L 2 U 57/13

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 23 U 165/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 57/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Feststellung einer MdE unt 20 v. H. in einem Bescheid der Sozialversicherung der DDR erwächst nicht in Bestandskraft.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Leipzig vom 09.September 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger beansprucht die Gewährung einer Verletztenrente als Stützrente auf Grund eines bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfalls vom 07.09.1987, der bei der staatlichen Versicherung der DDR als Arbeitsunfall anerkannt und mit einer MdE von 10 v. H. festgestellt war.

Der am 1965 geborene Kläger erlitt am 7. September 1987 als Beschäftigter der Produktionsgenossenschaft des Handwerks A B in E einen Wegeunfall, bei dem er sich primär eine isolierte Innenknöchelfraktur links zuzog. Er war mit seinem Moped auf dem Weg zu einer Baustelle, als ein PKW die Vorfahrt verletzte. Am 16. September 1987 zeigte die Röntgenkontrolle eine Innenknöchelfraktur mit 1 mm einsehbarem Frakturspalt ohne Verschiebung. Nach Gipsabnahme am 29. Oktober 1987 zeigte die Röntgenkontrolle die Innenknöchelfraktur mit einer winzigen Abkippung nach taluswärts durchbaut. Bei einer Untersuchung am 5. Dezember 1987 betrug die Beweglichkeit dorsal zur Plantarflexion links 10/0/45° und rechts 20/0/60°. In einer Begutachtung am 12. Dezember 1988 wurde ein Körperschaden von 10 % eingeschätzt. Die Staatliche Versicherung der DDR erließ unter dem 23. Dezember 1988 einen "Bescheid über Ihren Leistungsanspruch zum Unfallschaden", wonach das auf Grund des Unfalls vom 7. September 1987 eingeholte ärztliche Gutachten einen unfallbedingten Körperschaden von 10 % bestätigte. Dieser dauernde Körperschaden wurde anerkannt.

Wegen der Mitteilung von Ermittlungen zu einem anderen Arbeitsunfall durch die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (vgl. den Rechtsstreit L 2 U 168/10) nahm die Beklagte die Ermittlungen zum Vorliegen eines (Stütz-)Rententatbestandes auf. Die Beklagte zog verschiedene Behandlungsunterlagen bei. Darunter befand sich insbesondere ein Bericht über eine vom 23. November bis zum 2. Dezember 1995 erfolgte stationäre Behandlung im P -Krankenhaus L unter der Diagnose "Verdacht auf Zustand nach Morbus Schlatter, chronisch entzündete Bursa Infrapatellaris links". Dabei wurde darauf hingewiesen, dass seit 14 Jahren Beschwerden im Bereich der linken Tuberositas tibia mit einem rezidivierenden Anschwellen bestünden. Bei einer Operation wurde ein unter dem Ligamentum patellae liegender Schleimbeutel entfernt. In den Jahren 1998 und 2002 erfolgten zwei weitere operative Eingriffe am linken Schienbeinkopf.

Auf Veranlassung der Beklagten erstellte Prof. Dr. G unter dem 18. Februar 2007 ein erstes Rentengutachten. Die Beweglichkeit im linken oberen Sprunggelenk wurde als minimal eingeschränkt beschrieben; die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk betrug links Heben zu Senken des Fußes 20 – 0 – 40° und rechts 30 – 0 – 40°. Die Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk und in den Zehengelenken war frei; der Umfang im Bereich der Knöchelgabel war links um 0,5 cm vermehrt. Als Unfallfolgen seien eine minimale Einschränkung der Gang- und Standfähigkeit des linken Beines, eine minimale Minderung der Kraft des linken Beines infolge Muskelminderung, eine minimale Einschränkung der Beweglichkeit des linken Sprunggelenkes sowie röntgenologische Veränderungen und glaubhafte Beschwerden anzuerkennen, woraus eine MdE von unter 10 % folge.

Mit Bescheid vom 3. April 2007 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2007 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab, weil nach den gutachterlichen Feststellungen von Prof. Dr. G keine messbare MdE verblieben sei. Eine Bindung an die Feststellung des Körperschadens durch die Staatliche Versicherung der DDR bestehe nicht, da es sich insoweit um die Feststellung einer privaten Versicherung und nicht um ein Anerkenntnis der Sozialversicherung handele. Insoweit habe auch nicht der Nachweis einer wesentlichen Änderung hinsichtlich des von der Staatlichen Versicherung der DDR anerkannten Körperschadens geführt werden müssen.

Mit der hiergegen am 13. November 2007 zum SG Leipzig erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass eine Bindung an die Feststellung des Körperschadens durch die Staatliche Versicherung der DDR bestehe. Der Gutachter Prof. Dr. G habe überdies die vom Kläger geschilderten Schwellungsneigungen und Schmerzen nicht hinreichend gewürdigt. Ebenso wenig sei geprüft worden, inwieweit eine Kausalität zwischen der Sprunggelenksverletzung links und den Beschwerden im Kniebereich vorliege. Außerdem beschreibe er eine Verletzung des Außenknöchels. Tatsächlich sei der Innenknöchel betroffen.

Das SG Leipzig hat den Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. U mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, das er am 01.12. 2008 erstattete. Die verbliebenen Unfallfolgen in Gestalt einer Bewegungseinschränkung des oberen und unteren Sprunggelenks links sowie einer leichten Weichteilschwellung der Knöchelregion links schätzt er als eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 % ein. Er hat die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk links mit 10 – 0 – 30° und rechts 20 – 0 – 40°, die Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk links mit 3/4 und rechts 1/1, den Umfang 20 cm oberhalb des inneren Kniegelenksspaltes links um 2 cm und 10 cm oberhalb links um 1 cm vermindert, den Umfang in der Kniescheibenmitte links um 2 cm vermindert und 15 cm unterhalb des inneren Kniegelenksspaltes links um 1 cm vermehrt, den kleinsten Unterschenkelumfang links um 2 cm vermehrt und den Knöchelumfang links um 1 cm vermehrt festgestellt.

Der Beratungsarzt der Beklagten Prof. Dr. K hat in seiner Stellungnahme vom 12. 03.2009 zu den Bewertungen angemerkt, es sei biomechanisch nicht nachvollziehbar, dass sich nach einer nicht verschobenen 20 Jahre alten Innenknöchelfraktur ohne Entwicklung einer posttraumatischen Arthrose eine Bewegungseinschränkung des unteren Sprunggelenkes zwischen dem 20. und 22. posttraumatischen Jahr ausbilde. Für die signifikante Differenz der Bewegungsmaße zwischen Prof. Dr. G und Dr. U gebe es keine Erklärung. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27.04.2009 hat der Sachverständige Dr. U an seiner MdE-Einschätzung festgehalten und wies zur Begründung darauf hin, dass am Ende der unfallbedingten Behandlung am 16.11.1987 die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk noch erheblich mit 0 – 0 – 30° eingeschränkt und damit zu rechnen gewesen sei, dass es nicht wieder zu einer völligen Wiederherstellung komme.

Schließlich ist durch das Gericht Chefarzt Dr. D mit der Erstellung eines neuerlichen chirurgischen Gutachtens beauftragt worden, das er am 15.09.2009 erstattete. Der Sachverständige hat zunächst eine minimale Bewegungseinschränkung im linken oberen Sprunggelenk für das Heben des Fußes von 5° im Vergleich zu rechts bei seitengleich möglicher Fußsenkung erhoben. Eine Weichteilschwellung oder Umfangsvermehrung habe sich nicht gefunden. Die aktuelle Röntgenuntersuchung zeige eine gut ausgeheilte Innenknöchelfraktur ohne auffällige Verschleißerscheinungen des Gelenkes und ohne Achsenabweichung. Die Beschwerden im Bereich des Kniegelenkes habe der Kläger bereits als Jugendlicher angegeben und auch während des stationären Aufenthaltes 1995 im P -Krankenhaus L sei darauf hingewiesen worden, dass bereits seit 14 Jahren Beschwerden mit rezidivierendem Anschwellen vorgelegen hätten. Unzweifelhaft seien daher die entzündlichen Veränderungen am linken Schienbeinkopf und die entsprechenden Beschwerden bereits vor dem Unfallereignis vorhanden gewesen. Zum anderen könnten entzündliche Knochenveränderungen entfernt vom Innenknöchel im Bereich des linken Kniegelenkes nicht durch einen geschlossenen Bruch verursacht worden sein. Allenfalls wäre ein Keimeintritt mit einer Knochenentzündung bei Streuung über den Blutweg nur bei einer offenen Fraktur denkbar. Auch sei der Knöchelbruch in anatomischer Stellung ohne Beinverkürzung verheilt, so dass keine statischen Veränderungen mit Auftreten von Gelenkveränderungen in anderen Gelenken des linken Beines aufgetreten sein könnten. Die entzündlichen Knochenveränderungen im Bereich des linken Kniegelenks seien daher unzweifelhaft als unfallunabhängiger Befund einzuordnen. Unfallabhängig sei eine geringfügige Einschränkung der Beweglichkeit im linken oberen Sprunggelenk für das Heben des linken Fußes sowie eine Berührungs- und Belastungsschmerzhaftigkeit am Innenknöchel. Die hieraus resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit sei ohne Zweifel mit unter 10 % einzuschätzen, da nach den MdE-Erfahrungswerten eine Versteifung des vorderen unteren Sprunggelenkes mit 10 %, eine Versteifung des unteren Sprunggelenkes mit 15 % und eine Sprunggelenksfraktur, in guter Stellung unter Erhaltung der Knöchelgabel ohne Funktionseinbußen verheilt, mit 0 bis 10 % bewertet würden. Eine gut verheilte Innenknöchelfraktur fast ohne Bewegungseinschränkung und ohne postoperative Narben sei im Vergleich mit anderen, auch gut verheilten Sprunggelenksfrakturen als minderschwerer Verletzungszustand einzuschätzen, welcher mit 0 bis unter 10 % einzuordnen sei.

Das SG Leipzig hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 09.09.2010 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: " Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Verletztenrente auf Grund des Unfalls vom 7. September 1987 abgelehnt. Hinsichtlich der Feststellung einer Rente einschließlich der ihr zu Grunde liegenden MdE richtet sich das anzuwendende Recht nach § 215 Abs. 6 SGB VII. Danach sind für die Feststellung und Zahlung von Renten bei Versicherungsfällen, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind, § 1154 RVO in der am Tag vor Inkrafttreten des SGB VII geltenden Fassung weiter anzuwenden mit der Maßgabe, dass an die Stelle der dort genannten Vorschriften der RVO die §§ 56 und 81 bis 91 SGB VII treten. Nach § 1154 Abs 1 Satz 2 RVO ist für Arbeitsunfälle, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind, für die Bemessung des Körperschadens § 581 RVO (seit dem 1. Januar 1997 § 56 SGB VII) anzuwenden, wenn entweder Renten nach dem 31. Dezember 1991 erstmals festgestellt werden (Nr. 1) oder wenn bei vor dem 1. Januar 1992 festgestellten Renten wegen der Bewertung des Körperschadens oder einer den Körperschaden betreffenden wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eine neue Feststellung beantragt wird oder von Amts wegen vorgenommen wird (Nr. 2 Halbsatz 1). Vorliegend ist für die Bemessung des Körperschadens § 56 SGB VII ohne Bindung an vorherige Feststellungen der Einrichtungen der DDR anzuwenden, weil die Beklagte erstmals eine Rente festzustellen hatte. Dies lag freilich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht daran, dass die Staatliche Versicherung der DDR im vorliegenden Fall als privates Versicherungsunternehmen tätig geworden ist. Zwar war die Staatliche Versicherung der DDR vorrangig die staatliche Einrichtung für die Sach-, Haftpflicht- und Personenversicherung (und damit nach heutigem Verständnis ein privates Versicherungsunternehmen), daneben war sie jedoch auch Träger der Sozialversicherung in der DDR für einen bestimmten Personenkreis, darunter für Mitglieder der sozialistischen Produktionsgenossenschaften des Handwerks nach Maßgabe des § 1 Buchst. c) der Verordnung über die Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik vom 9. Dezember 1977 (GBl. 1978 I, Nr. 1, Seite 1). Da der Kläger zum Unfallzeitpunkt Mitglied der Produktionsgenossenschaft des Handwerks A B war, hat die Staatliche Versicherung der DDR insoweit als zuständige Stelle der Sozialversicherung entschieden. Allerdings hat sie nur einen Körperschaden in Höhe von 10 % festgestellt. Es kann dahinstehen, ob dies die Entscheidung über die Ablehnung eines Rentenantrages oder eine Benachrichtigung zivilrechtlicher Art darstellte, die mit der Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers (§§ 267 bis 273 des Arbeitsgesetzbuches der DDR) und einer darauf beruhenden Haftpflichtversicherung bei der Staatlichen Versicherung der DDR zusammenhing (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 5. März 2002 – B 2 U 4/01 R). Entscheidend ist allein, dass mit diesem Bescheid zwar der unfallbedingte Körperschaden bewertet wurde, es jedoch an einer "vor dem 1. Januar 1992 festgestellten Rente" im Sinne des § 1154 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HS 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) fehlt. Eine Rente ist nämlich nach dem Wortlaut des Bescheides der Staatlichen Versicherung der DDR gerade nicht zugesprochen worden und konnte auch nicht zugesprochen werden, da ein Anspruch auf Unfallrente erst bestand, wenn durch den Arbeitsunfall ein Körperschaden von mindestens 20 % entstanden ist (§ 23 Abs. 1 der Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung – Rentenverordnung – vom 23. November 1979 (GBl. I Nr. 43 S. 401 f)). Jedenfalls aus diesem Grunde bemisst sich die MdE-Feststellung alleine nach § 56 SGB VII, ohne dass eine Bindung an die Feststellung der Staatlichen Versicherung der DDR bestand. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalls - hier eines Arbeitsunfalls - über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Bei der Bemessung der MdE werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen in Folge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden (§ 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII). Die Bemessung des Grades der MdE wird vom BSG in ständiger Rechtsprechung als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. etwa Urteil vom 2. Mai 2001 - B 2 U 24/00 R - SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S 36 m.w.N.). Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG, a.a.O.) Hinsichtlich der Bemessung der unfallbedingten MdE folgt das Gericht den in jeder Hinsicht überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. D , die sich im Wesentlichen mit denen des im Verwaltungsverfahren tätig gewordenen Sachverständigen Prof. Dr. G decken. Die Bewertung von Dr. U vermochte das Gericht hingegen nicht nachzuvollziehen, da hinsichtlich der erhobenen Bewegungsmaße nicht nachvollziehbare Differenzen zu allen anderen seit dem Unfallzeitpunkt erhobenen Maßen aufgetreten sind und die MdE-Erfahrungswerte nicht oder nur unzureichend berücksichtigt wurden. In Übereinstimmung mit Dr. D geht das Gericht vielmehr zunächst davon aus, dass die entzündlichen Knochenveränderungen im Bereich des linken Kniegelenkes unzweifelhaft als unfallunabhängiger Befund einzuordnen sind, da diese bereits deutlich vor dem Unfallereignis symptomatisch waren und angesichts der Geschlossenheit des Bruches wie auch seiner Ausheilung in anatomisch korrekter Stellung ohne Beinverkürzung nicht auf das Unfallgeschehen zurückführbar sind. Die verbliebenen Funktion- und Bewegungseinschränkungen hat der Sachverständige unter Abgleich mit den MdE-Erfahrungswerten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2009, Seite 678/679) zutreffend mit unter 10 v.H. beurteilt. Hinzuweisen ist insbesondere darauf, dass bereits ein in guter Stellung unter Erhaltung der Knöchelgabel verheilter Sprunggelenksverrenkungsbruch nur mit einer MdE von 0 bis 10 % (a.a.O., Seite 678) bewertet wird und die beim Kläger vorliegende eine isolierte Innenknöchelfraktur diesem Sprunggelenksverrenkungsbruch bei weitem nicht entspricht. Die geringfügigen Bewegungseinschränkungen wie sie zuletzt von Dr. D dokumentiert worden sind und wie sie in Übereinstimmung mit den von Prof. Dr. G erhobenen Bewegungsmaßen stehen, rechtfertigen keine Bewertung der MdE mit 10 v.H. oder mehr."

Gegen den am 15.09.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit Fax vom 15.10.2010 Berufung eingelegt. Er ist der Meinung, dass die Ergebnisse des Gutachtens von Dr. U überzeugend sind und der Beurteilung zu Grunde gelegt werden müssen. Der Sachverständige habe sich ebenfalls auf die MdE-Erfahrungswerte gestützt. Warum deren Berücksichtigung im Gutachten von Dr. D als allein zutreffend angesehen würde, lasse sich aus den Ausführungen des SG Leipzig nicht erkennen. Außerdem seien Beklagte und auch das Gericht an die Bemessung der MdE im Bescheid der staatlichen Versicherung gebunden. Auch nach dem Recht der DDR sei es möglich gewesen, Stützrenten zu gewähren.

Der Kläger beantragt, 1. den Gerichtsbescheid des SG Leipzig vom 09.09.2010 aufzuheben; 2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auf Grund des Arbeitsunfalles vom 07.09.1987 unter Änderung des&61472;&61506;escheides vom 03.04.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2007 eine Verletztenrente in Form einer Stützrente ab dem 22.01.2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Begründung des Gerichtsbescheides in jeder Hinsicht für zutreffend.

Im Hinblick auf Begutachtungen im parallel laufenden Verfahren L 2 U 168/10 ist dieses Verfahren zeitweise ruhend gestellt worden. In diesem Verfahren ging es um die Gewährung einer Rente nach einem anerkannten Arbeitsunfall vom 22.07.2004. Im Verfahren L 2 U 168/10 wurde nunmehr die Berufung vom Kläger zurückgenommen, nachdem dort die beklagte BG unter Bezugnahme auf ein durch den Senat eingeholtes Gutachten eine derzeit bestehende MdE von 10 v. H. anerkannt hatte.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakten und Verwaltungsakten in diesem Verfahren und im Verfahren L 2 U 168/10 verwiesen, die dem Senat vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG Leipzig vom 09.09.2010 ist unbegründet. Der Gerichtsbescheid und der angegriffene Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 07.09.1987 keinen Anspruch auf eine Verletztenrente, auch nicht in Form einer Stützrente, denn die verbliebenen Einschränkungen führen nicht zu einer MdE von mindestens 10 v. H., § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII. Die Beklagte ist auch nicht an die MdE-Angabe im Bescheid der Staatlichen Versicherung vom 23.12.1988 gebunden.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die zutreffende Begründung des angegriffenen Gerichtsbescheides verwiesen, § 153 Abs. 2 SGG. Ergänzend wird ausgeführt, dass im Gutachten von Prof. Dr. G tatsächlich eine Verletzung des linken Außenknöchels genannt ist. Die Verletzung war nach den Unterlagen am Innenknöchel. Darauf kommt es aber am Ende nicht an, denn wesentlich für das Urteil ist die Beurteilung von Dr. D. Diese Beurteilung wird durch die von Prof. Dr. G erhobenen Bewegungsausmaße gestützt, die nicht von der Lokalisation der Verletzung abhängen.

Die gegen die Gutachten vorgetragenen Argumente sind nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit insbesondere des Gutachtens von Chefarzt Dr. D zu wecken. Er beschäftigt sich ausführlich mit den Erfahrungswerten, betrachtet die Einschränkungen im Vergleich mit mehreren ausdrücklich bewerteten Verletzungen. Dr. U nimmt "nur" einen Erfahrungswert als Ausgangspunkt, der auch nach der Feststellung des Senats nicht als Vergleich dienen kann. Einschränkungen im unteren Sprunggelenk sind nicht überzeugend dargestellt. Keiner der weiteren Sachverständigen oder Behandler hat derartige Einschränkungen festgestellt.

Zutreffend begründet ist durch das SG Leipzig auch, dass die Feststellung einer MdE von 10 v.H. durch die staatliche Versicherung der DDR nicht in Bestandskraft erwachsen ist. Zu der richtig hergeleiteten Begründung, dass nach den genannten Vorschriften des Rentenüberleitungsrechts nur der Verfügungssatz von Verwaltungsakten der DDR bestandskräftig geworden ist, die eine Rente gewähren, ist ergänzend auch auf die Rechtslage in der DDR hinzuweisen.

Nach der Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung –Rentenverordnung- vom 23.11.1979 (GBl. I S. 401 ff.) besteht nur eine Rechtsgrundlage für die Gewährung von Unfallrenten in § 23. Eine Rechtsgrundlage für die Feststellung eines geringeren Körperschadens ohne Gewährung einer Rente besteht nicht. Nach § 23 Rentenverordnung kann übereinstimmend mit den früheren Regelungen der RVO nur eine Rente gewährt werden, wenn ein Körperschaden von mindestens 20% auf Grund eines oder mehrerer Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten entstanden ist. In dem angeführten Bescheid der staatlichen Versicherung ist gerade keine Rente gewährt, so dass die Feststellung eines Körperschadens von (nur)10% gerade auch die Begründung dafür ist, warum keine Rente bewilligt wird. Überdies ist die Argumentation des Klägers zu möglichen Stützrenten nach den Vorschriften der DDR nicht zutreffend. Die genannte Vorschrift lässt nicht Stützrenten im Sinne der RVO oder des SGB VII zu. Vielmehr sind Einschränkungen nach den einzelnen Unfällen und/oder Berufskrankheiten durch den Gutachter zusammenzurechnen. Wird ein Körperschaden von mindestens 20% erreicht, ist eine Rente zu gewähren.

Eine Bindung an die Feststellung eines Körperschadens von 10% besteht auch nach den Vorschriften des Rechts der Bundesrepublik Deutschland nicht. Auch wenn in einem Bescheid einer gesetzlichen Unfallversicherung der Bundesrepublik Deutschland neben der Ablehnung einer Rentengewährung ausdrücklich eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 20 v. H. benannt ist, nimmt dieser Verfügungssatz des Bescheides nicht an der Bestandskraft teil (vgl. zuletzt Urteil des 2. Senats des BSG vom 22.06.2004, B 2 U 36/03 R m.w.N., zitiert nach juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war zuzulassen, da noch keine höchstgerichtliche Entscheidung dazu vorliegt, welche Teile eines Verwaltungsaktes der DDR nach der genannten Vorschrift des Einigungsvertrages in Bestandskraft erwachsen können, § 160 Abs. 2 SGG.

Dr. Scholz Korneli Schmidt
Rechtskraft
Aus
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