L 8 SF 144/13 E

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SF 144/13 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Erstattung des Verdienstausfalls einer Haushaltsangehörigen bei notwendiger Begleitung

1. Die Kosten einer notwendigen Begleitung nach § 7 Abs 1 S 1 JVEG - einschließlich entstandenen Verdienstausfalls - sind grundsätzlich nur dann erstattungsfähig, wenn sie bar verauslagt wurden.
2. Ist der Verdienstausfall einem Haushaltsangehörigen (Ehegatten, Lebenspartner oder Verwandten in gerader Linie, mit dem der Antragsteller in einem gemeinsamen Haushalt lebt und gemeinsam wirtschaftet) entstanden, wäre es eine bloße Förmelei, die Erstattung trotz Minderung des gemeinsamen Haushaltseinkommens davon abhängig zu machen, dass der Beteiligte dem Angehörigen dessen Verdienstausfall in bar verauslagt hat.
Die Entschädigung des Antragstellers für die Wahrnehmung der Begutachtungstermine am 23. April 2013 und 13. Mai 2013 wird auf insgesamt - 303,36 Euro - festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die richterliche Festsetzung einer Entschädigung wegen der Wahrnehmung zweier Begutachtungstermine.

Der 1959 geborene, in W wohnhafte, Antragsteller führte das Berufungsverfahren L 4 R 683/10 beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG), in dem mit Beweisanordnung vom 31.01.2013 die Einholung eines Fachgutachtens nach ambulanter Untersuchung angeordnet und Prof. Dr. K zum Sachverständigen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bestellt wurde. Der Sachverständige bat den Antragsteller zu zwei Begutachtungsterminen am 23.04.2013 und 13.05.2013 in das P -Krankenhaus L , Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, zu denen der Antragsteller in Begleitung seiner Ehefrau anreiste, die hierfür jeweils unbezahlten Urlaub bei ihrem Arbeitgeber in Anspruch nahm. Der Sachverständige bestätigte, dass eine Begleitung durch die Ehefrau ärztlich indiziert gewesen sei, da der Antragsteller die Strecke nicht mit dem PKW allein zurücklegen könne und wegen des jeweils frühen Untersuchungsbeginns und des zeitlich unbestimmten Untersuchungsendes keine Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln zumutbar gewesen sei.

Mit am 12.06.2013 bei Gericht eingegangenen Entschädigungsanträgen machte der Antragsteller neben Fahrtkosten und jeweils 10,00 EUR Verpflegungskosten auch Verdienstausfall seiner Ehefrau entsprechend der Verdienstausfallbescheinigung des Arbeitgebers für 7,5 ausgefallene Arbeitsstunden á 11,69 EUR brutto (insgesamt pro Termin 87,68 EUR) geltend. Die Kostenbeamtin hat die Entschädigung am 25.07.2013 in Höhe von jeweils 64,00 EUR pro Termin festgestellt. Fahrtkosten seien in Höhe von jeweils 58,00 EUR (225 Kilometer á 0,25 EUR) zu erstatten. Hinzu trete bei einer Abwesenheit von 8 bis 14 Stunden eine Pauschale von jeweils 6,00 EUR. Der Begleitperson könnten nur nachgewiesene Zehrkosten erstattet werden; hieran fehle es. Entschädigung für Verdienstausfall könne nicht gewährt werden, da nur Kosten erstattungsfähig seien, die dem Antragsteller selbst entstanden seien.

Mit dem Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Entschädigung vom 12.10.2013 macht der Antragsteller insbesondere den Verdienstausfall seiner Ehefrau geltend. Sie habe extra zwei Tage Urlaub genommen. Mangels eigener Einkünfte sei es ihm gar nicht möglich, eine Begleitperson zu bezahlen.

Das Kostenheft und die Verfahrensakten lagen vor.

II.

1. Über den Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Entschädigung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) entscheidet der Senat, dem der an sich zuständige Einzelrichter das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen hat (§ 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG).

Der Antrag nach § 4 Abs. 1 JVEG ist kein Rechtsbehelf; die gerichtliche Festsetzung nach § 4 Abs. 1 JVEG stellt daher keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung, die die vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungswege sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos macht. Das Gericht, das eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungsanspruchs vornimmt, kann die Entschädigung daher auch niedriger festsetzen, als zuvor der Kostenbeamte; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21.11.2013 – L 15 SF 9/13 – juris RdNr. 14; Hartmann, Kostengesetze, 43. Aufl., § 4 JVEG RdNr. 10; Binz in: Binz/Dorndörfer/Petzold/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 2. Aufl., § 4 JVEG RdNr. 6 m. w. N.).

2. Die Entschädigung des Antragstellers für die Wahrnehmung der Begutachtungstermine am 23.04.2013 und am 13.05.2013 ist jeweils in Höhe von 151,68 EUR unter Berücksichtigung von Verdienstausfall seiner Ehefrau, die ihn begleitete, festzusetzen.

Nach § 191 Sozialgerichtsgesetz (SGG) werden einem Beteiligten auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet, wenn das persönliche Erscheinen – auch wie hier zu einem Begutachtungstermin – angeordnet ist. Hiernach sind dem Antragsteller Fahrtkosten, Verdienstausfall der Begleitperson und pauschaler Verpflegungsmehraufwand zu entschädigen.

a) Für die Fahrt zur Begutachtung am 23.04.2013 und 13.05.2013 waren nach § 5 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Satz 1 Nr. 1 JVEG Fahrtkosten in Höhe von jeweils 58,00 EUR zu entschädigen (2 x 225 Kilometer Gesamtfahrstrecke x 0,25 EUR).

b) Weiter festzusetzen war ein Tagegeld in Höhe von jeweils 6,00 EUR gemäß § 6 Abs. 1 JVEG i. V. m. § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 2 Buchst. c Einkommenssteuergesetz (EStG) in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung, da der Antragsteller für den auswärtigen Termin mehr als acht, aber weniger als 14 Stunden von der Wohnung abwesend war.

c) Hinzu tritt Entschädigung für Verdienstausfall der Ehefrau des Antragstellers in Höhe von jeweils 87,68 EUR. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG werden auch die in den §§ 5, 6 und 12 JVEG nicht besonders genannten baren Auslagen ersetzt, soweit sie notwendig sind. Dies gilt nach § 7 Abs. 1 Satz 2 JVEG insbesondere für die Kosten notwendiger Begleitungen.

Die Notwendigkeit der Begleitung durch die Ehefrau ist durch den Sachverständigen, Prof. Dr. K , aus ärztlicher Sicht bestätigt worden. Hierüber besteht weder Streit noch hat der Senat sonst Anlass hieran zu zweifeln.

Der Entschädigung steht nicht entgegen, dass der Antragsteller seiner Ehefrau den Verdienstausfall nicht bar verauslagt hat.

Grundsätzlich besteht zwar kein Anspruch der Begleitperson selbst gegen die Staatskasse; vielmehr werden ihr nur ihre Auslagen ersetzt. Folgerichtig sind entstandene Kosten glaubhaft zu machen, etwa durch eine Quittung (vgl. Binz in: Binz/Dorndörfer/Petzold/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 2. Aufl., § 7 JVEG RdNr. 2). Hieran ist im Grundsatz auch für geltend gemachten Verdienstausfall einer Begleitperson festzuhalten.

Erfolgt aber die dem Grunde nach notwendige Begleitung durch einen Ehegatten, Lebenspartner oder Verwandten in gerader Linie, mit dem der Antragsteller in einem gemeinsamen Haushalt lebt und gemeinsam wirtschaftet, ist – sofern Verdienstausfall geltend gemacht und vom Arbeitgeber bescheinigt ist – im Regelfall davon auszugehen, dass dem Antragsteller auch diese Aufwendungen im Sinne des § 7 JVEG entstanden sind. Da in den aufgezeigten Fällen der eingetretene Verdienstausfall das gemeinsame Haushaltseinkommen per se mindert, wäre es eine bloße Förmelei, vom Antragsteller zu verlangen, dem weiteren Haushaltsangehörigen dessen Verdienstausfall – letztlich nur pro forma – bar zu erstatten, um erst dann einen Anspruch gegen die Staatskasse geltend machen zu können. An der Rechtsprechung des vormals für das Kostenrecht zuständigen Senats (vgl. Beschluss vom 06.07.2011 – L 6 SF 79/11 E – nicht veröffentlicht), die auch in den aufgezeigten Konstellationen – etwa bei der Begleitung durch einen Ehepartner – verlangte, dass tatsächlich Geld geflossen sein muss, wird nicht festgehalten.

Nach der Bescheinigung ihres Arbeitgebers sind an den Begutachtungstermine jeweils 7,5 Stunden Arbeitszeit bei einem regelmäßigem Bruttostundenverdienst von 11,69 EUR ausgefallen, sodass sich ein Anspruch auf 87,68 EUR Verdienstausfall pro Begutachtungstag ergibt.

Konkret entstandene Zehrkosten für die Ehefrau hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht; die Pauschale nach § 6 Abs. 1 JVEG i. V. m. § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 2 Buchst. c EStG steht der Begleitperson nicht zu.

3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).

Dr. Wahl Voigt Salomo
Rechtskraft
Aus
Saved