Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
28
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 28 Ka 2592/94
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
1. Die Beklagte zu 2. wird unter Aufhebung des Bescheides vom 22.09.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.1995 verurteilt, dem Kläger eine Sicherstellungsermächtigung gemäß § 31 II Ärzte-ZV i. V. m. § 5 I BMV bzw. § 9 EKV, beschränkt auf die Leistungspositionen 1, 2, 10, 17, 18, 25, 26, 60 und 5 des EBM 1996, zu erteilen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte zu 2. hat dem Kläger 2/3 seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Zulassung bzw. Ermächtigung zur TeiInahme an der vertragsärztlichen Versorgung.
Der 1929 geborene Kläger ist praktischer Arzt mit den Zusatzbezeichnungen Naturheilverfahren und Homöopathie. Seit 1985 war er in C-Stadt, Rheinland Pfalz, zugelassen und führte dort eine homöopathische Praxis. Mit Schreiben vom 27.09.1993, 13.11.1993 und 08.12.1993 teilte er mit, daß er seine Praxis wegen beginnender Straßenbaumaßnahmen in den bisherigen Räumen nicht fortführen könne. Er beabsichtige daher eine Praxisverlegung. Die neue Praxis wolle er aus familiären Gründen in A-Stadt, Kreis Darmstadt-Dieburg, errichten. Im Hinblick auf die dort•bestehende Zulassungssperre beantrage er eine Ausnahmegenehmigung nach Abschnitt 5, Nr. 24 b der Bedarfsplanungsrichtlinie vom 09.03.1993. Im Bereich Darmstadt-Dieburg sei kein homöopathischer Arzt tätig, so daß ein lokaler Bedarf für die von ihm beabsichtigte Praxis bestehe.
Mit Beschluss vom 14.12.1993 erteilte der Zulassungsausschuß dem Kläger eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung nach Nr. 24 b der Bedarfsplanungsrichtlinie ausschließlich im Rahmen der klassischen Homöopathie.
Hiergegen legte die Beklagte zu 2. Widerspruch ein, mit dem sie im wesentlichen geltend machte, daß ein Sonderbedarf nicht bestehe. in E-Stadt seien drei Arzte mit der Zusatzbezeichnung Homöopathie tätig sowie eine weitere Ärztin, die zwar die Zusatzbezeichnung nicht führe, sich aber dennoch überwiegend mit dieser Behandlungsmethode befasse. Auch in D-Stadt sei ein weiterer Arzt mit den Zusatzbezeichnungen Homöopathie und Naturheilverfahren niedergelassen. In A-Stadt und den umliegenden Gemeinden seien insgesamt 22 Allgemeinärzte oder praktische Ärzte zugelassen, von denen 13 Vertragsärzte die Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren führten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.1994, dem Kläger zugestellt am 30.06.1994 hob der Beklagte zu 1. den Beschluss des Zulassungsausschusses auf und wies den Zulassungsantrag des Klägers zurück. Auf den Inhalt dieses Beschlusses wird Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 27.07.1994, bei Gericht eingegangen am 21.07.1994, erhob der Kläger Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 18.05.1994, die unter dem Aktenzeichen S 28/Ka-2592/94 eingetragen wurde.
Mit Schreiben vom 16.05.1995 beantragte der Kläger bei der Beklagten zu 2. die Erteilung einer Ermächtigung gemäß § 31 Abs. 2 und 9 Ärzte-ZV zur Durchführung homöopathischer Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung. Mit Bescheid vom 22.09.1995 wurde der Antrag im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, daß die beantragten Leistungen in ausreichendem Maße von niedergelassenen Vertragsärzten erbracht würden. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheid vom 21.12.1995, dem Kläger zugestellt am 03.01.1996 zurückgewiesen. Nach den Ermittlungen der Bezirksstelle E-Stadt stünden genügend Vertragsärzte zur Verfügung, die homöopathische Leistungen erbrachten. Zwar sei richtig, daß im Planungsbereich Darmstadt-Dieburg kein Arzt mit der Zusatzbezeichnung Homöopathie niedergelassen sei. Allerdings ständen im E-Stadt zwei Ärzte zur Verfügung, die die Zusatzbezeichnung Homöopathie führten. Ferner sei in D-Stadt ein Arzt niedergelassen, der diese Zusatzbezeichnung ebenfalls führe. Angesichts der bestehenden guten Verkehrsverbindungen und der geringen Entfernung nach E-Stadt sei es Patienten aus dem Planungsbereich Darmstadt-Dieburg durchaus zumutbar, die homöopathisch tätigen Ärzte in E-Stadt aufzusuchen. Eine Sicherstellungsproblematik bestehe deshalb nicht. Außerdem befinde sich in D-Stadt ein weiterer homöopathisch tätiger Arzt, der ebenfalls aufgesucht werden könne.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger mit Schriftsatz vom 08.01.1996, bei Gericht eingegangen am 10.01.1996, Klage erhoben (S-5/Ka-156/96).
Mit den Klagen begehrt der Kläger alternativ eine Bedarfszulassung oder eine Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung.
Zur Begründung beruft er sich maßgeblich darauf, daß in A-Stadt ein lokaler Sonderbedarf für homöopathische Leistungen vorliege. Soweit die Beklagte auf die in E-Stadt und D-Stadt praktizierenden Ärzte verweise, hatten Recherchen ergeben, daß bei diesen Ärzten zum Teil Wartezeiten von einigen Monaten beständen. Zudem sei zu berücksichtigen, daß E Stadt selbst bereits knapp 140.000 Einwohner aufweise. Eine Mitversorgung der Versicherten aus A-Stadt sei durch die genannten Vertragsärzte wohl nicht mehr gewährleistet.
Das Alter des Klägers stände einer Zulassung nicht entgegen. Zwar habe er die Altersgrenze des § 25 Ärzte-ZV überschritten, doch liege ein Härtefall vor, da der Kläger auf eine vertragsärztliche Tätigkeit wirtschaftlich angewiesen sei. Bei festen Ausgaben von 5.000 DM erhalte er an laufenden Einnahmen 1.443 DM aus der Bayrischen Ärzteversorgung, ca. 3.500 DM aus privatärztlicher Tätigkeit sowie ca. 200 DM aus gelegentlichen Vertretungen. Den Erlös aus dem Praxisverkauf in C-Stadt in Höhe von 80.000 DM habe er überwiegend zur Tilgung bestehender Schulden verwenden müssen. Der verbleibende Teil, den er im Schriftsatz vom 03.03.1995 noch mit einem Festgeldguthaben von 30.000 DM angegeben habe, sei zwischenzeitlich aufgebraucht. Da die Einnahmen gerade die laufenden Ausgaben deckten, sei der verbliebene Betrag zur Deckung des Lebensunterhaltes des Klägers selbst und seiner Familie, zu der auch ein 14 jähriger Sohn gehöre, verbraucht worden. Seiner Ehefrau gehöre das Grundstück, auf dem zwischenzeitlich das Wohn- und Praxisgebäude weitgehend fertiggestellt worden sei. Sie verfüge jedoch über kein weiteres Vermögen und über keine eigenen Einkünfte. Sie arbeite in der Praxis mit. Ihre Bemühungen, eine anderweitige Arbeitsstelle zu erhalten, seien gescheitert. Sie habe nun ein Aufbaustudium begonnen, um ihre Stellenaussichten zu verbessern.
Der Kläger beantragt,
den Widerspruchsbescheid des Beklagten zu 1. vom 18.05.1994 aufzuheben und den Beklagten zu 1. zu verpflichten, dem Kläger eine Zulassung nach Pos. 24 der Bedarfsplanungsrichtlinie zu erteilen,
hilfsweise,
unter Aufhebung des Bescheides vom 22.09.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.1995 die Beklagte zu 2. zu verurteilen, dem Kläger eine Sicherstellungsermächtigung gemäß § 31 Abs. 2 Ärzte-ZV i. V. m. § 5 Abs. 1 BMV bzw. § 9 EKV, beschränkt auf die Leistungspositionen 1, 2, 10, 17, 18 25, 26 und 60 sowie Pos. 5 des EBM 1996 zu erteilen.
Die Beklagten und die Beigeladenen beantragen,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung berufen sie sich auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.
Mit Beschluss vom 09.05.1996 sind die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist im Hilfsantrag begründet, im Hauptantrag dagegen unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zulassung nach Nr. 24 der Bedarfsplanungsrichtlinie, da die dort genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ist er jedoch gemäß § 31 Abs. 2 und 9 Ärzte-ZV i. V. m. § 5 Abs. 1 Bundesmantelvertrag und § 9 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Erstatzkassen für die beantragten Leistungen zu ermächtigen.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung nach Nr. 24 der Bedarfsplanungsrichtlinie liegen nicht vor. Nr. 24 b der Richtlinie setzt einen besonderen Versorgungsbedarf voraus, wie er durch den Inhalt des Schwerpunktes einer fakultativen Weiterbildung oder einer besonderen Fachkunde für das Facharztgebiet nach der Weiterbildungsordnung umschrieben ist. Diese Voraussetzung ist bei der Zusatzbezeichnung Homöopathie nicht erfüllt, was der Beklagte zu 1. bereits zutreffend dargelegt hat.
Aber auch die Voraussetzungen der Nr. 24 a der Richtlinie liegen nicht vor. Danach ist ein lokaler Versorgungsbedarf in Teilen eines großstädtischen Planungsbereiches oder eines großräumigen Landkreises erforderlich. Diese Ausnahmevorschrift knüpft an besondere räumliche Verhältnisse an. Sie setzt voraus, daß in einer größeren Planungseinheit ein örtlich begrenzter Versorgungsbedarf besteht, wie dies etwa bei schlechter oder fehlender Verkehrsanbindung gegeben sein kann. Solche besonderen räumlichen Verhältnisse liegen hier nicht vor. A-Stadt weist eine gute Verkehrsanbindung jedenfalls zum nur 14 km entfernten E-Stadt auf. Daß hier ein räumlich begrenzter Versorgungsbedarf gegeben wäre, ist nicht ersichtlich.
Zu bejahen sind demgegenüber die Voraussetzungen für eine Sicherstellungsermächtigung durch die Beklagte zu 2.
Auf der Rechtsgrundlage des § 31 Abs. 2 Ärzte-ZV haben die Vertragspartner in § 5 Abs. 1 Bundesmantelvertrag und § 9 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen vereinbart, daß die kassenärztlichen Vereinigungen im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen geeignete Ärzte zur Durchführung bestimmter, in einem Leistungskatalog definierter Leistungen ermächtigen können, wenn dies zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung erforderlich ist.
Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Zwar ist der Bedarf an homöopathischen Leistungen wegen fehlender Verhältniszahlen nur schwer objektivierbar. Ein wichtiges Indiz ergibt sich jedoch aus den für die Versicherten bestehenden Wartezeiten. Hierzu teilte der in E-Stadt homöopathisch tätige Dr. F. mit, daß in •seiner Praxis für chronisch Kranke eine Wartezeit von 3-4 Monaten bestehe. Aus dieser langen Wartezeit ist zu schließen, daß eine erhebliche Nachfrage nach homöopathischen Leistungen besteht, die durch die Vertragsärzte nicht befriedigt werden kann. Es ist dabei zu berücksichtigen, daß der zweite in E-Stadt tätige Homöopath, Dr. G., ausdrücklich mitgeteilt hat, mit seinem bisherigen Praxisumfang völlig ausgelastet zu sein. Eine weitere homöopathische Praxis findet sich erst wieder in D-Stadt, das nach den gegebenen Verkehrsströmen ein anderes Einzugsgebiet versorgt. Schließlich ergibt sich ein Ausgleich auch dann nicht, wenn - entsprechend der Ankündigung von Dr. F. im Schreiben vom 12.06.1995 - sein Partner in der Gemeinschaftspraxis inzwischen die Zusatzbezeichnung Homöopathie ebenfalls führt. Denn auch die sich dann ergebende Wartezeit von 6-8 Wochen wäre unzumutbar lang.
Auch das Alter des Klägers steht einer Ermächtigung nicht entgegen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Altersgrenze des § 31 Abs. 9 Ärzte-ZV auch für die hier streitige Ermächtigung gilt, die anders als dies § 31 Abs. 9 Satz 2 Ärzte-ZV anscheinend voraussetzt nicht von den Zulassungsgremien erteilt wird. Denn jedenfalls wäre die Ermächtigung zur Vermeidung einer unbilligen Härte erforderlich.
Bei der Auslegung des Begriffes der unbilligen Härte ist der Gesamtzusammenhang und der Zweck der Vorschrift zu berücksichtigen. Dabei ist davon auszugehen, daß mit der Einführung der Altersgrenze von 55 Jahren für die Ermächtigung ebenso wie im Falle der Altersgrenze für die vertragsärztliche Zulassung in § 25 Ärzte-ZV primär solche Ärzte ausgeschlossen werden sollten, die ein abgeschlossenes Berufsleben hinter sich haben und deshalb auf eine vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr angewiesen sind. Unter die Härteregelung fallen daher vor allem solche Ärzte, die aus wirtschaftlichen Gründen weiterhin zwingend auf eine Erwerbstätigkeit angewiesen sind (s. hierzu BSG vom 24.11.1993 - 6 Rka 36/92).
Diese Situation ist beim Kläger gegeben. Der Kläger ist in seinem bisherigen Erwerbsleben überwiegend in freier Praxis tätig gewesen. Er hat hieraus gegenüber der Bayrischen Ärzteversorgung einen Ruhegeldanspruch in Höhe von zuletzt 1.440 DM erworben. Über eine anderweitige Altersversorgung verfügt er nach seinen glaubhaften Angaben nicht. Auch soweit man einen Unterhaltsanspruch gegenüber seiner jetzigen Ehefrau annehmen wollte, ist zu sehen, daß diese ihrerseits über keine laufenden Einkünfte verfügt. An Vermögen ist lediglich das in A-Stadt gelegene Hausgrundstück vorhanden, dessen Verwertung der Kammer jedoch nicht zumutbar erscheint. In der Gesamtwürdigung der vorliegenden Umstände stellte die Versagung der Ermächtigung allein aufgrund des Alters des Klägers daher eine unbillige Härte dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
2. Die Beklagte zu 2. hat dem Kläger 2/3 seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Zulassung bzw. Ermächtigung zur TeiInahme an der vertragsärztlichen Versorgung.
Der 1929 geborene Kläger ist praktischer Arzt mit den Zusatzbezeichnungen Naturheilverfahren und Homöopathie. Seit 1985 war er in C-Stadt, Rheinland Pfalz, zugelassen und führte dort eine homöopathische Praxis. Mit Schreiben vom 27.09.1993, 13.11.1993 und 08.12.1993 teilte er mit, daß er seine Praxis wegen beginnender Straßenbaumaßnahmen in den bisherigen Räumen nicht fortführen könne. Er beabsichtige daher eine Praxisverlegung. Die neue Praxis wolle er aus familiären Gründen in A-Stadt, Kreis Darmstadt-Dieburg, errichten. Im Hinblick auf die dort•bestehende Zulassungssperre beantrage er eine Ausnahmegenehmigung nach Abschnitt 5, Nr. 24 b der Bedarfsplanungsrichtlinie vom 09.03.1993. Im Bereich Darmstadt-Dieburg sei kein homöopathischer Arzt tätig, so daß ein lokaler Bedarf für die von ihm beabsichtigte Praxis bestehe.
Mit Beschluss vom 14.12.1993 erteilte der Zulassungsausschuß dem Kläger eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung nach Nr. 24 b der Bedarfsplanungsrichtlinie ausschließlich im Rahmen der klassischen Homöopathie.
Hiergegen legte die Beklagte zu 2. Widerspruch ein, mit dem sie im wesentlichen geltend machte, daß ein Sonderbedarf nicht bestehe. in E-Stadt seien drei Arzte mit der Zusatzbezeichnung Homöopathie tätig sowie eine weitere Ärztin, die zwar die Zusatzbezeichnung nicht führe, sich aber dennoch überwiegend mit dieser Behandlungsmethode befasse. Auch in D-Stadt sei ein weiterer Arzt mit den Zusatzbezeichnungen Homöopathie und Naturheilverfahren niedergelassen. In A-Stadt und den umliegenden Gemeinden seien insgesamt 22 Allgemeinärzte oder praktische Ärzte zugelassen, von denen 13 Vertragsärzte die Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren führten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.1994, dem Kläger zugestellt am 30.06.1994 hob der Beklagte zu 1. den Beschluss des Zulassungsausschusses auf und wies den Zulassungsantrag des Klägers zurück. Auf den Inhalt dieses Beschlusses wird Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 27.07.1994, bei Gericht eingegangen am 21.07.1994, erhob der Kläger Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 18.05.1994, die unter dem Aktenzeichen S 28/Ka-2592/94 eingetragen wurde.
Mit Schreiben vom 16.05.1995 beantragte der Kläger bei der Beklagten zu 2. die Erteilung einer Ermächtigung gemäß § 31 Abs. 2 und 9 Ärzte-ZV zur Durchführung homöopathischer Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung. Mit Bescheid vom 22.09.1995 wurde der Antrag im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, daß die beantragten Leistungen in ausreichendem Maße von niedergelassenen Vertragsärzten erbracht würden. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheid vom 21.12.1995, dem Kläger zugestellt am 03.01.1996 zurückgewiesen. Nach den Ermittlungen der Bezirksstelle E-Stadt stünden genügend Vertragsärzte zur Verfügung, die homöopathische Leistungen erbrachten. Zwar sei richtig, daß im Planungsbereich Darmstadt-Dieburg kein Arzt mit der Zusatzbezeichnung Homöopathie niedergelassen sei. Allerdings ständen im E-Stadt zwei Ärzte zur Verfügung, die die Zusatzbezeichnung Homöopathie führten. Ferner sei in D-Stadt ein Arzt niedergelassen, der diese Zusatzbezeichnung ebenfalls führe. Angesichts der bestehenden guten Verkehrsverbindungen und der geringen Entfernung nach E-Stadt sei es Patienten aus dem Planungsbereich Darmstadt-Dieburg durchaus zumutbar, die homöopathisch tätigen Ärzte in E-Stadt aufzusuchen. Eine Sicherstellungsproblematik bestehe deshalb nicht. Außerdem befinde sich in D-Stadt ein weiterer homöopathisch tätiger Arzt, der ebenfalls aufgesucht werden könne.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger mit Schriftsatz vom 08.01.1996, bei Gericht eingegangen am 10.01.1996, Klage erhoben (S-5/Ka-156/96).
Mit den Klagen begehrt der Kläger alternativ eine Bedarfszulassung oder eine Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung.
Zur Begründung beruft er sich maßgeblich darauf, daß in A-Stadt ein lokaler Sonderbedarf für homöopathische Leistungen vorliege. Soweit die Beklagte auf die in E-Stadt und D-Stadt praktizierenden Ärzte verweise, hatten Recherchen ergeben, daß bei diesen Ärzten zum Teil Wartezeiten von einigen Monaten beständen. Zudem sei zu berücksichtigen, daß E Stadt selbst bereits knapp 140.000 Einwohner aufweise. Eine Mitversorgung der Versicherten aus A-Stadt sei durch die genannten Vertragsärzte wohl nicht mehr gewährleistet.
Das Alter des Klägers stände einer Zulassung nicht entgegen. Zwar habe er die Altersgrenze des § 25 Ärzte-ZV überschritten, doch liege ein Härtefall vor, da der Kläger auf eine vertragsärztliche Tätigkeit wirtschaftlich angewiesen sei. Bei festen Ausgaben von 5.000 DM erhalte er an laufenden Einnahmen 1.443 DM aus der Bayrischen Ärzteversorgung, ca. 3.500 DM aus privatärztlicher Tätigkeit sowie ca. 200 DM aus gelegentlichen Vertretungen. Den Erlös aus dem Praxisverkauf in C-Stadt in Höhe von 80.000 DM habe er überwiegend zur Tilgung bestehender Schulden verwenden müssen. Der verbleibende Teil, den er im Schriftsatz vom 03.03.1995 noch mit einem Festgeldguthaben von 30.000 DM angegeben habe, sei zwischenzeitlich aufgebraucht. Da die Einnahmen gerade die laufenden Ausgaben deckten, sei der verbliebene Betrag zur Deckung des Lebensunterhaltes des Klägers selbst und seiner Familie, zu der auch ein 14 jähriger Sohn gehöre, verbraucht worden. Seiner Ehefrau gehöre das Grundstück, auf dem zwischenzeitlich das Wohn- und Praxisgebäude weitgehend fertiggestellt worden sei. Sie verfüge jedoch über kein weiteres Vermögen und über keine eigenen Einkünfte. Sie arbeite in der Praxis mit. Ihre Bemühungen, eine anderweitige Arbeitsstelle zu erhalten, seien gescheitert. Sie habe nun ein Aufbaustudium begonnen, um ihre Stellenaussichten zu verbessern.
Der Kläger beantragt,
den Widerspruchsbescheid des Beklagten zu 1. vom 18.05.1994 aufzuheben und den Beklagten zu 1. zu verpflichten, dem Kläger eine Zulassung nach Pos. 24 der Bedarfsplanungsrichtlinie zu erteilen,
hilfsweise,
unter Aufhebung des Bescheides vom 22.09.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.1995 die Beklagte zu 2. zu verurteilen, dem Kläger eine Sicherstellungsermächtigung gemäß § 31 Abs. 2 Ärzte-ZV i. V. m. § 5 Abs. 1 BMV bzw. § 9 EKV, beschränkt auf die Leistungspositionen 1, 2, 10, 17, 18 25, 26 und 60 sowie Pos. 5 des EBM 1996 zu erteilen.
Die Beklagten und die Beigeladenen beantragen,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung berufen sie sich auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.
Mit Beschluss vom 09.05.1996 sind die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist im Hilfsantrag begründet, im Hauptantrag dagegen unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zulassung nach Nr. 24 der Bedarfsplanungsrichtlinie, da die dort genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ist er jedoch gemäß § 31 Abs. 2 und 9 Ärzte-ZV i. V. m. § 5 Abs. 1 Bundesmantelvertrag und § 9 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Erstatzkassen für die beantragten Leistungen zu ermächtigen.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung nach Nr. 24 der Bedarfsplanungsrichtlinie liegen nicht vor. Nr. 24 b der Richtlinie setzt einen besonderen Versorgungsbedarf voraus, wie er durch den Inhalt des Schwerpunktes einer fakultativen Weiterbildung oder einer besonderen Fachkunde für das Facharztgebiet nach der Weiterbildungsordnung umschrieben ist. Diese Voraussetzung ist bei der Zusatzbezeichnung Homöopathie nicht erfüllt, was der Beklagte zu 1. bereits zutreffend dargelegt hat.
Aber auch die Voraussetzungen der Nr. 24 a der Richtlinie liegen nicht vor. Danach ist ein lokaler Versorgungsbedarf in Teilen eines großstädtischen Planungsbereiches oder eines großräumigen Landkreises erforderlich. Diese Ausnahmevorschrift knüpft an besondere räumliche Verhältnisse an. Sie setzt voraus, daß in einer größeren Planungseinheit ein örtlich begrenzter Versorgungsbedarf besteht, wie dies etwa bei schlechter oder fehlender Verkehrsanbindung gegeben sein kann. Solche besonderen räumlichen Verhältnisse liegen hier nicht vor. A-Stadt weist eine gute Verkehrsanbindung jedenfalls zum nur 14 km entfernten E-Stadt auf. Daß hier ein räumlich begrenzter Versorgungsbedarf gegeben wäre, ist nicht ersichtlich.
Zu bejahen sind demgegenüber die Voraussetzungen für eine Sicherstellungsermächtigung durch die Beklagte zu 2.
Auf der Rechtsgrundlage des § 31 Abs. 2 Ärzte-ZV haben die Vertragspartner in § 5 Abs. 1 Bundesmantelvertrag und § 9 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen vereinbart, daß die kassenärztlichen Vereinigungen im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen geeignete Ärzte zur Durchführung bestimmter, in einem Leistungskatalog definierter Leistungen ermächtigen können, wenn dies zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung erforderlich ist.
Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Zwar ist der Bedarf an homöopathischen Leistungen wegen fehlender Verhältniszahlen nur schwer objektivierbar. Ein wichtiges Indiz ergibt sich jedoch aus den für die Versicherten bestehenden Wartezeiten. Hierzu teilte der in E-Stadt homöopathisch tätige Dr. F. mit, daß in •seiner Praxis für chronisch Kranke eine Wartezeit von 3-4 Monaten bestehe. Aus dieser langen Wartezeit ist zu schließen, daß eine erhebliche Nachfrage nach homöopathischen Leistungen besteht, die durch die Vertragsärzte nicht befriedigt werden kann. Es ist dabei zu berücksichtigen, daß der zweite in E-Stadt tätige Homöopath, Dr. G., ausdrücklich mitgeteilt hat, mit seinem bisherigen Praxisumfang völlig ausgelastet zu sein. Eine weitere homöopathische Praxis findet sich erst wieder in D-Stadt, das nach den gegebenen Verkehrsströmen ein anderes Einzugsgebiet versorgt. Schließlich ergibt sich ein Ausgleich auch dann nicht, wenn - entsprechend der Ankündigung von Dr. F. im Schreiben vom 12.06.1995 - sein Partner in der Gemeinschaftspraxis inzwischen die Zusatzbezeichnung Homöopathie ebenfalls führt. Denn auch die sich dann ergebende Wartezeit von 6-8 Wochen wäre unzumutbar lang.
Auch das Alter des Klägers steht einer Ermächtigung nicht entgegen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Altersgrenze des § 31 Abs. 9 Ärzte-ZV auch für die hier streitige Ermächtigung gilt, die anders als dies § 31 Abs. 9 Satz 2 Ärzte-ZV anscheinend voraussetzt nicht von den Zulassungsgremien erteilt wird. Denn jedenfalls wäre die Ermächtigung zur Vermeidung einer unbilligen Härte erforderlich.
Bei der Auslegung des Begriffes der unbilligen Härte ist der Gesamtzusammenhang und der Zweck der Vorschrift zu berücksichtigen. Dabei ist davon auszugehen, daß mit der Einführung der Altersgrenze von 55 Jahren für die Ermächtigung ebenso wie im Falle der Altersgrenze für die vertragsärztliche Zulassung in § 25 Ärzte-ZV primär solche Ärzte ausgeschlossen werden sollten, die ein abgeschlossenes Berufsleben hinter sich haben und deshalb auf eine vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr angewiesen sind. Unter die Härteregelung fallen daher vor allem solche Ärzte, die aus wirtschaftlichen Gründen weiterhin zwingend auf eine Erwerbstätigkeit angewiesen sind (s. hierzu BSG vom 24.11.1993 - 6 Rka 36/92).
Diese Situation ist beim Kläger gegeben. Der Kläger ist in seinem bisherigen Erwerbsleben überwiegend in freier Praxis tätig gewesen. Er hat hieraus gegenüber der Bayrischen Ärzteversorgung einen Ruhegeldanspruch in Höhe von zuletzt 1.440 DM erworben. Über eine anderweitige Altersversorgung verfügt er nach seinen glaubhaften Angaben nicht. Auch soweit man einen Unterhaltsanspruch gegenüber seiner jetzigen Ehefrau annehmen wollte, ist zu sehen, daß diese ihrerseits über keine laufenden Einkünfte verfügt. An Vermögen ist lediglich das in A-Stadt gelegene Hausgrundstück vorhanden, dessen Verwertung der Kammer jedoch nicht zumutbar erscheint. In der Gesamtwürdigung der vorliegenden Umstände stellte die Versagung der Ermächtigung allein aufgrund des Alters des Klägers daher eine unbillige Härte dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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