Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 4118/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 5014/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 26.10.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2109 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV, nachfolgend BK 2109).
Der am 1950 geborene Kläger arbeitete von Februar bis Mai 1970, von Mai 1973 bis Dezember 1973 und dann weder ab Februar 1978 bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im Dezember 2005 als Bauhelfer bei verschiedenen Unternehmen im Bundesgebiet, zuletzt bei der Firma S. E. + J. GmbH, H ... Davor und in den Zwischenzeiten leistete er seinen Wehrdienst in I. ab und arbeitete dort und in der S. in einer Kunststofffabrik, in einer Wäscherei, als Eisenflechter und als Küchenhelfer. Im Rahmen eines Verfahrens vor dem Sozialgericht Mannheim (S 7 U 701/07) wegen der Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV holte das Sozialgericht von Amts wegen ein fachorthopädisches Gutachten bei Dr. P. ein. Dieser fand beim Kläger in Auswertung der vorhandenen Bildgebung vom Juni 2008 u. a. deutliche osteochondrotische Verschmälerungen der Bandscheibenräume C5/C6, C6/C7 sowie auch C7/Th1 und diagnostizierte in seinem Gutachten vom Juli 2009 u.a. ein HWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen mit leichter Funktionseinschränkung ohne radikuläre Ausfälle. Die festgestellten Veränderungen an der HWS ließen sich nicht auf die sicher nicht unerheblichen Tragebelastungen auf der Schulter (i.S. der BK 2109) zurückführen. Das Sozialgericht wies die auf Anerkennung einer BK 2108 gerichtete Klage mit bestandskräftigem Urteil vom 23.10.2009, gestützt auf das Gutachten von Dr. P. , ab.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Mannheim am 23.10.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung einer BK 2109. Gestützt auf die Angaben des Klägers erstellte der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten im Februar 2010 eine Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition (Bl. 10 ff. Bd. 4 Verwaltungsakte). Danach könne man für seine Tätigkeit als Bauhelfer unterstellen, dass er zu ca. 10% Lastgewichte von 50 kg und darüber hinaus auf der Schulter getragen habe. Weder habe der Kläger aber das Tragen von Lasten über 50 kg auf der Schulter in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten ausgeführt, noch könne diese Tätigkeit als Kerntätigkeit gewertet werden. Mit Bescheid vom 24.06.2010 und Widerspruchsbescheid vom 29.10.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung der BK 2109 hierauf gestützt ab. Deswegen hat der Kläger am 18.11.2010 Klage beim Sozialgericht Mannheim erhoben. Mit Gerichtsbescheid vom 26.10.2012 hat das Sozialgericht Mannheim die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat sich dabei auf das Gutachten des Dr. P. gestützt, soweit dieser darin einen wesentlichen Kausalzusammenhang zwischen den vom Kläger verrichteten Tätigkeiten und der bandscheibenbedingten Erkrankung der Halswirbelsäule verneinte.
Der Kläger hat gegen den ihm am 02.11.2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 03.12.2012 - einem Montag - Berufung eingelegt und einen Arztbericht des Radiologen Dr. E. über eine MRT-Untersuchung der Halswirbelsäule vom April 2014 (u.a. degenerative Veränderungen von C2/C3 bis C6/C7) sowie einen undatierten Arztbericht des Dr. V. , Orthopäde, der aus dem Jahr 1998 stammen soll (u.a. beginnende degenerative Veränderungen der HWS ohne nähere Angaben, Blockierung C5/C6), vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 26.10.2012 und den Bescheid vom 24.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2010 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihm eine BK 2109 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, die Erkrankung der Halswirbelsäule sei nicht wesentlich durch die berufliche Tätigkeit mitverursacht worden. Selbst wenn man die arbeitstechnischen Voraussetzungen als erfüllt unterstelle, spreche das Verteilungsmuster der Erkrankungen an der Halswirbelsäule gegen eine Ursächlichkeit der beruflichen Belastungen. So seien die bandscheibenbedingten Erkrankungen der Halswirbelsäule beim Kläger auf die Segmente C5/C6, C6/C7 und C7/Th1 beschränkt, während es an einer entsprechenden Erkrankung der oberen Segmente fehle. Damit bestehe bereits kein belastungskonformes Schadensbild.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (vier Bände), die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Gerichtsakte des Sozialgerichts Mannheim S 7 U 701/07 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144, 105 Abs. 2 Satz 1 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 24.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es ablehnte, die Erkrankung des Klägers als BK 2109 anzuerkennen. Denn das Vorliegen einer solchen BK ist beim Kläger nicht festzustellen.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VI begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Erkrankungen als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung durch Erlass der BKV Gebrauch gemacht. Zu den Berufskrankheiten zählen danach gem. Nr. 2109 der Anlage 1 zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der HWS durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Folge geltend gemachte Gesundheitsstörung - hier also eine bandscheibenbedingte Erkrankung - erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
In Anwendung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen der hier streitigen Berufskrankheit nicht vor. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK 2109 (langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter) erfüllt sind. Denn es ermangelt jedenfalls an einem im Rechtssinne wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers als Hilfsarbeiter bzw. Bauhelfer und den bei ihm vorliegenden Wirbelsäulenveränderungen.
Es fehlt bereits - wie die Beklagte zutreffend dargelegt hat - an einem belastungskonformen Schadensbild. Denn bei langjährig wiederkehrender Belastung der HWS durch das Tragen von schweren Lasten unter außergewöhnlicher Haltung des Kopfes sind gerade nicht nur die unteren Bewegungssegmente gefährdet (hierzu und zum Nachfolgenden Merkblatt des damaligen Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, BArbBl. 3/93, S. 53 ff., Abschnitt II). Zug- und Kompressionskräfte im Bereich der Wirbelgelenkfacetten i.V.m. Seitverbiegung und Verdrehung tragen vielmehr dazu bei, dass insbesondere oberhalb von C5/C6 bis zu C2/C3 degenerative Veränderungen zu beobachten sind, die in der Allgemeinbevölkerung weniger häufig anzutreffen sind.
Ein solches, von der Normalbevölkerung sich abhebendes, besonderes Verteilungsmuster der Bandscheibenerkrankungen lag beim Kläger noch im Juni 2008, zweieinhalb Jahre nach Aufgabe der Tätigkeit als Bauhelfer, als die von Dr. P. seiner Begutachtung zu Grunde gelegten Röntgenaufnahmen gefertigt wurden, nicht vor. Vielmehr fanden sich bandscheibenbedingte Erkrankungen im Bereich der Halswirbelsäule (nur) in den Segmenten C5/C6, C6/C7 und C7/Th1. Der vom Sachverständigen ausgewertete radiologische Befund wies deutliche osteochondrotische Verschmälerungen lediglich der Bandscheibenräume C5/C6, C6/C7 sowie C7/Th1 auf. Demgegenüber wurde im Bereich der oberen und mittleren Halswirbelsäule kein degenerativer Befund beschrieben.
Anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger vorgelegten undatierten Arztbrief des Dr. V ... Denn zum einen lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers dem dortigen Röntgen-Befund "HWS 2 Eb.: Hyperlordose, beg. degen. Veränderunge." schon nicht entnehmen, in welchem Bereich der Halswirbelsäule Dr. V. diese beginnenden degenerativen Veränderungen feststellte. Zum anderen verneinte Dr. V. in einem in den Verwaltungsakten befindlichen Arztbericht vom 06.05.1998 (Bl. 28 Bd. 1 VA) - also demselben Jahr, aus dem der vom Kläger vorgelegte Bericht stammen soll - bei ansonsten identischer Diagnose und Befunderhebung auf Grundlage des Ergebnisses einer Röntgenuntersuchung wesentliche degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule.
Es fehlt somit an den im Merkblatt (a.a.O.) geforderten, dem Lebensalter vorauseilenden Erkrankungen im Bereich der höheren Segmente der Halswirbelsäule, die indes nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die zur Aufnahme der BK 2109 geführt haben, bei einer beruflich bedingten Verursachung zu erwarten sind. Demgemäß sind die Veränderungen der Halswirbelsäule nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Erwerbstätigkeit des Klägers, sondern auf die auch unter der nicht beruflich exponierten Normalbevölkerung nicht unübliche Degeneration in diesen Wirbelsäulenbereich zurückzuführen. Dieses Ergebnis, nämlich dass beim Kläger - wie bereits Dr. P. in seinem Gutachten für das Sozialgericht im Verfahren S 7 U 701/07 dargelegt hatte - keine Wahrscheinlichkeit für eine Verursachung der degenerativen Prozesse durch die berufliche Belastung besteht, wird durch den vom Kläger vorgelegten Arztbericht des Radiologen Dr. E. vom April 2014 bestätigt. Danach finden sich zwar nunmehr auch im Bereich der oberen und mittleren Halswirbelsäule radiologisch nachweisbare degenerative Veränderungen. Das Auftreten degenerativer Veränderungen in einem Bereich, der im Jahr 2008 noch keine röntgenologisch nachweisbare Schädigung aufwies, annähernd neun Jahre nach Beendigung jedweder körperlich belastender Tätigkeit, legt indes eine anlagebedingte Ursache nahe und spricht damit zusätzlich gegen eine berufliche Verursachung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2109 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV, nachfolgend BK 2109).
Der am 1950 geborene Kläger arbeitete von Februar bis Mai 1970, von Mai 1973 bis Dezember 1973 und dann weder ab Februar 1978 bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im Dezember 2005 als Bauhelfer bei verschiedenen Unternehmen im Bundesgebiet, zuletzt bei der Firma S. E. + J. GmbH, H ... Davor und in den Zwischenzeiten leistete er seinen Wehrdienst in I. ab und arbeitete dort und in der S. in einer Kunststofffabrik, in einer Wäscherei, als Eisenflechter und als Küchenhelfer. Im Rahmen eines Verfahrens vor dem Sozialgericht Mannheim (S 7 U 701/07) wegen der Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV holte das Sozialgericht von Amts wegen ein fachorthopädisches Gutachten bei Dr. P. ein. Dieser fand beim Kläger in Auswertung der vorhandenen Bildgebung vom Juni 2008 u. a. deutliche osteochondrotische Verschmälerungen der Bandscheibenräume C5/C6, C6/C7 sowie auch C7/Th1 und diagnostizierte in seinem Gutachten vom Juli 2009 u.a. ein HWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen mit leichter Funktionseinschränkung ohne radikuläre Ausfälle. Die festgestellten Veränderungen an der HWS ließen sich nicht auf die sicher nicht unerheblichen Tragebelastungen auf der Schulter (i.S. der BK 2109) zurückführen. Das Sozialgericht wies die auf Anerkennung einer BK 2108 gerichtete Klage mit bestandskräftigem Urteil vom 23.10.2009, gestützt auf das Gutachten von Dr. P. , ab.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Mannheim am 23.10.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung einer BK 2109. Gestützt auf die Angaben des Klägers erstellte der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten im Februar 2010 eine Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition (Bl. 10 ff. Bd. 4 Verwaltungsakte). Danach könne man für seine Tätigkeit als Bauhelfer unterstellen, dass er zu ca. 10% Lastgewichte von 50 kg und darüber hinaus auf der Schulter getragen habe. Weder habe der Kläger aber das Tragen von Lasten über 50 kg auf der Schulter in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten ausgeführt, noch könne diese Tätigkeit als Kerntätigkeit gewertet werden. Mit Bescheid vom 24.06.2010 und Widerspruchsbescheid vom 29.10.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung der BK 2109 hierauf gestützt ab. Deswegen hat der Kläger am 18.11.2010 Klage beim Sozialgericht Mannheim erhoben. Mit Gerichtsbescheid vom 26.10.2012 hat das Sozialgericht Mannheim die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat sich dabei auf das Gutachten des Dr. P. gestützt, soweit dieser darin einen wesentlichen Kausalzusammenhang zwischen den vom Kläger verrichteten Tätigkeiten und der bandscheibenbedingten Erkrankung der Halswirbelsäule verneinte.
Der Kläger hat gegen den ihm am 02.11.2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 03.12.2012 - einem Montag - Berufung eingelegt und einen Arztbericht des Radiologen Dr. E. über eine MRT-Untersuchung der Halswirbelsäule vom April 2014 (u.a. degenerative Veränderungen von C2/C3 bis C6/C7) sowie einen undatierten Arztbericht des Dr. V. , Orthopäde, der aus dem Jahr 1998 stammen soll (u.a. beginnende degenerative Veränderungen der HWS ohne nähere Angaben, Blockierung C5/C6), vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 26.10.2012 und den Bescheid vom 24.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2010 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihm eine BK 2109 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, die Erkrankung der Halswirbelsäule sei nicht wesentlich durch die berufliche Tätigkeit mitverursacht worden. Selbst wenn man die arbeitstechnischen Voraussetzungen als erfüllt unterstelle, spreche das Verteilungsmuster der Erkrankungen an der Halswirbelsäule gegen eine Ursächlichkeit der beruflichen Belastungen. So seien die bandscheibenbedingten Erkrankungen der Halswirbelsäule beim Kläger auf die Segmente C5/C6, C6/C7 und C7/Th1 beschränkt, während es an einer entsprechenden Erkrankung der oberen Segmente fehle. Damit bestehe bereits kein belastungskonformes Schadensbild.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (vier Bände), die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Gerichtsakte des Sozialgerichts Mannheim S 7 U 701/07 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144, 105 Abs. 2 Satz 1 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 24.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es ablehnte, die Erkrankung des Klägers als BK 2109 anzuerkennen. Denn das Vorliegen einer solchen BK ist beim Kläger nicht festzustellen.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VI begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Erkrankungen als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung durch Erlass der BKV Gebrauch gemacht. Zu den Berufskrankheiten zählen danach gem. Nr. 2109 der Anlage 1 zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der HWS durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Folge geltend gemachte Gesundheitsstörung - hier also eine bandscheibenbedingte Erkrankung - erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
In Anwendung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen der hier streitigen Berufskrankheit nicht vor. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK 2109 (langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter) erfüllt sind. Denn es ermangelt jedenfalls an einem im Rechtssinne wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers als Hilfsarbeiter bzw. Bauhelfer und den bei ihm vorliegenden Wirbelsäulenveränderungen.
Es fehlt bereits - wie die Beklagte zutreffend dargelegt hat - an einem belastungskonformen Schadensbild. Denn bei langjährig wiederkehrender Belastung der HWS durch das Tragen von schweren Lasten unter außergewöhnlicher Haltung des Kopfes sind gerade nicht nur die unteren Bewegungssegmente gefährdet (hierzu und zum Nachfolgenden Merkblatt des damaligen Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, BArbBl. 3/93, S. 53 ff., Abschnitt II). Zug- und Kompressionskräfte im Bereich der Wirbelgelenkfacetten i.V.m. Seitverbiegung und Verdrehung tragen vielmehr dazu bei, dass insbesondere oberhalb von C5/C6 bis zu C2/C3 degenerative Veränderungen zu beobachten sind, die in der Allgemeinbevölkerung weniger häufig anzutreffen sind.
Ein solches, von der Normalbevölkerung sich abhebendes, besonderes Verteilungsmuster der Bandscheibenerkrankungen lag beim Kläger noch im Juni 2008, zweieinhalb Jahre nach Aufgabe der Tätigkeit als Bauhelfer, als die von Dr. P. seiner Begutachtung zu Grunde gelegten Röntgenaufnahmen gefertigt wurden, nicht vor. Vielmehr fanden sich bandscheibenbedingte Erkrankungen im Bereich der Halswirbelsäule (nur) in den Segmenten C5/C6, C6/C7 und C7/Th1. Der vom Sachverständigen ausgewertete radiologische Befund wies deutliche osteochondrotische Verschmälerungen lediglich der Bandscheibenräume C5/C6, C6/C7 sowie C7/Th1 auf. Demgegenüber wurde im Bereich der oberen und mittleren Halswirbelsäule kein degenerativer Befund beschrieben.
Anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger vorgelegten undatierten Arztbrief des Dr. V ... Denn zum einen lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers dem dortigen Röntgen-Befund "HWS 2 Eb.: Hyperlordose, beg. degen. Veränderunge." schon nicht entnehmen, in welchem Bereich der Halswirbelsäule Dr. V. diese beginnenden degenerativen Veränderungen feststellte. Zum anderen verneinte Dr. V. in einem in den Verwaltungsakten befindlichen Arztbericht vom 06.05.1998 (Bl. 28 Bd. 1 VA) - also demselben Jahr, aus dem der vom Kläger vorgelegte Bericht stammen soll - bei ansonsten identischer Diagnose und Befunderhebung auf Grundlage des Ergebnisses einer Röntgenuntersuchung wesentliche degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule.
Es fehlt somit an den im Merkblatt (a.a.O.) geforderten, dem Lebensalter vorauseilenden Erkrankungen im Bereich der höheren Segmente der Halswirbelsäule, die indes nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die zur Aufnahme der BK 2109 geführt haben, bei einer beruflich bedingten Verursachung zu erwarten sind. Demgemäß sind die Veränderungen der Halswirbelsäule nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Erwerbstätigkeit des Klägers, sondern auf die auch unter der nicht beruflich exponierten Normalbevölkerung nicht unübliche Degeneration in diesen Wirbelsäulenbereich zurückzuführen. Dieses Ergebnis, nämlich dass beim Kläger - wie bereits Dr. P. in seinem Gutachten für das Sozialgericht im Verfahren S 7 U 701/07 dargelegt hatte - keine Wahrscheinlichkeit für eine Verursachung der degenerativen Prozesse durch die berufliche Belastung besteht, wird durch den vom Kläger vorgelegten Arztbericht des Radiologen Dr. E. vom April 2014 bestätigt. Danach finden sich zwar nunmehr auch im Bereich der oberen und mittleren Halswirbelsäule radiologisch nachweisbare degenerative Veränderungen. Das Auftreten degenerativer Veränderungen in einem Bereich, der im Jahr 2008 noch keine röntgenologisch nachweisbare Schädigung aufwies, annähernd neun Jahre nach Beendigung jedweder körperlich belastender Tätigkeit, legt indes eine anlagebedingte Ursache nahe und spricht damit zusätzlich gegen eine berufliche Verursachung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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