L 1 U 2057/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 1876/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2057/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16.04.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 15.02.2011 streitig.

Der 1973 geborene Kläger erlitt am 15.02.2011 im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Betonbohrer bei der Firma B.- und S. einen Arbeitsunfall, als er beim Abbau eines Gerüstes aus ca. eineinhalb Meter vom Gerüst auf den Boden stürzte und hierbei auf das rechte Bein und die rechte Körperhälfte fiel. Die Erstversorgung erfolgte im Krankenhaus A ... Dort wurde die Diagnose "multiple Prellungen" gestellt. Wegen persistierender starker Rückenschmerzen stellte sich der Kläger am 16.02.2011 im Krankenhaus S. vor. Dort wurde radiologisch und CT-morphologisch eine Fraktur der Brustwirbelkörper (BWK) 8 und 12 mit Hinterkantenbeteiligung festgestellt. Facharzt für Orthopädie Dr. B. gab in seinem Durchgangsarztbericht vom 16.02.2011 an, dass der Kläger eine BWK8- und BWK12-Fraktur erlitten habe. Der Kläger wurde sodann bis zum 05.03.2011 stationär in der BG-Unfallklinik behandelt. Dabei trug er drei Monate ein Korsett. Im Entlassungsbericht vom 21.07.2011 gab Prof. Dr. K. an, der Kläger leide an einer konservativ behandelten BWK8-Fraktur mit Hinterkantbeteiligung und BWK12-Deckenplattenfraktur. Empfohlen wurde eine erweiterte ambulante Physiotherapie, die auch durchgeführt wurde. In seinem Zwischenbericht vom 01.09.2011 hielt Prof. Dr. S. fest, dass das Röntgenbild eine bekannte Sinterung des achten BWK und eine knöcherne Konsolidierung des zwölften BWK gezeigt habe. Arbeitsunfähigkeit bestand bis 15. Januar 2012. Ab dem 16.01.2012 nahm der Kläger eine Tätigkeit als technischer Angestellter (im Rahmen einer innerbetrieblichen Umsetzung) bei seinem früheren Arbeitgeber auf, wofür dieser von der Beklagten einen Eingliederungszuschuss erhielt.

In dem von der Beklagten eingeholten ersten Rentengutachten des Unfallchirurgen Prof. Dr. S. vom 24.02.2012 gab dieser an, der Kläger leide an einer BWK8-Impressionsfraktur und an einer BWK12-Deckenplattenfraktur. Es bestünde eine leichte Bewegungseinschränkung in der Brustwirbelsäule. Die restliche Wirbelsäule sei frei beweglich. Die Kompression des Wirbelkörpers BWK8 betrage 50%. Der Wirbelkörper BWK12 sei knöchern in korrekter Stellung durchbaut mit leichter Impression der Deckplatte. Des Weiteren bestehe eine leichte rechtskonvexe Skoliose mit Scheitelpunkt BWK8. Im Bereich des BWK12 liege eine Keilwirbelbildung von 12 ° vor. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage seit dem 16.01.2012 10 v.H.

Mit Bescheid vom 03.05.2012 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente ab. Die Erwerbsfähigkeit sei über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls bzw. nach dem Ende des Verletztengeldanspruchs nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert. Der Arbeitsunfall habe zu folgenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt: Leichte Bewegungseinschränkung der BWS, muskuläre Verspannungen an der unteren BWS nach unter leichter Seitverbiegung der BWS knöchern fest durchbauten Brüchen des achten und zwölften BWK mit Keilwirbelbildung des BWK8 und Kompression auf 50% und in korrekter Stellung unter leichter Impression der Deckplatte verheiltem BWK12. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Kläger, den er mit starken nächtlichen Rückenschmerzen begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2012 zurück. Die Unfallfolgen seien durch Prof. Dr. S. zutreffend mit einer MdE von 10 v.H. bewertet worden.

Hiergegen hat der Kläger am 19.07.2012 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, die Beklagte habe seine gesundheitlichen Einschränkungen nicht hinreichend berücksichtigt und den Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt. Er leide nach wie vor unter großen Schmerzen und erheblichen Bewegungseinschränkungen. Die größten Rückenschmerzen habe er nachts zwischen 03.00 und 05.00 Uhr. Auf einer Skala von 0 bis 10 bewerte er seinen Schmerz mit 6. Der Schmerz sei so heftig, dass er nicht mehr weiterschlafen könne, sondern nachts aufstehen und sich bewegen müsse. Diese Schmerzen habe er täglich. Dies bedinge eine wesentliche Einschränkung seines beruflichen Leistungsvermögens. Er könne nur noch leichte Büroarbeiten ausüben.

Das SG hat zunächst Beweis erhoben durch Einholung einer sachverständigen Zeugenauskunft des Orthopäden M. (Auskunft vom 21.09.2012). Dieser hat angegeben, beim Kläger bestehe ein Zustand nach konservativ behandelter BWK8-Fraktur mit Keilbildung sowie BWK12-Fraktur ohne Wirbelkörpersinterung. Zudem bestehe ein Schulter- und Beckengeradstand. Die Wirbelsäule zeige orthograde Verhältnisse.

Das SG hat sodann das Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. B. vom 21.12.2012 eingeholt. Auch dieser hat einen waagrechten Beckenstand und eine waagrechte Schulterlinie geschildert. Bei der funktionellen Untersuchung habe sich im thorakalen und lumbalen Wirbelsäulenabschnitt eine lediglich geringe Einschränkung der Linksseitneigung gezeigt, während die Beweglichkeit in den übrigen Freiheitsgraden weitgehend normgerecht gewesen sei. Der Kläger leide an einer Kompressionsfraktur des BWK8 und an einer Deckenplattenimpressionsfraktur des BWK12 infolge des Arbeitsunfalls vom 15.02.2011. Hierdurch sei es zu einem chronifizierten posttraumatischen thorakalen Wirbelsäulensyndrom mit geringer Funktionsbehinderung der BWS ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallserscheinungen bei verbliebener unfallbedingter gradueller Formveränderung von BWK8, geringer auch von BWK12, gekommen. Des Weiteren liege eine überwiegend anlagebedingte Wirbelsäulenfehlstatik sowie eine Senkspreizfußdeformität beidseits ohne Funktionsbehinderung der Füße vor. Unter Auswertung der unfallmedizinischen Literatur sei davon auszugehen, dass die MdE seit dem Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit 10 v.H. betrage, wobei dies bis zur Beendigung des zweiten Jahres nach dem Unfall angenommen werden könne. Seit dem 16.02.2013 liege die MdE unter 10 v.H.

Nachdem das SG am 19.03.2013 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 16.04.2013 bestimmt hatte, hat der Kläger am 10.04.2013 eine Begutachtung nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Prof. Dr. S., Ärztlicher Leiter des Department Orthopädie und Traumatologie der Universitätsklinik, beantragt.

Mit Urteil vom 16.04.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das Gutachten des Dr. B. sei nachvollziehbar, schlüssig und überzeugend. Aktuell liege eine MdE von unter 10 v.H. vor. Die vom Kläger geltend gemachten Schmerzen seien bereits innerhalb der MdE-Sätze berücksichtigt. Zudem habe der Gutachter auch kein ausgeprägtes Schmerzsyndrom oder neurologische Ausfälle feststellen können. Das gerichtliche Gutachten stehe im Einklang mit dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. S ... Die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG bei Prof. Dr. S. sei abzulehnen, da der Antrag die Erledigung des Rechtsstreits verzögere und aus grober Nachlässigkeit nicht früher gestellt worden sei. Bereits mit Schreiben vom 11.01.2013 habe das Gericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht beabsichtigt seien. Erst drei Wochen nach der Terminierung habe der Kläger einen Antrag nach § 109 SGG gestellt. Der Antrag sei deshalb abzulehnen gewesen.

Hiergegen richtet sich die am 13.05.2013 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung verweist er auf sein Vorbringen im Klageverfahren.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16.04.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 03.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2012 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 15.02.2011 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat entsprechend dem Antrag des Klägers nach § 109 SGG zunächst Prof. Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Nachdem dieser wegen Überlastung den Auftrag wieder zurückgegeben hatte, wurde mit dem Einverständnis des Klägers Privatdozent Dr. H. (Klinik für Orthopädie und Traumatologie der Universitätsklinik) mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 109 SGG beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 24.05.2014 angegeben, im Bereich der BWS habe ein deutlicher Klopf- und Druckschmerz über den Dornfortsätzen Th8-12 bestanden. Die Beweglichkeit der BWS sei bei Rechtsneigung und -rotation im Seitenvergleich endgradig eingeschränkt. Die (Eigen-)Auswertung der Computertomographie vom 16.02.2011 habe u.a. auch eine nicht dislozierte rechtsseitige BWK10- und BWK11-Deckenplattenimpressionsfraktur ohne wesentliche Deformation der Wirbelkörper ergeben. Dies könne auch aus dem MRT-Befund vom 18.02.2011 entnommen werden. Beim Kläger bestehe ein Beckentiefstand rechts von -1 cm und ein Schultertiefstand rechts von ebenfalls -1cm. Die Einschätzung des Gutachters Dr. B. sei sehr ausführlich begründet und in sich nachvollziehbar. Allerdings habe dieser die gering dislozierte Deckenplattenimpressionsfrakturen der Wirbelkörper Th10 und 11 nicht hinreichend berücksichtigt. Auch wenn nur eine geringe Dislozierung vorliege, so verdeutliche dies doch die hohe Unfallenergie. Geschädigt seien mithin auch die Segmente Th9/10 und Th10/11. Auch habe Dr. B. die Schwere der BW12-Fraktur nicht ausreichend gewürdigt. Es handle sich um einen inkompletten sagittalen Berstungsbruch mit Ausriss eines größeren Hinterkantenfragments und daraus resultierender 30%iger Spinalkanalstenose. Außerdem gehe er davon aus, dass eine echte Skoliose nicht vorliege. Die festgestellte Seitenabweichung sei vielmehr Folge einer traumatischen, d.h. unfallbedingten Wirbelkörperkompressionsfraktur im Bereich Th12. Auch habe Dr. B. die Herniation der kranialen Bandscheibe Th11/12 in dem durch das ausgerissene Hinterkantfragment entstandenen knöchernen Defekt im Bereich BWK12 nicht gewürdigt. Unter Berücksichtigung der besonderen beruflichen Betroffenheit sei davon auszugehen, dass die MdE vom 15.02.2011 bis zum 14.08.2012 20 v.H. und ab dem 15.08.2012 auf Dauer 10 v.H. betrage.

Die Beklagte ist dem Gutachten entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass weder Prof. Dr. S. noch Dr. B. einen Schulter- oder Beckentiefstand festgestellt hätten. Dr. H. sei in seinem Gutachten selbst zu dem Ergebnis gelangt, dass die Wirbelsäule beim Kläger lotrecht sei, sodass feststehe, dass kein unfallbedingter Schiefstand vorliege. Darüber hinaus differierten die Angaben zum Finger-Boden-Abstand innerhalb der Gutachten. Auch hier müsse von einer gewissen Ungenauigkeit des Dr. H. ausgegangen werden. In der Befundung habe dieser zudem angegeben, dass die Beweglichkeit der HWS in allen Ebenen seitengleich und die Beweglichkeit der BWS nur endgradig eingeschränkt gewesen sei. Entsprechende Daten habe er auch in seinem Messbogen festgehalten. Soweit er dann aber von einer mittelgradigen Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule ausgehe, sei dies nicht nachvollziehbar und auch nicht befundentsprechend.

Unter Vorlage des Befundberichts des Radiologen Dr. H. vom 02.09.2013 über eine MRT-Untersuchung der LWS vom gleichen Tag hat die Beklagte weiter darauf hingewiesen, dass in diesem Befundbericht der neunte und zehnte BWK nicht beschrieben worden seien. Der elfte BWK habe eine deckenplattennahe Läsion gezeigt, die mit einem Hämangiom vereinbar sei. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass der Arbeitsunfall nicht zu Frakturen im Bereich BWK9 und BWK11 geführt habe. Maßgeblich sei ohnehin der Funktionsverlust. Eine lediglich leichte und endgradige Bewegungseinschränkung bedinge jedoch keine MdE von 20 v.H.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 03.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2012 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 15.02.2011 keine Verletztenrente zu.

Gemäß § 26 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld (§ 45 SGB VII) und Rente (§ 56 SGB VII)). Insbesondere nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente; die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern, § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII; versicherte Tätigkeit). Erforderlich ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. nur BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 12). Nach der im Sozialrecht mithin anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (grundlegend: Reichsversicherungsamt, AN 1912, S 930 f; übernommen vom BSG in BSGE 1, 72, 76; BSGE 1, 150, 156 f; ständige Rechtsprechung, vgl. BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfall- bzw. Berufskrankheitsfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26.06.1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19.12.2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Unfalls oder der Berufskrankheit beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Urteil vom 05.09.2006, - B 2 U 25/05 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; Beschluss vom 22.08.1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.

Entsprechend den überzeugenden Ausführungen des SG in dem angegriffenen Urteil vom 16.04.2013 rechtfertigen die verbliebenen Folgen des (von der Beklagten im Bescheid vom 03.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2012 unstreitig als Versicherungsfall anerkannten) Arbeitsunfalls vom 15.02.2011 nicht die Gewährung einer Verletzten-rente. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Urteil des SG Bezug genommen, denen sich der Senat nach eigener Prüfung ausdrücklich anschließt und insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht. Denn auch die Ermittlungen im Berufungsverfahren führen nicht dazu, dass der Kläger einen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des Versicherungsfalls vom 15.02.2011 hat.

Im Hinblick auf die Ermittlung im Berufungsverfahren ist darauf hinzuweisen, dass an dem zutreffenden Ergebnis des SG auch das Gutachten des Dr. H. vom 24.05.2014 nichts ändert. Denn seine Einschätzung, wonach eine rentenberechtigende MdE in Höhe von 20 v.H. vom 15.02.2011 bis zum 14.08.2012 bestanden habe, überzeugt den Senat nicht. Die von Dr. H. erhobenen Befunde rechtfertigen die von ihm vorgenommene MdE-Einschätzung nicht. Denn nach der aktuellen medizinischen Literatur, die Dr. B. sehr ausführlich dargelegt hat, weshalb der Senat auf die entsprechenden Ausführungen des Dr. B. ausdrücklich Bezug nimmt (Bl. 52 bis 55 der SG-Akte), führt die beim Kläger vorhandene Kompressionsfraktur des achten BWK und die Deckenplattenimpressionsfraktur des zwölften BWK zu keiner höheren MdE als 10 v.H. Dr. H. gelangte nur deshalb für den Zeitraum vom 15.02.2011 bis zum 14.08.2012 zu einer MdE von 20 v.H., weil er ein "besonderes berufliches Betroffensein" angenommen hat. Entgegen seiner Auffassung sind vorliegend aber keine besonderen Nachteile im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII zu würdigen. Danach werden bei der Bemessung der MdE Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden. Die eine Höherbewertung der MdE rechtfertigenden Nachteile liegen nach der Rechtsprechung des BSG im Rahmen des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII nur dann vor, wenn unter Wahrung des in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung die Nichtberücksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führen würde (ständige Rechtsprechung seit BSGE 23, 253, 255; vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 05.09.2006 - B 2 U 25/05 R = SozR 4-2700 § 56 Nr. 2). Selbst wenn der Verletzte seinen erlernten Beruf infolge des Versicherungsfalls nicht mehr ausüben kann, muss dies daher nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung der MdE führen.

Als wesentliche Merkmale für die Beurteilung der Frage, ob eine höhere Bewertung der MdE zur Vermeidung unbilliger Härten geboten ist, hat das BSG insbesondere das Alter des Verletzten, die Dauer der Ausbildung sowie vor allem die Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit und auch den Umstand bezeichnet, dass die bisher verrichtete Tätigkeit eine günstige Stellung im Erwerbsleben gewährleistete sowie schließlich, dass der Versicherungsfall einen unzumutbaren sozialen Abstieg hervorgerufen hat (BSG, Urteil vom 05.09.2006 - B 2 O 25/05 R, a.a.O.). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Der Kläger war ausweislich des im Verwaltungsverfahren vorgelegten Arbeitsvertrags vom 20.03.2000 als Bauhelfer beschäftigt (Bl. 225/226 der Verwaltungsakte). Hierfür ist jedoch keine spezielle Ausbildung notwendig. Der Kläger hat gegenüber dem Gutachter Dr. Boch auch angegeben, ursprünglich den Beruf eines Kochs erlernt zu haben. Die vom Kläger vor Eintritt des Versicherungsfalls ausgeübte Tätigkeit als Betonbohrer ist mithin nicht aufgrund der Dauer der Ausbildung hervorgehoben. Auch hat sie dem Kläger keine außergewöhnlich günstige Stellung im Erwerbsleben verschafft. Die Voraussetzungen einer besonderen beruflichen Betroffenheit liegen somit nicht vor.

Soweit Dr. H. seine MdE-Bewertung auch darauf stützt, dass die Segmente Th9/11 und Th10/11 unfallbedingt geschädigt seien, so liegen Anhaltspunkte hierfür weder in den Befundberichten, die während des Verwaltungsverfahrens eingeholt wurden, noch in dem aktuellen Befundbericht des Dr. H. über die Kernspintomographie der LWS vom 02.09.2013 vor. Dr. H. konnte im Bereich BWK9 und BWK10 keine Befunde erheben. Im Bereich BWK11 ging er von einem atypischen Hämangiom (Blutschwamm) aus. In diesem Zusammenhang weist die Beklagte jedoch zu Recht darauf hin, dass es ohnehin bei der Höhe der MdE nicht auf den Gesundheitsschaden als solchen ankommt, sondern vielmehr auf den Funktionsverlust. Sowohl Prof. Dr. S. als auch Dr. B. haben jedoch nur eine endgradige Bewegungseinschränkung im Bereich der BWS feststellen können (Prof. Dr. S.: Seitneigen 20-0-20, Drehen 30-0-30; Dr. B.: Seitneigen 30-0-20, Drehen 30-0-30). Auch Dr. H. hat nur eine endgradige Bewegungseinschränkung im Bereich der BWS befundet (Seitneigen 20-0-30, Drehen 20-0-30). Vor diesem Hintergrund überzeugt seine Annahme, dass eine mittelgradige Bewegungseinschränkung vorliege, nicht. Schließlich führt auch die von ihm angesprochene Herniation im Bereich Th11/12 zu keinen weiteren Funktionseinschränkungen. Denn ein entsprechender Befund wurde auch von Dr. H. nicht erhoben.

Hiernach war die Berufung insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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