L 32 AS 1446/14 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 173 AS 1566/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 1446/14 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. Mai 2014 geändert.

Auch den Antragstellern zu 1) und 2) wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung oder Beiträge aus dem Vermögen bewilligt und Rechtsanwalt M A beigeordnet.

Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren, in welchem die Antragsteller die Bescheide der Beklagten vom 30. September, 22. Oktober und 23. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2013 hinsichtlich der Gewährung von Grundsicherungsleistungen und deren Höhe für die Zeiträume Oktober 2013 bis Januar 2014 und der dabei zu erfolgenden Anrechnung von für die beiden Beschwerdeführerinnen an deren mit diesen in temporärer Bedarfsgemeinschaft lebenden Mutter, der Klägerin zu 1), gezahltem Kindergeld angefochten haben. Die Beklagte hat das Kindergeld jeweils zur Hälfte bei den Kindern – bei fortbestehender Bedürftigkeit – und deren Mutter angerechnet. Sie hat dies im Widerspruchsbescheid damit begründet, dass der Teil des Kindergeldes, der auf die Aufenthalte des Kindes in der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft entfällt, Einkommen der kindergeldberechtigten Person bleibe, weil in dieser Zeit kein Kindergeld zur Sicherung des Lebensunterhaltes des Kindes benötigt werde. Mit Klageerhebung haben die Antragsteller Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 8. Mai 2014 dem Antrag der Mutter auf Prozesskostenhilfe stattgegeben, den der Beschwerdeführerinnen indes abgelehnt und dies damit begründet, dass eine Beschwer der Beschwerdeführerinnen nicht vorliege. Ein rechtlicher Vorteil für diese ergebe sich nicht aus der Forderung, dass das Kindergeld bei ihnen vollständig anzurechnen sei. Wegen der weiteren Umstände des Sachverhalts und der Gründe der angefochtenen Entscheidung wird entsprechend §§ 153 Abs 1, 136 Abs 2 SGG auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses vom 8. Mai 2014 Bezug genommen.

Die beiden Antragsteller verfolgen ihr Begehren mit der Beschwerde vom 5. Juni 2014 weiter. Das Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerinnen ergebe sich daraus, dass sie zur Deckung ihres Bedarfs auf das Sozialgeld verwiesen würden, statt dafür das Kindergeld verwenden zu können. Im Falle von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden könnten sie zudem höheren Forderungen ausgesetzt sein und die Verteilung des Kindergeldes nicht mehr zu ihren Gunsten einwenden. Deshalb müsste im Interesse effektiven Rechtsschutzes bereits im Bewilligungsverfahren die Möglichkeit bestehen, gegen die Verteilung des Kindergeldes durch die Behörde vorzugehen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 155 Abs 3, 4 SGG erklärt.

Die Beschwerde ist zulässig; sie ist insbesondere statthaft.

Ein Ausschluss der Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 2b SGG liegt nicht vor. Die Vorschrift lautet: Die Beschwerde ist ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Die Berufung bedürfte bei voller Klageabweisung nicht der Zulassung, weil sich die Antragsteller in der Sache auch gegen die Gewährung von Sozialgeld dem Grunde nach wenden. Dadurch – und nicht, wie sie meinen, wegen der Beträge unzutreffender Kindergeldverteilung – wird der Beschwerdewert von 750 EUR insgesamt überschritten.

Die auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsteller ist begründet. Den bedürftigen Antragstellern war Prozesskostenhilfe zu bewilligen, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig. Die Beiordnung anwaltlichen Beistandes ist auch im Sinne von §§ 73a Abs 1 SGG, 121 Abs 2 ZPO erforderlich.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 ZPO erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint Hinreichende Erfolgsaussicht ist dann anzunehmen, wenn das Gericht aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage (BVerfG, Beschluss vom 15.12.2008, 1 BvR 1404/04, RdNr 29) zu dem Ergebnis gelangt, dass der Erfolg der Rechtsverfolgung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Diese gewisse Wahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung, der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage § 73a RdNr. 7a). Bei nur teilweise anzunehmender Erfolgsaussicht ist in den gerichtskostenfreien Verfahren Prozesskostenhilfe unbeschränkt zu gewähren (vgl. Leitherer ebd. mwN); Ausnahmen kommen bei selbständigen Streitgegenständen, also insbesondere bei Klagenhäufung in Betracht. Einerseits dürfen die Anforderungen an eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht überspannt werden (BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 358 - JURIS-RdNr 27). Andererseits darf Prozesskostenhilfe auch verweigert werden, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 357 - JURIS-RdNr 26). Kommt eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde, bzw hält das Gericht eine Beweiserhebung für notwendig, so kann in der Regel Erfolgsaussicht nicht verneint werden (BVerfG, Beschluss vom 15.12.2008, 1 BvR 1404/04, RdNr 30, Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 73a RdNr 7a). Weil es ausreicht, dass Vertretbarkeit des Rechtsvorbringens anzunehmen ist, kommt es hinsichtlich der rechtlichen Bewertung nicht auf die Rechtsansicht des erkennenden Spruchkörpers, sondern auf eine allgemeine Betrachtung an. Ein Rechtsschutzbegehren hat daher auch dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 358f - JURIS-RdNr 28 mwN). Nach diesen Maßstäben ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Klagen zulässig und die angefochtenen Verwaltungsakte rechtswidrig sind, anzunehmen. Die Zulässigkeit der Klagen folgt daraus, dass die Antragsteller ein Rechtsschutzbedürfnis jedenfalls insoweit haben, als die Behauptung gerechtfertigt ist, die Vorgehensweise der Beklagten führe dazu, dass die Antragsteller in die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1) trotz an sich fehlender Bedürftigkeit im Sinne des Verständnisses des SGB II einbezogen werden und ihnen Sozialgeld gewährt wird. Selbst wenn man der im angefochtenen Beschluss geäußerten Ansicht des Sozialgerichts folgen sollte, dass den Antragstellern das Rechtsschutzbedürfnis fehlte und ihre Klagen deshalb unzulässig seien, wäre ihnen Prozesskostenhilfe zu gewähren. Dies ergibt sich daraus, dass sie bei – nach Auffassung des Sozialgerichts gebotener Klagerücknahme – sofort wieder in das Verfahren einzubeziehen wären, denn die Antragsteller wären wegen § 75 Abs 2 SGG notwendig beizuladen. Eine Entscheidung über den Anspruch der Klägerin zu 1) kann nur einheitlich mit bindender Wirkung auch für die Antragsteller ergehen, denn sofern der Anspruch der Klägerin zu 1) wegen reduzierter Anrechnung des Kindergeldes steigt, reduziert sich der Anspruch der Antragsteller durch erhöhte Anrechnung des Kindergeldes.

Auch dem Beigeladenen ist Prozesskostenhilfe bei Vorliegen der Voraussetzungen zu gewähren (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 73a RdNr 2a). Die auch dem Beigeladenen gegenüber bindend ergehende abschließende Entscheidung hat zur Voraussetzung, dass diesem hinreichend rechtliches Gehör gewährt wird. Dies rechtfertigt und gebietet es zur Gewährung rechtlichen Gehörs sowie zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes, ungeachtet der Möglichkeit der Beigeladenen, im vorliegenden Klageverfahren auf einen Sachantrag zu verzichten, zur Erlangung der Beiordnung eines Rechtsanwaltes inhaltlich über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden (vgl. auch Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.08.2012, 4 K 4338/08 PKH). Das hier erfolgte gemeinsame Vorgehen der drei Kläger erscheint prozessdienlich und nicht mutwillig. Von hinreichender Erfolgsaussicht ist auch für die Antragsteller auszugehen.

Hinsichtlich des Begehrens der Klägerin zu 1) hat das Sozialgericht dies zutreffend – wohl im Hinblick auf das Urteil des BSG, Urteil vom 02.07.2009, B 14 AS 75/08 R – angenommen. Die Beklagte kann sich für die im Widerspruchsbescheid gegebene - schon in sich widersprüchliche - Begründung ihrer Entscheidung schwerlich auf eine gesetzliche Grundlage stützen und hat eine solche auch nicht angegeben. Jedenfalls die Antragstellerin zu 2), die Klägerin zu 3), würde ausweislich der Leistungshöhe im betroffenen Zeitraum bei vollständiger Anrechnung des Kindergeldes auf ihren Bedarf nicht hilfebedürftig sein und dürfte daher nicht in die Bedarfsgemeinschaft ihrer Mutter einbezogen werden. Allein dies stellte einen hinreichenden rechtlichen Nachteil dar. Die Leistungshöhe der Antragstellerin zu 1), die Klägerin zu 2) liegt nach dem bisherigen Bescheid nur sehr knapp über dem noch nicht angerechneten Teil des Kindergeldes, so dass bei neuer Verteilung des Einkommens ein Ausscheiden aus dem Leistungsbezug ebenfalls nicht als fernliegend angesehen werden muss.

Die Antragsteller sind zur Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage. Prozesskostenhilfe war ab dem Zeitpunkt der Vorlage der Unterlagen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, also ab Klageerhebung zu gewähren.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved