen die Leistung nicht mehr hätte bewilligt werden dürfen, konkret also, wenn durch die Tätigkeit der Klägerin beim X. Rundfunk die Beschäftigungslosigkeit und/oder Verfügbarkeil und damit die Arbeitslosigkeit entfallen wäre.
Die Klägerin war jedoch auch während ihrer Tätigkeit weiter arbeitslos: Arbeitslos ist, wer zum einen beschäftigungslos ist und zum anderen eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche), § 118 Abs. 1 SGB III. Neben dem Umstand, dass der Arbeitslose alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden, § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, setzt die Beschäftigungssuche die Verfügbarkeit nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 für die Beklagte voraus.
Die Klägerin war zunächst weiter beschäftigungslos. In einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 118 SGB III steht nur derjenige, der seine Arbeitskraft in persönlicher Abhängigkeit einem Dritten unterstellt (vgl. Gagel-Steinmeyer, Komm. z. SGB III, § 118, Rn. 25). Um ein diesen Kriterien genügendes Beschäftigungsverhältnis handelte es sich bei der Tätigkeit der Klägerin für den X. Rundfunk nicht. Es diente nicht dazu, dass die Klägerin ihre Arbeitskraft dem X. Rundfunk zur Verfügung stellte. Ausweislich des Vertragszwecks - wobei die Kammer keinerlei Anlass sah, an der Ernsthaftigkeit des entsprechenden Vertragswillens zu zweifeln oder hier eine Scheinabsprache zu sehen - diente der Vertrag der Information der Klägerin. Der Umstand, dass diese Einblicke nach Möglichkeit auch durch Mitarbeit gewinnen sollte und dabei auch für den X. Rundfunk verwertbares Material angefallen sein mag, ändert daran nichts. Dies ist nach Überzeugung der Kammer allein dem Umstand geschuldet gewesen, dass durch eine aktive Betätigung der Klägerin der Informationszweck nach Auffassung der Vertragsparteien offenbar besser erfüllt werden konnte, was in den Formulierungen des Vertrages denn auch deutlich zum Ausdruck kommt. Kennzeichnend ist insofern auch, dass die Klägerin in § 2 des Vertrages (nur) deswegen verpflichtet wurde, die betrieblichen Arbeitszeiten einzuhalten und den Anweisungen der hierzu befugten Personen Folge zu leisten, um Störungen des Betriebsablaufs zu vermeiden. Daraus lässt sich gerade nicht die für eine Beschäftigungsverhältnis typische Weisungsunterworfenheit hinsichtlich der Arbeitsleistung und deren Randbedingungen entnehmen. Auch kann in der Aufwandsentschädigung von 8,- EUR pro Tag, die die Klägerin erhalten hat, nach Auffassung der Kammer ein Entgelt keinesfalls gesehen werden. Die Entgeltlichkeit der Tätigkeit ist zwar kein notwendiges Kriterium für die Annahme einer Beschäftigung, ihr Fehlen aber doch ein weiteres Indiz, dass gegen die Annahme eines Beschäftigungsverhältnis spricht (vgl. nur Gagel-Steinmeyer, Komm. z. SGB III, § 118, Rn. 26).
Dementsprechend hat auch das Bundessozialgericht (BSG) die Problematik, die beim Absolvieren eines Praktikums im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit des Betreffenden entsteht, weniger am Gesichtspunkt der (fehlenden) Beschäftigungslosigkeit als an dem der (fehlenden) Verfügbarkeil festgemacht (vgl. nur BSG v. 27.07.1989, Az.: 11 RAr 7/88). Auch die Verfügbarkeit der Klägerin ist jedoch nicht entfallen.
Das BSG hat in der genannten Entscheidung ausgeführt, jedenfalls bei kurzfristigen Praktikantenzeiten [es handelte sich in dem vom BSG zu beurteilenden Fall um zwei Praktikantenzeiten von insgesamt unter zwei Monaten] begründe die Bereitschaft, im Falle einer Arbeitsmöglichkeit das Praktikum zu verschieben bzw. abzubrechen, Verfügbarkeit. Die Kammer schließt sich dieser Rechtsprechung an. Hintergrund ist, dass unstreitig ein Arbeitsloser während seiner Arbeitslosigkeit nicht zur vollkommenen Untätigkeit verurteilt ist, sondern seine kulturellen, caritativen, sportlichen und gesundheitlichen Interessen betätigen darf. Besondere Probleme ergeben sich zwar im Bereich der Bildungsmaßnahmen (so auch Gagel-Steinmeyer, Komm. z. SGB III, § 119, Rn. 109): So hat der 7. Senat des BSG in diesem Zusammenhang ausgeführt, eine Betätigung stehe jedenfalls dann im Gegensatz zu den Anforderungen der objektiven Verfügbarkeit, wenn sie auf längere Dauer angelegt und planvoll gestaltet sei sowie derart betrieben werde, dass sie die für eine Berufstätigkeit erforderliche Zeit vollständig in Anspruch nehme, die mithin für jeden Tag, an dem sie stattfinde, die Möglichkeit ausschließe, berufstätig zu sein (vgl. BSG v. 28.10.1987, Az.: 7 RAr 80/86 und die Nw. bei Gagel-Steinmeyer, a.a.O., § 120, Rn ... 62). Die Kammer geht dennoch bereits auf der Grundlage dieser Rechtsprechung nicht davon aus, die Verfügbarkeil der Klägerin sei entfallen, da die Informantentätigkeit der Klägerin nur über drei Wochen ging, also kaum als auf längere Dauer angelegt angesehen werden kann. Überdies weist Steinmeyer (a.a.O., Rn. 63) zurecht darauf hin, dass diese Rechtsprechung nicht zu erklären vermöge, aus welchen Gründen ein Studium (bzw. hier eine der Entwicklung der eigenen Qualifikation dienende Betätigung) die Verfügbarkeil ausschließe, eine den Arbeitslosen zeitlich ebenso in Anspruch nehmende Tätigkeit, die seinen kulturellen, karitativen, sportlichen oder gesundheitlichen Interessen entspreche, demgegenüber nicht. Aus diesem Grunde ist jedenfalls dem 11. Senat darin zu folgen, dass, wie bereits ausgeführt, die Verfügbarkeit durch kurzzeitige Praktika nicht als ausgeschlossen erachtet werden kann, wenn ein Aufgabewille für den Fall eines Arbeitsangebots nachgewiesen werden kann. Die objektive Verfügbarkeil ist daher gegeben, wenn der Arbeitslose jederzeit ohne größere Nachteile die Teilnahme an der Maßnahme beenden kann und ein entsprechender Wille für den Fall eines Arbeitsangebotes auch erkennbar ist (vgl. in diesem Sinne auch Niesel, Komm. z. SGB III, § 119, Rn. 30)
Das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem X. Rundfunk war erkennbar darauf ausgelegt, beiden Seiten die jederzeitige Beendigung zu ermöglichen. Dementsprechend hat der X. Rundfunk in seiner Auskunft vom 31.07.2003 auch betont, dass die Klägerin ihr Erscheinen jederzeit und ohne negative Konsequenzen hätte beenden können. Es ist auch keinerlei faktische Bindung für die Klägerin erkennbar, die sich in anderen Fällen etwa aus einer bedeutenden Kurs- oder Studiengebühr oder aus einem besonderen Interesse, eine bereits fortgeschrittene Ausbildung zu einem Abschluss zu bringen oder gar mit einer formellen Qualifikation zu beenden, ergeben mag. Dementsprechend hatte die Kammer, nicht zuletzt angesichts der ohnehin ausgesprochen kurzen Dauer des Informandenverhältnisses, keinen Zweifel, dass die Klägerin, wie sie bekundet hat, tatsächlich jederzeit bereit gewesen wäre, dieses abzubrechen, um ihren Obliegenheiten gegenüber der Beklagten zu genügen.
Im Übrigen kann es aus Sicht der Kammer auch nicht im Interesse der Beklagten sein, Bemühungen wie die der Klägerin, sich Zugang zu Unternehmen und Berufsbereichen zu verschaffen, dort Erfahrungen zu sammeln und dadurch ihre Vermittlungschancen zu erhöhen, allzu enge Grenzen zu setzen.
Im Ergebnis steht ein kurzzeitiges Praktikum, wenn es nicht als unentgeltliches Probearbeitsverhältnis ausgestaltet ist, sondern - wie hier - in erster Linie der Information des Praktikanten dient, der Annahme fortbestehender Arbeitslosigkeit nicht entgegen. Die Arbeitslosigkeit ist daher durch die Betätigung der Klägerin beim X. Rundfunk nicht entfallen. Für die Frage, ob die subjektiven Voraussetzungen für eine rückwärtige Aufhebung der Leistungsbewilligung vorgelegen haben, fehlt es daher von vornherein an einem Bezugspunkt. Daher ist nur darauf hinzuweisen, dass aus Sicht der •Kammer auch insoweit erhebliche Zweifel bestehen, selbst wenn man entgegen der Auffassung der Kammer vom Wegfall der Arbeitslosigkeit ausgehen wollte.
Im Ergebnis war der angefochtene Bescheid rechtswidrig, weil weder die Beschäftigungslosigkeit noch die Verfügbarkeil entfallen waren. Die Arbeitslosigkeit bestand auch während der Betätigung für den X. Rundfunk fort. Zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse ist es nicht gekommen. Der Aufhebungsbescheid der Beklagten verletzte die Klägerin daher in ihren Rechten. Er war daher ebenso aufzuheben wie die Erstattungsentscheidung, der es an einer Grundlage fehlte. Der Klage war in vollem Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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