Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 41 KR 7214/11
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 1093/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 18. Juni 2012 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Klageverfahrens und des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zur Erstattung von Behandlungskosten verpflichtet ist.
Die 1925 geborene Mutter der Klägerin (nachfolgend Versicherte), die mit ihr nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebte, war bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie hatte das Kostenerstattungsverfahren gewählt und nahm in der Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 12. Januar 2011 Leistungen verschiedener Ärzte und sonstiger Leistungserbringer in Anspruch; insgesamt fielen Kosten in Höhe von 3.147,61 EUR an. Die Versicherte verstarb am 12. Januar 2011.
Die Klägerin reichte am 7. Februar 2011 bei der Beklagten die vorliegenden Kostenbelege aus der Zeit vom 1. Januar 2010 bis 12. Januar 2011 ein. Mit Bescheid vom 11. März 2011 lehnte diese eine Kostenerstattung ab, da Ansprüche auf Geldleistungen nicht mehr bestünden. Sie könnten zwar vererbt werden. Voraussetzung sei aber, dass diese zu Lebzeiten des Berechtigten bereits festgestellt waren oder ein Verwaltungsverfahren anhängig war. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit am 23. September 2011 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2011 zurück.
Das Sozialgericht hat die am 20. Oktober 2011 erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 18. Juni 2012 abgewiesen. Die Klägerin sei nicht Sonderrechtsnachfolgerin der Versicherten, da sie nicht in einem gemeinsamen Haushalt mit ihr gelebt habe. Es finde daher § 59 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) Anwendung, der in Satz 2 bestimme, dass Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist. So liege der Fall hier. Durch die Wahl des Kostenerstattungsverfahrens bestehe gegen die Beklagte kein Sachleistungs-, sondern lediglich ein Geldleistungsanspruch, der von § 59 Satz 2 SGB I erfasst werde.
Im Berufungsverfahren macht die Klägerin geltend, es handle sich nicht um einen Anspruch auf Geldleistung. Mit der Wahlmöglichkeit der Versicherten, die Kostenerstattung zu wählen, werde nicht das Prinzip der Sach- und Dienstleistung, sondern lediglich der Abrechnungsweg modifiziert. Sollte eine Anwendbarkeit des § 59 Satz 2 SGB I angenommen werden, bestünde eine Pflicht der Beklagten, ihr Mitglied entsprechend zu informieren. Dies habe diese nicht getan, weswegen ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegeben sei. Es sei zu berücksichtigen, dass es der Versicherten aus gesundheitlichen Gründen praktische nicht möglich gewesen sei, rechtzeitig die Kostenerstattung zu beantragen. Hieraus folge ein unkalkulierbares Kostenrisiko, das vom Gesetzgeber so nicht angestrebt sein könne.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 18. Juni 2012 sowie den Bescheid vom 11. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juli 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 3.147,61 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach ihrer Ansicht ist die Entscheidung des Sozialgerichts nicht zu beanstanden. Zwar könne der ursprüngliche Bescheid hinsichtlich der Wahl des Kostenerstattungsverfahrens nicht mehr vorgelegt werden, es sei jedoch kein Grund ersichtlich, warum hier nicht die Vorschrift des § 59 Satz 2 SGB I zur Anwendung kommen solle.
Der Senat hat durch seinen Berichterstatter am 20. Januar 2014 einen Erörterungstermin durchgeführt. Zum genauen Inhalt wird auf die Sitzungsniederschrift (Blatt 54 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen. Hier haben die Beteiligten ihr Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der geheimen Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund des ausdrücklich erklärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe von 3.147,61 EUR hat. Der Anspruch ist mit dem Tod der Versicherten erloschen und nicht auf die Klägerin übergegangen.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) erhalten die Versicherten die Leistungen grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen. Sie können jedoch nach § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V anstelle der Sach- und Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Die Möglichkeit, Kostenerstattung allgemein zu wählen, wurde ab 1. Juli 1997 auf alle Versicherten ausgedehnt, zuvor galt dies nur für freiwillig Versicherte (vgl. zur Rechtsentwicklung Brandts in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Oktober 2012, § 13 SGB V Rn. 11 ff.). Hierdurch sollte das Prinzip der Eigenverantwortung gestärkt werden. Dies entsprach der Vorstellung vom mündigen Bürger, der selbst entscheidet, was für ihn zweckmäßig ist (vgl. BT-Drucks. 13/6087, S. 20). Nachdem zum 1. Januar 1999 die alte Rechtslage zunächst wiederhergestellt worden war, erfolgte zum 1. Januar 2004 erneut die Ausdehnung der Möglichkeit zur Kostenerstattung auf alle Versicherten, die bis heute gilt. Dies geschah ebenfalls mit der Intention, Eigenverantwortung und Kostenbewusstsein der Versicherten zu stärken (vgl. BT-Drucks. 15/1525, S. 80).
Der Versicherte, der das Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs. 2 SGB V wählt, verschafft sich die Leistung durch Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages mit dem Leistungserbringer (vgl. Brandts in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Oktober 2012, § 13 SGB V Rn. 16). Sie bleibt zwar nach Art und Umfang mit der Sachleistung verknüpft, der eigentliche Sachleistungsanspruch geht jedoch insoweit unter (vgl. Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Stand September 2013, § 13 SGB V Rn. 9). Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich nicht um eine reine Abrechnungsmodalität, sondern es entsteht - wie bereits der eindeutige Wortlaut des § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V zeigt - "anstelle der Sach- oder Dienstleistungen" ein Kostenerstattungsanspruch, der den Geldleistungen zuzurechnen ist (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Oktober 2012, § 58 SGB I Rn. 6).
Ob der Versicherten ein Kostenerstattungsanspruch in der geltend gemachten Höhe zustand, kann der Senat offen lassen, denn selbst dann wäre der Anspruch nicht auf die Klägerin übergegangen sondern mit dem Tod der Versicherten erloschen. Er konnte nicht nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I auf die Klägerin übergehen, weil sie nicht Sonderrechtsnachfolgerin der Versicherten ist. Hiernach können fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tode des Berechtigten den Kindern zustehen, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Die Klägerin lebte mit der Versicherten nicht in einem gemeinsamen Haushalt und es gibt keine Anhaltspunkte, dass sie von ihr wesentlich unterhalten wurde.
Der Anspruch ist auch nicht an sie vererbt worden. Nach § 58 Satz 1 SGB I werden fällige Ansprüche auf Geldleistungen, soweit sie nicht nach den §§ 56 und 57 SGB I einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vererbt. Grundsätzlich vererbbar sind auch Ansprüche auf Kostenerstattung (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Oktober 2012, § 58 SGB I Rn. 6). Ein Übergang durch Erbfall auf die Klägerin nach § 1922 Abs. 1 BGB ist jedoch durch § 59 Satz 2 SGB I ausgeschlossen, weil der Anspruch mit dem Tod der Versicherten erloschen ist. Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen erlöschen mit dem Tod des Berechtigten (§ 59 Satz 1 SGB I). Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist (§ 59 Satz 2 SGB I). Die Voraussetzungen des § 59 Satz 2 SGB I sind erfüllt. Der Kostenerstattungsanspruch der Versicherten nach § 13 Abs. 2 SGB V ist - wie bereits dargelegt - ein Anspruch auf Geldleistung. Er wurde hinsichtlich des Zeitraums 1. Januar 2010 bis 12. Januar 2011 erst am 7. Februar 2011 gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Er war damit zum Zeitpunkt des Todes der Versicherten weder festgestellt noch war ein Verwaltungsverfahren anhängig.
Der Senat sieht keinen Anlass für eine einschränkende Auslegung des § 59 Satz 2 SGB I im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch des § 13 Abs. 2 SGB V. Zwar können praktische Probleme dann auftreten, wenn es der Versicherten aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, rechtzeitig die Kostenerstattung zu beantragen. Das eine solche Situation hier gegeben war, ist jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr wurden die Rechnungen gesammelt, um sie zusammen bei der Beklagten einzureichen. Selbst wenn der Versicherte selbst nicht mehr in der Lage ist, kann die Krankenkasse auch durch andere Personen wie z.B. Verwandte oder die behandelnden Ärzte in Kenntnis gesetzt werden, so dass zumindest ein Verwaltungsverfahren anhängig wird. Geschieht dies nicht, besteht ein Kostenrisiko, allerdings nur für die Erben, nicht für die Versicherten. Weder § 13 Abs. 2 SGB V noch § 59 Satz 2 SGB I dienen dem Erbenschutz.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf einen sozialrechtlicher Herstellungsanspruch berufen. Dieser setzt voraus, dass ein Sozialleistungsträger seine gegenüber einem Berechtigten obliegende Nebenpflicht aus dem Sozialversicherungsverhältnis verletzt, dem Berechtigten ein unmittelbarer (sozialrechtlicher) Nachteil entsteht und zwischen der Pflichtverletzung und dem Nachteil ein Ursachenzusammenhang vorliegt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19. Dezember 2013 - Az.: B 2 U 17/12 R, nach juris Rn. 37 m.w.N.). Im Rahmen des § 59 Satz 2 SGB I kann ein Unterlassen oder eine Fehlberatung des Leistungsträgers die tatbestandlichen Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erfüllen. Hiermit kann das Erlöschen des Anspruch und die damit bewirkte Benachteiligung des Rechtsnachfolgers dergestalt ausgeglichen werden, dass dieser so gestellt wird, als ob ein Verwaltungsverfahren anhängig gewesen wäre, so dass der Rechtsnachfolger das Verfahren weiter betreiben kann (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Oktober 2012, § 58 SGB I Rn. 13a m.w.N.). Die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sind nicht erfüllt, denn eine Nebenpflichtverletzung der Beklagten im Sinne einer Nicht- oder Falschberatung ist nicht festzustellen. Es bestehen keine Anhaltpunkte, dass sie eine gegenüber der Klägerin bestehende Beratungspflicht verletzt hat. Ob sich diese auf eine eventuelle Nicht- oder Falschberatung der Beklagten gegenüber der Versicherten berufen kann, ist zweifelhaft. Der Senat kann dies aber offen lassen, denn auch insoweit ist eine Pflichtverletzung durch eine unterlassene oder fehlerhafte Beratung der Versicherten durch die Beklagte bei Ausübung des Wahlrechts hinsichtlich des Kostenerstattungsverfahrens feststellbar. § 13 Abs. 2 SGB V sah bis zum 31. März 2007 in Satz 2 vor, dass die Versicherten von ihrer Krankenkasse vor ihrer Wahl zu beraten sind. Diese sollte geschehen, um Versicherte vor voreiligen Entscheidungen zu bewahren (vgl. BT-Drucks. 15/1525, S. 80). Zum 1. April 2007 entfiel diese gesonderte Beratungsverpflichtung, die entsprechenden Informationen sollten den allgemeinen Auskunfts- und Beratungspflichten der gesetzlichen Krankenkassen nach den §§ 13 bis 15 SGB I vorbehalten bleiben (vgl. BT-Drucks. 16/3100, S. 97). Ob eine solche Beratung erfolgt ist und dabei die Frage des Schicksals von Ansprüchen im Todesfall erörtert wurde, ist nicht mehr feststellbar. Allein die unbewiesene Behauptung, die Versicherte hätte bei Hinweis auf § 59 Satz 2 SGB I das Kostenerstattungsverfahren nicht gewählt, genügt nicht. Schon der ursprüngliche Bescheid hinsichtlich der Wahl des Kostenerstattungsverfahrens konnte nicht beigebracht werden. Sonstige Hinweise über Art und Umfang einer Beratung der Versicherten sind nicht mehr auffindbar. Im Übrigen ist auch zu berücksichtigen, dass eine solche Beratung nicht dokumentiert werden musste. Dass ein Beratungsfehler nicht mehr nachzuweisen ist, geht zu Lasten der Klägerin.
Es ist auch keine Verletzung einer von Amts wegen bestehenden Beratungspflicht (Spontanberatung) nach der Ausübung des Wahlrechts und insbesondere unmittelbar vor Ableben der Versicherten feststellbar. Grundsätzlich ist ein Leistungsträger nicht verpflichtet, von Amts wegen eine Beratung in die Wege zu leiten, eine Spontanberatung kommt nur bei konkretem Anlass und im Hinblick auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Oktober 2012, § 14 SGB I Rn. 16.). Denkbar wäre eine solche Beratungspflicht, wenn die Beklagte erkannt hätte, dass es der Versicherten aus gesundheitlichen Gründen in Kürze nicht mehr möglich sein wird, rechtzeitig die noch ausstehenden Abrechnungen einzureichen. Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Kostenentscheidung der Vorinstanz war abzuändern, da bereits im Klageverfahren eine Entscheidung nach § 197a SGG zu treffen war. Weder Klägerin noch Beklagte gehören zu den in § 183 SGG genannten Personen. Die Klägerin ist weder als Versicherte noch als Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 SGB I am Verfahren beteiligt.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zur Erstattung von Behandlungskosten verpflichtet ist.
Die 1925 geborene Mutter der Klägerin (nachfolgend Versicherte), die mit ihr nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebte, war bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie hatte das Kostenerstattungsverfahren gewählt und nahm in der Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 12. Januar 2011 Leistungen verschiedener Ärzte und sonstiger Leistungserbringer in Anspruch; insgesamt fielen Kosten in Höhe von 3.147,61 EUR an. Die Versicherte verstarb am 12. Januar 2011.
Die Klägerin reichte am 7. Februar 2011 bei der Beklagten die vorliegenden Kostenbelege aus der Zeit vom 1. Januar 2010 bis 12. Januar 2011 ein. Mit Bescheid vom 11. März 2011 lehnte diese eine Kostenerstattung ab, da Ansprüche auf Geldleistungen nicht mehr bestünden. Sie könnten zwar vererbt werden. Voraussetzung sei aber, dass diese zu Lebzeiten des Berechtigten bereits festgestellt waren oder ein Verwaltungsverfahren anhängig war. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit am 23. September 2011 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2011 zurück.
Das Sozialgericht hat die am 20. Oktober 2011 erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 18. Juni 2012 abgewiesen. Die Klägerin sei nicht Sonderrechtsnachfolgerin der Versicherten, da sie nicht in einem gemeinsamen Haushalt mit ihr gelebt habe. Es finde daher § 59 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) Anwendung, der in Satz 2 bestimme, dass Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist. So liege der Fall hier. Durch die Wahl des Kostenerstattungsverfahrens bestehe gegen die Beklagte kein Sachleistungs-, sondern lediglich ein Geldleistungsanspruch, der von § 59 Satz 2 SGB I erfasst werde.
Im Berufungsverfahren macht die Klägerin geltend, es handle sich nicht um einen Anspruch auf Geldleistung. Mit der Wahlmöglichkeit der Versicherten, die Kostenerstattung zu wählen, werde nicht das Prinzip der Sach- und Dienstleistung, sondern lediglich der Abrechnungsweg modifiziert. Sollte eine Anwendbarkeit des § 59 Satz 2 SGB I angenommen werden, bestünde eine Pflicht der Beklagten, ihr Mitglied entsprechend zu informieren. Dies habe diese nicht getan, weswegen ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegeben sei. Es sei zu berücksichtigen, dass es der Versicherten aus gesundheitlichen Gründen praktische nicht möglich gewesen sei, rechtzeitig die Kostenerstattung zu beantragen. Hieraus folge ein unkalkulierbares Kostenrisiko, das vom Gesetzgeber so nicht angestrebt sein könne.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 18. Juni 2012 sowie den Bescheid vom 11. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juli 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 3.147,61 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach ihrer Ansicht ist die Entscheidung des Sozialgerichts nicht zu beanstanden. Zwar könne der ursprüngliche Bescheid hinsichtlich der Wahl des Kostenerstattungsverfahrens nicht mehr vorgelegt werden, es sei jedoch kein Grund ersichtlich, warum hier nicht die Vorschrift des § 59 Satz 2 SGB I zur Anwendung kommen solle.
Der Senat hat durch seinen Berichterstatter am 20. Januar 2014 einen Erörterungstermin durchgeführt. Zum genauen Inhalt wird auf die Sitzungsniederschrift (Blatt 54 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen. Hier haben die Beteiligten ihr Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der geheimen Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund des ausdrücklich erklärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe von 3.147,61 EUR hat. Der Anspruch ist mit dem Tod der Versicherten erloschen und nicht auf die Klägerin übergegangen.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) erhalten die Versicherten die Leistungen grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen. Sie können jedoch nach § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V anstelle der Sach- und Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Die Möglichkeit, Kostenerstattung allgemein zu wählen, wurde ab 1. Juli 1997 auf alle Versicherten ausgedehnt, zuvor galt dies nur für freiwillig Versicherte (vgl. zur Rechtsentwicklung Brandts in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Oktober 2012, § 13 SGB V Rn. 11 ff.). Hierdurch sollte das Prinzip der Eigenverantwortung gestärkt werden. Dies entsprach der Vorstellung vom mündigen Bürger, der selbst entscheidet, was für ihn zweckmäßig ist (vgl. BT-Drucks. 13/6087, S. 20). Nachdem zum 1. Januar 1999 die alte Rechtslage zunächst wiederhergestellt worden war, erfolgte zum 1. Januar 2004 erneut die Ausdehnung der Möglichkeit zur Kostenerstattung auf alle Versicherten, die bis heute gilt. Dies geschah ebenfalls mit der Intention, Eigenverantwortung und Kostenbewusstsein der Versicherten zu stärken (vgl. BT-Drucks. 15/1525, S. 80).
Der Versicherte, der das Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs. 2 SGB V wählt, verschafft sich die Leistung durch Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages mit dem Leistungserbringer (vgl. Brandts in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Oktober 2012, § 13 SGB V Rn. 16). Sie bleibt zwar nach Art und Umfang mit der Sachleistung verknüpft, der eigentliche Sachleistungsanspruch geht jedoch insoweit unter (vgl. Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Stand September 2013, § 13 SGB V Rn. 9). Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich nicht um eine reine Abrechnungsmodalität, sondern es entsteht - wie bereits der eindeutige Wortlaut des § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V zeigt - "anstelle der Sach- oder Dienstleistungen" ein Kostenerstattungsanspruch, der den Geldleistungen zuzurechnen ist (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Oktober 2012, § 58 SGB I Rn. 6).
Ob der Versicherten ein Kostenerstattungsanspruch in der geltend gemachten Höhe zustand, kann der Senat offen lassen, denn selbst dann wäre der Anspruch nicht auf die Klägerin übergegangen sondern mit dem Tod der Versicherten erloschen. Er konnte nicht nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I auf die Klägerin übergehen, weil sie nicht Sonderrechtsnachfolgerin der Versicherten ist. Hiernach können fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tode des Berechtigten den Kindern zustehen, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Die Klägerin lebte mit der Versicherten nicht in einem gemeinsamen Haushalt und es gibt keine Anhaltspunkte, dass sie von ihr wesentlich unterhalten wurde.
Der Anspruch ist auch nicht an sie vererbt worden. Nach § 58 Satz 1 SGB I werden fällige Ansprüche auf Geldleistungen, soweit sie nicht nach den §§ 56 und 57 SGB I einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vererbt. Grundsätzlich vererbbar sind auch Ansprüche auf Kostenerstattung (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Oktober 2012, § 58 SGB I Rn. 6). Ein Übergang durch Erbfall auf die Klägerin nach § 1922 Abs. 1 BGB ist jedoch durch § 59 Satz 2 SGB I ausgeschlossen, weil der Anspruch mit dem Tod der Versicherten erloschen ist. Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen erlöschen mit dem Tod des Berechtigten (§ 59 Satz 1 SGB I). Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist (§ 59 Satz 2 SGB I). Die Voraussetzungen des § 59 Satz 2 SGB I sind erfüllt. Der Kostenerstattungsanspruch der Versicherten nach § 13 Abs. 2 SGB V ist - wie bereits dargelegt - ein Anspruch auf Geldleistung. Er wurde hinsichtlich des Zeitraums 1. Januar 2010 bis 12. Januar 2011 erst am 7. Februar 2011 gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Er war damit zum Zeitpunkt des Todes der Versicherten weder festgestellt noch war ein Verwaltungsverfahren anhängig.
Der Senat sieht keinen Anlass für eine einschränkende Auslegung des § 59 Satz 2 SGB I im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch des § 13 Abs. 2 SGB V. Zwar können praktische Probleme dann auftreten, wenn es der Versicherten aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, rechtzeitig die Kostenerstattung zu beantragen. Das eine solche Situation hier gegeben war, ist jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr wurden die Rechnungen gesammelt, um sie zusammen bei der Beklagten einzureichen. Selbst wenn der Versicherte selbst nicht mehr in der Lage ist, kann die Krankenkasse auch durch andere Personen wie z.B. Verwandte oder die behandelnden Ärzte in Kenntnis gesetzt werden, so dass zumindest ein Verwaltungsverfahren anhängig wird. Geschieht dies nicht, besteht ein Kostenrisiko, allerdings nur für die Erben, nicht für die Versicherten. Weder § 13 Abs. 2 SGB V noch § 59 Satz 2 SGB I dienen dem Erbenschutz.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf einen sozialrechtlicher Herstellungsanspruch berufen. Dieser setzt voraus, dass ein Sozialleistungsträger seine gegenüber einem Berechtigten obliegende Nebenpflicht aus dem Sozialversicherungsverhältnis verletzt, dem Berechtigten ein unmittelbarer (sozialrechtlicher) Nachteil entsteht und zwischen der Pflichtverletzung und dem Nachteil ein Ursachenzusammenhang vorliegt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19. Dezember 2013 - Az.: B 2 U 17/12 R, nach juris Rn. 37 m.w.N.). Im Rahmen des § 59 Satz 2 SGB I kann ein Unterlassen oder eine Fehlberatung des Leistungsträgers die tatbestandlichen Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erfüllen. Hiermit kann das Erlöschen des Anspruch und die damit bewirkte Benachteiligung des Rechtsnachfolgers dergestalt ausgeglichen werden, dass dieser so gestellt wird, als ob ein Verwaltungsverfahren anhängig gewesen wäre, so dass der Rechtsnachfolger das Verfahren weiter betreiben kann (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Oktober 2012, § 58 SGB I Rn. 13a m.w.N.). Die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sind nicht erfüllt, denn eine Nebenpflichtverletzung der Beklagten im Sinne einer Nicht- oder Falschberatung ist nicht festzustellen. Es bestehen keine Anhaltpunkte, dass sie eine gegenüber der Klägerin bestehende Beratungspflicht verletzt hat. Ob sich diese auf eine eventuelle Nicht- oder Falschberatung der Beklagten gegenüber der Versicherten berufen kann, ist zweifelhaft. Der Senat kann dies aber offen lassen, denn auch insoweit ist eine Pflichtverletzung durch eine unterlassene oder fehlerhafte Beratung der Versicherten durch die Beklagte bei Ausübung des Wahlrechts hinsichtlich des Kostenerstattungsverfahrens feststellbar. § 13 Abs. 2 SGB V sah bis zum 31. März 2007 in Satz 2 vor, dass die Versicherten von ihrer Krankenkasse vor ihrer Wahl zu beraten sind. Diese sollte geschehen, um Versicherte vor voreiligen Entscheidungen zu bewahren (vgl. BT-Drucks. 15/1525, S. 80). Zum 1. April 2007 entfiel diese gesonderte Beratungsverpflichtung, die entsprechenden Informationen sollten den allgemeinen Auskunfts- und Beratungspflichten der gesetzlichen Krankenkassen nach den §§ 13 bis 15 SGB I vorbehalten bleiben (vgl. BT-Drucks. 16/3100, S. 97). Ob eine solche Beratung erfolgt ist und dabei die Frage des Schicksals von Ansprüchen im Todesfall erörtert wurde, ist nicht mehr feststellbar. Allein die unbewiesene Behauptung, die Versicherte hätte bei Hinweis auf § 59 Satz 2 SGB I das Kostenerstattungsverfahren nicht gewählt, genügt nicht. Schon der ursprüngliche Bescheid hinsichtlich der Wahl des Kostenerstattungsverfahrens konnte nicht beigebracht werden. Sonstige Hinweise über Art und Umfang einer Beratung der Versicherten sind nicht mehr auffindbar. Im Übrigen ist auch zu berücksichtigen, dass eine solche Beratung nicht dokumentiert werden musste. Dass ein Beratungsfehler nicht mehr nachzuweisen ist, geht zu Lasten der Klägerin.
Es ist auch keine Verletzung einer von Amts wegen bestehenden Beratungspflicht (Spontanberatung) nach der Ausübung des Wahlrechts und insbesondere unmittelbar vor Ableben der Versicherten feststellbar. Grundsätzlich ist ein Leistungsträger nicht verpflichtet, von Amts wegen eine Beratung in die Wege zu leiten, eine Spontanberatung kommt nur bei konkretem Anlass und im Hinblick auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Oktober 2012, § 14 SGB I Rn. 16.). Denkbar wäre eine solche Beratungspflicht, wenn die Beklagte erkannt hätte, dass es der Versicherten aus gesundheitlichen Gründen in Kürze nicht mehr möglich sein wird, rechtzeitig die noch ausstehenden Abrechnungen einzureichen. Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Kostenentscheidung der Vorinstanz war abzuändern, da bereits im Klageverfahren eine Entscheidung nach § 197a SGG zu treffen war. Weder Klägerin noch Beklagte gehören zu den in § 183 SGG genannten Personen. Die Klägerin ist weder als Versicherte noch als Sonderrechtsnachfolgerin nach § 56 SGB I am Verfahren beteiligt.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
FST
Saved